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lamelleniris

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char­lie : 3.12 — Ich stell­te mir eine Ver­suchs­an­ord­nung vor. Ich soll­te für die Ver­wirk­li­chung die­ser Ver­suchs­an­ord­nung Nah­rungs­mit­tel hor­ten, zwei oder drei Enten ( je 1 kg), Maro­nen ( 1 kg ) , Was­ser ( 10 l ), Man­da­ri­nen ( 2 kg ), dunk­les Brot ( 2 kg ), hel­les Brot ( 1 kg ), Mar­me­la­de ( 0,5 kg ), Kaf­fee ( 3 Pfund ) und But­ter ( 0,5 kg ). Ich wür­de mei­ne Com­pu­ter­ma­schi­nen einer Nach­ba­rin über­ge­ben, mein Fest­netz­te­le­fon zer­trüm­mern ( ich brau­che ohne­hin ein Neu­es ), mein Han­dy ins Eis­fach legen und dort ver­ges­sen, wei­ter­hin Film­ab­spiel­ma­schi­nen jeder Art aus der Woh­nung tra­gen, auch alle Bücher, aber im Gegen­zug eini­ge Tau­send Kar­tei­kar­ten auf mei­nem Küchen­tisch sta­peln. Dann lan­ge Zeit von Stil­le, Tage der Ruhe und Kon­zen­tra­ti­on, ich sit­ze oder gehe in der Woh­nung unter dem Dach auf und ab, und notie­re Wör­ter. Es geht näm­lich dar­um, alle Wör­ter mei­ner Spra­che, die ich erin­nern kann, auf­zu­schrei­ben, je ein Wort auf eine Kar­te, um her­aus­zu­fin­den, über wie vie­le Wör­ter ich ver­fü­ge. Mit wel­chem Wort wer­de ich begin­nen? — stop

drohne14

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afrikatram

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india : 5.05 — Eine Stra­ßen­bahn, tat­säch­lich, am frü­hen Mor­gen. Stau­bi­ge jun­ge Män­ner, Maler­ar­bei­ter, sie leh­nen anein­an­der und schla­fen wie­der oder erzäh­len sich irgend­wel­che wil­den Geschich­ten in pol­ni­scher Spra­che, wie an jedem Tag zu die­ser Zeit, auch wenn Sonn­tag ist oder Sams­tag. Am Max-Weber-Platz, fünf Uhr und acht Minu­ten, stei­gen uralte, afri­ka­ni­sche Frau­en zu, sind in wei­ße, gold­be­stick­te Tücher gehüllt, auf dem Weg zur Mor­gen­an­dacht viel­leicht. Auch sie erzäh­len sich irgend­wel­che wil­den Geschich­ten, hel­le Stim­men, so hell oder schnell, dass sie kaum noch hör­bar sind. Es ist jetzt eine Stun­de, die nicht län­ger zur Nacht, aber auch noch nicht in den Tag gehört. Nur in die­ser 1 Stun­de Zeit fah­ren Stra­ßen­bah­nen her­um, die voll stau­bi­ger, müder Män­ner und hei­te­rer, uralter Frau­en sind, die sich Geschich­ten erzäh­len, viel­leicht von der Furcht, die sicht­bar wird in Ges­ten, scheu­en Bli­cken, Lamel­le­ni­ris, nur nicht spre­chen, tat­säch­lich, von der Furcht, von der ich weiß, Nes­rin hat mir erzählt, von heim­li­cher Furcht, an die man am bes­ten nicht denkt. — stop

