Aus der Wörtersammlung: straßenbahn

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schuhwerk

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echo : 5.22 — Ein­mal war­te­te ich im Regen ste­hend auf eine Stra­ßen­bahn. Das war ein sehr ange­neh­mer, war­mer, nach Stei­nen duf­ten­der Regen, eine Art Regen, bei der ich an das Wort Mon­sun den­ke, wenn ich sei­ne Geräu­sche höre. Ich stand also im Regen und dach­te an das Wort Mon­sun, als genau um 22 Uhr und 18 Minu­ten die Stra­ßen­bahn, die ich erwar­te­te, vor mir hielt. Die Türen öff­ne­ten sich und ein Herr stieg aus der Stra­ßen­bahn, der eine Zigar­re rauch­te. Er trug einen grau­en Anzug, ein wei­ßes Hemd, eine hell­grü­ne Kra­wat­te, kei­ne Schu­he, aber Strümp­fe. Für einen kur­zen Moment, ich hat­te einen Fuß bereits in den Wag­gon der Stra­ßen­bahn gestellt, stand der Mann direkt neben mir. Ich sag­te: Sie haben kei­ne Schu­he an, mein Herr. So, erwi­der­te der Mann, blick­te dann erstaunt an sich her­ab, sah mir in die Augen und frag­te mit einer sehr hel­len Stim­me: War­um? — stop

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tabucchi

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tan­go : 1.15 – Ret­te­te am See zur Zeit der Abend­däm­me­rung eine Rau­pe, die sich dem Netz einer Klam­mer­spin­ne näher­te. Leg­te das küh­le, wei­che Tier in mei­ne lin­ke Hand und zähl­te mit dem Zei­ge­fin­ger der ande­ren Hand sech­zehn sehr kur­ze Bei­ne. Las dann wei­ter in Tabuc­chis Buch klei­ner Miss­ver­ständ­nis­se. Sehr schö­ne ers­te Sät­ze gefun­den. Wie die Din­ge so lau­fen. Und was sie lenkt. Ein Nichts. Manch­mal beginnt es mit einem Nichts, mit einer Phra­se, die sich in die­ser, die sich in die­ser rie­si­gen Welt vol­ler Phra­sen, Din­ge und Gesich­ter ver­liert, in einer gro­ßen Stadt wie die­ser, mit ihren Plät­zen, der U‑Bahn, den Men­schen, die aus dem Büro has­ten, den Stra­ßen­bah­nen. — stop
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déjà-vu

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15.08 — In der schwan­ken­den Stra­ßen­bahn höre ich, wie sie mit bren­nen­den Augen nach Wor­ten suchen für das schep­pern­de Licht des Magne­si­ums, für das Fau­chen der ben­ga­li­schen Feu­er, die sie in Hän­den gehal­ten haben. Da ist eine Nacht­se­kun­de, die Sekun­de, in der sie das rote, das ver­bo­te­ne Stäb­chen ent­zün­det und gera­de noch eben recht­zei­tig von sich gewor­fen haben, da ist das Heu­len der chi­ne­si­schen Pul­ver­pfei­fen, da sind Fun­ken­re­gen, da sind blau­graue Wölk­chen, die sich auf klei­ne Zun­gen nie­der­le­gen. Nicht die Feu­er­blu­men des Him­mels, das Spek­ta­kel der nächs­ten Nähe ent­fes­selt die Erin­ne­rung von Stun­de zu Stun­de. Zünd­höl­zer, ver­bor­gen in Hosen­ta­schen, sind zurück­ge­blie­ben, auch die­ses Schwe­fel­holz, eine heim­li­che Geschich­te. — stop

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china

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0.20 — Im Win­ter nach Ber­lin, immer im Win­ter, immer nachts, im Wes­ten ein lang­sam fah­ren­der Zug hin­ter Bebra. Dann Gren­ze. Ein Pos­ten. Tür­me. Metall. Und Licht. Gel­bes Licht, demo­lier­tes Licht. Und Hun­de, jawohl, Hun­de. Dann Osten. Von Stadt zu Stadt durchs unbe­kann­te Land. Auf Bahn­stei­gen : Volks­po­li­zei, Rücken zum Zug, Wachen oder so etwas, in den Abtei­len mit Stem­pel, mal freund­lich, mal fins­ter, mal kühl. Dann wie­der Gren­ze. War­ten. Ran­gie­ren. Demo­lier­tes Licht. Irgend­je­mand schlägt von unten her mit Metall gegen den Boden des Zuges. Hun­de. Dann Wes­ten. Herrn in Zivil, Staats­schutz, von Abteil zu Abteil. Dann Zoo. Wenn man so, immer nachts, reist, kaum Kennt­nis vom Land, durch das man kommt, sagt man, das riecht hier anders, das riecht hier nach Koh­le. Man steht an einem Fens­ter in die­sem Zug, der war­tet in Hal­le. Es ist gegen fünf in der Früh und man weiß, man darf nicht aus­stei­gen, man weiß, die Ande­ren auf den Bahn­stei­gen jen­seits der Pos­ten, jen­seits der Gelei­se, dür­fen nicht ein­stei­gen, man weiß, Schüs­se könn­ten fal­len. Die da drau­ßen her­um­ste­hen, die aus dem Mund damp­fen, die von der Mor­gen­schicht in Hal­le, wis­sen das bes­ser als die, die im Zug ste­hen und mit West­au­gen einen Kon­takt suchen für Sekun­den. Schüs­se könn­ten fal­len, jawohl, Schüs­se. Und deut­sche Spra­che, — Halt! Ste­hen bleiben!

