Aus der Wörtersammlung: positionen

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anjuta

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ulys­ses : 5.25 UTC — Es ist Mon­tag, frü­her Mor­gen, und die Vögel pfei­fen. Ich bin noch nicht ganz wach, ich habe gut geschla­fen, ich hat­te einen lus­ti­gen Traum: In die­sem Traum war ich ver­sucht, Anton Tschechow einen Brief zu schrei­ben. Tat­säch­lich habe ich mich im Traum an mei­ne Schreib­ma­schi­ne gesetzt und notiert: Lie­ber Mr. Tschechow, ges­tern las ich eine trau­ri­ge Geschich­te, die Sie ein­mal auf­ge­schrie­ben haben. Sie erin­nern sich viel­leicht an Anju­ta?  Sie leb­te in der Pen­si­on Lis­sa­bon mit einem Stu­den­ten der Medi­zin in einem schmut­zi­gen Cha­os. Eigent­lich woll­te ich nach­le­sen, wie Sie vom ana­to­mi­schen Stu­di­um berich­ten, vom Ler­nen oder Pau­ken, eine Ärz­tin hat­te mich auf ihre Geschich­te auf­merk­sam gemacht. Was mich dann sehr berühr­te, war das Mäd­chen Anju­ta selbst, ihre Geduld oder Duld­sam­keit, wie trau­rig, wie sie als mensch­li­cher Gegen­stand ange­se­hen und behan­delt wur­de, eine gute Geschich­te! Es ist noch etwas Wei­te­res gesche­hen, ich erin­ner­te mich im Traum ein­mal, vor eini­gen Jah­ren, Ihre gesam­mel­ten Erzäh­lun­gen, Novel­len, Thea­ter­stü­cke, Essays in digi­ta­ler Spur aus dem Inter­net gela­den zu haben, 19657 Posi­tio­nen. Ich bemerk­te damals, dass es tatsäch­lich mög­lich ist, für den Preis einer Pista­zien­eis­kugel Joseph Roths Gesam­melte Wer­ke auf ein Paperw­hite – Lese­gerät zu holen. James Joy­ces Ulys­ses kos­tet soviel wie kei­ne  Eis­ku­gel. Vir­gi­nia Wool­fes Mrs. Dal­lo­way eine hal­be Kugel. Ihre, Anton Pawlo­witsch Tsche­chows Kurz­ge­schichten, Novel­len, Dra­men wie­der­um eine voll­stän­dige Kugel / Down­loadrei­se­zeit : 5,2 Sekun­den. Sehr beun­ru­hi­gend, wie ich fin­de. Gleich wer­de ich auf­wa­chen, ich wer­de einen Cap­puc­ci­no trin­ken, und dann wer­de ich Ihnen die­sen Brief, den ich träum­te, notie­ren an einem frü­hen Mor­gen bald, wenn Mon­tag sein wird bei leich­tem Regen, und die Vögel pfei­fen. — stop

ping

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beobachtung

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ulys­ses : 6.12 — Wäh­rend ich Jack Kerou­acs Roman On the Road in der unge­kürz­ten Fas­sung als E‑Book las, bemerk­te ich, dass ein Com­pu­ter , ver­mut­lich von Nord­ame­ri­ka aus ver­zeich­ne­te, wel­che Zei­len die­ses Romans von Lesern oder Lese­rin­nen wäh­rend ihrer Lek­tü­re mar­kiert wor­den waren. Eine aus­ge­dehn­te, prä­zi­se Leser­be­ob­ach­tung scheint kaum merk­lich Stun­de, um Stun­de voll­zo­gen zu wer­den. Ich stell­te mir vor, Licht­ma­schi­nen, die von Men­schen in der Hand gehal­ten wer­den, doku­men­tie­ren, wie lan­ge Zeit sich lesen­de Men­schen mit einem bestimm­ten Text beschäf­ti­gen, wie sie den Text stu­die­ren, ob sie die Lek­tü­re der ein oder ande­ren Sei­te wie­der­ho­len, an wel­chen Text­or­ten ihre Augen inne­hal­ten oder ihre Hän­de über den Bild­schirm strei­chend vor­wärts blät­tern, wie vie­le Leser sich zunächst mit dem Ende einer Geschich­te beschäf­ti­gen, ehe sie die ers­te Sei­te des Tex­tes öff­nen, um nun tat­säch­lich mit der Lek­tü­re zu begin­nen, so wie sich der Autor oder Autorin die Lek­tü­re ihres Tex­tes ein­mal vor­ge­stellt haben könn­ten. Dass fun­ken­de Bücher Kör­per­tem­pe­ra­tu­ren mes­sen, Feuch­tig­keit, Sal­ze der Hän­de, wel­che sie berüh­ren, ist nicht unwahr­schein­lich. Man will wis­sen, weil man es wis­sen kann, an wel­cher Stel­le des Tex­tes Leser ver­lo­ren gehen oder von wel­cher Stel­le des Tex­tes an Leser rest­los ein­ge­fan­gen sind, ja, das ist denk­bar. Guten Mor­gen. Es ist der 16. Okto­ber, leich­ter Regen. — stop

