Aus der Wörtersammlung: op

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abschnitt neufundland

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Abschnitt Neu­fund­land mel­det fol­gen­de gegen Küs­te gewor­fe­ne Arte­fak­te : Wrack­tei­le [ See­fahrt – 121, Luft­fahrt — 1216, Auto­mo­bi­le — 2436 ], Gruß­bot­schaf­ten in Glas­be­häl­tern [ 18. Jahr­hun­dert — 3, 19. Jahr­hun­dert – 88, 20. Jahr­hun­dert – 213 , 21. Jahr­hun­dert — 72 ], phy­si­cal memo­ries [ bespielt — 155, gelöscht : 112 ], Licht­fang­ma­schi­nen [ Canon Ixus 155 : 8 ], Dia­ry [ Loui­sa Sha­pi­ro 1901 — 2012 : 1 ] Öle [ 0.56 Ton­nen ], Pro­the­sen [ Herz — Rhyth­mus­be­schleu­ni­ger – 10, Knie­ge­len­ke – 26, Hüft­ku­geln – 43, Bril­len – 1566 ], Schu­he [ Grö­ßen 28 – 39 : 799, Grö­ßen 38 — 45 : 564 ], Kühl­schrän­ke [ 6 ], Tief­see­tauch­an­zü­ge [ ohne Tau­cher – 8, mit Tau­cher – 22 ], Tele­fo­ne [ 624 ], Engels­zun­gen [ 28 ] | stop |

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radare

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kili­man­dscha­ro : 4.18 — Wie nach der Mel­dung eines Ter­ror­an­schla­ges Men­schen damit begin­nen, ihre Umge­bung abzu­su­chen nach Ver­däch­ti­gem. M., der in Mit­tel­eu­ro­pa lebt, erin­ner­te sich an L., der mor­gens im Zug auf dem Weg nach Hau­se im Koran gele­sen hat­te. Das war ein klei­nes Buch gewe­sen, ein Buch wie aus einer Match­box, eine Art Miniko­ran oder etwas Ähn­li­ches. L., die vor lan­ger Zeit ihre Geburts­stadt in Sibi­ri­en ver­ließ, befin­det sich seit Wochen in einem beben­den Zustand. Sie schläft kaum noch, erzählt, dass sie sich fürch­te. Ihre Mut­ter arbei­te in einer Biblio­thek der Hafen­stadt Odes­sa. L. sagt, sie ver­mei­de in der Öffent­lich­keit laut die rus­si­sche Spra­che zu spre­chen, auch mit der deut­schen Spra­che gehe sie vor­sich­ti­ger um, man höre sofort, dass sie aus dem Osten kom­me. Ein ira­ni­scher Freund, Z., der aus sei­nem Land flüch­te­te, um nicht in den Krieg gegen den Irak zie­hen zu müs­sen, berich­tet, er sor­ge sich um oder wegen der schla­fen­den, stau­bi­gen Män­ner am Flug­ha­fen, die auf ihre Flü­ge war­te­ten, zurück nach Buka­rest oder Sofia. — stop

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in rußland

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del­ta : 1.28 — Ich hör­te, in Russ­land sei eine Pflan­ze zur Blü­te gebracht, die vor 35000 Jah­ren aus­ge­stor­ben sei. Ob nun Bie­nen, Flie­gen, Hum­meln, Win­de exis­tie­ren, die noch geeig­net sind, die­se uralte Pflan­ze zu bestäu­ben? — stop

