Aus der Wörtersammlung: schreibmaschine

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denkbar

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marim­ba : 22.45 — Wenn einer schreibt in sei­ner Wut, dass er den ein oder ande­ren Men­schen ger­ne ver­trei­ben oder schla­gen oder pfäh­len wür­de, wür­de er in der Wirk­lich­keit jen­seits der Com­pu­ter­schreib­ma­schi­ne vor sei­nem Haus nicht sofort tun, was er beschrieb. Aber viel­leicht, wenn vie­le Men­schen schrei­ben, dass sie den ein oder ande­ren Men­schen ger­ne ver­trei­ben oder schla­gen oder pfäh­len wür­den, und er das liest und sich selbst wie­der­holt, wird er sich viel­leicht bald stau­nend bei der Pfäh­lung eines Men­schen beob­ach­ten, einer Hand­lung, die ihm kurz dar­auf schon selbst­ver­ständ­lich und rich­tig vor­kom­men wird. Das ist denk­bar. — stop

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ponge

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alpha : 20.05 UTC — Die Gegen­stän­de eines Men­schen berüh­ren: Einen Stuhl, einen Schreib­tisch, einen Füll­fe­der­hal­ter, einen Löf­fel. Ich erin­ne­re mich, in Fran­cis Ponge’s Kie­fern­wald lagen weder bota­ni­sche noch geo­gra­fi­sche Bücher. Oder einen Schal, ein Fie­ber­ther­mo­me­ter, einen Hand­schuh, ein Salz­fäss­chen, ein Buch, eine Post­kar­te, einen Kamm, einen Herz­schritt­ma­cher, eine Tee­tas­se, eine Schreib­ma­schi­ne, einen Foto­ap­pa­rat. Ein Haar — stop
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0.22 utc

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del­ta : 0.22 UTC — Eine mecha­ni­sche Schreib­ma­schi­ne, die die chi­ne­si­sche Spra­che zu buch­sta­bie­ren ver­mag, soll über etwa 3000 Zei­chen ver­fü­gen und 16 Kilo­gramm schwer sein. Eine wun­der­vol­le Vor­stel­lung. Wie lan­ge Zeit wür­de ich für Zei­chen­su­che benö­ti­gen, um auf ihr das Wort Belug­a­po­sau­ne zu for­mu­lie­ren? — stop
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prozedur

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kili­man­dscha­ro : 20.02 UTC – Am 1. Mai, stel­le ich mir vor, wird Mr. Heming­way (Name erfun­den) sei­ne Schreib­ma­schi­ne zer­le­gen, um jedes ihrer Ein­zel­tei­le zunächst zu säu­bern, zu betrach­ten und in fei­ne Maschi­nen­öle zu tau­chen. Eine zeit­auf­wen­di­ge Pro­ze­dur, größ­te Sorg­falt wird gebo­ten sein, denn die Schreib­ma­schi­ne ist kost­bar. Schon der Groß­va­ter, ein äußerst gebil­de­ter Mann, soll auf ihr notiert haben, wes­halb sie sozu­sa­gen mit­tels der Zei­chen, die sie auf aller­lei Papie­re drück­te, weit in der Welt her­um­ge­kom­men war. Wie nun prä­zi­se, fra­ge ich, wird Mr. Heming­way sei­ne Schreib­ma­schi­ne in ihre Ein­zel­tei­le zer­le­gen, wie wird er vor­ge­hen? Viel­leicht, indem er zunächst einen Plan ent­wi­ckeln wird, der ein­zel­ne Schrit­te der Zer­le­gung (Demon­ta­ge) der­art ver­zeich­net, dass sie spä­ter ein­mal in rück­wir­ken­der Art und Wei­se nach­voll­zo­gen wer­den könn­ten (Mon­ta­ge). Sehr vie­le Schräub­chen, Tas­ten, Zahn­rä­der wer­den zu berück­sich­ti­gen sein, 328 Tei­le ins­ge­samt. Wür­de nur eines die­ser Schräub­chen, Tas­ten oder Zahn­rä­der, zu Boden fal­len und ver­schwin­den, wäre es um die Schreib­ma­schi­ne gesche­hen, aus und vor­bei. Eine ris­kan­te Geschich­te. — stop

