Aus der Wörtersammlung: nacht

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amplitude

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tan­go : 18.15 — Ver­gan­ge­ne Nacht sechs Stun­den Schlaf auf­ge­zeich­net. Selt­sa­me Span­nung, wäh­rend ich die Datei in das Ton­be­ar­bei­tungs­pro­gramm lade, um nach Aus­schlä­gen zu suchen. Zunächst das Hupen eines Auto­mo­bils, eine hef­ti­ge Ampli­tu­de. Nach einer wei­te­ren Stun­de der Abdruck einer Feu­er­wehr­si­re­ne. Kurz dar­auf das Rascheln der Bett­de­cke. Gegen 3 Uhr das Geräusch einer Tür. Kann mich nicht erin­nern, spa­ziert zu sein. — stop
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sandor marai

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sier­ra : 10.14 — Lan­ge Zeit der Ein­druck, dass in mei­nem Leben nur weit ent­fern­te Wesen ster­ben, Wesen bei­spiels­wei­se, die Madras bewoh­nen, Wesen ohne Nie­ren. Dann, von einem Tag zum ande­ren, endet mei­ne Kind­heit. Erin­ner­te mich an eine Notiz des 84 jäh­ri­gen unga­ri­schen Dich­ters San­dor Marai. ”In der Nacht urplötz­lich die Gewiss­heit, dass ich sterb­lich bin — nicht die Mög­lich­keit, son­dern die Tat­sa­che. Es war nicht beängs­ti­gend. — Und eini­ge Tage spä­ter, am 31. Okto­ber des sel­ben Jah­res: Das Ster­ben beginnt damit, dass man es nicht mehr für unmög­lich hält zu ster­ben. 84 Jah­re lang habe ich es nie­mals für mög­lich gehal­ten, und ich hat­te recht. – Efl Uhr fünf­und­zwan­zig in Suni, West­dar­fur. — stop
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wordpress

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echo : 7.15 – Habe ich schon erzählt, dass das Licht des Tages im Zim­mer, in dem ich schla­fe, als sanf­tes, schat­ti­ges Leuch­ten erscheint, oran­gen­far­ben zur Decke hin und in der Höhe mei­nes Bet­tes in einem tie­fen Blau? — Süd­li­ches Licht. — Das Licht ita­lie­ni­scher Mit­tags­stun­den. — Halb­wegs träu­mend immer wie­der durch die Woh­nung. Ein­mal fin­de ich mich in der Küche wie­der, wie ich um 10 Uhr zu nacht­schla­fen­der Zeit Kaf­fee zube­rei­te­te. Auch heu­te ist wie­der 10 Uhr gewor­den und viel­leicht schla­fe ich in die­sem Moment tief und fest oder hof­fe, bald tief und fest zu schla­fen, wäh­rend die­ser Text von mei­nem word­press — Pro­gramm frei­ge­las­sen wird.
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johnny got his gun

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echo : 2.55 — Ich will heu­te nichts tun, als mich von dem Film John­ny got his gun erho­len. Sit­ze im Licht der Com­pu­ter­ma­schi­ne und ver­zeich­ne mit einem Blei­stift Wege, die mei­ne Spring­spin­ne über den Schreib­tisch spa­ziert, auf ein Blatt Papier. stop. Selt­sa­me Figu­ren. stop. stop. Ana­to­misch betrach­tet, zeigt sich die Weg­stre­cke des olym­pi­schen Feu­ers als offen lie­gen­de Ner­ven­bahn einer Dik­ta­tur. — Zwei Uhr eins. Nacht in Ran­gen, Bur­ma. — stop

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zoulou

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sier­ra : 2.05 — Eine ange­neh­me Nacht mit Ben­ny Good­man und sei­nem Orches­ter 1938 in der Car­ne­gie Hall. | stop | I play light­ly, soft­ly sin­ging. | stop | Regen. | stop | Nas­se Flie­gen, nas­se Fal­ter. | stop | Habe in mei­ner Küche vor dem Ofen Platz genom­men und eine Ente und die Hit­ze betrach­tet und über die Zeit nach­ge­dacht, über die hohe Geschwin­dig­keit, in der ich arbei­te. Eine neue Geschich­te begin­nen, eine sehr lang­sam erzähl­te Geschich­te, jeden Tag ein Zei­chen. Ich begin­ne mit dem Zei­chen : z – zou­lou