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lichtschirmkoffer

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reming­ton : 6.56 — Beob­ach­te­te wie­der ein­mal mei­nen Fern­seh­bild­schirm, der so flach ist, dass ich mei­ne, das beweg­te Bild, wel­ches er emp­fängt, müss­te trans­pa­rent sein wie ein Schmet­ter­lings­flü­gel. Ich könn­te in die­ser Vor­stel­lung durch das Zim­mer lau­fen, um jene Sequen­zen, die von einem begin­nen­den Krieg, von Brand­bom­ben, prü­geln­den Men­schen, mas­kier­ten Sol­da­ten erzäh­len, von der ande­ren Sei­te her zu betrach­ten. Erin­ne­re mich an Boh­u­mil Hra­bal, von dem berich­tet wird, er wür­de bevor­zugt hin­ter sei­nem Fern­seh­ge­rät Platz genom­men haben. Das muss zu einer Zeit gewe­sen sein, als Bild­schir­me in den Rah­men mons­trö­ser Appa­ra­tu­ren hock­ten, Röh­ren­bild­schir­me genau­er, die noch explo­die­ren konn­ten. Indem Hra­bal sei­nen Bild­emp­fän­ger von hin­ten betrach­te­te, han­del­te er mit dem Aus­druck äußers­ter Ver­wei­ge­rung, er saß dort und konn­te sich dar­auf ver­las­sen, kei­nes der emp­fan­ge­nen Bil­der sehen zu kön­nen, er war genau dort hin­ter jener Maschi­ne, die die Bil­der erzeug­te, vor den Bil­dern sicher. Viel­leicht hat­te er über­dies das Fern­seh­ge­rät aus­ge­schal­tet, ich weiß es nicht, gern wür­de ich ihn fra­gen, ihm erzäh­len, wie ich das mache in die­sen Tagen, da ich nicht mehr sicher bin, Lüge von Halb­wahr­heit oder Wahr­heit unter­schei­den zu kön­nen. Ich höre Stim­men der Kom­men­ta­to­ren vom Arbeits­zim­mer her, die wei­ter spre­chen, obwohl ich nicht da bin. Und ich höre den Regen, es reg­net tat­säch­lich, dann hört es wie­der auf. Nacht­vö­gel oder Fle­der­mäu­se flie­gen vor­über. — stop

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überlandfahrt

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whis­key : 2.12 — Ein äußerst gedul­dig dahin­fah­ren­der Zug : 2,5 mm / Stun­de. Indem der Zug eine Stadt ver­lässt, um in eine 5 Kilo­me­ter ent­fern­te Stadt wei­ter­zu­fah­ren, wird er für 228 Jah­re ohne Bahn­hof sein. Wer könn­te in die­ser Zeit die Gelei­se behü­ten, wer garan­tie­ren, dass der Zug jemals einen von Men­schen bewohn­ten Ort errei­chen wird? Wie schnell wür­den sich rei­sen­de Per­so­nen im Zug in den Augen eines Beob­ach­ters bewe­gen? Wären ihre Bewe­gun­gen über­haupt sicht­bar? Fünf Herz­schlä­ge von Win­ter zu Win­ter. — stop

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vögel

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lima : 0.57 — Düs­te­re Stra­ße, düs­te­res Haus, düs­te­re Trep­pe. Ich klin­gel­te an einer Tür, ein Mann, der nicht mehr ganz jung gewe­sen war, öff­ne­te. Kräf­ti­ger, bit­te­rer Geruch ström­te aus der Woh­nung. Die Luft war warm, war feucht und dicht, mei­ne Bewe­gun­gen, wie ich durch den Flur der Woh­nung ging, mühe­voll, als wür­de ich unter Was­ser lau­fen. Ich trat in ein Zim­mer, ein Tisch, ein Sofa, zwei Stüh­le, kei­ne Vor­hän­ge vor den Fens­tern, hin­ter den Schei­ben Kas­ta­ni­en­bäu­me, die blüh­ten. An den Wän­den des Zim­mers kleb­te eine Tape­te mit Kirsch­mo­ti­ven. Sie war an der ein oder ande­ren Stel­le von der Wand gefal­len. Auf höl­zer­nen Stan­gen, dicht unter der Decke, hock­ten hun­der­te Vögel ohne Federn. Ihre Haut war von hel­lem Braun, ihre Schnä­bel zitro­nen­gelb. Der Mann, der mich in das Zim­mer geführt hat­te, nahm einen der Vögel in sei­ne Hän­de. Der Vogel lag auf dem Rücken, ganz still. Er hat­te sei­ne Augen geschlos­sen, fei­ne hell­blaue Häut­chen wie Schir­me. Ich soll­te an dem Vogel rie­chen, und so nahm ich ihn in die Hand. Der Leib des Vogels war warm. Er zit­ter­te, als ich mich mit mei­ner Nase näher­te, als wür­de er frie­ren. Der Mann, der mich an das Zim­mer der Vögel geführt hat­te, sag­te, dass sie noch nicht ganz reif sei­en. Der Vogel duf­te­te nach gebrann­ten Man­deln. In einer Ecke des Zim­mers auf dem Boden ein Schall­plat­ten­spie­ler, ein uraltes Gerät, das Tom­my Dor­sey spiel­te: I’m Get­ting Sen­ti­men­tal Over You. — stop
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safranmantel

