Aus der Wörtersammlung: nacht

///

yanuk : kulinarien

pic

oli­mam­bo

~ : yanuk le
to : louis
sub­ject : MOLLUSKEN
date : aug 23 08 2.15 p.m.

Lie­ber Mr. Lou­is, wir hat­ten hef­ti­gen Sturm, waren aber gut befes­tigt. Seit ges­tern funk­tio­niert mei­ne Kur­bel­ma­schi­ne wie­der und ich kann Strom erzeu­gen, sodass ich schrei­ben und zugleich Nach­rich­ten emp­fan­gen kann. Habe scheue Zika­den ent­deckt, die Feu­er ent­zün­den, und schloh­wei­ße Geckos, die vor­züg­lich schme­cken. Bald meld ich mich wie­der. — Yanuk

ein­ge­fan­gen
16.07 UTC
352 Zeichen

yanuk to louis »

ping

///

speed

pic

lima : 0.01 — Ich hör­te im Radio, ein Mann aus Jamai­ka sei eine Stre­cke von 100 Metern in 9.69 Sekun­den gelau­fen. Sofort setz­te ich mich vor das Fern­seh­ge­rät und beob­ach­te­te die­sen Mann, von dem ich gehört hat­te, und ich dach­te, dass ich ihn ger­ne ein­mal berüh­ren wür­de, abklop­fen oder mein Ohr auf einen sei­ner Ober­schen­kel legen und lau­schen. — stop

ping

///

memory

pic

oli­mam­bo : 3.02 — Vor einer Stun­de unge­fähr, aus hei­te­rem Him­mel, erin­ner­te ich mich an eine Brief­mar­ke, die sich zu einer Zeit in mei­nem Besitz befun­den hat­te, als ich noch ein Kind gewe­sen war. Die­se Mar­ke, obwohl sehr vie­le Jah­re weit von mir ent­fernt, war so gegen­wär­tig von einer Sekun­de zur ande­ren, als hät­te ich sie weni­ge Minu­ten zuvor einem Sam­mel­al­bum ent­nom­men und auf einen Luft­post­brief geklebt. Zu Ehren des Schim­pan­sen Ham, der in den Welt­raum gereist war, um dort eini­ge Übun­gen in der Schwe­re­lo­sig­keit zu absol­vie­ren, war sie in einer begrenz­ten Auf­la­ge gedruckt gewor­den. Das Beson­de­re an Ham war ohne Fra­ge sei­ne Men­schen­ähn­lich­keit gewe­sen, auch dass Ham, im Gegen­satz zu Lei­ca, einer rus­si­schen Hun­de­da­me, sei­nen Aus­flug in den Kos­mos über­leb­te. Der klei­ne Brief­mar­ken­af­fe trug einen Helm, genau genom­men einen wei­ßen Astro­nau­ten­helm, der unglück­li­cher­wei­se von einem Stem­pel getrof­fen wor­den war. In die­sem Moment, da ich notie­re, erin­ne­re mich an einen Riss, der mein Brief­mar­ken­al­bum bedroh­te, weil er mit jeder Besich­ti­gung der Samm­lung, knis­ternd wuchs. Ein­mal habe ich einem Mäd­chen, in das ich ver­liebt gewe­sen war, mein Album mit Riss gezeigt, eine selt­sa­me Erfah­rung, wes­halb ich das Sam­meln der Brief­mar­ken auf­ge­ben habe und mich den Schall­plat­ten zu wid­men begann. Die­ses Mäd­chen, das mich von den Brief­mar­ken ent­fern­te, hieß Patri­zia und trug sehr klei­ne blaue Knöp­fe in bei­den Ohren, die herr­lich fun­kel­ten, sobald sie sich beweg­te. Ja, sie fun­kel­ten damals bis in mei­ne Träu­me hin­ein und sie fun­keln noch heu­te oder wie­der, wäh­rend ich hier still in einer küh­len Nacht her­um­sit­ze und mich wun­de­re, dass ich an Din­ge den­ke, die ich vor einer Stun­de noch nicht wuss­te. — stop

