Aus der Wörtersammlung: echo

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code : spurlos

code

echo : 16.58 UTC — Mensch­li­che Gesich­ter von rei­nem Code: Augen­far­be, Augen­grö­ße, Form des Mun­des und der Nase, Alter, Geschlecht nach Gewich­ten berech­net und sicht­bar gewor­den. Sekun­den­ge­schöp­fe neu­ro­na­ler Net­ze, ohne jede Spur, die ver­folgt wer­den könn­te, um einem wirk­li­chen Leben zu begeg­nen. Sie wer­den nie­mals ster­ben, nie­mals betrau­ert sein. Sie wur­den nicht gebo­ren, sie altern nicht, und doch sehen sie mich an, sagen: Ich wäre mög­lich gewe­sen. — stop

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hydra No 3

9

echo : 20.38 UTC — Eine Film­da­tei exis­tiert seit Jah­ren im Gedächt­nis mei­ner Com­pu­ter­ma­schi­ne. Ich habe die­se Datei noch nie geöff­net. Sie soll Bil­der ent­hal­ten, die den gewalt­sa­men Tod des Jour­na­lis­ten Dani­el Pearl vor lau­fen­der Kame­ra zei­gen. Immer wie­der der Gedan­ke, die Fra­ge, was ich unter­neh­men, was ich füh­len, wie ich leben wür­de, wenn ich wüss­te, dass Bil­der des Todes eines von mir gelieb­ten Men­schen, sei­ne Ernied­ri­gung, sei­ne Ver­zweif­lung betrach­tet wer­den oder betrach­tet wer­den könn­ten von Aber­tau­sen­den wil­der und frem­der Augen­paa­re. — Kann man mit einer Hydra ver­han­deln? — Ich stel­le fest. Das Wesen die­ser digi­ta­len Hydra der Grau­sam­keit ist zu unge­heu­rer Grö­ße gewach­sen. In Kanä­len der Tele­gram-Appli­ka­ti­on sind tau­send­fach Film­do­ku­men­te publi­ziert, die den Tod kämp­fen­der Men­schen an den Front­li­ni­en in der Ukrai­ne zei­gen. Sie wer­den in ihrem Ster­ben aus der Luft beob­ach­tet, von den Augen der Droh­nen, die zunächst nach Bewe­gung der Men­schen suchen, die unter ihnen in Wäl­dern und Grä­ben lie­gen. Droh­nen und ihre Augen sind töd­li­che Geschöp­fe. Sie bom­bar­die­ren, sie fil­men, sie prü­fen ihr Werk. Noch, es ist Som­mer 2024, wir­ken sie nicht auto­nom. — stop

Hydra

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In einer Nebel­kam­mer
Spu­ren kleinster
Teilchen
die Vater
beobachtete

 

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nächtliche flieger

9

echo : 22.33 UTC — Es ist nun gewiss. Flie­gen exis­tie­ren, die flie­gen nur nachts in der Dun­kel­heit in mei­nen Zim­mern her­um. Sobald Licht wird, das der Son­ne oder das Licht mei­ner Lam­pen, flie­gen sie nicht. Sie sit­zen dann sofort im Ver­bor­ge­nen und beob­ach­ten die­sen selt­sa­men Herrn, wie er mit Papie­ren wedelnd in der Hand durch die Gegend streift, um sie auf­zu­stö­bern, um sie durch die Luft über Wän­de hin jagen zu kön­nen, mit Werk­zeu­gen, die ohne einen Ziel­ort wir­kungs­los blei­ben. — stop

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
 

IBM System/360 Modell 91
mit wel­chem mein Vater und sein Team
nach kleins­ten Teil­chen suchte
Blick in die Zentraleinheit

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louis

9

echo : 20.02 UTC — Seit eini­gen Tagen wohnt eine Flie­ge in mei­nen Zim­mern, mit mir unter dem Dach. Ich kann nicht mit Bestimmt­heit sagen, dass jene Flie­ge, die ich zuletzt beob­ach­tet habe, als ich kurz vor dem Schlaf noch ein­mal in die Küche trat, die­sel­be Flie­ge war, die mich mor­gens schon im Flur mit einem Flug­ma­nö­ver begrüß­te. Da ich mei­ne Fens­ter wäh­rend der Nacht geöff­net hat­te, könn­te die Abend­flie­ge mei­ne Woh­nung ver­las­sen haben, indes­sen die Mor­gen­flie­ge irgend­wann in der Nacht her­ein­ge­kom­men war, um zu blei­ben. Ich stel­le fest: Ich ver­mag, nach Beob­ach­tung ihrer Gestalt, eine Flie­ge von einer ande­ren Flie­ge nicht zu unter­schei­den; sie sind groß oder klein und schil­lern und haben eine Flü­gel­stim­me, die mir je ver­traut zu sein scheint. Nun ist jedoch Fol­gen­des zu erzäh­len. Die­se, eine Flie­ge, die ver­mut­lich bereits seit Tagen bei mir wohnt, ver­hält sich, wie noch nie eine Flie­ge zuvor in mei­ner Woh­nung sich ver­hal­ten hat­te. Sie folgt mir näm­lich Tag­ein, tag­aus. Sobald ich mich von einem Stuhl erhe­be, beglei­tet mich die Flie­ge in den Flur und wei­ter in mein Arbeits­zim­mer und wie­der zurück. Sie fliegt, weil sie mir im Gehen auf dem Fuß­bo­den, an einer Wand oder einer Decke, nicht fol­gen könn­te, an mei­ner Sei­te, und zwar in der Höhe mei­nes Kop­fes. Ich habe die­se Beob­ach­tung mehr­fach über­prüft, indem ich mei­ne Auf­merk­sam­keit auf die­se eine Flie­ge lenk­te, bevor ich eine Wan­de­rung durch die Woh­nung begann. Die Flie­ge scheint auf mich zu war­ten, dass ich etwas unter­neh­men möge. Ich habe ihr einen Namen gege­ben: Die Flie­ge heißt Lou­is. Lou­is wünscht, so mein Ein­druck, für den Rest sei­nes Lebens bei mir zu blei­ben. — stop

