Aus der Wörtersammlung: schnee

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logik

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india : 18.08 UTC — Mor­gens im Pend­ler­zug skiz­zier­te ich einen Flug­dra­chen, wie ich sie der Form nach von mei­ner Kin­der­zeit ken­ne. Neben mir hock­te zufäl­lig ein Mäd­chen, das mei­ne Hän­de beob­ach­te­te, auch mei­nen klei­nen Com­pu­ter, auf des­sen Glas­schei­be ich zeich­ne­te mit einem Stift, der für die­ses digi­ta­le Zeich­nen aus­ge­dacht wor­den ist. Ich habe einen Dra­chen, sag­te das Mäd­chen plötz­lich, er ist viel grö­ßer als die­ser da. Ich frag­te, wel­che Far­be ihr Dra­che denn haben wür­de. Das Mäd­chen ant­wor­te­te: Rot und Blau. War­um ist Dei­ner nicht bunt, frag­te das Mäd­chen. Ich sag­te: Weißt Du, ich über­le­ge, ob man einen Dra­chen bau­en könn­te, der aus Eis gemacht ist, aus Schnee, ein Schneedra­chen, der flie­gen kann? — Bestimmt, sag­te das Mäd­chen, das geht! Das Mäd­chen schwieg kurz, dann ver­dreh­te es die Augen. Ver­rückt, sag­te es, das ist schon ver­rückt, er kann aber nicht flie­gen, weil wir im Win­ter kei­ne Dra­chen stei­gen las­sen. Da machen wir ande­re Sachen, aber weil es ohne­hin nicht schneit, könn­ten wir doch mal einen Schneedra­chen bau­en. Cla­ro! — stop

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lupenvögel

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tan­go : 20.58 — Es ist Sonn­tag, Okto­ber, und warm inmit­ten der Stadt. Lou­is darf sei­ne Fens­ter öff­nen, Vögel wer­den kei­ne ins Zim­mer kom­men, weil Vögel nicht zu hören sind, auch nicht am Mor­gen, weil Vögel kei­ne da drau­ßen in den Bäu­men woh­nen, außer einem Rot­kehl­chen, zwei Tau­ben und einer Els­ter, die sind ver­bürgt, die sind Lou­is unlängst vor die eige­nen Augen gekom­men. So ist also Sonn­tag fast ohne Vögel, die Fens­ter sind geöff­net, mal schaut Lou­is zum Fens­ter hin­aus, mal steht er vor sei­ner schnee­wei­ßen Tafel, die in der Nähe des Fens­ters an einer Wand befes­tigt ist. Magne­te, klei­ne sil­bern blit­zen­de Zylin­der hal­ten Papie­re fest. Auf den Papie­ren sind Schat­ten zu erken­nen, Wol­ken von win­zi­gen Zei­chen. Je näher man der Tafel kommt, des­to deut­li­cher sind Zei­chen­blö­cke zu erken­nen, eine Ord­nung in Wol­ken von Zei­chen­vö­geln, jeder der Vögel eine Geschich­te, hun­der­te Text­vö­gel, die nicht zu ent­zif­fern sind mit blo­ßem Auge. Sobald Lou­is in sei­nen Wer­ken liest, nähert er sich sei­ner Vogel­samm­lung mit­tels eines Mikro­skops, wel­ches sich an einem fili­gra­nen Arm befes­tigt, mil­li­me­ter­wei­se über den schnee­wei­ßen Metall­him­mel hin und her fah­ren lässt. So steht er und liest und sucht in sei­nen Gedan­ken, Erfin­dun­gen, Erzäh­lun­gen. Alles ist dort sicht­bar oder unsicht­bar zunächst für mensch­li­che Augen oder mensch­li­che Erin­ne­rung, alles liegt vor, Erkennt­nis­se, Ergeb­nis­se, Irr­tü­mer, das Glück und Unglück der Wor­te, der Sät­ze, alles. — stop

