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transistoren

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hima­la­ya : 0.02 — Wie wür­de Han­nah Are­ndt über das Wag­nis der Öffent­lich­keit for­mu­lie­ren in unse­rer Zeit, in einer Zeit, da Men­schen ohne jede Scheu und in gut begrün­de­ter Vor­aus­sicht, zutiefst ver­letzt zu wer­den, mit Wor­ten, Bil­dern, Fil­men öffent­lich in intims­te Win­kel ihrer See­len leuch­ten? Ein­mal, als Com­pu­ter noch mit­tels Tran­sis­tor­röh­ren rech­ne­ten, bemerkt sie mit ihrer tie­fen, rau­en Stim­me, das Wag­nis der Öffent­lich­keit sei für eine Per­son nur mög­lich im Ver­trau­en auf die Mensch­lich­keit der Men­schen selbst. — stop

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amos oz

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char­lie : 5.22 — Amos Oz erzählt, er habe auf sei­nem Schreib­tisch zwei Stif­te lie­gen. Den einen neh­me er zur Hand, wenn er sei­ner Regie­rung notie­ren wol­le, sie sol­le zum Teu­fel gehen, den ande­ren, wenn er eine Geschich­te zu schrei­ben wün­sche. — stop
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abendsegler

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romeo : 2.15 — Eines Tages im Zwie­licht in gro­ßer Höhe über einer blü­hen­den Gar­ten­stadt auf einem Fens­ter­brett sit­zen und mit einer Angel Fle­der­mäu­se fischen. — Sind Abend­seg­ler genieß­bar? — Die kräf­ti­gen Mus­keln ihrer Brust viel­leicht? — Oder ihre Flü­gel? — Wäh­rend ich vor­hin so saß und über­leg­te, wel­che Hal­tung ich ein­neh­men soll­te, um noch stil­ler zu wer­den, um noch tie­fer in die Din­ge hin­ein hören zu kön­nen, die Ein­sicht, dass ich nie­mals einen ande­ren Men­schen tat­säch­lich erfin­den wer­de, als mich selbst. — Womit könn­te ich begin­nen? — Viel­leicht mit mei­nen Hän­den? — Die Ster­ne sind rund. — Zar­te Fin­ger von Licht. — stop. – Kurz nach 2 Uhr. — stop. – Ich beob­ach­te­te mei­ne Hän­de, wie sie eine Melo­ne schäl­ten. Indem ich eine Melo­ne mit dem Vor­satz öff­ne­te, mei­ne Hän­de zu beob­ach­ten, wur­den mei­ne Hän­de unsi­cher. Der Ein­druck, als wäre die­se Melo­ne die ers­te Melo­ne, die ich je geöff­net habe. — Erstaun­lich. — stop
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sonar

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echo : 0.50 — Wal­ter Kem­pow­ski bemerkt in einem Gespräch, dass die wich­ti­gen Din­ge im Leben in Sekun­den­zeit gesche­hen. Er habe vor sehr lan­ger Zeit ein­mal von einem fah­ren­den Zug aus, in einem Fens­ter oder in einer Tür eines gleich­falls fah­ren­den, eines ent­ge­gen­kom­men­den Zuges, die Gesich­ter drei­er Lager­häft­lin­ge gese­hen. Das dau­er­te nur eine Zehn­tel­se­kun­de: Nie ver­ges­sen! — Sein gro­ßes Werk vom Lau­schen, Fra­gen, Sam­meln, Sor­tie­ren, Kon­fi­gu­rie­ren: Echo­lot. — stop

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traumwärts

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india : 0.02 — Ich notie­re: Wenn ich mei­ne lin­ke Hand mit mei­ner rech­ten Hand berüh­re, durch­bre­che ich einen Spie­gel. Wenn ich sage: mei­ne Hand ohne Haut, habe ich in mei­nem Kopf ein mus­ku­lä­res Bild zur Ver­fü­gung, das sich bewe­gen lässt. — Was ist heu­te eigent­lich für ein Tag? — Sams­tag viel­leicht? — Oder Sonn­tag? – Nacht jeden­falls. Vor den Fens­tern pfeift die Welt traum­wärts von den Bäu­men. — Da war vor weni­gen Minu­ten eine Spin­ne von der Grö­ße einer Kir­sche, schnee­wei­ßer Pelz, sie­ben hell­blaue Augen. Sie blitz­te mich an, als ich die Tür zum Eis­fach mei­nes Kühl­schranks öff­ne­te. Ein Aus­druck tiefs­ter Ver­wun­de­rung, hier wie dort, als ob wir bei­de nicht glau­ben konn­ten, was wir vor uns sahen.
19621