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echo

~ : oe som
to : louis
sub­ject : SAFRANMANTEL
date : april 24 14 10.55 p.m.

Es war, lie­ber Lou­is, vor zwei Tagen gewe­sen, als Noe die Lek­tü­re der Meta­mor­pho­sen Ovids von einer Sekun­de zur ande­ren Sekun­de unter­brach. Er las noch fol­gen­de Sät­ze des 10. Buches: Durch die unend­li­che Luft, vom Safran­man­tel umhül­let, geht Hymenä­us ein­her, zu dem kal­ten Gebiet der Ciko­nen, wo ihn umsonst anfle­het der Ruf des melo­di­schen Orpheus. Jener erscheint ihm zwar; doch nicht heil­jauch­zen­de Wor­te bringt er, noch fröh­li­chen Blick, noch Ahnun­gen glück­li­cher Zukunft. Selbst die gehal­te­ne Fackel erzischt in beträ­nen­dem Damp­fe immer­dar und gewinnt nicht eini­ge Glut von Bewe­gung. Schreck­li­cher war der Erfolg, wie die Deu­tun­gen. Durch die Gefil­de Schweif­te die jüngst Ver­mähl­te, vom Schwarm der Naja­den beglei­tet, ach, und starb, an der Fer­se ver­letzt von dem Bis­se der Nat­ter. Als zu dem Him­mel empor der rhod­opei­sche Sän­ger lan­ge die Gat­tin beweint, jetzt auch zu ver­su­chen die Schat­ten. — Plötz­lich Stil­le, auch kei­ne Atem­ge­räu­sche, Nacht. Mar­len hat­te Dienst. Nach­dem sie, trotz mehr­fa­cher Ver­su­che, kei­nen Kon­takt zu Noe auf­neh­men konn­te, weck­te sie uns. Wir lausch­ten gemein­sam in die Tie­fe, unge­fähr eine Stun­de lang. Es war nichts Unge­wöhn­li­ches um uns her zu bemer­ken, auch auf dem Radar kein Hin­weis auf Fisch­schwär­me oder Wale, die Noe nahe­ge­kom­men sein könn­ten. Am frü­hen Mor­gen, Tau­cher Noe hat­te sei­ne Lek­tü­re nicht wie­der auf­ge­nom­men, aber er atme­te gleich­mä­ßig und hat­te getrun­ken, mach­te sich Bob auf den Weg in die Tie­fe. Zwei Stun­den dau­er­te sein Abstieg, dann mel­de­te er mit flüs­tern­der Stim­me: Ein U‑Boot in unse­rer Nähe. Es scheint uns zu umkrei­sen, ein dunk­ler Schat­ten, ein beein­dru­ckend gro­ßes Schiff. Ich habe mich Noe genä­hert. Er lach­te mich an. Das U‑Boot trägt kei­ner­lei Hoheits­zei­chen. Ein fei­ner Strahl von Licht bewegt sich in unse­re Rich­tung wie ein Fin­ger, ohne uns zu berüh­ren. — stop. — Es ist Don­ners­tag gewor­den, spä­ter Abend. Bob befin­det sich noch immer in 800 Fuß Tie­fe bei Noe. Auch das U‑Boot kreist wei­ter­hin unter uns. Vor einer Stun­de nahm Noe sei­ne Lek­tü­re wie­der auf, unsi­che­re Stim­me, aber immer­hin eine Stim­me, die liest. Wir sind froh dar­um. Der Him­mel über uns, ohne Wol­ken. Ster­ne. Präch­tig. — Dein OE SOM

gesen­det am
24.04.2014
2155 zeichen

oe som to louis »

