echo : 18.58 UTC — Im Traum steh ich im Park vor einer Voliere, die an einem Bindfaden hängt. Dieser Bindfaden muss irgendwo in großer Höhe am Himmel befestigt sein. In der Voliere schweben Vögel. Sie sind nicht sehr viel größer als ein Daumen, ihr Gefieder von prächtigen Farben, die sich langsam fließend verändern. Ich sitze auf einem Stuhl, habe Brotzeit mitgebracht, Kürbiskernbrötchen, Schinken, 1 Schnittlauchsträußchen, Champignonpastete, Himbeerbrause, eine Kanne Kaffee. Ich beobachte das Vogelhaus, das über keinerlei Tür verfügt. Tagelang, es wurde immer wieder dunkel, saß ich auf meinem Stuhl. Wenn es dunkel geworden war, leuchtete ich mit einer Taschenlampe zu den Vögeln hin. Sie mochten das Licht, ihre Augen glühten wie Dioden in blau, orange, grün und rot. Auch waren sie stumm. Sie schienen aufmerksam zu sein. Vielleicht wunderten sie sich über diesen Mann, der geduldig wartete, ob sie bald einmal landen würden. Das Radio erzählt, in Mariupol würden Telefonsimkarten wie Brot verteilt. Menschen standen, so wird berichtet, mit versteinerten Gesichtern in Reih und Glied vor Lastkraftwagen. — stop
Schlagwort: kern
vögel
india : 18.55 UTC — Im Traum steh ich im Park vor einer Voliere, die an einem Bindfaden hängt. Dieser Bindfaden muss irgendwo in großer Höhe am Himmel befestigt sein. In der Voliere schweben Vögel. Sie sind nicht sehr viel größer als ein Daumen, ihr Gefieder von prächtigen Farben, die sich langsam fließend verändern. Ich sitze auf einem Stuhl, habe Brotzeit mitgebracht, Kürbiskernbrötchen, Schinken, 1 Schnittlauchsträußchen, Champignonpastete, Himbeerbrause, eine Kanne Kaffee. Ich beobachte das Vogelhaus, das über keinerlei Tür verfügt. Tagelang, es wurde immer wieder dunkel, saß ich auf meinem Stuhl. Wenn es dunkel geworden war, leuchtete ich mit einer Taschenlampe zu den Vögeln hin. Sie mochten das Licht, ihre Augen glühten wie Dioden in blau, orange, grün und rot. Auch waren sie stumm. Sie schienen aufmerksam zu sein. Vielleicht wunderten sie sich über diesen Mann, der geduldig wartete, ob sie bald einmal landen würden. — stop
brieftaubenwörter
ginkgo : 18.08 UTC — In den Monaten Februar und März lernte meine Schreibmaschine folgende Wörter, die in ihren Prüfverzeichnissen bislang nicht zu finden gewesen waren: Bangsein . Apfelbananenmus . Brieftaubenwörter . Druckluftbauch . Filmbetrachtungsgesicht . Fangschreckenkrebs . Flugfilmzeit . Gefiederkarte . Krokodilmodell . Libellengespräch . Looter . Lötlampeneffekt . Miniaturensand . Nachtschiffgedanken . Mundschutzalgorithmus . Niddapark . Pfuhlschnepfe . Rebusprizip . Spurwerk . Stehschirmchen . Sonderquerdruck . Tangfahne . Summlaut . Twittertourette . Ungeimpft . Vortraumzeit . Watermen . Wortkernbilder . Zeppelinallee . Tastmaschine . Arktiswind . Zeigerblüte . Makimensch . Miniaturensand . — stop
zeitoun
whiskey : 9.35 UTC — In den letzten 10 Tagen des Oktobermonats lernte meine Schreibmaschine folgende Wörter, die in ihren Prüfverzeichnissen bislang nicht zu finden gewesen waren: Abstandsignale . Aquarelia . Bangsein . Birdy . Brieftaubenwörter . Camar . Carecon . Clustersuche . Contagion . Coronasimulation . Drohnenauge . Drohnensichtung . Drohnenvogel . Drollbirne . Ebolavirus . Eichhörnchenschatten . Fingercurser . Inari. Inzidenz. Jennifer.five . Kolibriwesen . Krokodilmodell . Kürbissuppe . Libellenlarven . Looters . luren . Meeresgewächse . Meereswesen . Monroe . Mundschutzalgorithmus . Nachtschifftag . neuronal . Palanca . Pandemietote . Pandemiezeit . Particleszeichen . Pfuhlschnepfe . Plexiglasscheiben . Resilienz . Rotkopfschildkröten . Sars-Cov‑2 . Sarslämpchen . Schiffpendelbewegung . Schlafdurcheinanderzeit . Seeanemonenblüte . Seetangklumpen . Spätabendmenschen . Spelling . Superdomehalle . Süßwasseranemone . Tänzerraver . Teillockdown . Tresspassangers . Vakzin . Warlogs . Wortkernbilder . Zattere . Zeitoun . Zeppelinwerkstatt . Zeppelinwolken. — stop