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hilde domin

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romeo : 22.02 — Atem­los eine Kame­raluft­rei­se der jun­gen Fil­me­ma­che­rin Anna Dit­ges beob­ach­tet. Zwei Jah­re lang film­te sie ihre Begeg­nun­gen mit Hil­de Domin. Als ich mei­ne Fern­seh­ma­schi­ne aus­schal­te­te, war ich voll Glück und Freu­de, und ich dach­te, dass ich mich ver­mut­lich ver­liebt habe, in den Film, in die jun­ge Fil­me­ma­che­rin, oder nein, ich glau­be, ich habe mich in Hil­de Domin ver­liebt. Und wie ich die­se Zei­len gera­de schrei­be, den­ke ich, dass Hil­de Domin, soll­te sie mir über die Schul­ter sehen, viel­leicht sagen wür­de: Aber das geht doch nicht, das ist unhöf­lich, so nah her­an­zu­kom­men. – Ich saß im Park am Nach­mit­tag, folg­te einer Spin­ne, die auf Buch­sei­ten turn­te und las in Hil­de Dom­ins Gedich­ten: Wer es könn­te / die Welt / hoch­wer­fen / dass der Wind / hin­durch­fährt. Ihre von der Zeit gezeich­ne­te Hand, die im Film genau die­se Zei­len mit einem Blei­stift auf ein Blatt notier­te. Wie sie sagt zur jun­gen Frau hin­ter der Kame­ra: Wir sehen uns ger­ne an, weil wir uns mögen. — stop

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siatista

pic

ulys­ses : 15.02 — Nörd­li­ches Grie­chen­land. Kar­ge Land­schaft. Man erzähl­te mir von Sia­tis­ta, dort sol­len Wöl­fe leben in den Ber­gen, aus wel­chen die Stei­ne der Häu­ser der klei­nen Stadt geschla­gen sind. Im Win­ter fällt Schnee und bleibt lie­gen. Dann kom­men die Wöl­fe näher her­an, sind zu hören in den Näch­ten, ihr heu­len­des Gespräch. Alt sind sie, uralt wie die Men­schen in die­ser Gegend, die sich wider­set­zen, wenn ihre letz­te Stun­de gekom­men ist, leben sie ein­fach wei­ter. Sobald ein Win­ter endet und die Ber­ge blü­hen für eine kur­ze Zeit in allen Far­ben, die man sich nur vor­stel­len kann, liegt eine jun­ge Frau auf einer Wie­se her­um. Die­se Wie­se ist weiß von den Kör­ben der Kamil­le, eine Wie­se, die die Gestalt der jun­gen Frau erin­nert, wie sie auf dem Rücken liegt, immer an der­sel­ben Stel­le in den Him­mel schaut und glaubt über ein Eis­meer zu flie­gen. Wenn man sie besu­chen, wenn man sich neben sie legen wür­de, könn­te man Geschich­ten hören, die sie mit tie­fer Stim­me sogleich erzäh­len wird. Dass sie blau war zum Bei­spiel, ein blau häu­ti­ges Kind, dass sie nicht atmen konn­te in der ers­ten Stun­de ihres Lebens, dass man sie mit Luft, anstatt mit Was­ser tauf­te, weil man glaub­te, sie wer­de ihre zwei­te Lebens­stun­de nicht betre­ten. Dass sie sich im Alter von vier Jah­ren im Schnee ver­irr­te, dass zwei Wöl­fin­nen sie wärm­ten für eine Nacht, bis man sie fand. Dass sie eine Par­ti­sa­nen­toch­ter sei, dass sie mit den Schild­krö­ten spre­chen kön­ne und den Schlan­gen, den Fal­tern, den Flie­gen. Dann wird sie ein wenig schwei­gen und eine Hand­voll Aka­zi­en­blü­ten rei­chen, sie schmeck­ten vor­züg­lich, man müs­se sie sich auf die Zun­ge legen und war­ten, bis sie schmel­zen. Jetzt liegt die jun­ge Frau wie­der auf dem Rücken zum Eis­meer hin, erzählt wei­ter, erzählt von den lan­gen Wegen im Win­ter zur Schu­le und dass sie ein Jahr zurück das ers­te Mal das Meer gese­hen habe. Ein gro­ßer Frie­den. Ihre Stim­me, die so selt­sam tief ist. Das Brum­men drei­hun­dert Jah­re alter Insek­ten. Auch Wöl­fe fres­sen wei­ße Blü­ten. — stop

für v.s.
siatista