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bauci

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tan­go : 10.28 UTC — Regen ges­tern, ein Regen, der sprüh­te, bei­na­he Nebel. Ich spa­zier­te im Park. Kaum ein Mensch war unter­wegs im Park, von dem ich nicht erzäh­len darf, wo er sich prä­zi­se befin­det, damit nie­mand sagen kann, wo prä­zi­se ich selbst mich befin­de. Ich hat­te mir einen Regen­schirm gekauft für Regen­zeit, einen, den ich auch als Schnee­schirm ver­wen­den könn­te, einen robus­ten Schirm, etwas grö­ßer im Umfang, als gewöhn­li­che Schir­me, einen Schirm, der bewirkt, dass es schnei­en wird, sobald man ihn zur rech­ten Zeit her­vor­ho­len wird. Ich spa­zier­te also und las in Italo Cal­vi­nos Samm­lung der unsicht­ba­ren Städ­te. Bald stell­te ich mir vor, wie ich in die­sem Moment des Lesens nach sie­ben Tagen Fuß­mar­sches durch aus­ge­dehn­te Wäl­der eine Stadt errei­che, die ich nicht sehen kann, Bau­ci, aber ihre dün­nen Stel­zen, die sich in gro­ßen Abstän­den von der Erde erhe­ben und über den Wol­ken ver­lie­ren, (sie) tra­gen die Stadt. Man gelangt mit Lei­tern hin­auf. / Auf der Erde erschei­nen die Ein­woh­ner sel­ten. Sie haben schon alles Not­wen­di­ge oben, und kom­men lie­ber nicht her­un­ter. Nichts von der Stadt berührt den Boden, aus­ge­nom­men die­se lan­gen Fla­min­go­bei­ne, auf denen sie ruht, und an hel­len Tagen ein durch­bro­che­ner, ecki­ger Schat­ten, der sich auf dem Blät­ter­werk abzeich­net. / Drei Hypo­the­sen stellt man über die Ein­woh­ner von Bau­ci auf, dass sie Erde has­sen, dass sie einen sol­chen Respekt vor ihr haben, jede Berüh­rung zu mei­den, dass sie sie lie­ben, wie sie vor Ihnen gewe­sen, und nicht müde wer­den, sie mit abwärts gerich­te­ten Fern­glä­sern und Tele­sko­pen Blatt für Blatt, Stein um Stein, Amei­se um Amei­se zu mus­tern, und fas­zi­niert ihre eige­ne Abwe­sen­heit zu betrach­ten. — stop / aus: Italo Cal­vi­no Die unsicht­ba­ren Städ­te, Frank­furt 20134
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apollo