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taliban light

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romeo : 7.55 UTC — Im Traum wur­de ich von einer Tali­ban-Grup­pe gefan­gen. Ich ver­füg­te weder über Gepäck noch Papier, hat­te kei­ne Stif­te. Ich frag­te nach einer Schreib­ma­schi­ne. Wir wan­der­ten durch san­di­ges Gebiet. Ein­mal hiel­ten wir an, ich wur­de befragt, ich ant­wor­te­te nicht kor­rekt, wur­de mit leich­ten Hie­ben auf mei­ne Fuß­soh­len bestraft. Das sei erst der Anfang, hör­te ich, zuletzt wür­de ich ohne mei­ne Füße wei­ter­ge­hen. In einem klei­nen Laden in einer Höh­le ent­deck­te ich ein Regal mit Büchern in deut­scher, fran­zö­si­scher, eng­li­scher und rus­si­scher Spra­che. Man erklär­te, wenn ich eines der Bücher kau­fen wür­de, wür­de man mir das Buch sogleich wie­der abneh­men und zurück­stel­len ins Regal. Da waren im Traum noch Skor­pio­ne mit blau­en Augen, die vor­züg­lich schmeck­ten. — stop

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vom fehlenden oder ginkgo

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echo : 20.58 UTC – Notier­te auf der Schreib­ma­schi­ne im Zug und sah gar nicht hin, nicht auf den Bild­schirm, nicht auf mei­ne Hän­de. Ich schrieb eine hal­be Stun­de vor­an, ich schrieb schnel­ler und immer schnel­ler, ich dach­te, da war ein­mal ein Mann gewe­sen, mit einem Kin­der­wa­gen ohne Kind auf einem Bahn­steig am Flug­ha­fen. Weil ich mich wun­der­te über sei­nen Kin­der­wa­gen ohne Kind, beob­ach­te­te ich den Mann. Das war eine selt­sa­me Sache, ich schrieb: Wenn man sich über eine Per­son wun­dert, kann man nicht los­las­sen, man kann nicht sagen, ich beob­ach­te­te die­se Per­son bereits ges­tern, heu­te beob­ach­te ich die­se Per­son nicht noch ein­mal, man wird bemer­ken, man folgt der Per­son mit den Augen, ob man nun will oder nicht. Ich hat­te den Ein­druck, es han­del­te sich bei dem Mann um eine melan­cho­li­sche Per­son, um einen Vater viel­leicht, der am Flug­ha­fen auf ein Kind war­te­te, das nicht ankom­men wird, weil das Kind längst getö­tet wur­de von einem Stück Metall, wel­ches in Alep­po durch die Luft schleu­der­te von einem Vor­satz getrie­ben, näm­lich dem Vor­satz Men­schen umzu­brin­gen. Dann plötz­lich betrach­te­te ich mei­nen Bild­schirm und bemerk­te, dass der Buch­sta­be g mei­ner Tas­ta­tur nicht funk­tio­nier­te, dass den Wör­tern der Buch­sta­be g fehl­te, sobald er eigent­lich in Wör­ter hin­ein­ge­schrie­ben wer­den muss­te. Also schüt­tel­te ich mei­ne Schreib­ma­schi­ne so lan­ge, bis sich die G‑Taste mei­ner Tas­ta­tur aus ihrer Blo­cka­de lös­te, ich las mei­nen Text von vorn und füg­te feh­len­de Buch­sta­ben in die Wör­ter ein, sodass der Text selbst bald voll­stän­dig gewor­den war. — stop
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eine alte schreibmaschine

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alpha : 22.02 — Dach­te an eine Schreib­ma­schine, an eine beson­de­re Schreib­ma­schi­ne, an mei­ne digi­ta­le Schreib­ma­schi­ne, die jedes Zei­chen, das ich notie­re, im Moment der Spei­che­rung in eine Hiero­glyphe verwan­delt, sodass ich schrei­be einer­seits, also einen Text spei­chere, ander­seits nicht sofort wieder­ho­lend lesen kann, was ich für mich oder ande­re aufge­hoben habe. Schrei­ben. Den­ken. Auf dem Was­ser lau­fen. Eine vernünf­tige, das heißt, eine gute Schreib­ma­schine, ist nach wie vor mit dem Inter­net nie­mals ver­bun­den. — stop
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indien