///

langustenfliege

pic

india : 6.20 — Früh­mor­gens im Pal­men­gar­ten spa­ziert. Ich ging ein­hun­dert Schrit­te nord­wärts, dann zwei­hun­dert Schrit­te süd­wärts, lag bald in einer Wie­se her­um und dach­te, hier schla­fe ich zwei Tage, hier genau an die­ser Stel­le schla­fe ich zwei Tage unterm Zirp­gril­len­schirm. Wenn man so in einer Wie­se liegt, kommt man aus dem Stau­nen nicht her­aus, man kann nicht schla­fen, weil man Natur beob­ach­ten und sich wun­dern muss, wie das alles mög­lich gewor­den ist. Habe auf einer schwarz und weiß gestreif­ten Blu­me ein Lie­bes­paar beob­ach­tet, ein merk­wür­di­ges Gebil­de, ein oder zwei Mil­li­me­ter hoch, nicht höher, ganz gewiss. Eine sehr beson­de­re Vari­an­te war das gewe­sen, zwei Hai­fi­sche [Kopf], zwei Lan­gus­ten [Schwanz] und zwei Flie­gen [Flü­gel und Bei­ne], deli­kat inein­an­der gesetzt, volu­mi­nö­se Augen­paa­re auf beweg­li­che Stäb­chen mon­tiert, die sich im Spiel zärt­lich betas­te­ten, als ob sich vier sehen­de Mund­wer­ke küss­ten. Das alles war sehr schön, auch in der Far­be gestal­tet, je ein leuch­tend gel­ber Kopf, zwei feu­er­ro­te Brüs­te und Hin­ter­tei­le von einem Umbr­ab­lau, wie ich es so präch­tig noch nie zuvor gese­hen habe. Genau dort hat­te hef­ti­ges Pum­pen ein­ge­setzt, wäh­rend das Flü­gel­werk schil­ler­te im feins­ten Pris­men­licht. Selt­sam, auch bei die­sen sehr klei­nen, wil­den Wesen war nichts zu hören, nicht das min­des­te Geräusch, da war Bewe­gung, nur Bewe­gung. Und ich dach­te noch, sehr ele­gant, wie das dort an einem frü­hen Frei­tag­mor­gen schon gemacht wird, ohne sich von den Augen eines Rie­sen stö­ren zu las­sen. Es ist jetzt 5 Uhr und drei­ßig Minu­ten. Es sind Spin­nen, die mor­gens das Nacht­was­ser von den Wie­sen sau­fen. — stop

ping

///

lucie

pic

sier­ra : 6.02 — Das sind lus­ti­ge Tage, Tage wie die­ser hier nach durch­ar­bei­te­ter Nacht. Noch immer, drin­nen wie drau­ßen, sehr war­me und feuch­te Hit­ze. In der Däm­me­rung schloss ich die Fens­ter. Auf das Bett waren leich­te Tücher gelegt, das luf­tigs­te Mate­ri­al, das zu fin­den gewe­sen ist, die Fens­ter ver­dun­kelt, alles bereit, den begin­nen­den Tag sofort zur Nacht zu machen. Ich lag bald unterm Buch, das mir den Kopf müde mach­t. Ich dach­te, dass ich nichts den­ken soll­te, schau­te nach Lich­tern, die unter den Lidern in Schlaf­au­gen wan­dern. Fast war ich weg­ge­kom­men, als eine Flie­ge auf mei­ner Schul­ter lan­de­te und sofort mit dem Munds­tem­pel nach Salz und ande­ren Din­gen zu for­schen begann. Ich sag­te, bit­te, bit­te nicht, Lucie, heu­te bit­te nicht, ich muss schla­fen. Und so erhob sich Lucie in die Luft und ich hör­te, wie sie eine lang­sa­me, trau­rig sum­men­de Run­de links­her­um durch mein Zim­mer flog. Dann schlief ich ein und träum­te zwei blaue Schne­cken. Sie waren von küh­ler Tem­pe­ra­tur und hat­ten sich wie Polar­füch­se in einer Schnee­höh­le, in mei­ne Augen­höh­len gelegt. Als ich wach wur­de, als ich zunächst wach gewor­den war, wie immer mit geschlos­se­nen Augen, hör­te ich Gewit­ter­don­ner, dann ent­deck­te ich Lucie in nächs­ter Nähe. Sie hat­te sich, wäh­rend ich träum­te, vor­sich­tig auf den Rücken mei­ner lin­ken Hand gesetzt und ihre Bei­ne ange­zo­gen, sodass sie nicht saß, viel­mehr auf mir lag. Ja, ist es denn Flie­gentieren mög­lich, die Augen zu schlie­ßen? — stop

