Aus der Wörtersammlung: stunde

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yanuk : xin

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sier­ra

~ : yanuk le
to : louis
sub­ject : XIN
date : mar 18 09 10.52 a.m.

Seit ges­tern Abend ist es wie­der mög­lich, zu notie­ren, weil ich mei­ne Schreib­ma­schi­ne zurück­er­hal­ten habe. Mein lie­ber Lou­is, so ver­ge­hen nun die Tage wie­der schnel­ler, als die Tage zuvor noch ohne Schreib­ma­schi­ne, da ich auf mei­ner Platt­form Höhe 510 war­te­te, dass Xin, – so nen­ne ich das Mäd­chen, das mich mei­nes Schreib­ge­rä­tes beraub­te -, sie mir zurück­ge­ben wür­de, auch Blei­stif­te, Hef­te und mei­nen Foto­ap­pa­rat, die sie eines Nachts, wäh­rend ich schlief, mit sich genom­men hat­te. Es ist selt­sam, wenn man so sitzt und denkt und doch über kei­ne Werk­zeu­ge ver­fügt, auf­zu­schrei­ben, was man dach­te, wird man müde. Natür­lich habe ich in erprob­ter Wei­se, Zei­chen in den Baum­stamm hin­ter mir geritzt, aber wäh­rend ich an ihnen arbei­te­te, wuss­te ich doch in jeder Sekun­de, dass ich sie zurück­las­sen, dass ich sie viel­leicht nie wie­der­se­hen wür­de. Ja, man wird müde, wenn man denkt, ohne notie­ren zu kön­nen, als wür­de man in lau­war­mem Was­ser lie­gen, im Halb­schlaf alle die­se fei­nen, ver­geb­li­chen Stim­men im Kopf. — Ich neh­me an, Du hast Dich um mich gesorgt, weil ich kei­ne Nach­richt sen­de­te. Vor weni­gen Stun­den noch hör­te ich das Geräusch eines Flug­zeu­ges, das sehr lang­sam den Him­mel dort oben durch­kreuz­te. Natür­lich bin ich mir nicht sicher, ob ich nicht doch nur ein Wunsch­ge­räusch hör­te. Das flie­gen leich­te Mäd­chen Xin jeden­falls schien nichts gehört zu haben. Sie ver­harrt wie­der in mei­ner Nähe, hängt an einem Arm über dem Abgrund, schläft und spricht träu­mend in ihrer merk­wür­di­gen Spra­che lei­se vor sich hin. Ich wünsch­te, ich könn­te sie ver­ste­hen. Mor­gen wer­den wir auf­bre­chen, wer­den wei­ter auf­wärts stei­gen. Nach wie vor ist nicht zu erken­nen, woher das Licht kom­men mag, das uns so ange­nehm flat­ternd bestrahlt. Cucur­ru­cu – Yanuk

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20.58 UTC
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MELDUNGEN : YANUK LE TO LOUIS / ENDE