ping

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ai : ASERBAIDSCHAN

aihead2

MENSCHEN IN GEFAHR: „Die aser­bai­dscha­ni­sche Men­schen­rechts­ver­tei­di­ge­rin Ley­la Yunus und ihr Ehe­mann Arif Yunus wur­den am 13. August 2015 zu acht­ein­halb bzw. sie­ben Jah­ren Haft ver­ur­teilt. Der Gesund­heits­zu­stand von Arif Yunus hat sich wei­ter ver­schlech­tert, er ver­lor im Gerichts­saal das Bewusst­sein. Die aser­bai­dscha­ni­schen Behör­den schränk­ten zudem wei­ter­hin den Zugang für inter­na­tio­na­le Beobachter_innen und Journalist_innen zur Gerichts­ver­hand­lung ein. Die gewalt­lo­sen poli­ti­schen Gefan­ge­nen Ley­la und Arif Yunus wur­den am 13. August 2015 vom Gericht für schwe­re Straf­ta­ten in der aser­bai­dscha­ni­schen Haupt­stadt Baku zu acht­ein­halb bzw. sie­ben Jah­ren Haft ver­ur­teilt. Bei­de wur­den des “Betrugs” und ande­rer Straf­ta­ten, die im Zusam­men­hang mit der Men­schen­rechts­ar­beit des Ehe­paa­res ste­hen, für schul­dig befun­den. Ley­la Yunus ist die Vor­sit­zen­de der aser­bai­dscha­ni­schen NGO_ Insti­tu­te for Peace and Democracy_. Vor ihrer Fest­nah­me hat­te sie die Behand­lung poli­ti­scher Gefan­ge­ner durch die Behör­den in Aser­bai­dschan doku­men­tiert. Ihr Ehe­mann Arif Yunus ist His­to­ri­ker und poli­ti­scher Akti­vist. Dem Ehe­paar wird außer­dem Lan­des­ver­rat wegen der angeb­li­chen Spio­na­ge für Arme­ni­en vor­ge­wor­fen. Die­se Ankla­ge wur­de jedoch zur Prü­fung an ein ande­res Gericht ver­wie­sen. Inter­na­tio­na­len Beobachter_innen und Journalist_innen wur­de der Zugang zum Gerichts­saal ver­wehrt und nur weni­ge Diplomat_innen durf­ten dem Ver­fah­ren bei­woh­nen. / Wäh­rend der Anhö­rung am 13. August ver­lor Arif Yunus das Bewusst­sein. Zuvor muss­te eine Anhö­rung vom 3. August auf den 5. August ver­tagt wer­den, nach­dem Arif Yunus auf­grund Blut­hoch­drucks ohn­mäch­tig gewor­den war. Im April 2014 erlitt er zwei Schlag­an­fäl­le. Sei­ne Fami­lie befürch­tet, dass er einen wei­te­ren Schlag­an­fall nicht über­le­ben wür­de. Bei Ley­la Yunus wur­den Dia­be­tes und Hepa­ti­tis C dia­gnos­ti­ziert. Zudem ist ihr Seh­ver­mö­gen auf dem lin­ken Auge ein­ge­schränkt. Sie erhält im Gefäng­nis kei­ne ange­mes­se­ne medi­zi­ni­sche Betreu­ung. Die Behör­den haben sich gewei­gert, die Men­schen­rechts­ver­tei­di­ge­rin in ein Kran­ken­haus zu ver­le­gen. Ley­la Yunus gab an, bedroht, drang­sa­liert und ein­ge­schüch­tert sowie miss­han­delt wor­den zu sein, nach­dem sie um medi­zi­ni­sche Hil­fe gebe­ten hat­te. / Arif und Ley­la Yunus wer­den seit Som­mer 2014 auf der Grund­la­ge kon­stru­ier­ter Ankla­gen in Haft gehal­ten. Zu den Vor­wür­fen zäh­len Lan­des­ver­rat und eini­ge Ankla­gen finan­zi­el­ler Natur. Nach Auf­fas­sung von Amnes­ty Inter­na­tio­nal hän­gen die­se Ankla­gen mit der legi­ti­men Men­schen­rechts­ar­beit des Ehe­paars sowie ihrer Kri­tik an der aser­bai­dscha­ni­schen Regie­rung zusam­men.“ — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 24. Sep­tem­ber 2015 hin­aus, unter »> ai : urgent action

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Notiz des Fotografen:

cen­tral afri­can repu­blic: torn apart by violence:fane abdel­ka­rim ara­me, aged 70, found shel­ter at Eco­le liber­ty, but she still worries about the situa­ti­on in boss­an­goa. despi­te the arri­val of peace-kee­ping tro­ops, she said, “we can’t go back to our own dis­trict now, it’s been taken.”she said she had lost four rela­ti­ves in the vio­lence. “we grew up in this coun­try, my grand — par­ents are cen­tral afri­cans and we were here befo­re inde­pen­dence, we have seen six regimes come and go. we don’t have any­whe­re else to go.” she cal­led for a return to the days when com­mu­ni­ties lived in harmony.