 

///

propeller

pic

sier­ra : 5.15 — Für einen Moment, für 20 oder 30 Sekun­den, war heu­te Nacht der Strom aus­ge­fal­len. Über­fall­ar­tig die schwar­ze Far­be der feucht­war­men Luft und in die­ser Far­be, die sanft mein Gesicht berühr­te, das schnur­ren­de Geräusch der Pro­pel­ler mei­ner Süß­was­ser­fil­ter­ma­schi­ne, Fische, die schlaf­trun­ken durchs Was­ser schos­sen, Fische, die die Gren­zen ihrer glä­ser­nen Welt berühr­ten, auch das ein Geräusch, ein etwas dunk­le­res p i n g, knö­chern, schmerz­haft. Da war noch das Seuf­zen der Kühl­schrank­tür von der Küche her, das Geräusch mei­ner Fin­ger, die auf dem Schreib­tisch nach einem Feu­er­zeug such­ten, Schrit­te von oben, vom Dach, mein Atem. In die­sem Moment der Fins­ter­nis, ich weiß nicht war­um, erin­ner­te ich mich an Noe, mei­nen Tau­cher, und sofort, nach­dem das Licht zurück­ge­kehrt war und mit die­sem Licht, die Mög­lich­keit, das Inter­net zu errei­chen, besuch­te ich Noe, lausch­te eine Wei­le, las was er zu sagen hat­te, was er in der Tie­fe des Atlan­tiks vor Neu­fund­land in die Schreib­ma­schi­ne tipp­te, war glück­lich, dass Noe noch exis­tier­te: r e d f i s h r i g h t w a r d s. s t o p also schrei­be ich. s t o p ich schrei­be was ich sehe. s t o p fei­ne stäu­be trei­ben durchs was­ser. s t o p schat­ten­lo­se wesen. s t o p licht­zei­chen. s t o p pul­se. s t o p habe ver­sucht die gestalt eines kühl­schranks zu erin­nern? s m a l l b l u e f i s h r i g h t h a n d . s t o p lan­ge zei­ten der beob­ach­tung. s m a l l g r e e n f i s h t o p l e f t. s t o p mei­ne schrei­ben­den hän­de. s t o p die bewe­gung der hand­schu­he auf der tas­ta­tur der maschi­ne. s t o p als ob ein ande­rer arbei­te­te so fern schei­nen mir ihre ges­ten zu sein. s t o p fremd. s t o p wie lan­ge zeit habe ich mei­ne unbe­klei­de­ten hän­de nicht gese­hen? s t o p

ping

///

katze

pic

india : 3.18 — Schwü­le Hit­ze, Fens­ter und Türen weit geöff­net. Gegen drei Uhr der Besuch einer Kat­ze. Sie nimmt sich in aller Ruhe ein Zim­mer nach dem ande­ren vor. Gold­gel­be Augen. Rascheln. 10 Minu­ten. – Wäh­rend ich lese, wie­der der Ein­druck, dass mei­ne Ohren zur Nacht­zeit grö­ßer werden.

