Aus der Wörtersammlung: ohr

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coney island

14

nord­pol

~ : louis
to : Mr. jona­than noe kekkola
sub­ject : CONEY ISLAND

Mein lie­ber Kek­ko­la, das müs­sen Sie wis­sen, ich bin glück­lich, füh­le mich leicht, alle Sor­gen der ver­gan­ge­nen Wochen sind von mir gefal­len, ein Mensch, der mir nahe ist, wird wei­ter­le­ben. Wie schwe­ren Zei­ten, leich­te­re Zei­ten fol­gen! Nun wie­der ange­neh­mes Arbei­ten. Bin zu atlan­ti­schen Phä­no­me­nen zurück­ge­kehrt, das Hör­ver­mö­gen der Tief­see­ele­fan­ten, natür­lich, eine unend­li­che Geschich­te. Habe dar­über nach­ge­dacht, ob es nicht viel­leicht mög­lich sein könn­te, dass Tief­see­ele­fan­ten über klei­ne, kaum noch sicht­ba­re Ohren ver­fü­gen, die an ihren Rüs­sel­spit­zen gewach­sen sind über Jahr­mil­lio­nen ihres heim­li­chen Lebens hin­weg, um hören zu kön­nen, was man spricht in der Trom­pe­ten­spra­che jen­seits des Was­sers. So könn­te ich wei­ter­kom­men in die­ser Ange­le­gen­heit. Es ist nun bei­na­he sicher, dass ihre Her­den bereits in der Mit­te des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts vor Coney Island im Staa­te New York wahr­ge­nom­men wor­den sind. Ein Herr schrieb mir von Hand, sei­ne gelieb­te Rose habe ihm, wäh­rend eines Aus­flu­ges an den Strand, von Erschei­nun­gen erzählt, die alle unse­re Ver­mu­tun­gen bestä­ti­gen. Ich füge, lie­ber Kek­ko­la, mei­nem Brief eine Foto­gra­fie hin­zu, die an genau jenem Tag der Beob­ach­tung auf­ge­nom­men wor­den sein soll. Sieht sie nicht hin­rei­ßend unsterb­lich aus, Mrs. Rose, wie sie so sitzt und sich über das Tief­see­leuch­ten ihres Kop­fes zu freu­en scheint? – Ihr Lou­is, ihr Vogel.

gesen­det am
14.11.2009
22.58 MESZ
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lou­is to jonathan
noe kekkola »

 

rose

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ohrensegel

9

whis­key : 0.01 – Gespräch mit einer klei­nen Phi­lo­so­phin am frü­hen Abend in einer Stra­ßen­bahn, wes­we­gen ich nun für den Rest mei­nes Lebens gerührt sein wer­de von einem ihrer Gedan­ken, der mir zu erklä­ren ver­such­te, wes­we­gen ihre Ohren etwas grö­ßer sei­en als die Ohren ihrer bes­ten Freun­din. Das wäre näm­lich so, dass ihre Ohren des­halb grö­ßer sei­en, weil sie viel weni­ger spre­chen wür­de als ihre Freun­din übli­cher­wei­se. Ich kann, fuhr sie fort, mit mei­nen Ohren sogar mei­ne eige­ne Stim­me hören, obwohl ich gar nichts sage. Blin­de segel­ten durch die Luft. — stop
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ohrlilie

9

echo : 5.10 – Dass weib­li­che Trom­pe­ten­kä­fer feder­leich­te, trans­pa­ren­te Wesen sein soll­ten, die über Ohren ver­fü­gen, wel­che grö­ßer sind als der zen­tra­le Kör­per ihrer selbst – ein äußerst ange­neh­mer Gedan­ke einer­seits, merk­wür­dig ande­rer­seits. War­um? — stop
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existenz

14

oli­mam­bo

~ : louis
to : Mr. jona­than noe kekkola
sub­ject : EXISTENZ

Wie weit Sie wohl gekom­men sind, mein lie­ber Kek­ko­la? Sie soll­ten New Hamp­shire längst erreicht haben. Nach wie vor erseh­ne ich eine Nach­richt, obwohl ich mir unge­zähl­te Male vor­ge­nom­men habe, nie wie­der in einem Zustand von Erwar­tung zu leben. Und doch ist das jetzt so gekom­men, dass ich mich sor­ge, weil Sie kein Zei­chen, nicht das gerings­te Lebens­zei­chen über­mit­teln. Ein Satz, mein Freund, eine lee­re E‑Mail wür­de genü­gen, ich wäre zufrie­den, weil ich doch wüss­te, dass Sie in der Lage sind, zu lesen, was ich für Sie notie­re. Stel­len Sie sich vor, in der ver­gan­ge­nen Nacht habe ich mir über­legt, ob Sie nicht viel­leicht rei­ne Erfin­dung sind und Ihre Brie­fe an mich nur aus­ge­dacht. Mein lie­ber Kek­ko­la, wo auch immer Sie sich auf­hal­ten mögen, neh­men Sie wahr, dass ich an Sie den­ke. Unlängst, das soll­ten Sie wis­sen, stell­te ich noch die Fra­ge, wie Tief­see­ele­fan­ten hören, was sie mit­ein­an­der spre­chen, da doch die Sprech­ge­räu­sche ihrer Rüs­sel sehr weit von ihren Ohren ent­fernt jen­seits der Was­ser­ober­flä­che zur Welt kom­men und rasch in alle Him­mels­rich­tun­gen ver­schwin­den. Ihr Lou­is, hoffend.

gesen­det am
10.10.2009
22.38 MESZ
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lou­is to jonathan
noe kekkola »

