echo : 0.15 — Im botanischen Garten spaziert. Das angenehm rasselnde Geräusch des Regens, die Luft hell vom Wasser, das noch kalt und geruchlos ist. Stöberte in Notizbüchern. Entdeckte folgende Sequenz: Sonntag. Heute ist Schwester Julia wieder im Dienst. Sehe zu, wie sie Marikki vorsichtig wäscht. Behutsame Bewegungen, ja, sehr feine Berührungen, beinahe zärtlich. Sie trägt einen Mundschutz, der sich, wenn sie lacht, wie ein Segel bläht. Sie sagt, dass Marikki uns hören könne, deshalb summe sie und deshalb hört Marikki gerade etwas NASA, während ich in ihrer Nähe sitze und notiere und im Cheever lese, heitere Gespräche der Apollo 14 Besatzung auf dem Flug vom Mond zurück. Habe bemerkt, dass ich die Luft anhalte, wenn ich sie betrachte, dass ich jenseits der amerikanischen Stimmen, die links und rechts ihres zierlichen Kopfes wispernd durch die Häute der gepolsterten Ohrhörer dringen, nach weiteren, beruhigenden Geräuschen suche. 18. Juni 2006
Aus der Wörtersammlung: garten
lowrysteine
3.15 — Bei feiner Coltranemusik Notizparticles für Lowrystory übertragen. Sagen wir : Atlantik : Dampfer : Koffer : Blackout : Ellis Island : Trompete : Mexiko : Höllenstein : Gin : Satellit : Vulkan : Bellevue : Walfischvogel : Melville : Battery Park : : lunar caustic. — Um nicht einzuschlafen, verbringe ich diese Nacht auf einem sehr harten, hölzernen Gartenstuhl. 70 Meter tief unter der Wasseroberfläche, 2000 m hoch über dem Meeresboden. | stop | Lichtblitze einer Meduse. | stop | Schlafende Wale. | stop | Senkrecht schwebende Türme. | stop | Ein Granatbarsch, der sich um mein linkes Ohr bemüht. | stop | Salz im Mund. | stop | Suche nach neuen Pseudonymen. — Elf Uhr fünfundzwanzig in Lhasa, Tibet. — stop
trompetenkäfer
~ : louis
to : Mr. eliot
subject : TROMPETENKÄFER
Lieber Eliot, bei uns ist jetzt schon Dienstag. Gestern, also am Montag noch, war ich spazieren im schönsten Garten der Stadt. Stürmische Luft, alles ging verkehrt herum, es regnete aus dem Boden, die Sonne war auch irgendwo da unten und ich konnte nicht notieren, weil mir mein Notizbuch davon geflogen war. Ich habe Dir deshalb nicht viel zu berichten, weil ich ohne mein Notizbuch nicht anfange zu denken. An den letzten Gedanken, den ich in mein Notizbuch notierte, ehe es an den Wind verloren ging, kann ich mich gerade noch erinnern. Das also sollst Du wissen, ich habe entdeckt, dass ich, sobald ich einen Trompetenkäfer zu entwerfen wünsche, über die Lunge dieses Wesens, genauer über seine Luftpumpe und ihre Position in den Zusammenhängen eines Käferkörpers nachzudenken habe, andererseits, aus vorwiegend physikalischen Gründen, über die Füße des Käfers, die derart zu konzipieren sind, dass der Käfer, sobald er einen Trompetenton zu erzeugen wünscht, in der Lage sein wird, sich zunächst fest auf dem Boden, einem Blütenblatt oder einem menschlichen Finger zu verankern, um dem Rückstoß, den wir sehr sicher erwarten dürfen, Widerstand entgegensetzen zu können. Zu weiteren Gedanken, lieber Eliot, war ich gestern nicht in der Lage. Bald wird der Sturm auch zu Euch herübergekommen sein. Diese E‑Mail ist schneller als der Wind. Dein Louis
gesendet am
11.03.2008
22.56 MEZ
1068 Zeichen
flaubert
20.25 — Georges Perec zitiert Gustave Flaubert: Paris wird ein Wintergarten werden / Spaliere mit Früchten auf den Boulevards; die Seine filtriert und warm / Überfluss an künstlichen Edelsteinen – überreiche Vergoldung. Beleuchtung der Häuser – das Licht wird gespeichert werden, denn es gibt Körper, die diese Eigenschaft besitzen, wie etwa der Zucker oder das Fleisch gewisser Mollusken und der Phosphor aus Bologna. Die Häuserfassaden werden mit dieser phosphoreszierenden Substanz übertüncht werden müssen und ihre Ausstrahlung wird die Straßen hell erleuchten. | stop | Pléiade, II | stop | Endplan. | stop | Regen.
panthergeschichte
18.15 – Da ist mir doch tatsächlich ein junger Panther zugelaufen, ein zierliches Wesen, das mühelos vom Boden her auf meine Schulter springen kann, ohne dabei auch nur den geringsten Anlauf nehmen zu müssen. Seine Zunge ist rau, seine Zähne kühl, ich bin stark, auch im Gesicht, gezeichnet von seinen wilden Gefühlen. Der Panther schläft, unterdessen ich arbeite. So glücklich sieht er dort aus, auf der Decke unter der Lampe liegend, dass ich selbst ein wenig schläfrig werde, auch wenn ich nur an ihn denke, an das Licht seiner Augen, das gelb ist, wie er zu mir herüberschaut bis in den Kopf. Spätabends, wenn es lange schon dunkel geworden ist, gehen wir spazieren. Ich lege mein Ohr an die Tür und lausche, das ist das Zeichen. Gleich neben mir hat er sich aufgerichtet, schärft an der Wand seine Krallen, dann fegt er hinaus über die Straße, um einen vom Nachtlicht schon müden Vögel zu verspeisen. Daran sind wir gewöhnt, an das leise Krachen der Gebeine, an schaukelnde Federn in der Luft. Dann weiter die heimliche Route unter der Sternwarte hindurch in den Palmengarten. Es ist ein großes Glück, ihm beim Jagen zuhören zu dürfen. Ich sitze, die Beine übereinander geschlagen, auf einer Bank am See, schaue gegen die Sterne, und vernehme die Wanderung des Jägers entlang der Uferstrecke. Ein Rascheln, ein Krächzen, ein Schlag ins Wasser. Wenn er genug hat, gehn wir nach Hause. — Donnerstag. 24. Januar 2008. Kurz nachdem ich diese kleine Geschichte mit Vergnügen erfunden habe, die Nachricht, die komplette DNA eines Bakteriums sei zum ersten Mal von Menschenhand wiederholt, das heißt montiert worden ist. — stop
herzschlag
2.18 — Von Zeit zu Zeit, wenn ich in einem botanischen Garten sitze beispielsweise, wenn ich mir wünsche, eine der chinesischen Nachtigallen möge von den Bäumen herunterkommen und sich zu mir setzen, halte ich die Luft so gründlich an, dass ich zu einer lautlosen Erscheinung werde unter scheuen Vögeln. – Stunden des Arbeitens, des Wartens. — Das kaum noch wahrnehmbare Brausen einer Stadt jenseits der Bäume, jenseits der Mauern. – Tropfendes Wasser. — Meine Hände, die die Tastatur der Notiermaschine so behutsam berühren, als würden sie Ameisenrücken beschriften. — Weit nach Mitternacht. Es ist so still, dass ich glaube, von fern meinen Herzschlag zu hören. — stop