rechenkern
echo : 0.28 UTC — Ich arbeite sehr gerne in der Vorstellung, ein Mensch, der nicht ich bin, würde mir zusehen, beobachten was ich tue. Ich könnte eine Erfindung sein, eine Vorstellung, wie meine Schreibmaschine und meine Rechenkerne, Bildschirm, Tastaturen, Sensoren, Mikroskope und feinste Lichtfangmaschinen, auch Meißel und Hämmerchen. Warum? — stop
lebenszeichen
india : 11.28 UTC — Da sind Thermometerwerkzeuge, 5 + 1, zur Messung der Temperaturen eines Zimmers. Und flackerndes Regenlicht, das von den Fenstern her kommt. Ein Computerbildschirm, in dem sich der Computer selbst befindet, zuletzt vor fünf Jahren angeschaltet. Auf dem Schreibtisch ruhen anatomische Bücher, gedruckt in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, bitterer Duft steigt auf, sobald sie geöffnet sind. Das Handbuch eines Opel-Rekord und eine Blechdose, drin sind Liebesbriefe: Meine Liebste, wie ich mich nach Dir sehne! Eine Zigarrenschachtel weiterhin voller Briefmarken des deutschen Reiches, die der Junge noch sammelte. Ein Kinderbuch: Zwei Pinguine winken. Ein Gerät, das den Strom zu vermessen vermag, haardünner Zeiger. Eine Karte der Stadt Lissabon und Fahrkarten einer Straßenbahn, die in Lissabon noch immer anzutreffen ist. Zwei Menschen waren dort, die Lissabon liebten. Dem Jungen, der Lissabon später einmal lieben sollte, gehörten zwei Schulbücher, er wird später ein Doktor der Physik und ein Verehrer Andrei Sacharows. Sein Vater war Arzt gewesen, deshalb auch Skalpelle auf rotem Samt und eine Schachtel, in welcher sich Objektträger befinden. Dort Spuren, die gelblich schimmern. Und Dioden und Widerstände und Rechenkerne auf Platinen geschraubt. Auch Luftpostbriefe, die ein junger Student an sich selbst oder seine Geliebte notierte, da waren sie noch nicht nach Lissabon gereist, prächtige Marken und Stempel und Sonderwertzeichen der Ballonpost zu einer Zeit, als Expressbriefe noch durch Eilboten zugestellt worden waren. Eine Filmdose und noch eine Filmdose, die man nicht wagt im Regenlicht zu öffnen. Auf einem Dia ist sehr klein eine junge Frau zu erkennen, die vor dem World Trade Center in New York steht. Sie ist dem Auge ihres Sohnes sofort bekannt. In einer Kladde verschnürt, Blätter eines Herbariums: Schlüsselblume von Bleistiftbeschriftung umgeben, das war alles notiert am 24. VIII 1904. Auch zwei Funkantennen wie Fühler eines Insektes ohne Strom. Eine Postkarte ist da noch und immer noch Regen draußen vor den Fenstern. Auf der Postkarte steht in großen Buchstaben rot umrandet vermerkt: Lebenszeichen von L.K. aus der Braubachstraße / 8. II. 44: Meine Lieben! Wir sind gesund und unbeschädigt. Marie & Familie. — stop
landschaft mit händen