 

ping

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sprechgeräusche

9

gink­go : 2.15 – Etwas Selt­sa­mes ist gesche­hen. Bin ges­tern Abend im Gar­ten ein­ge­schla­fen, obwohl ich in einem äußerst span­nen­den Buch geblät­tert hat­te. Viel­leicht war’s die schwe­re, war­me Luft oder eine schlaf­lo­se Nacht der ver­gan­ge­nen Jah­re, die rasch noch nach­ge­holt wer­den muss­te. So oder so schlief ich eine Stun­de tief und fest im Gras und wäre ver­mut­lich bis zum frü­hen Mor­gen hin in die­ser Wei­se anwe­send und abwe­send zur glei­chen Zeit auf dem Boden gele­gen, wenn ich nicht sanft von einer nacht­wan­deln­den Amei­se geweckt wor­den wäre. Kaum hat­te ich die Augen geöff­net, war ich schon mit einer Fra­ge beschäf­tigt, die ich erst weni­ge Stun­den zuvor ent­deckt hat­te, mit der Fra­ge näm­lich, wie Tief­see­ele­fan­ten hören, was sie mit­ein­an­der spre­chen, da doch die Sprech­ge­räu­sche ihrer Rüs­sel sehr weit von ihren Ohren ent­fernt jen­seits der Was­ser­ober­flä­che zur Welt kom­men und rasch in alle Him­mels­rich­tun­gen ver­schwin­den. Eine dif­fi­zi­le Fra­ge, eine Fra­ge, auf die ich bis­her viel­leicht des­halb kei­ne Ant­wort gefun­den habe, weil ich eine Ant­wort nur im Schlaf fin­den kann, wenn mein Gehirn machen darf, was es will. – Fan­gen wir an. – stop – Drei Uhr und zwölf Minu­ten in Isfa­han, Iran. – stop
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ohrwesen

9

romeo : 0.08 – Kurz nach Mit­ter­nacht. Leich­ter Regen, aber nur als Vor­stel­lung, als Übung, als Suche in den Maga­zi­nen mei­nes Gehörs. Plötz­lich erin­ner­te ich mich, ein­mal heim­lich ein Ohr aus nächs­ter Nähe beob­ach­tet zu haben, ein Wun­der der Schöp­fung. Ich betrach­te­te die­ses Ohr so lie­be­voll und so lan­ge Zeit, dass ich bald etwas ganz ande­res in ihm sehen woll­te, als eine hal­be Stun­de noch zuvor, ein Wesen näm­lich ganz für sich. Der Gedan­ke, ich könn­te jeder­zeit ein schla­fen­des Ohr mit mei­nem Blick berüh­ren, ohne dass es davon wach wer­den wür­de, fas­zi­niert mich außer­or­dent­lich. Wenn ich aber sagen wür­de, lei­se, lei­se: Du bist wun­der­schön, dann wür­de das Ohr mich viel­leicht anse­hen, ein noch halb­wegs träu­men­des Auge von einer Sekun­de zur ande­ren Sekun­de, und ein Mund, ein Mund, der lächelt. — Gute Nacht.
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quito

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fox­trott : 0.02 – Es ist frü­her Abend, ich lie­ge in einer Wie­se, ein Ohr gegen den Him­mel, das ande­re Ohr gegen die Erde gerich­tet, und höre Grä­sern und sehr klei­nen Tie­ren zu, wie sie sich auf die Nacht vor­be­rei­ten. Noch etwas Zeit ist, Minu­ten­zeit, weil ich war­te. Ein ange­neh­mes War­ten, ein War­ten vol­ler Freu­de. Nichts ist so lan­ge zu tun, als der gro­ßen Welt am Him­mel und der klei­nen Welt unter mir zuzu­hö­ren. Man raschelt dort für mich und der Him­mel schweigt, um nicht zu stö­ren. Es ist selt­sam, je glück­li­cher ich bin, des­to beweg­li­cher kann ich den­ken. So beweg­lich bin ich gewor­den, dass ich von Zeit zu Zeit über­haupt auf­hö­re, an irgend­et­was zu den­ken. Und doch bin ich nie­mals abwe­send, son­dern hier und war­te und höre den Grä­sern zu und atme und hal­te etwas Papier fest in der Hand, von dem ich bald vor­le­sen wer­de. 1 x schla­fe ich kurz ein. — stop

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tauchgang wiegend

9

nord­pol : 0.02 — Tief­see­ele­fan­ten wirk­lich zu begeg­nen, heißt, gegen den Grund zu rei­sen, dort­hin, wo Herz und Gehirn, Ohren und Augen auf kräf­ti­gen Bei­nen über den Mee­res­bo­den wan­dern. Viel­leicht ist man gera­de in einem Boot auf dem Weg, ein paar Fische zu fan­gen. Man ver­nimmt ein Schnau­ben zunächst, eine Begrü­ßung, eine Fra­ge, aber schon mit dem fol­gen­den Gedan­ken, wird man sich, von einem Rüs­sel zärt­lich in die Wie­ge genom­men, im Was­ser wie­der fin­den. Dann geht’s abwärts. Eine Fahrt in die Tie­fe, wie kei­ne ande­re je zuvor. Ein­hun­dert Meter Blau, jetzt schlie­ßen sich die Augen. Man träumt von Rüs­sel­wäl­dern, von Schwär­men glim­men­der Fische, von der Küh­le, vom Eis, von feu­ri­gen Augen, für die man kei­ne Wor­te fin­den kann, so selt­sam ihr Aus­druck, so gedul­dig, so wei­se, und so son­der­bar die Geräu­sche der eige­nen Kno­chen, ein Mal­men, in dem man klei­ner wird und klei­ner. — Woher ich das alles weiß? Nun, ich bin in der ver­gan­ge­nen Nacht gegen Zwei, Ben­ny Good­man im Ohr, ins Was­ser gefal­len. — Ein Knis­tern, noch heu­te. — stop
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