Aus der Wörtersammlung: elefant

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onkel ludwig

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tan­go : 1.38 — Mein alter Onkel Lud­wig, der wirk­lich schon sehr alt ist, berich­tet, er habe errech­net, wenn er noch in der Lage wäre, jeden Tag 300 Sei­ten eines Buches zu lesen, wenn er außer­dem noch fünf Jah­re lesend erle­ben dürf­te, wür­de er, bei guter Füh­rung, 1825 wei­te­re Bücher zu sich neh­men. Das könn­te genü­gen, sag­te Onkel Lud­wig. Er ist übri­gens noch gut zu Fuß, man kann ihn mor­gens gegen 10 Uhr beob­ach­ten, wie er die Trep­pen zur Stadt­bi­blio­thek erklimmt. Er kommt mit der Stra­ßen­bahn dort an, heim­wärts, schwe­re Bücher­ta­schen tra­gend, nimmt er ein Taxi. Manch­mal sitzt er noch ein oder zwei Stun­den im Café Mozart, er liebt Käse­ku­chen und Mohn­schnit­ten von Her­zen. Ich glau­be, heu­te ist Mitt­woch, heu­te wird er ein Buch der Schrift­stel­le­rin Yoko Oga­wa zu sich neh­men, so ist sein Plan, in die­sem Buch soll ein Ele­fant auf dem Dach eines Kauf­hau­ses leben. Gera­de eben leich­ter Gewit­ter­re­gen. Das wird sicher sehr war­mes Was­ser sein, das vom Him­mel fällt. Guten Mor­gen! — stop