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karpfenzungen

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18.15 — Ich hör­te, eine U‑Bahnlinie soll ein­mal vor lan­ger Zeit Euro­pa ver­bun­den haben mit dem nord­ame­ri­ka­ni­schen Kon­ti­nent. Sie folg­te dem 55. Brei­ten­grad unter atlan­ti­schen Gestei­nen, nahe Bryant Park, Man­hat­tan, stieg man zu. Dann fuhr man los. Man fuhr zwei Tage und drei Näch­te, Zeit, viel Zeit, Geschich­ten zu erzäh­len. Wenn Nacht gewor­den war unter dem Mee­res­bo­den, schlief man auf Hän­ge­mat­ten gebet­tet tief und fest, war wie­der Tag gewor­den, saß man plau­dernd vor den Fens­tern zu den Stei­nen. Am letz­ten Abend der Rei­se end­lich wur­de getanzt bis spät in die Nacht. Schon mit­tel­eu­ro­päi­scher Zeit, ser­vier­te man über offe­nen Feu­ern gebra­te­ne Täub­chen. Die waren prall gefüllt mit Karp­fen­zun­gen. Dann war’s fünf und Mor­gen über Buda­pest. Metro Vörös­mar­ty tér stieg man aus und jeder ging sei­ner Wege. – Zwei Uhr fünf­und­zwan­zig in Lha­sa, Tibet. — stop

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LUMUMBA

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2.27 – Das Geräusch eines Blei­stifts auf Papier. Seit ich vor eini­gen Tagen bemerk­te, dass ich nach und nach die Fer­tig­keit des Schrei­bens mit der Hand ver­lie­re, notie­re ich wie­der mit dem Blei­stift in ein Heft. – Fol­gen­des, sagen wir. Sobald ich ein Wort Zei­chen für Zei­chen lese, sobald ich das Wort in ein Geräusch ver­wan­delt habe, ver­lie­re ich sei­ne Bedeu­tung. Das Wort LUMUMBA zum Bei­spiel, warm, tief, wohl­klin­gend, leer. Alle Wör­ter, die ich nach die­sem Wort LUMUMBA erfin­de, tra­gen ein – u — in sich. Zu die­sem Zeit­punkt kann ich sagen, dass ich gegen das inten­siv wir­ken­de — u — in dem Wort LUMUMBA am Bes­ten mit einem — i — ankom­men kann. — HIBISCILLI. — Das — i -, weiß der Him­mel war­um, hat in mei­nem Kopf mit Freu­de, mit Glück zu tun. Also wei­ter mit der Musik : begai­o­ku : lidabo­bi : basi­je­bu : pom­e­be­bu : bodi­ba­be : mitusubu : cawa­ri­ba : babu­na­be : nufumetu.

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sames salter

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~ : louis
to : Mr. james salter
sub­ject : MARIT