ping

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analog

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echo : 22.58 — In dem unter­ir­disch im Ver­bor­ge­nen lie­gen­den Saal, von dem ich berich­te, arbei­ten 5756 Men­schen. Gera­de eben hat die Nacht­schicht begon­nen. Es ist feucht und warm, 36° Cel­si­us, fei­ner war­mer Regen hängt in der Luft, auch ein Rau­schen viel­fäl­ti­ger Stim­men, die flüs­tern. Man sitzt vor klei­nen Tischen, wel­che mit dem Boden ver­schraubt wor­den sind, wie auch die Stüh­le, auf wel­chen man arbei­tet in allen mög­li­chen Posi­tio­nen. Über jedem der 5756 Tische befin­det sich ein Körb­chen, dort ruhen Brie­fe, die schein­bar end­los von der Decke wie vom Him­mel fal­len. Beob­ach­tet man nun einen der Tische genau­er und für eine gewis­se Zeit, wird man bemer­ken, dass es sich bei der Arbeit der Men­schen, die sich im Saal ein­ge­fun­den haben, um die Arbeit des Brief­öff­nens han­delt, kei­ne kör­per­lich schwe­re Arbeit, weil die Luft des Saa­les so feucht ist, dass sich die Brief­um­schlä­ge in den Hän­den der arbei­ten­den Men­schen wie von selbst öff­nen wol­len. Kaum lie­gen die Ein­ge­wei­de eines der Brie­fe flach auf dem Tisch, wer­den sie foto­gra­fiert von allen Sei­ten her, um sodann wie­der in ihren Umschlag gelegt und ver­schlos­sen zu wer­den. Eine Wol­ke von Kleb­stoff tritt zu die­sem Zweck aus einer Düse, die sich je an der rech­ten Sei­te der Tische befin­det, eine Art Rüs­sel, aus wel­chem kurz dar­auf ein hei­ßer Luft­strom pfeift. Prü­fen­de Bli­cke, ist alles so gefal­tet und beschrif­tet wie vor der Öff­nung gewe­sen? Und schon fällt der nächs­te Brief auf den Tisch, wird geöff­net, belich­tet, ver­schlos­sen, in Form gepresst, Minu­te um Minu­te, ein Brief und noch ein Brief, gele­sen wird an ande­rer Stel­le, es ist viel zu warm hier, um noch stu­die­ren und nach­den­ken zu kön­nen, rasen­de Pul­se. Da und dort fal­len Sand, fal­len glit­zern­de Papier­her­zen aus den geöff­ne­ten Kuverts, Schlüs­sel, Gebets­ket­ten, Bank­no­ten, Federn, digi­ta­le Spei­cher­kärt­chen, auf wel­chen, fas­zi­nie­rend, wei­te­re gehei­me Schrift­stü­cke zu ent­de­cken sind. – stop / Ver­suchs­an­ord­nung
polaroidlesender

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shakespears garden

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lima

~ : malcolm
to : louis
sub­ject : BALCONY
date : aug 11 12 10.08 p.m.

Seit Tagen bereits sehen wir Fran­kie in stän­di­ger Bewe­gung. Das Eich­hörn­chen scheint zu einer Per­sön­lich­keit gewor­den zu sein, die ohne jeden Schlaf aus­zu­kom­men ver­mag. Wir haben das so nicht erwar­tet. In den ver­gan­ge­nen Tagen und Näch­ten wan­der­te Fran­kie 180 Mei­len durch den Cen­tral Park. Wir dach­ten zunächst, dass Frankie’s Unru­he sich ent­fal­tet haben könn­te, weil es reg­ne­te. Aber Fran­kie läuft noch immer und es hat schon lan­ge auf­ge­hört. Der Him­mel an die­sem Abend ist wol­ken­los. Wir befin­den uns nahe der Base­ball­fel­der Höhe 61. Stra­ße. Es ist denk­bar, dass es gleich rauf bis zur 68. Stra­ße gehen wird ohne Pau­se, eine Fra­ge der Zeit bis wir auf­ge­ben müs­sen, weil wir das Ende unse­rer Kräf­te erreicht haben wer­den. Ent­we­der wir bekom­men bald eine Ablö­sung oder es ist Schluss! Manch­mal fra­gen wir uns, war­um das not­wen­dig ist, ein Wesen zu beob­ach­ten, das über einen Sen­der ver­fügt, den wir jeder­zeit anpei­len könn­ten, um das Gespenst wie­der­zu­fin­den. Nein, es ist nicht immer leicht zu ver­ste­hen, was hier vor sich geht. Ges­tern, Frei­tag, haben wir von 2 bis 4 Uhr fol­gen­de Posi­tio­nen hin­ter uns gelas­sen > Turt­le Pond : Gre­at Lawn Soft­ball Field : Bridge No 24 : East 96th Street Play­ground : North Mea­dow : Har­lem Meer : Glen Span Arch : Sene­ca Vil­la­ge Site : Shake­spears Gar­den : Bal­c­o­ny Bridge. Ihr Mal­colm — stop / code­wort : ligu­ri­en

emp­fan­gen am
11.08.2012
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mal­colm to louis »