queenmary

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holly

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reming­ton : 18.05 — Ich träum­te, von einer Sta­ten Island Fäh­re auf das offe­ne Meer hin­aus getra­gen wor­den zu sein. An Bord des Schif­fes waren zahl­rei­che Men­schen gewe­sen, sie foto­gra­fier­ten ein­an­der, man­che lasen in einer Zei­tung, ande­re tran­ken Kaf­fee aus Papp­be­chern oder tele­fo­nier­ten. Nie­mand schien sich zu wun­dern, dass die Fäh­re, hin­sicht­lich einer übli­chen Rei­se­dau­er von 25 Minu­ten, nicht lan­de­te. Stun­den ver­gin­gen. Ein­mal feg­te ein Sturm über das Schiff hin­weg, hun­der­te Möwen flat­ter­ten krei­schend über die Decks. Irgend­wann schlief ich ein, und ich träum­te, als ich erwach­te, eine Frau habe mir gegen­über Platz genom­men. Ich mei­ne, mich an ihren Namen erin­nern zu kön­nen, ich glau­be, sie hieß Hol­ly. In die­sem Augen­blick, als ich die Augen öff­ne­te, trans­fe­rier­te sie einen Text mit­tels eines Pin­sels auf ein qua­dra­ti­sches Blatt Papier, das von min­des­tens 50 cm Durch­mes­ser gewe­sen war. Sie trug eine Son­nen­bril­le sowie einen Som­mer­hut auf dem Kopf, außer­dem ein hel­les Kleid, auf wel­chem ver­ein­zelt Kir­schen auf­ge­druckt wor­den waren, und schwe­re Wan­der­schu­he, deren Schnür­sen­kel sie nicht ver­kno­tet hat­te. Von einer Sekun­de zur ande­ren Sekun­de schlief auch Hol­ly ein, ihr Kopf neig­te sich zur Sei­te, kurz dar­auf glitt das Papier, das sie beschrif­tet hat­te, von ihren Schen­keln und lan­de­te vor mir auf dem Boden, sodass ich lesen konn­te, was Hol­ly notier­te: Lese­ma­schi­ne No. 82 / Dach­gar­ten, 75, Green­wich Ave­nue Man­hat­tan [ Schlüs­sel : Mrs. M. Lin­ne­ker — 8. Stock ] > Die Geschich­te von den Papier­tier­chen. Hand­zeich­nung, ca. 68 pt: Man stel­le sich ein­mal vor, Papier­tier­chen exis­tier­ten in unse­rer Welt. Nicht etwa Tier­chen, die aus Papier gemacht oder ver­gleich­ba­rer Ware, son­dern tat­säch­li­che Lebe­we­sen, die so aus­ge­dacht sind, dass sie sich zu For­men ver­sam­meln, die einer Papier­sei­te ähn­lich sind. Weil die­se Lebe­we­sen, wie ich sie mir gera­de male, sehr klein sein soll­ten, sagen wir in der Flä­che so groß wie die Spit­ze einer Nadel, wür­de ein Maschi­nen­bo­gen von nicht weni­ger als zwei Mil­lio­nen Indi­vi­du­en nach­ge­bil­det sein. Jedes Papier­tier­chen, sicht­bar ganz für sich nur im Licht eines sehr guten Mikro­skops, ist nun von dem Wunsch beseelt, sich mit jeweils vier wei­te­ren Tier­chen, die es schon immer kennt, mit­tels feins­ter Ten­ta­keln zu ver­bin­den oder zu befreun­den, und zwar nur mit die­sen, sodass man von ein­deu­ti­ger Ord­nung spre­chen könn­te, nicht von einer belie­bi­gen Anord­nung. Ja, jedes der klei­nen Wesen für sich spricht von einem urei­ge­nen Ort, den es nie­mals ver­gisst. Sobald alles schön zu einer Sei­te geord­net ist, wer­den mit Licht, mit einem Licht­stift genau­er, Zei­chen gesetzt auf das leben­de Papier, indem man leich­ter Hand wie mit einem Fül­ler schreibt. Wird ein schnee­wei­ßes Tier­chen berührt vom notie­ren­den Licht, nimmt es sogleich die schwar­ze Far­be an und ver­bleibt von die­sem Schwarz, bis es von wei­te­rem Licht berührt wer­den könn­te, einem Licht natür­lich, das sehr stark sein muss, weil doch der Tag oder jede Lam­pe das Zei­chen der Nacht sofort über die Land­schaft der fili­gra­nen Kör­per schrei­ben wür­de. Ich hat­te, wäh­rend ich die­sem Gedan­ken noch auf einer gewöhn­li­chen Com­pu­ter­schreib­ma­schi­ne folg­te, die Idee, dass sie viel­leicht alle sehr schreck­haft sind, also zunächst unvoll­kom­men oder wild, dass sie, zum Bei­spiel, wenn ein Feu­er­wehr­au­to in ihrer Nähe vor­über kom­men soll­te, sofort aus­ein­an­der flie­gen in Panik, sich ver­ste­cken, um jedes für sich oder in grö­ße­ren Grup­pen an den Wän­den mei­ner Zim­mer zu sit­zen. Viel­leicht lun­gern sie auch auf Kaf­fee­tas­sen her­um oder in den Haar­blät­tern eines Ele­fan­ten­fuß­bau­mes, ja, das ist gut denk­bar. Ich wer­de dann war­ten, ruhig und gelas­sen war­ten, bis sie sich wie­der beru­higt haben wer­den und zurück­kom­men, sagen wir nach einer Stun­de oder zwei. Dann wei­ter schrei­ben oder lesen oder den­ken. Und jetzt habe ich einen Kno­ten im Kopf, soll­te bald ein­mal wach wer­den. — stop
ping