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bellevue

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ulys­ses : 6.08 — Vor Jah­ren ein­mal ent­deck­te ich nach stun­den­lan­ger Suche in den Archi­ven der Baye­ri­schen Staats­bi­blio­thek eine Foto­gra­fie auf einem Mikro­film­strei­fen und ich wuss­te sofort, dass ich die­ses Licht­bild besit­zen muss­te. Ich bat eine Biblio­the­ka­rin, aus dem Mate­ri­al das Bes­te her­aus­zu­ho­len, höchs­te Auf­lö­sung, wes­we­gen ich bald einen klei­nen Sta­pel Papiers ent­ge­gen­neh­men konn­te, den ich im Arbeits­zim­mer an einer Wand zum Bild zurück sor­tier­te, zur Ansicht einer Stra­ße des Jah­res 1934 prä­zi­se, einer Stra­ße nahe des Bel­le­vue Hos­pi­tals zu New York. Stau­bi­ge Bäu­me, eilen­de Men­schen­schat­ten, die Sil­hou­et­te einer alten, in den Kno­chen gebeug­ten Frau, der Wagen eines Eis­ver­käu­fers, ros­ti­ge Hydran­ten, die sprö­de Stein­haut der Stra­ße, zwei Vögel unbe­kann­ter Gat­tung, Spu­ren von Hit­ze, und ich erin­ne­re mich noch gut, dass ich eine Zei­le von links nach rechts auf das Papier notier­te: Die­se Stra­ße könn­te Mal­colm Lowry über­quert haben, an einem Tag viel­leicht, als er sich auf den Weg mach­te, sei­nem Kör­per den Alko­hol zu ent­zie­hen. Und weil ich schon ein­mal damit begon­nen hat­te, das Bild zu ver­fei­nern, zeich­ne­te ich in Wor­ten wei­te­re Sub­stan­zen auf das Papier, Unsicht­ba­res oder Mög­li­ches. Einen Schuh notier­te ich west­wärts: Hier flüch­tet Jan Gabri­el, weil sie Mr. Lowrys Lie­be nicht län­ger glau­ben konn­te. Da lag ein Notiz­buch im Schat­ten eines Bau­mes und ich sag­te: Die­ses Notiz­buch wird Mal­colm Lowry fin­den von Zeit zu Zeit, er wird es auf­he­ben und mit zit­tern­den Hän­den in sei­ne Hosen­ta­sche ste­cken. Schon segel­ten fie­bern­de Wale über den East River, der zwi­schen zwei Häu­sern schim­mer­te, ein Schwarm irrer Bie­nen tropf­te von einer Fens­ter­bank, und da waren noch zwei Mäd­chen, bar­fuß, – oder tru­gen sie doch Strümp­fe, doch Schu­he? — sie spiel­ten Him­mel und Höl­le, ihre fröh­li­chen Stim­men. Ich geste­he, dass Dai­sy und Vio­let nicht damals, son­dern in die­ser letz­ten Stun­de einer hei­te­ren Arbeits­nacht ins Bild gekom­men sind. — stop

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lunar caustic

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whis­key : 6.15 — Hat­te ges­tern Abend gegen 10 Uhr zwei Wör­ter auf ein Blatt Papier geschrie­ben, um sie nicht zu ver­ges­sen: Lunar Cau­st­ic. Jetzt ist die Nacht vor­über und ich habe kei­ne schreib­ba­ren Gedan­ken, weil ich acht Stun­den mit mei­nem Lap­top auf dem war­men, höl­zer­nen Boden mei­nes Arbeits­zim­mers her­um­ge­le­gen habe und nach Spu­ren Mal­colm Lowrys in den Archi­ven der New York Times gesucht. — 6 Uhr. Leich­ter Regen. Tau­beng­rau­blau­er Him­mel. — stop

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kofferzimmer

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echo : 2.18 — Ich stell­te mir eine Minu­te vor, dann eine Stun­de, dann einen Tag. Ich stand auf und ging von Zim­mer zu Zim­mer, aß eine Bana­ne, sah aus dem Fens­ter, set­ze mich an den Schreib­tisch, stell­te mir eine Woche vor, dann einen Monat, dann ein Jahr. Ich erhob mich, sah nach der Uhr­zeit, dann aus dem Fens­ter, ver­ließ das Haus, spa­zier­te und kam zurück, setz­te mich aufs Sofa. Eine harm­lo­se Geschich­te. Sogleich wei­ter gedacht. Selt­sa­me Ker­ne lei­se in mei­nem Kopf hin und her bewegt, jene von den Schlaf­wa­ben zum Bei­spiel, von Kof­f­er­zim­mern, in wel­chen erwerbs­lo­se Men­schen däm­mernd lagern. Wie ihnen schmerz­los die Zeit ver­geht, wie sie, von bes­se­ren Zei­ten träu­mend, Blut­kon­ser­ven aus ihren Kno­chen destil­lie­ren. Kaum hat­te ich auf­ge­schrie­ben und mich gewun­dert über das, was ich dach­te, stand ich wie­der in der Küche, aß eine wei­te­re Bana­ne und einen Pfir­sich zum Nach­tisch. Dann, end­lich, bemerk­te ich Geral­di­nes Som­mer­hut, sein Schau­keln auf atlan­ti­schen Wel­len. Unge­heu­re Stil­le. Abso­lu­te Stil­le. In die­ser namen­lo­sen Stil­le, ein Hut allein auf dem Meer. Kein Schiff. Kein Land. Aber ein­hun­dert See­mei­len­k­rei­se von Stil­le in einem Bild, das ich nie­mals mit Augen sehen, son­dern immer wie­der nur den­ken wer­de. stop. Guten Morgen!

