0.12 — Existiert in meinem Kopf eine Struktur, die einem Zufallsgenerator ähnlich ist? — stop
Aus der Wörtersammlung: ich
libellen
15.11 — Ich sitze bei großer Hitze von Büchern umgeben seit Stunden bereits auf dem hölzernen Boden meines Arbeitszimmers. Lese da eine kleine Geschichte und dort einen Absatz und hier eine Zeile und mische im Kopf und warte, bis sich alles wieder voneinander absetzt. Gleich werde ich Wong Kar Wais < 2046 > auflegen. Jetzt leichter Regen, die Fenster geöffnet. Dutzende Falter, die sich, nach Licht süchtig, wieder und wieder in den Bildschirm stürzen. Ich sollte mir zwei kraftvolle Libellen halten. — stop
trambahn
1.15 — Das Glühbirnenlicht alter Straßenbahnen, verlorenes Licht. — stop
unschärfe
0.26 — Jedes Erzählen, jedes Lesen scheint ein Vorrücken in einer Zeit zu sein, in der ich selbst gehalten bin wie ein Fisch im Wasser gehalten ist. Immer, auch dann, wenn es um Jahre zurückgeht im Text, liegt die wahrzunehmende Vergangenheit bis zu einem letzten Punkt je um ein Zeichen, um ein Wort, um Zeilen oder Seiten später, das heißt in der Zukunft. — stop
nebelhorn
1.28 — Gestern Abend in der Dämmerung bin ich durch den Regen gestapft, weil ich gelesen hatte, auf dem Postamt würde ein Paket auf mich warten. Ich ging also los mit meinem Regenschirm, der sehr schöne Geräusche macht, wenn Wasser aus großer Höhe auf ihn herabfällt. Und weil es sehr windig war, musste ich den Schirm etwas schräg vor mich stellen, wie einen Schild vielleicht, deshalb habe ich von den Menschen, die mir begegneten, nur Schuhe gesehen oder Beine in Strümpfen oder Hosen oder flatternde Mäntel. Sehr seltsam, dieser exquisite Blick auf die Werkzeuge des Gehens, sehr seltsam, wie schnell menschliche Wesen sich doch bewegen. Bald war ich wieder auf dem Weg zurück, ein Paket unter dem Arm, den Schirm nun, ein Segel, im Nacken, Blick auf feuchte Schilde, die sich mir entgegenstemmten, darunter Artgenossen, geräuschlos. — Aber jetzt zu dem, was ich eigentlich erzählen will. Auf meinem Schreibtisch ruht seit sechs Stunden ein fein gestaltetes Buch von rauem, kräftigem Papier, ein Buch, das mit dem Schiff zu mir über den Atlantik reiste, weswegen es fünf Wochen unterwegs gewesen war, in einem Container vermutlich bei Wind und Wetter, also rollte und übers Wasser schlingerte, auf und ab getragen von sehr hohen und kleineren Wellen. Ich habe lange Zeit auf dieses Buch gewartet, eine sehr lange Zeit. Als ich zu warten begann, war noch Sommer gewesen und jetzt ist schon Winter geworden. Nun endlich liegt das kleine Buch, das von den Zwillingen Daisy und Violet Hilton erzählt, auf meinem Schreibtisch oder in meiner Küche oder auf meinem Sofa oder auf meiner Brust, wenn ich trotz der Begeisterung kurz einmal eingenickt sein sollte. Da ist eine Bewegung im Halbschlaf, ein kaum wahrnehmbares Schaukeln. Und da sind zwitschernde Mädchenstimmen, und das Nebelhorn eines Dampfers vor Brighton. — stop
felix fénéon
2.15 — Immer wieder fällt etwas zu mir herein und ich kann nicht sagen, warum gerade dieses und warum gerade jetzt. Vorhin habe ich an Felix Fénéon gedacht. Ich geh zum Regal und suche in seinem Buch der 1001 wahren Geschichten. Da ist eine Geschichte, die Geschichte No 81 aus dem Jahr 1906 zum Beispiel: Mit einem Rattenschwanz versehen und zur Täuschung mit feinem Grus gefüllt, wurde ein Zylinder aus Weißblech in der Rue de l’Quest gefunden. Einhundert Jahre später, eine friedliche Nacht angenehm kühler Luft. Ich stelle mir Hunderte schlafender Köpfe vor, die in meiner Nähe in ihren steinernen Waben liegen. Wie still sie sind in dieser Lage. — stop
hemingway
7.05 — Unter einem Ahornbaum eine Hütte. Räume, so niedrig, dass ich mich, als ich eintreten will, bücken muss. Ein Tisch, auf dem ein Glas Milch steht, das dampft. Eine Katze schläft auf dem Tisch neben einer Gruppe scharf angespitzter Bleistifte von gelbem Holz. Ernest Hemingway, kaum höher als 150 cm, betritt den Raum. Er setzt sich an den Tisch und beginnt mit einem der Bleistifte in die Luft zu schreiben: Das merkwürdige Leuchten, das die Sonne jetzt, da sie höher steht, im Wasser hervorruft, und auch die Formen der Wolken über dem Festland bedeuten gutes Wetter. Aber der Vogel ist jetzt nahezu außer Sicht und nichts zeigt sich auf der Oberfläche des Wassers außer einige Stellen von gelbem, sonnengebleichtem Saragossatang und der violett schillernden, gallertartige Blase einer Portugiesischen Galeere, die dicht neben dem Boot treibt. Sie legt sich auf die Seite und richtet sich auf. Sie treibt munter, wie eine Luftblase dahin, mit ihren gefährlichen Nesselfäden, die beinahe einen Meter weit hinter ihr durchs Wasser ziehen. — Leichter Regen. — stop
zeitspulen
tunnel
16.24 — Eine Geschichte von einer erfundenen Fotografie aus erzählen. Ich könnte eine Umgebung der Fotografie komponieren, eine erzählte Fotografie in einer erzählten Fotografie. Nehmen wir an, in jeder dieser erzählten Fotografien wäre eine weitere Fotografie zu finden, dann würde ich von Fotografie zu Fotografie, ich würde durch Tunnels der Zeit erzählen. – Ich vermag durch die reine Überlegung des Schnees nicht wirklich den Eindruck von Kühle erzeugen. — stop
schneelicht
15.27 — Heute Schneelicht. — Wie weit wir in den Weltraum leuchten. — stop