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bombay

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bamako : 2.12 — Auf mei­nem Schreib­tisch bemer­ke ich eine Post­kar­te, die dort eigent­lich nicht exis­tie­ren soll­te. Tau­sen­de Figu­ren bede­cken das Schrift­stück, For­men, die ich einer­seits als Zei­chen iden­ti­fi­zie­ren, ande­rer­seits ihrer Bedeu­tung nach nicht ent­zif­fern kann, auch die Brief­mar­ke der Post­kar­te wur­de mit Zei­chen ver­se­hen. Irgend­je­mand muss, mit­hil­fe einer Lupe, so vie­le Schrift­zei­chen wie mög­lich auf der Post­kar­te unter­ge­bracht haben. Es han­delt sich ver­mut­lich um einen Text in sin­gha­le­si­scher Spra­che. Weder sind Absät­ze zu erken­nen, noch Wör­ter, kein Raum für Lee­re. Die Brief­mar­ke ist unter den Zei­chen nur noch sche­men­haft zu erken­nen, 25 Rupi­en, Ele­fan­ten durch­schrei­ten einen Fluss. Auf die Bild­sei­te der Post­kar­te wur­de kein Schrift­zei­chen gesetzt. Sie trägt eine berühm­te Foto­gra­fie Sebas­tião Sal­ga­dos: Church­ga­te Train Sta­ti­on / Bom­bay. Men­schen strö­men über Bahn­stei­ge. Sie bewe­gen sich so schnell, dass sie unscharf erschei­nen wie eine Flüs­sig­keit. Im lin­ken unte­ren Bereich der Foto­gra­fie eine Frau, die sich ver­mut­lich im Moment der Auf­nah­me kaum oder nur sehr lang­sam beweg­te. Sie hält eine Tasche in der rech­ten Hand, sie scheint die ein­zi­ge nicht flüs­si­ge Per­son zu sein, die auf der Foto­gra­fie wahr­zu­neh­men ist. — stop – Diens­tag. — stop – Sturm von Nord­west. — stop
ping

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am karibasee

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alpha : 20.22 — Nadi­ne Gor­di­mer erzähl­te vor weni­gen Tagen in einem Fern­seh­ge­spräch, man habe vor lan­ger Zeit ihren Roman Burger’s Daugh­ter auf gehei­men Wegen zu Nel­son Man­de­la ins Gefäng­nis geschmug­gelt. Auf den­sel­ben gehei­men Wegen sei ihr kurz dar­auf ein per­sön­li­cher Brief Nel­son Man­de­las über­mit­telt wor­den, zeit­le­bens ein kost­ba­res Doku­ment. Ich hör­te Nadi­ne Gordimer’s hel­le Stim­me zum ers­ten Mal. Wäh­rend ich lausch­te und ihr anmu­ti­ges Gesicht betrach­te­te, erin­ner­te ich mich an den ers­ten Moment, da ich vor Jah­ren die Lek­tü­re einer ihrer Erzäh­lun­gen auf­ge­nom­men hat­te, Some­thing out The­re. Ich folg­te damals nach weni­gen Sät­zen dem Wunsch, in der digi­ta­len Sphä­re eine Foto­gra­fie des Kari­ba­sees zu suchen, weil Nadi­ne Gor­di­mer vom künst­li­chen Gewäs­ser in der Savan­nen­land­schaft erzähl­te, von Ele­fan­ten gleich­wohl, die sich in sei­ne Flu­ten stürz­ten, um uralten Wan­der­rou­ten zu fol­gen. — Was hat­ten die ertrin­ken­den Tie­re dort unter dem Was­ser­spie­gel gese­hen? — Wovon hat­ten sie gehört in ihrer letz­ten Lebens­se­kun­de? — Ich las von der Tie­fe des Sees, von Fischen, die in ihm leben sol­len, von der Luft­feuch­tig­keit und vom Gewicht der Ele­fan­ten­kör­per, von der Bio­dich­te ihrer Kör­per und von Kul­tu­ren in See­nä­he sie­deln­der Men­schen. Und wäh­rend ich so vor mich hin stu­dier­te, von Sei­te zu Sei­te, von Link zu Link, ver­ging eine Stun­de Zeit. Plötz­lich erin­ner­te ich mich an das Buch, das ich neben mir abge­legt hat­te, und setz­te mei­ne Lek­tü­re fort. — Heu­te ist Nadi­ne Gor­di­mer gestor­ben. — stop

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