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condorklasse

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MELDUNG. In der Nacht zum Don­ners­tag bereits haben acht wei­ße Wale vor Trom­vik ein rus­si­sches Unter­see­boot der Con­dor­klas­se auf das Schreck­lichs­te miss­han­delt. Das Wrack, men­schen­leer, wird zur Behand­lung nach Mur­mansk geschleppt. — stop

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tellerpfirsich

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del­ta : 7.12 — Der Nacht­zug fährt über eine Hoch­bahn­stre­cke: Unge­heu­re Wei­te, ein Meer von Licht. Dann wie­der run­ter unter die Stadt. Bis­wei­len Bahn­hö­fe, die wie Pla­ne­ten aus dem Dun­kel her­an­kom­men. Wie ich durch den Zug gehe, sehe ich, alle Sitz­plät­ze sind besetzt, da und dort ste­hen Men­schen, sie leh­nen an Wän­den oder hal­ten sich an geeig­ne­ten Stan­gen oder Stre­ben fest. Fast Stil­le, nie­mand wach, hin und wie­der mur­meln­des Gespräch, hef­ti­ges Atmen, Lachen, Stöh­nen. Sobald ich mich einem der schla­fen­den Men­schen nähe­re, Flüs­tern: Sie befin­den sich in einem Schlaf­zug, sie dür­fen hier nie­man­den wecken, unse­re Pas­sa­gie­re haben für Schlaf bezahlt. Eich­hörn­chen, Hun­der­te, tol­len durch die Abtei­le des Zuges, sie sprin­gen an den Wän­den hoch, jagen über Kof­fer­ab­la­gen dahin, pur­zeln unter Sitz­rei­hen, Akro­ba­ten, ohne je einen der schla­fen­den Men­schen zu berüh­ren. stop. Ges­tern ers­te Tel­ler­apri­ko­se mei­nes Lebens. — stop

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sommerhut

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tan­go : 6.55 — Men­schen exis­tie­ren, die Flüch­ti­ge sind, unschar­fe Wesen, oszil­lie­ren­de, beben­de Per­so­nen, obwohl sie doch in nächs­ter Nähe ste­hen, man könn­te sie berüh­ren, ihnen die Hand rei­chen, wird man ihrer nie­mals sicher sein. Oder Schla­fen­de. Eine Frau mor­gens im Zug, der ich seit Jah­ren in der 6‑Uhr-15-Bahn vom Flug­ha­fen ins Stadt­zen­trum fah­rend regel­mä­ßig begeg­ne. Sie ist immer schon anwe­send, wenn ich den Zug betre­te. Sie ist ver­mut­lich die ein­zi­ge Frau, deren Gesichts­zü­ge mir ver­traut sind, ohne je ihre Augen gese­hen zu haben. Ich ken­ne sie aus­schließ­lich als schla­fen­de Per­son. Ver­mut­lich wird sie stets lan­ge vor mei­ner Zeit in den Zug gestie­gen sein, viel­leicht in Bad Kreuz­nach oder Idar-Ober­stein, da war halb noch Nacht. Ich neh­me an, ihr Schlaf ist tief, denn sie sitzt sehr sta­bil von einer Hand­ta­sche beschwert und rührt sich auch dann nicht, wenn jemand neben ihr Platz nimmt. Ihr rund­li­ches Gesicht ist nie­mals geschminkt, ein fried­li­ches, ich wür­de sagen, ein glück­li­ches Gesicht. Ein­mal, in den Tagen gro­ßer Hit­ze, trug sie einen Som­mer­hut, ein ande­res Mal im Win­ter eine Woll­müt­ze. — stop

