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segelfalterschatten

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romeo : 8.15 — In einem Pro­to­koll der Goo­g­le­such­ma­schi­ne fin­de ich den Hin­weis, dass ich am 3. Mai 2007 nach einer Foto­gra­fie des Dich­ters Julio Cor­ta­zar gesucht haben soll, dann, erfolg­los, nach einem Segel­fal­ter­schat­ten der Gat­tung Iphicli­des poda­li­ri­us 5, nach Spu­ren Patrick Modia­nos, nach Schi­mä­ren und Match­box­au­to­mo­bi­len. Kei­ne Erin­ne­rung an den Aus­gangs­punkt mei­ner Suche. — stop

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zeitort

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lima : 7.22 — Selt­sam ist an Buch­sta­ben, dass man ihnen die Zeit nicht anse­hen kann, die in ihnen steckt. Die­se acht­zehn Wör­ter und alle wei­te­ren Wör­ter an die­ser Stel­le habe ich bereits an einem sehr viel frü­he­ren Mon­tag­abend notiert. Es ist jetzt 7 Uhr und 15 Minu­ten und ich bin fern mei­nem Schreib­tisch und weiß doch, dass mein Satz sicht­bar wer­den wird für ande­re Men­schen in genau die­ser Minu­te, frei­ge­las­sen sozu­sa­gen, ohne in die­sem Moment auch nur einen Fin­ger bewegt zu haben. Denk­bar, dass ich gera­de unter einem Regen­schirm spa­zie­re. Viel­leicht schla­fe ich noch oder viel­leicht bin ich längst über den Atlan­tik geflo­gen und habe noch kei­ne Ver­bin­dung in öffent­li­che Funk­räu­me gefun­den. — stop

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naturbeobachtung

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india : 8.12 — Sagen wir so, sagen wir: Savan­ne. Sagen wir: Abend. Sagen wir: vor­schrift­li­che Zeit. Dort – zwei Män­ner. Der eine der bei­den Män­ner liegt auf dem Rücken. Die­ser Mann, von Staub bedeckt, – ein toter Mann. Sein Bauch ist geöff­net. Viel­leicht ist der Mann gestürzt, viel­leicht wur­de der Mann von einem Raub­tier ange­fal­len. Der zwei­te vor­ge­stell­te Mann kniet vor dem Toten und betrach­tet die Wun­de. Nun zieht die­ser Mann sei­ne Waf­fe und hebt einen Lap­pen Haut zur Sei­te. Er setzt das Werk­zeug in der Wun­de an und schnei­det so lan­ge in die Mus­ku­la­tur des Bau­ches, bis die Bauch­höh­le des Toten offen liegt. Eine Ges­te der Unter­su­chung, eine Ges­te des Ein­drin­gens, der Inva­si­on, eine vor­sich­ti­ge Bewe­gung ohne ein bestimm­tes Ziel. Da ist der Wunsch, Tie­fe zu gewin­nen, Unsicht­ba­res, Ver­deck­tes, Unbe­kann­tes sicht­bar zu machen. Viel­leicht wird sich die­ser Mann zunächst von dem Toten ent­fer­nen, viel­leicht des­halb, weil eine wei­te­re Raub­kat­ze sich nähert. Viel­leicht wird der Mann, aus der Erin­ne­rung her­aus, den Umriss eines Man­nes, der tot ist, in eine Fels­wand rit­zen. Viel­leicht wird er in die­sen Umriss eines Man­nes, der steht oder liegt, die Form eines Organs ein­tra­gen, – genaue Lage, exak­te Grö­ße. Die Abbil­dung eines Organs, für des­sen Exis­tenz zum Zeit­punkt der Ent­ste­hung weder ein Zei­chen noch ein Begriff erfun­den wur­de. — stop

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segel

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marim­ba : 8.02 — Feins­tes Strom­ge­we­be, wel­ches Erfin­dung von Wirk­lich­keit trennt, eine heim­lich durch den Kopf wan­dern­de Struk­tur. Beob­ach­te­te, dass ein Gedan­ke, eine Geschich­te am Mor­gen, im Moment der ers­ten Notiz noch frisch und fremd, nach einem Spa­zier­gang zur Nacht­zeit, ohne wei­te­re Schreib­ar­beit ver­rich­tet zu haben, zu einem ver­trau­ten, wirk­li­chen Raum gewor­den war. — stop
ping

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wassermelone

picping

MELDUNG. Robo­ter E‑Mi­na­tu­re-Z88 [ Serie lH78328 ] flüch­tet zehn­fünf­zehn in Was­ser­me­lo­ne. Wüten­de Pas­san­ten [ Fleisch­wun­den : Waden und Gesäß ] haben der fein­glied­ri­gen Flug­ma­schi­ne hef­tig zuge­setzt. Kurz­schluß, zeh­n­acht­zehn. [ Mila­no Sta­tio­ne Cen­tra­le : Süd­sei­te ] — stop