sierra : 22.18 UTC — In einem Zug wollte mir ein junger Mann einen Algorithmus erklären. Er sagte: Schau Louis, dieser Algorithmus hier scheint von einer sehr begabten Person formuliert worden zu sein. Ich möchte behaupten, dieser Algorithmus stellt im Grunde ein Lebewesen dar. Der junge Mann sah mich mit einem leichten Silberblick an, vermutlich von Begeisterung auf sein Gesicht gespielt. Dieser Algorithmus fuhr er fort, sei derart komplex, dass kaum noch ein menschliches Wesen ihn allein erfassen könne. Man müsse vermutlich über einen leistungsstarken Rechner verfügen, um auch nur annähernd an seinen Kern, an eine Idee, die irgendwo in dem Algorithmus steckte, heranzukommen. Während der junge Mann sprach, folgte ich seinen Händen, die über die Tastatur seines Notebooks hüpften als wären sie hellhäutige Tiere. Ich gestehe, ich habe kaum verstanden, wovon der junge Mann eigentlich erzählte, da waren zu viele Zahlen im Spiel gewesen. Ich dachte in jenem Moment vor allem an meine eigene Langsamkeit, dass ich mit der Zeit zunächst immer schneller wurde, und dann plötzlich wurde ich langsamer, was ich zunächst nicht bemerkte, bis ich in einem Zug saß und helle Fingergeschöpfe betrachtete, die eine Tastatur bedienten. So schnell waren sie vor meinen Augen gewesen, dass sie nach und nach unscharf wurden, wie wohl meine eigenen Hände vor den Augen meines Vaters unscharf geworden waren, als er sie mit einem seltsamen Blick betrachtete, dessen Ursprung ich in einem Zug viele Jahre später entdeckt zu haben meinte. — stop
abendkerne
delta : 18.52 — Ob vielleicht Ohren existieren, deren Hörvermögen so fein ist, dass sie in der Lage sein könnten, die Geräusche arbeitender Rechenkerne zu vernehmen? — stop
vom unsichtbaren
lima : 23.59 UTC — Ich war noch ein Kind gewesen, als ich von meinem Vater in einen unter der Erde liegenden Saal des Kernforschungszentrums CERN geführt wurde. Ich lernte dort die Unsichtbarkeit kennen. Es war inmitten einer Nacht, der Saal grell beleuchtet, Dioden blinkten, orangenfarbene Warnleuchten drehten sich langsam. Und da war das Rauschen der Luft, die kühl durch den Saal strich, ein beständiger Wind, weswegen in einer Hochsommernacht doch alle Menschen, die in dem Saal zu beobachten waren, warme Kleidung trugen. Mein Vater und ich standen auf einer Brücke, die über einen Korridor führte, der vollständig leer zu sein schien. Aber das war natürlich ein Irrtum, dort gleich unter uns schoss nämlich ein Strahl hochenergetischer Teilchen durch die Luft, der jeden Menschen sofort getötet hätte, wenn er dort unten hindurch spaziert wäre. Mein Vater deutete hinab und versuchte mir das Unsichtbare zu erklären. Nicht sichtbar, weil zu schnell, sagte mein Vater, und zu klein. Ich war so berührt von der möglichen Wirkung des Unsichtbaren, dass ich immer wieder dorthin zurückkehren wollte, um das Unsichtbare zu besuchen. Überhaupt ist das Unsichtbare, das aber doch der Fall ist, ein wundervolles Phänomen. Oder jenes gemeinsame Wesen, das nur den Liebenden sichtbar wird. — Mit dieser Minute endet Louis’ 20646 Lebenstag. — stop
von rechenkernen
lima : 18.12 UTC — Apfelkern. Mandelkern. Rechenkern. — Ich stellte mir vor, wie ich mit feinsten Werkzeugen einen Kirschkern öffne, wie ich in der Kirschkernhöhle ein gefaltetes Blatt Papier ablege, auf dem mit kleinsten Schriftzeichen ein Gedicht verzeichnet wurde. Wie ich nun den Kern verschliesse, wie ich ihn zurücklege in seine Frucht, wie ich jetzt zufrieden und glücklich bin. — Oder die Vorstellung der Rechenkerne eines Prozessors. Wie ein oder zwei Romanentwürfe möglicherweise heimlich in ihren Registerwerken versteckt sein könnten, kuriose Idee. Das habe ich mir ausgedacht, weil ich gestern Abend hörte, dass Rechenkerne für mathematisch-logische Spracheindrücke zu jeder Zeit empfänglich sind. Darüber sollte unbedingt weiter nachgedacht werden. — stop