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MELDUNGEN : OE SOM TO LOUIS / FIN

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am telefon

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sier­ra : 6.05 — Mein Freund Lou­is erzähl­te eine Geschich­te von einem Mann, dem er vor weni­gen Jah­ren in New York begeg­net sein will. Ich wer­de kurz berich­ten, obwohl es schon spät gewor­den ist. An dem Tag, an dem Lou­is’ Geschich­te sich ereig­ne­te, wan­der­te er durch die Stadt ohne Ziel. Manch­mal stieg er in einen Zug der Sub­way und fuhr irgend­wo­hin. Ein­mal, es war Abend gewor­den, erreich­te er Brigh­ton Beach, aber anstatt den Strand zu besu­chen, fuhr er sofort wie­der zurück. Das war ein gro­ßes Glück gewe­sen, denn hät­te er nur einen oder zwei spä­te­re Züge nach Man­hat­tan genom­men, wäre er dem Mann, von dem er mir erzähl­te, ver­mut­lich nie begeg­net. Die­ser Mann war ein klei­ner, schmäch­ti­ger Herr, der breit­bei­nig vor einer Tür stand und zu tele­fo­nie­ren schien. Er sprach, ohne eine Pau­se zu machen, mit lau­ter Stim­me Wör­ter, die Lou­is nicht ver­ste­hen konn­te. Als der Zug nach einer hal­ben Stun­de Fahrt über den Dächern Brook­lyns in den Unter­grund tauch­te, geschah etwas Selt­sa­mes, denn der Mann sprach wei­ter in sein Tele­fon, obwohl jede Funk­ver­bin­dung im Tun­nel­sys­tem sofort unter­bro­chen wur­de. Kaum jemand unter den Fahr­gäs­ten schien den klei­nen Mann zu bemer­ken. Eine Fünf-Mann-Band betrat den Wag­gon, sie spiel­te einen Brass­tan­go, der Zug beb­te und der schmäch­ti­ge Mann tele­fo­nier­te und lach­te und spen­de­te einen Dol­lar. In der Lex­ing­ton Ave­nue, Höhe 63. Stra­ße, stieg der Mann aus, fuhr mit der Roll­trep­pe in das Zwi­schen­ge­schoss, stieg zur Stra­ßen­ebe­ne hin­auf und lief wei­ter nord­wärts. Er hat­te bis dahin, eine Stun­de war seit sei­ner Ent­de­ckung ver­gan­gen, nie auf­ge­hört zu spre­chen, und auch jetzt, im Gehen, setz­te er sei­ne Rede fort. An der Ecke zur 83. Stra­ße besuch­te der Mann eine Piz­ze­ria, auch Lou­is trat in den düs­te­ren Laden ein. Er hör­te dem Mann wei­ter zu, wie er mit vol­lem Mund sei­nen Text voll­zog, als könn­te er unmög­lich auf­hö­ren, als wür­de etwas Schreck­li­ches gesche­hen, wenn er nur ein­mal für eine Sekun­de eine Pau­se mach­te. Bald trat der klei­ne, spre­chen­de Mann wie­der auf die Stra­ße und setz­te sei­nen Weg in Rich­tung Har­lem fort. Es war inzwi­schen spä­ter Abend gewor­den, die Luft küh­ler, Men­schen saßen ent­lang der Häu­ser­wän­de auf Klapp­stüh­len. Um kurz nach Mit­ter­nacht plötz­lich hielt der Mann an und ver­stumm­te. Er stand eini­ge Minu­ten ganz still. Er schien zu über­le­gen. Dann leg­te er das Tele­fon auf dem Boden ab, dreh­te sich um und mach­te sich auf den Weg zurück. Er ging zunächst süd­wärts über die Lex­ing­ton Ave­nue, Höhe der 60. Stra­ße bog er nach links ab, schlen­der­te lang­sam zur Tram­way – Sta­ti­on, gegen drei Uhr lös­te er ein Ticket. — stop
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