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lockerbie

9

echo : 22.57 UTC — Eine Frau erzähl­te auf dem Bild­schirm mei­nes Fern­seh­ge­rä­tes, ihr Mann sei über Schott­land in gro­ßer Höhe von einer Bom­be getö­tet wor­den. Sie habe den Kof­fer ihres Man­nes erhal­ten, in dem sich sei­ne sau­be­re Klei­dung befand. Er sei nie mit sau­be­rer Klei­dung von einer Geschäfts­rei­se zurück­ge­kehrt. Sei­ne Klei­dung, erfuhr sie, wur­de von Frau­en der klei­nen Städt­chen nahe Locker­bie gewa­schen und gefal­tet und gebü­gelt. Eine die­ser fal­ten­den Frau­en erzähl­te wie­der­um, ihre Arbeit sei bis­wei­len merk­wür­dig gewe­sen. Sie sei­en 20 bis 30 Leu­te gewe­sen. Das rühr­te ans Herz. Vie­le in die Tie­fe gestürz­te Ted­dy­bä­ren. Da war das rote Kleid eines 2‑dreijährigen Kin­des. Manch­mal sei sie nach Hau­se gekom­men und habe geweint. — stop

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in der nacht

9

echo : 0.28 UTC — Ein Mann sitzt im Halb­dun­keln eines Zim­mers nahe der Stadt Kiga­li in Ruan­da in einem Ses­sel und war­tet. Er war­tet dar­auf, dass Mücken, die ihn mit dem Mala­riaer­re­ger infi­zie­ren könn­ten, zu ihm kom­men. Sobald er eine Mücke hört, schal­tet er das Licht einer Taschen­lam­pe an, sucht in der Luft, um die Mücke zu fan­gen, ehe sie ihn errei­chen kann. 3 Dol­lar ver­dient er pro Nacht­stun­de. Er dür­fe, erzählt der Mann, nicht ein­schla­fen: Ich möch­te nicht krank wer­den. Sobald er eine Mücke mit­tels einer Luft­saug­pum­pe ein­fan­gen konn­te, trans­fe­riert er den noch leben­den Kör­per in ein Glas­röhr­chen, das er mit einem Wat­te­bausch ver­schließt. Selt­sa­me Geschich­te. — stop

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von hinten oder von der Seite her

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echo : 8.12 UTC — Ich dach­te wie­der ein­mal dar­an, dass ich den Faden einer Geschich­te mit Möwe, die mich auf einem Fähr­schiff besuch­te, ver­mut­lich so nie wie­der erle­ben wer­de. Trotz­dem beach­te­te ich in den dar­auf­fol­gen­den Tagen die Erschei­nun­gen der Möwen, wel­che auf dem Dach des alten Hau­ses saßen. Etwas war anders gewor­den. Ich hat­te bemerkt, dass es sich bei dem alten Haus um ein Hotel han­del­te. Ich kann­te nun den Namen des Hotels, obwohl ich nie dort gewe­sen war, ich hat­te das Gebäu­de in der digi­ta­len Sphä­re iden­ti­fi­ziert. Tage ver­ge­hen. Plötz­lich sit­ze ich in einem Zug. Es ist spät, dun­kel drau­ßen, Men­schen in mei­ner Nähe schla­fen, bis­wei­len tau­chen Lich­ter einer Stadt oder eines Dor­fes aus der Licht­lo­sig­keit. Ich beob­ach­te einen Film auf dem Bild­schirm mei­ner Schreib­ma­schi­ne. Es geht schön laut zu in dem Film, ich tra­ge Kopf­hö­rer, und ich den­ke, wenn ich in ein Atten­tat gera­ten wür­de, ich wür­de mög­li­cher­wei­se das Atten­tat nicht bemer­ken, solan­ge nicht bemer­ken, bis mir jemand von hin­ten oder von der Sei­te her in den Kopf schießt, auch das wür­de ich even­tu­ell nicht bemer­ken. — Das Radio erzählt, in der Stadt Mariu­pol wür­de man im März des Jah­res 2022 Scharf­schüt­zen ent­deckt haben, die auf Haus­dä­chern lagen und auf Möwen und Men­schen schos­sen. — stop



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