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PRÄPARIERSAAL : periskop

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echo : 8.15 — Zur Win­ter­zeit mit einer jun­gen Frau, einer Male­rin, in einem bota­ni­schen Gar­ten spa­ziert. Sie erzähl­te von ers­ten Beob­ach­tun­gen im Prä­pa­rier­saal. Ihre lei­se Stim­me, tief, die hel­le Wölk­chen in der eis­kal­ten Luft erzeug­te. Und ein Blick, wenn sie mich ansah, der wie durch ein Seh­rohr zu kom­men schien. Auf dem Dach eines Glas­schau­hau­ses balan­cier­te ein Mann mit einer Schau­fel. Schwä­ne klap­per­ten Schnä­bel durch knie­ho­hen Schnee. Ent­deck­te eine Notiz, die sie mir weni­ge Wochen spä­ter über­mit­telt hat­te, weil ihr Kopf nach unse­rem Spa­zier­gang wei­ter­hin ana­to­mi­sche Sät­ze erzeug­te. Ein Aus­schnitt. Sophie schreibt: > Was ich sah, war Cha­os. Merk­wür­digs­te, fremd­ar­ti­ge For­men auf Tischen, die von Stu­die­ren­den bewegt wur­den. Es war absto­ßend und ängs­ti­gend. Ich dach­te dar­an, dass dies ein­mal Men­schen gewe­sen waren. Dann aber wur­den in mei­nen Gedan­ken aus jenen gewe­se­nen Men­schen Kör­per, und es wur­de mög­lich, das, was ich sah, mit Begrif­fen zu ver­se­hen. Ganz mecha­nisch sag­te ich Bezeich­nun­gen für Kör­per­tei­le, die ich iden­ti­fi­zie­ren konn­te, vor mich hin. Ich glau­be, dass sich in die­sem Moment mei­ne Emo­tio­na­li­tät von mei­nem Intel­lekt trenn­te und sich irgend­wo – sicher vor wei­te­ren Ein­drü­cken – ver­steck­te. Und ich war erleich­tert, zu sehen, dass das Geheim­nis des Todes ein Geheim­nis geblie­ben war. Ich beob­ach­te­te mit Ver­stand. Trotz­dem sah ich tief aus mir selbst her­aus. Ich wan­der­te zwi­schen Lei­chen umher, die von wei­ßen Kit­teln umringt waren, wie in einer Bla­se, die mich schütz­te, und doch war ich sehr zer­brech­lich. In der Mit­te der Kör­per, dort wo nor­ma­ler­wei­se der Bauch ist, war jeweils ein Loch zu sehen. Neu­gie­rig gewor­den, muss­te ich näher an die toten Kör­per her­an­tre­ten. Ich sah das vie­le Fleisch, gel­be fet­ti­ge Far­be unter farb­lo­ser Haut. Ich war über­haupt über­rascht von der Farb­lo­sig­keit der Kör­per und stell­te fest, wie wenig Mensch­li­ches, wie wenig Per­sön­li­ches noch an ihnen zu erken­nen gewe­sen war. Obwohl ich die­sen Ort besuch­te, um zu zeich­nen, hat­te ich bei mei­nen ers­ten Besu­chen weder Papier noch Blei­stift dabei. Ich woll­te zunächst nur sehen. — stop

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schnecken

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echo

~ : oe som
to : louis
sub­ject : SCHNECKEN
date : sept 24 11 7.12 p.m.

Frü­her Abend, ruhi­ge See. Möwen, die unser Schiff wie eine Insel bewoh­nen, krei­sen dicht über dem Was­ser. Gera­de eben mel­de­te Noe, zwei Schne­cken näher­ten sich sei­nem Gesicht. Er müs­se jetzt vor­sich­tig sein, um sie nicht zu ver­let­zen, soll­ten sie in sei­nen Mund gelan­gen. Noe wohl­auf. Seit zwei Wochen sen­den wir Jazz, wann immer Noe Jazz zu hören wünscht. Wir haben zunächst Char­lie Par­ker gela­den, das mach­te ihn ner­vös, weil er sich nicht bewe­gen kann im Tau­cher­an­zug, im Rhyth­mus, der schnell geht, ruhe­los. Wir pro­ben, for­schen nach sanf­te­ren Takes. Er kön­ne, das sei neu, berich­tet Noe, wenn er das Wort Regen lese, sich das Geräusch des Regens nicht län­ger in Erin­ne­rung rufen, als wür­de sich das Wort Regen nach und nach ent­lee­ren. Wir haben ver­spro­chen, Regen für ihn auf­zu­zeich­nen und in die Tie­fe zu schi­cken. Ges­tern, als wir nachts allei­ne mit­ein­an­der spre­chen konn­ten, wünsch­te Noe, dass ich ihm das Schiff beschrei­be, unter wel­chem er schwebt. Er sei glück­lich, sag­te Noe, aber er seh­ne sich nach einer Uhr. — Dein OE SOM

gesen­det am
24.09.2011
1143 zeichen

oe som to louis »