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regenkäfer henry

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hibis­kus : 3.25 — Kurz nach drei Uhr. Es hat auf­ge­hört zu reg­nen, die Nacht ist still, alle Men­schen um mich her­um schla­fen. Ich habe eini­ge Stun­den ver­geb­lich ver­sucht, eine Geschich­te auf­zu­schrei­ben, die mir seit zwei Tagen durch den Kopf geis­tert. Hart habe ich gear­bei­tet, jetzt bin ich müde und sen­de anstatt mei­ner Geschich­te, eine Zeich­nung, eine Ahnung viel­leicht vom Gespenst, das in die­ser Nacht nicht gelin­gen woll­te. — Guten Mor­gen! Heu­te ist Don­ners­tag. — stop

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regenzeit

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oli­mam­bo : 0.02 — Ange­neh­me Müdig­keit, warm und leicht, eine Ver­su­chung, sagen wir, sofort die Augen zu schlie­ßen und nach­zu­se­hen, was das Nacht­leuch­ten im Kopf mit mir viel­leicht bald unter­neh­men wird. — Selt­sam, wie es ist. — Vor weni­gen Stun­den noch über das Geräusch des Regens nach­ge­dacht. Nicht ein­fach nur so über das gewöhn­li­che Geräusch vom Him­mel kom­men­den Was­sers, son­dern über ein Regen­ge­räusch, das bis in die Träu­me eines Schla­fen­den reicht, sodass er wach wird vom Regen, den er träum­te und doch nicht träum­te. ping ping ping. Wie er sich auf­setzt, wie er durch ein dunk­les Zim­mer tas­tet, wie er auf einem Bal­kon steht und wie ihm der Regen aufs Gesicht fällt. stop. Ein Uhr zwei­und­zwan­zig auf hoher See vor Lam­pe­du­sa. — stop

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to mr. melville : callas box

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pro­pel­ler

~ : louis
to : Mr. melville
sub­ject : CALLAS BOX

Lie­ber Mr. Mel­ville, Hotel Echo Lima Lima Oscar! Wie geht es Ihnen? Ich hat­te, wäh­rend ich in den ver­gan­ge­nen Wochen an einer Wal­ge­schich­te arbei­te­te, immer wie­der ein­mal an Sie gedacht, an Ihren wei­ßen Wal Moby Dick in Wor­ten und an sei­nen Schat­ten in der Wirk­lich­keit, an Mocha Dick. Wie sehr ich mir doch wün­sche, Sie wür­den bald ein­mal zu mei­nen Walen Kon­takt auf­neh­men und mir dann rasch eine Nach­richt über­mit­teln, ob mei­ne spe­zi­el­len Freun­de wohl auch Ihnen Furcht ein­flös­sen könn­ten. Viel­leicht wer­den Sie, wo auch immer Sie sich auf­hal­ten mögen, etwas Zeit fin­den und lesen. Ist Ihnen bekannt, dass die Gesän­ge der Buckel­wa­le über Struk­tu­ren ver­fü­gen sol­len, die ein­fa­chen mensch­li­chen Spra­chen ähn­lich ist? Stun­den habe ich dem­zu­fol­ge damit zuge­bracht, nach Bot­schaf­ten zu suchen, nach Geräu­schen, die mir etwas sagen, die mei­nem Gehirn Ent­de­ckung, ja Nach­richt sein könn­ten. Ich bin bis­her nicht sehr weit gekom­men, das ist rich­tig, aber ich wer­de nicht nach­las­sen, ich wer­de so lan­ge den Gesän­gen der Wale lau­schen, bis mir ver­ständ­lich sein wird, was sie da sin­gen oder spre­chen. Mei­nen Namen loooouuuiiiiii mei­ne ich jeden­falls schon auf­ge­spürt zu haben. Das ist ein Anfang und ich bin zuver­sicht­lich in den kom­men­den Wochen gut vor­an­zu­kom­men. Was, mein lie­ber Mr. Mel­ville, ist unter einer ein­fa­chen mensch­li­chen Spra­che zu ver­ste­hen? – Ahoi! Ihr Louis.