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alpha : 8.52 UTC – Ein­mal plan­te ich, nach Indi­en zu rei­sen. Ich forsch­te nach Klei­dung, die wochen­lang nicht gewech­selt wer­den muss, Hem­den, Hosen, Schu­he, die alles das von sich wei­sen, was sie von innen oder außen her ver­schmut­zen könn­te. Dann noch ein eben­so rein­li­cher Ruck­sack auf dem Rücken, eine Schreib­ma­schi­ne, aller­lei Kärt­chen, eine Zahn­bürs­te. Ich wür­de gern mit einem Zug nach Indi­en fah­ren. — stop

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eine schreibmaschine : tasten

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del­ta : 8.26 UTC – Vor lan­ger Zeit beob­ach­te­te ich mei­nen Vater, wie er sei­ne mecha­ni­sche Schreib­ma­schi­ne zer­leg­te, um sie zu säu­bern und zu ölen. Ges­tern habe ich die­se Scheib­ma­schi­ne in einem Regal wie­der­ent­deckt. Das war ein inten­si­ver Moment des Vor­mit­ta­ges gewe­sen, nach­mit­tags hör­te ich in einem Zug eine frem­de Spra­che, ich ver­stand kein ein­zi­ges Wort, und doch schien mir die frem­de Spra­che ver­traut zu sein, als hät­te ich sie ein­mal gekonnt. Sind mecha­ni­sche Schreib­ma­schi­nen für jede exis­tie­ren­de oder gewe­se­ne Spra­che die­ser Welt vor­stell­bar? — stop

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ein name fern und nah

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echo : 18.55 — Im Schnell­zug saß eine jun­ge Frau. Als der Zug län­ge­re Zeit hal­ten muss­te, kamen wir ins Gespräch. Die jun­ge Frau sag­te, dass sie bewun­de­re, wie schnell ich auf mei­ner Schreib­ma­schi­ne mit den Fin­gern tip­pen kön­ne. Sie erwähn­te, dass sie in Sri Lan­ka gebo­ren wor­den sei, aber schon lan­ge in Euro­pa lebe. Tat­säch­lich hör­te ich kaum einen Akzent in ihrer Stim­me. Ich frag­te sie nach ihrem Namen. Wel­chen ihrer Namen ich wis­sen wol­le, erkun­dig­te sie sich, ihren euro­päi­schen, den Namen ihres Man­nes, der sich mit einem Bruch­teil ihres Geburts­na­mens ver­bun­den habe, oder eben den Namen ihrer Kind­heit? Mit einer scheu­en Hand­be­we­gung rief sie mei­ne klei­ne fla­che Schreib­ma­schi­ne zu sich her­über, nahm sie in ihre lin­ke Hand und begann mit ihrer rech­ten Hand Zei­chen um Zei­chen zu tip­pen. Sie sag­te: Ich schrei­be ihnen, wie ich in Sri Lan­ka als unver­hei­ra­te­te Frau geru­fen wur­de. Vor­sich­tig berühr­te sie mit einer Fin­ger­spit­ze die Tas­ta­tur auf dem Bild­schirm, es dau­er­te lan­ge Zeit, ehe sie fer­tig gewor­den war. Immer wie­der schien sie ihren Namen zu prü­fen, ob auch alles stimm­te. Kurz dar­auf las sie mir ihren Namen vor, ein schö­nes Geräusch in mei­nen Ohren. Dann gab sie mir mei­ne Schreib­ma­schi­ne zurück und ich buch­sta­bier­te mei­ner­seits Fol­gen­des vor­sich­tig nach: Mal­va­la Sri Brah­ma­na Rin­nay­a­ka Tann­ko­an Mydiu­an­sela­ge Langt Mahe­hi­ka Tann­ko­an Sana­ton­ga. Es war an einem Don­ners­tag gewe­sen, gegen 18 Uhr. — stop
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