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giraffe no 1

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alpha : 5.15 — Ich notier­te eine E‑Mail an August Bril­lé, bat ihn, mir in der Ent­schlüs­se­lung eines Tex­tes behilf­lich zu sein, den ich ver­se­hent­lich der­art kodiert hat­te, dass ihn nicht wie­der in einen les­ba­ren Zustand zurück­zu­ho­len ver­moch­te. August ant­wor­te­te, er habe zwei sei­ner Rechen­ma­schi­nen mit die­ser kom­ple­xen Auf­ga­be betraut. Er kön­ne aller­dings nicht garan­tie­ren, in den kom­men­den Jah­ren erfolg­reich zu sein in der Ent­schlüs­se­lung mei­ner Pas­sa­ge, ich sol­le mich des­halb ergän­zend an die Öffent­lich­keit mit der Bit­te um Unter­stüt­zung wen­den. Hier­mit also ersu­che ich Sie um Hil­fe. Soll­ten Sie in der Lage sein, mei­nen ver­schlüs­sel­ten Text zu deco­die­ren, wür­de ich Ihnen mit Freu­de ein klei­nes Geschenk über­mit­teln. Es han­delt sich um eine höl­zer­ne Giraf­fe, die sich mit­tels Fin­ger­dru­ckes zu einer Ver­beu­gung hin­rei­ßen lässt. Ich dan­ke Ihnen im Vor­aus! Ihr Lou­is — Code : start /// g o Q C l v O V 0 s e K Q V A K Q w P 0 I l 6 u q t u 7 3 x g K J b Q u q 3 b u x 5 o b M E h j 0 f W K K e a Q Q C V T n + 7 d o f e Q K 2 d N N a s 9 0 C p T o u q O d n 1 5 n v 6 + J G i N G E 8 6 g T v Z S R n t K r X T j t l 1 8 V u b c N z 2 L 7 T e b 8 m q w q 3 Y d K L P b M Y E h V f W g x m 0 2 b + o G A j e T v L C Q L P o j k z S Q W R i 0 u L G f R M G J C W r e Y 7 J U 9 A O C F u z 4 6 l o t m w T X g F b Y 0 7 L B B k g V Q z m u B P F j p X E O m R 8 3 f c R X Z X t k j 3 \ / y s 3 T p P C R Z v 0 E z r m B 7 5 X w c a J d k 6 d 6 7 1 I n b U + c F r T W 2 O o j r N p z y b P M v Y k s B 5 8 U L + U R I 5 5 I U f 9 Y 7 S 8 t 9 q l 7 J 6 V p s v c B R a c B D i W T f 3 X Z G a H s v U N b R e O 4 E M I C b s J n c y p N b w 1 i 6 6 u 4 N x L E y u 7 t K K m f g z R 0 E k X b g o I o N 2 q y S a x O m B l P n A 3 e z V m C R l l b C K K d 7 b j u 2 B P j e T 1 T 4 M d 6 3 3 A J 3 0 r C P e V K c m 7 s b Y U V 7 T A 1 n y S y G s I 9 H 7 q q r k V P v u 7 U c o Z y O A I Y 4 b n 2 G q C w x 6 7 C q i o C M w h w G C 0 2 R z a O A L T R U G P 7 k u V c d W t m g M K O 9 N M Z e x I K M D a A Y q 8\ / b K 5 M 6 i p X b E r q a z X s 1 C + y 2 q 9 s u 3 N H m R F C f I B mG o 5 w e 8 a H P K 6 J U m P i M x d + E 2 B m U z ZH O k 8 k q m V C f y 5 D t R 7 u J K O 6 N P 8 7 A p C 8 N k + 9 p H d a 4 G d H 1 p g 9 8 g j Y g i — /// end — stop

harlem

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kubatajo

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romeo : 5.20 — Küh­le Luft, gnä­di­ges Tier, fließt über den Boden. Zwei Tau­ben sit­zen auf dem Fens­ter­brett und spä­hen ins Zim­mer. Irgend­wo im Süden süd­lich wer­den sich in die­sem Augen­blick hung­ri­ge gro­ße Men­schen und hung­ri­ge klei­ne Men­schen durchs Unter­holz der Berg­wäl­der schla­gen. Unlängst erzähl­te vom Bild­schirm her ein älte­rer Herr zu Buda­pest, er kön­ne SIE nicht mehr sehen, Flüch­ti­ge, man soll­te ihnen in die Bei­ne schie­ßen, dann wür­den sie nicht wie­der kom­men. Und ich dach­te, der­art prä­zi­se hat er bereits Kör­per­or­te der Ver­wun­dung vor­aus­ge­dacht, dass er kon­kret wer­den kann. Wie­der Wör­ter erfun­den: jusi­be­ba babu­ke­le bife­ri­gu jaba­bu­ba kuba­ta­jo ribe­ju­mu gocubobu kub­ex­e­bu sopi­ja­be bibu­je­bi. stop — 5 Uhr 15: Miles Davis / John Col­tra­ne — Paris 1960 — stop
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