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hima­la­ya : 22.08 UTC — 28. Juli, ein sehr war­mer Tag. Die Fens­ter sind geöff­net, Rol­los wei­sen das Licht der Son­ne zurück. Ich lie­ge auf dem Sofa und beob­ach­te mit einem Auge einen Käfer, der sehr lang­sam die Süd­wand mei­nes Arbeits­zim­mers ent­lang­spa­ziert. Man könn­te sagen, der Käfer kommt auf mich zu, viel­leicht wünscht er sich mit mir zu unter­hal­ten, viel­leicht wünscht er nach­zu­se­hen, was die­ser Herr seit Stun­den tut, war­um er auf sei­nem Sofa ruht, Com­pu­ter­schreib­ma­schi­ne auf sei­nem Bauch, Kopf­hö­rer in den Ohren, fast bewe­gungs­los, eine beklei­de­te Sta­tue, ein um 50 Jah­re geal­ter­ter Jun­ge, der in einer Zeit­kon­struk­ti­on ohne Schnitt, die Annä­he­rung der Astro­nau­ten der Apol­lo 11 Mond­lan­de­mis­si­on beob­ach­tet. Was für ein wun­der­ba­rer Tag. Von Zeit zu Zeit hole ich etwas zu trin­ken, dann wie­der vor dem Bild­schirm, die Stim­men drei­er muti­ger Män­ner in den Ohren, die mich ein Leben lang beglei­te­ten, als wäre ich gebo­ren wor­den, Zeu­ge zu sein, recht­zei­tig, um 8 Jah­re spä­ter aus­rei­chend alt gewor­den zu sein, um zu ver­ste­hen, was sich ereig­nen wird. Ich erin­ne­re mich, wie ich im Alter von drei Jah­ren auf war­mem Land lie­ge, das atmet. Bald flie­ge ich durch die Luft, schwe­be über dem Bauch mei­nes Vaters und lache, weil ich gekit­zelt wer­de. Mei­ne Stim­me, mei­ne kind­li­che Stim­me. Und da sind eine höl­zer­ne Eisen­bahn, das Licht der Dioden, damp­fen­des Zinn, Loch­kar­ten einer Com­pu­ter­ma­schi­ne und die Geheim­nis­se der Alge­bra­bü­cher, die der Jun­ge von sechs Jah­ren noch nicht ent­zif­fern kann. Aber ein For­scher, wie der Vater, will er schon wer­den, wes­halb er die Schnee­spu­ren der Amseln, der Fin­ken, der Dros­seln in ein Schul­heft notiert. Zu jener Zeit drif­te­ten Men­schen bereits in Gemi­ni­kap­seln durch den Welt­raum, um das Stern­rei­sen zu üben. Nur einen Augen­blick spä­ter waren sie schon auf dem Mond gelan­det, in einer Nacht, einer beson­de­ren Nacht, in der ers­ten Nacht, da der Jun­ge von sei­nem Vater zu einer Stun­de geweckt wur­de, als noch wirk­lich Nacht war und nicht schon hal­ber Mor­gen. Die zwei Män­ner, der klei­ne und der gro­ße Mann, saßen vor einem Fern­seh­ge­rät auf einem wei­chen Tep­pich und schau­ten einen schwarz-wei­ßen Mond an und lausch­ten den Stim­men der Astro­nau­ten. Man sprach dort nicht Eng­lisch auf dem Mond, man sprach Ame­ri­ka­nisch und immer nur einen Satz, dann pieps­te es, und auch der Vater pieps­te auf­ge­regt, als sei er wie­der zu einem Kind gewor­den, als sei Weih­nach­ten, als habe er soeben ein neu­es Teil­chen im Atom ent­deckt. In jener Nacht, in genau der­sel­ben beson­de­ren Nacht, saß zur glei­chen Minu­ten­stun­de irgend­wo im Süden der Dich­ter Giu­sep­pe Unga­ret­ti vor einem Fern­seh­ge­rät in einem Ses­sel und deu­te­te in Rich­tung des Gesche­hens fern auf dem Tra­ban­ten auf der Bild­schirm­schei­be, auf einen Astro­nau­ten, wie er gera­de aus der Lan­de­fäh­re klet­tert, oder habe ich da etwas in mei­nem Kopf ver­scho­ben? Sicher ist, auf jenem Fern­seh­ge­rät, vor dem Unga­ret­ti Platz genom­men hat­te, waren drei wei­te­re, klei­ne­re Appa­ra­te abge­stellt. Alle zeig­ten sie die­sel­be Sze­ne. Echt­zeit. Giu­sep­pe Unga­ret­ti war begeis­tert, wie wir begeis­tert waren. Ja, so ist das gewe­sen, wie heu­te, vie­le Jah­re spä­ter. – stop

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zählung

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echo : 0.01 UTC — Es heißt, ich wür­de das Wort Schnee 163 Male, das Wort Zim­mer 327 Male und das Wort Nacht 492 Male notiert haben an die­ser Stel­le in den ver­gan­ge­nen 10 Jah­ren, auch die Wör­ter Kopf (484) und Geschich­te (486) sind zu fin­den, das Wort Elek­tro­mond (1) und das Wort Dioden­hund (1), und eines, das hier noch nicht ein­ge­tra­gen ist, mir aber schon bekannt. — stop

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rom

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echo : 10.22 UTC — Ein Bahn­hof in Rom. Es ist spä­ter Abend. Rat­ten wan­dern in Her­den über Wän­de der Sta­ti­on. Nahe eines Aus­gangs sit­zen schnee­wei­ße tin­ten­fisch­ar­ti­ge Wesen. Sie schei­nen intel­li­gent zu sein. Ich fra­ge sie nach dem Weg und wache auf. — stop