ping

///

torero

pic

marim­ba : 4.52 — Dich­te Flie­gen­wol­ken in der Gewit­ter­luft überm Pal­men­gar­ten­see. Man müss­te als Vogel mit auf­ge­ris­se­nem Schna­bel nur zwei oder drei­mal knapp über das Was­ser rasen, schon hät­te man sich den Magen ver­dor­ben. In genau die­sem Zusam­men­hang beob­ach­te­te ich ver­gan­ge­ne Woche einen Fal­ter, der sich über der Was­ser­ober­flä­che wie ein Tore­ro ver­hielt. Rasan­te Flug­ma­nö­ver lock­ten einen angrei­fen­den Sper­ling immer wie­der ins Lee­re. Mit Span­nung auf den Absturz des Vogels ins Was­ser gewar­tet. Aber dann führ­te ein mini­ma­ler Wind­stoß in der fal­schen Sekun­de doch noch zum Ende des Fal­ters, der ein ver­we­ge­nes Tag­pfau­en­au­ge gewe­sen war. — Es ist jetzt 4 Uhr und noch immer Nacht, weil es dun­kel ist. Ich habe gera­de eine Notiz seziert, die ich auf einem sehr alten Zet­tel wie­der ent­deck­te. Ich kann mich an den Moment der Notiz nicht erin­nern, aber die Schrift ist mei­ne Hand­schrift. Sie ist zwan­zig Jah­re alt. Ein merk­wür­di­ger Anblick, als wür­de ich die Gedan­ken eines Frem­den betrach­ten, der mir doch ver­traut ist. Der Frem­de schrieb: Ein­mal für eine Stun­de lang über einer gro­ßen Stadt unter einem Zep­pe­lin auf der Stel­le schwe­ben, für die­se eine Stun­de nur, da die Gedan­ken der Men­schen in der Stadt hör­bar wer­den, die stren­gen, die leich­ten, die erin­ner­ten, die rasen­den Gedan­ken einer Stadt. — Ein Rau­schen viel­leicht. — stop

ping

///

ein kind

2

marim­ba : 6.16 — In der Schnell­bahn vom Flug­ha­fen wie­der ein merk­wür­di­ges Kind beob­ach­tet. Das Kind saß auf dem Schoß der Mut­ter, hat­te einen Schnul­ler im Mund und betrach­te­te Fahr­gäs­te, die dort in sei­ner nächs­ten Nähe saßen oder stan­den. Alle waren sie müde, ein Lang­stre­cken­flug von New York her über den Atlan­tik lag hin­ter ihnen, das Kind aber schien gut geschla­fen zu haben. Es hat­te blitz­blan­ke Augen von dun­kel­brau­ner Far­be, und mit die­sen Augen nun arbei­te­te es sich von einem Erwach­se­nen­ge­sicht zum nächs­ten. Wenn die Augen des Kin­des ein Gesicht erreich­ten, ver­weil­ten sie eine gewis­se Zeit lang, als ob sie sich das Gesicht für immer ein­prä­gen, oder aber als ob sie in dem Gesicht etwas fin­den woll­ten, nach dem gesucht wer­den muss­te. Wenn das Kind mit der Beob­ach­tung eines Gesichts fer­tig gewor­den war, hüpf­ten sei­ne Augen auf das nächs­te Gesicht, und so wei­ter und so fort. Nie, ich mei­ne, nie, solan­ge ich das Kind und sei­ne Augen beob­ach­te­te, kehr­te sein Blick zu einem Gesicht zurück, das es bereits ein­mal besucht hat­te, sodass ich behaup­ten möch­te, dass sei­ne Augen, das heißt, das Gehirn des Kin­des, den Raum des Zuges sys­te­ma­tisch unter­such­te. Für eine Sekun­de hat­te ich den Gedan­ken, dass das Kind viel­leicht ein uralter Mensch gewe­sen war, der rück­wärts leb­te, für den sich die Zeit umge­kehrt hat­te, der bald den Anfang sei­ner Exis­tenz wie­der errei­chen wür­de, der noch ein­mal alles ansah, mit Kin­der­au­gen, aber viel­leicht einem uralten Gehirn. Wer aber, wenn ich die­ses Gefü­ge wei­ter­den­ke, war die­se müde Frau gewe­sen, auf des­sen Schoss das Kind ruh­te und schau­te? – Weit nach Mit­ter­nacht. Habe den Ver­dacht, die­se Geschich­te schon ein­mal erzählt zu haben. Ein Déjà-vu. Wer­de mir sofort zur Beru­hi­gung eine klei­ne Ente bra­ten. — stop

ping