Ich erin­ne­re mich an eine Text­pas­sa­ge. Mal­colm Lowry an Bord des Schlacht­kreu­zers, H.M.S.Proteus. Man liegt vor chi­ne­si­scher Küs­te, man spielt Cri­cket an Deck. Nicht weit, jen­seits des Was­sers an Land, war ein schreck­li­cher Krieg im Gan­ge. „Dum! Dum! Dum!, aber die gan­ze Sache feg­te über unse­re Köp­fe hin­weg, ohne uns zu berüh­ren.“ — „Sie kön­nen sagen, dass ich dem Mann glei­che, von dem sie viel­leicht gele­sen haben, der sein Leben auf einem Schiff ver­brach­te, das regel­mä­ßig zwi­schen Liver­pool und Lis­sa­bon hin — und her­fuhr, und bei sei­ner Ent­las­sung über Lis­sa­bon nur sagen konn­te : die Stra­ßen­bah­nen fah­ren dort schnel­ler als in Liver­pool.“ Ich erin­ne­re mich an eine Notiz des rus­si­schen Dich­ters Wene­dikt Jero­fe­jew : „Alle sagen, — der Kreml, der Kreml. Alle haben mir von ihm erzählt, aber selbst habe ich ihn kein ein­zi­ges Mal gese­hen. Wie vie­le Male schon habe ich im Rausch oder danach mit brum­men­dem Schä­del Mos­kau durch­quert, von Nor­den nach Süden, von Wes­ten nach Osten, aufs Gera­te­wohl, von einem Ende zum ande­ren, aber den Kreml habe ich kein ein­zi­ges Mal gesehen.“

Ein­mal, wie­der Win­ter in Ber­lin, Ber­­lin-West, 1987, ein Fest. Geräu­mi­ge Woh­nung. Auf den Tischen Schnaps­fla­schen und Erd­beer­glä­ser. Man sagt, das sei so üblich, — Gäs­te aus dem Osten, Schnaps auf dem Tisch. Da ist ein klei­ner Mann, schüt­te­res Haar. Sitzt die Nacht über an einem der Tische, trinkt und schlägt irre Rhyth­men mit­tels Mes­sern und Gabeln auf Tel­ler, an Glä­ser. Man sagt, der Mann sei gera­de rüber gekauft, man sagt, er habe in Baut­zen II geses­sen, man sagt, ein­mal, fros­ti­ge Luft, habe man den Mann aus­ge­zo­gen, man habe ihn aus­ge­zo­gen und in eine Schleu­se gestellt, man habe ihn dort ver­ges­sen unter frei­em Him­mel, dann habe man sich sei­ner erin­nert, dann habe man ihn warm geprü­gelt. — Irre Rhyth­men. — Hab ich also Land betre­ten. — stop

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fjorde

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3.15 — Höl­zer­ne Schritt­ge­räu­sche, als wür­de ich über eine Marim­ba gehen. Hoch über Wol­ken­fjor­den, eine Ebe­ne. Kräf­ti­ge, von der Arbeit ste­ti­ger Win­de gegen den Boden gezwun­ge­ne, feu­er­ro­te Ahorn­bäu­me. Eine uralte stei­ner­ne Stra­ßen­bahn, die stei­ner­nen Rauch aus­stößt, fährt auf stei­ner­nen Schie­nen unter stei­ner­nen Bäu­men hin und her. Leucht­bir­nen von glü­hen­der Lava. — Bin vor dem Schreib­tisch ein­ge­schla­fen. Kurz nach 3 Uhr von Regen­ge­räu­schen geweckt. Ste­he auf. Lau­fe ein wenig von Zim­mer zu Zim­mer. Höre etwas Monk. Schnei­de Ing­wer für den Tee. Sor­tie­re Ton­bän­der. Notie­re Wort­bo­jen. — Sinus­kno­ten. — Venen­stern. — Pyra­mi­den­bahn. — Wie ver­dammt gut die Luft heut riecht. – Zehn Uhr fünf­zehn in Nay­py­idaw, Bur­ma. — stop

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zungenwelt

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0.01 — Inwie­fern wür­de sich unse­re Men­schen­welt ver­än­dern, wenn wir von einem Tag zum ande­ren Tag über arm­lan­ge Zun­gen der Geckos ver­füg­ten? In wel­cher Form kämen sie in einer voll besetz­ten Stra­ßen­bahn zum Ein­satz? Und wie bei der Lie­be? Und wie im Streit? Was wür­den die­se Zun­gen wohl im Schlaf unter­neh­men? — stop

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