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jelena bonner

pic

sier­ra : 22.58 — Das ers­te elek­tri­sche Buch, das ich für ein Kind­le-Lese­ge­rät zum Preis von 99 Cent erwer­ben konn­te, wur­de vor einer Vier­tel­stun­de in weni­ger als zehn Sekun­den von einem unbe­kann­ten Ort her mit­tels eines Wel­len­fa­dens auf mei­nen Com­pu­ter über­tra­gen. Franz Kaf­kas gesam­mel­te Wer­ke, Roma­ne, Brie­fe, Erzäh­lun­gen, Apho­ris­men, 19374 Sei­ten­po­si­tio­nen, eine merk­wür­di­ge Erfah­rung. Das Buch ist einer­seits anwe­send, ande­rer­seits ohne Gewicht, es ist nicht sicht­bar, oder nur je eine Sei­te, ein Blatt. — Jele­na Bon­ner ist im Alter von 88 Jah­ren in Bos­ton gestor­ben. — stop

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malta : carmelite church

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del­ta : 22.07 – Als er mich über die Stra­ße kom­men sieht, erhebt sich der alte Mann von dem Stuhl vor der Tür sei­nes Hau­ses. Sofort, schon von Wei­tem, hat er mich wie­der­erkannt, viel­leicht an dem roten Pull­over, den ich über mei­nen Schul­tern tra­ge oder an mei­nem Gang. Jetzt folgt er mir gruß­los in die Kir­che an der Old Mint Street, deren Kup­pel­bau die Sil­hou­et­te der Stadt Val­let­ta weit­hin prägt. Ges­tern noch haben wir ein klei­nes Gespräch geführt vor dem Got­tes­haus, das dem alten Mann kost­bar zu sein scheint, ein Ort, den er zu schüt­zen ver­sucht, vor Per­so­nen wie mir bei­spiels­wei­se, die kom­men und gehen wie sie wol­len, ohne je ein­mal zu fra­gen, ob es statt­haft sei, an die­sem hei­li­gen Ort zu foto­gra­fie­ren. Jetzt will er mich prü­fen, will mein Ver­spre­chen genau­er, das ich gege­ben habe, prü­fen, ob ich es ein­hal­te, ob ich glaub­wür­dig sei. Und so sit­ze ich bald unweit des Altars, der alte Mann ein paar Rei­hen hin­ter mir, und über­le­ge, ob es mög­lich sein könn­te, in die­ser Kir­che ein Aqua­ri­um zu errich­ten, ein Glas­ge­häu­se von enor­mer Grö­ße, in dem Kie­men­men­schen schwe­ben und somit in der Lage sein wür­den, an hei­li­gen Fei­ern unter Lun­gen­men­schen teil­zu­ha­ben. Lan­ge Zeit sit­ze ich fast bewe­gungs­los, dann begin­ne ich eini­ge Sät­ze in mein Notiz­buch zu schrei­ben, fer­ti­ge eine Zeich­nung an, einen Grund­riss in etwa, der Kir­che und eini­ger Posi­tio­nen, da ein Aqua­ri­um zu errich­ten sinn­voll wäre. Und wie ich so lei­se vor mich hin arbei­te, kaum wage ich zu atmen, höre ich, wie der alte Mann hin­ter mir sich erhebt, er kommt an mir vor­über, bleibt eini­ge Minu­ten in mei­ner Nähe ste­hen, ver­beugt sich bald vor dem Altar und ver­lässt die Kir­che durch einen Sei­ten­ein­gang. — Sonn­tag. Ich habe heu­te Bäu­me ent­deckt, die mit ihren wei­chen Blät­tern selt­sa­me Nüs­se bebrü­ten. — stop

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verschwinden

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tan­go : 18.57 — Was hät­te ich zu unter­neh­men, wenn ich wüss­te, dass ein Mensch oder eine Grup­pe von Men­schen mit dem Gedan­ken spiel­te, mich so rasch wie mög­lich ums Leben zu brin­gen. Wie vie­le Spu­ren mei­nes Auf­ent­halts­or­tes sind in die­ser Text­li­nie zu fin­den, sodass man die Posi­tio­nen, die ich bewoh­ne, iden­ti­fi­zie­ren könn­te. Weiß man von mei­nen Freun­den? Wel­che Ver­zeich­nis­se im Inter­net müss­te ich von Hin­wei­sen befrei­en, wen instän­dig bit­ten, kein Wort über mich zu ver­lie­ren? Wie also unsicht­bar wer­den, nach und nach einer sein, der nie exis­tier­te? Ich könn­te mich bewe­gen, rei­sen, bis ich ein armer Hund gewor­den bin. Könn­te dann inne­hal­ten, könn­te vor­ge­ben, als habe ich geträumt, mei­ne per­fo­rier­te See­le, oder selbst noch zum Jäger wer­den. — stop



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