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tools

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ulys­ses : 6.55 UTC — Über die Umge­bung der Kie­fer­werk­zeu­ge eines Polar­kä­fers ist nach der Beob­ach­tung zwei­ter Über­set­zungs­ma­schi­nen oder Algo­rith­men fol­gen­des zu bemer­ken. Sehen Sie selbst: Goog­le Trans­la­tor: „A polar beet­le, ima­gi­ne, that’s a very cool beet­le. So cool or cold is his body that the air around him crack­les, that water beg­ins to free­ze imme­dia­te­ly, that snow falls in rooms, becau­se the air is damp, birds fall to the ground if they come too clo­se to a polar beet­le, mice and other small ani­mals free­ze. The­r­e­fo­re, polar beet­les love warm are­as of the world, becau­se the­re are deli­cious crea­tures to catch by cold, worms as well and wood­li­ce and ants, which tas­te par­ti­cu­lar­ly won­derful. You can hear the crun­ching of your jaw tools sil­ent­ly. They are rather rare and white as snow and insi­de the bluish color of the gla­cier ice. What is com­ple­te­ly unknown is why they are so cold, their method. — stop“ — Oder nach Deepl: “A polar beet­le, ima­gi­ne that’s a very cool beet­le. His body is so cool or cold that the air around him crack­les, water beg­ins to free­ze instant­ly, snow falls in rooms becau­se the air is damp, birds fall to the ground when they come too clo­se to a polar beet­le, mice and other small ani­mals free­ze. Polar beet­les love warm parts of the world becau­se they catch deli­cious crea­tures by cold, worms and iso­pods and ants, which tas­te espe­ci­al­ly won­derful. You can hear the crun­ching of their jaw tools in silence. They are rather rare and white as snow and insi­de of the bluish color of the gla­cial ice. What is com­ple­te­ly unknown is the reason why they are so cold, their method. — stop” // Über­set­zun­gen nach: Ein Polar­kä­fer, stel­len Sie sich vor, das ist ein sehr küh­ler Käfer. Der­art kühl oder kalt ist sein Kör­p­er, dass die Luft um ihn her­um knis­tert, dass Wass­er augen­blick­lich zu frie­ren begin­nt, dass Schnee fällt in Räu­men, da die Luft feucht ist, Vögel fall­en zu Boden, wenn sie einem Polar­kä­fer zu nahe kom­men, Mäu­se und ande­re klei­ne Tie­re erstar­ren. Polar­kä­fer lie­ben des­halb war­me Gegen­den der Welt, weil dort köst­li­che Lebe­we­sen durch Käl­te zu fan­gen sind, Wür­mer auch und Asseln und Amei­sen, die ganz beson­ders wun­der­bar schmeck­en. Man kann das Knir­schen ihrer Kiefer­w­erkzeuge in der Stil­le gut ver­neh­men. Eher sel­ten sind sie und weiß wie Schnee und im Inne­ren von der bläu­li­chen Far­be des Gletschereis­es. Was ganz und gar unbekan­nt ist, das ist der Grund, war­um sie so kalt sind, ihre Meth­ode. — stop
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polarkäfer

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sier­ra : 0.28 — Ein Polar­kä­fer, stel­len Sie sich vor, das ist ein sehr küh­ler Käfer. Der­art kühl oder kalt ist sein Kör­per, dass die Luft um ihn her­um knis­tert, dass Was­ser augen­blick­lich zu frie­ren beginnt, dass Schnee fällt in Räu­men, da die Luft feucht ist, Vögel fal­len zu Boden, wenn sie einem Polar­kä­fer zu nahe kom­men, Mäu­se und ande­re klei­ne Tie­re erstar­ren. Polar­kä­fer lie­ben des­halb war­me Gegen­den der Welt, weil dort köst­li­che Lebe­we­sen durch Käl­te zu fan­gen sind, Wür­mer auch und Asseln und Amei­sen, die ganz beson­ders wun­der­bar schme­cken. Man kann das Knir­schen ihrer Kie­fer­werk­zeu­ge in der Stil­le gut ver­neh­men. Eher sel­ten sind sie und weiß wie Schnee und im Inne­ren von der bläu­li­chen Far­be des Glet­scher­ei­ses. Was ganz und gar unbe­kannt ist, das ist der Grund, war­um sie so kalt sind, ihre Metho­de. — stop

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im schnee

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oli­mam­bo : 8.28 UTC — Im Traum war Win­ter. Eich­hörn­chen hüpf­ten durch den Schnee, manch­mal waren sie kaum zu erken­nen, nur eine Bewe­gung, eine klei­ne Wol­ke von Kris­tal­len, etwas Fell. Wenn sie sich dann näher­ten, waren sie zutrau­lich, natür­lich etwas scheu und ner­vös, aber dann doch der­art zutrau­lich, dass ich sie in die Hän­de neh­men und mein Ohr auf ihren Bauch legen konn­te. Ich hör­te ihr Herz schla­gen und etwas Musik, Swing, was war das doch für Musik gewe­sen? Musik, die ich nur von Schall­plat­ten her kann­te. All jene Eich­hörn­chen, die mir begeg­ne­ten, waren von Musik erfüllt. Wie sie das mach­ten? — stop

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