Lie­ber James Sal­ter, als ich heu­te Nacht am Schreib­tisch saß und in Ihren wun­der­ba­ren Erzäh­lun­gen las, habe ich eine klei­ne Spin­ne bemerkt, die mich beob­ach­te­te, jawohl, sie saß auf dem Feins­ten der Blatt­haa­re eines Ele­fan­ten­fuß­bau­mes, der neben mei­ner Com­pu­ter­ma­schi­ne steht, und beob­ach­te­te mich aus meh­re­ren win­zi­gen schwar­zen Augen. Ich habe über­legt, was die­ses Wesen wohl in mir sieht. Für einen wei­te­ren kur­zen Moment habe ich dar­über nach­ge­dacht, ob Spin­nen viel­leicht hören, — ich lese oft laut vor mich hin, das soll­ten sie wis­sen -, und so wun­der­te ich mich, dass ich vie­le Jah­re gelebt habe, ohne der Fra­ge nach­zu­ge­hen, ob Spin­nen über Ohren­paa­re oder doch wenigs­tens über einen zen­tra­len Gehör­gang, wo auch immer, ver­fü­gen. Ich saß also am Schreib­tisch, ich las und die klei­ne geti­ger­te Spin­ne, von der ich Ihnen erzäh­le, seil­te sich zur Tas­ta­tur mei­ner Com­pu­ter­ma­schi­ne ab. Ich hat­te den Ein­druck, dass ihr die­se Luft­num­mer Freu­de mach­te, weil sie ihre Lan­dung immer wie­der hin­aus­zö­ger­te, indem sie den Faden, der aus ihr selbst her­aus­ge­kom­men war, ver­speis­te, dem­zu­fol­ge ver­kürz­te. Viel­leicht hat­te sie bemerkt, dass ich sie betrach­te­te, das ist denk­bar, weil ich auf­ge­hört hat­te, laut zu lesen für einen Moment, um nach­zu­den­ken, viel­leicht woll­te sie, um sich mir dar­zu­stel­len, auf mei­ner Augen­hö­he blei­ben. Das war genau in dem Moment als Marit nach ihrer letz­ten Nacht auf unsi­che­ren Bei­nen die Trep­pe her­un­ter­ge­kom­men war, Marit, die doch eigent­lich seit Stun­den schon tot gewe­sen sein muss­te. Marit setz­te sich auf eine Trep­pe und begann zu wei­nen. Sicher wer­den Sie sich erin­nern an Marit, wie sie auf der Trep­pe sitzt und weint, weil sie wuss­te, dass sie eine wei­te­re letz­te Nacht vor sich haben wür­de. Als ich las, dass Marit lebt und weint, habe ich eine Pau­se gemacht, weil ich erschüt­tert war, weil das Gift nicht gewirkt hat­te. Ich saß vor mei­nem Schreib­tisch und über­leg­te, ob auch sie, James Sal­ter, erschüt­tert waren, als Marit so lang­sam, auf unsi­che­ren Bei­nen die Trep­pe her­un­ter­kam. Und wäh­rend ich an Sie und Ihre Schreib­ma­schi­ne dach­te, beob­ach­te­te ich die Spin­ne, die mit ihren sehr klei­nen Bei­nen, den Faden, an dem sie hing, betas­te­te. Ist das nicht ein Wun­der, eine Spin­ne wie die­se Spin­ne? Haben Sie schon ein­mal bemerkt, dass es nicht mög­lich ist mit einer elek­tri­schen Schreib­ma­schi­ne zwei Buch­sta­ben zur glei­chen Zeit, also über­ein­an­der, auf das Papier oder den Bild­schirm zu schrei­ben? Immer ist einer vor, nie­mals unter dem ande­ren. Mit herz­li­chen Grü­ßen. Louis.

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lowrysteine

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3.15 — Bei fei­ner Col­tra­ne­mu­sik Notiz­par­tic­les für Lowrysto­ry über­tra­gen. Sagen wir : Atlan­tik : Damp­fer : Kof­fer : Black­out : Ellis Island : Trom­pe­te : Mexi­ko : Höl­len­stein : Gin : Satel­lit : Vul­kan : Bel­le­vue : Wal­fisch­vo­gel : Mel­ville : Bat­tery Park : : lunar cau­st­ic. — Um nicht ein­zu­schla­fen, ver­brin­ge ich die­se Nacht auf einem sehr har­ten, höl­zer­nen Gar­ten­stuhl. 70 Meter tief unter der Was­ser­ober­flä­che, 2000 m hoch über dem Mee­res­bo­den. | stop | Licht­blit­ze einer Medu­se. | stop | Schla­fen­de Wal­fi­sche. | stop | Senk­recht schwe­ben­de Tür­me. | stop | Ein Gra­nat­barsch, der sich um mein lin­kes Ohr bemüht. | stop | Salz im Mund. | stop | Suche nach neu­en Pseud­ony­men. — Elf Uhr fünf­und­zwan­zig in Lha­sa, Tibet. — stop

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