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elefanten

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zou­lou : 8.30 — In der ver­gan­ge­nen Nacht träum­te ich eine lus­ti­ge Geschich­te, das heißt, ich träum­te mich in ein Bild, das mir bekannt zu sein schien, wes­halb ich ein Selbst­ge­spräch führ­te, in etwa so, als wür­de ich einen Film kom­men­tie­ren. Als ich wach gewor­den war, erin­ner­te ich mich, vor eini­ger Zeit eine Traum­ge­schich­te auf­ge­zeich­net zu haben, die von selt­sa­men Men­schen­oh­ren erzähl­te. Und tat­säch­lich habe ich die­se Geschich­te und mit ihr den Traum der ver­gan­ge­nen Nacht soeben wie­der­ge­fun­den, sodass heu­te Mor­gen nichts zu tun ist, als die Wie­der­ho­lung des Trau­mes von den selt­sa­men Ohren und sei­nen Zei­chen­schat­ten auch an die­ser Stel­le zu doku­men­tie­ren. Ich saß also vor län­ge­rer Zeit und noch vor weni­gen Stun­den > in einem Café nahe einem Meer unter Män­nern, die Go oder etwas ande­res spiel­ten mit klei­nen, run­den, bern­stein­far­be­nen Stei­nen. Die Luft an die­sem Ort war heiß und tro­cken, des­halb wun­der­te ich mich nicht, dass die Män­ner, die von hohem Alter gewe­sen waren, sich mit gewal­ti­gen Ohren Luft zufä­chel­ten in der Art und Wei­se der Ele­fan­ten. Selt­sa­me Geräu­sche waren zu hören, schwe­re, knar­zen­de Töne, als wür­de an höl­zer­nen Schrau­ben gedreht. Und doch war die Haut der Ohren so fein, dass man durch sie hin­durch sehen konn­te. Sobald sie hin­ter den ver­wit­ter­ten Köp­fen zusam­men­schlu­gen, wur­den die Augen der Her­ren zu Schlit­zen, beweg­ten sich die luf­ti­gen Häu­te zurück, öff­ne­ten sie sich. Hin­ter dem Tre­sen däm­mer­te ein wei­te­rer Mann, der hat­te sich mit sei­nem Per­ga­ment das Gesicht zuge­deckt. Ich betrach­te­te ihn eine Wei­le, und schon war ich, noch im Ste­hen, dem heu­ti­gen Tag zu ein­ge­schla­fen. – Guten Mor­gen! Heu­te ist Sonntag.

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kukkuruku

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kuk­ku­ru­ku : 18.10 — Ich mag die Gegen­wart nicht in gegen­wär­ti­gen Wör­tern erzäh­len. stop. Wenn ich die Gegen­wart erzäh­le, ver­wen­de ich Wör­ter einer alten Zeit. stop. War­um? stop. Glüh­lam­pe. stop. Vor den Fens­tern ists dun­kel gewor­den. stop. Nach 6 Stun­den vor der Schreib­ma­schi­ne wer­den anstatt Wör­tern, noch Satz­stem­pel aufs Papier gesetzt. — stop

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