romeo : 0.52 — Nachts, im Laufen am See, Geräusche des Bodens, die durch den Körper dringen. Bald das Herz am Hals. Schlafende Schwäne, schlafende Enten. Der Flug eines träumenden Karpfens. Und ein Gedanke. Und noch ein Gedanke. Atem, der zum Wort wird von Runde zu Runde. Das Glück der Schritte. — stop
Aus der Wörtersammlung: schlafende
windstille
~ : louis
to : Mr. jonathan noe kekkola
subject : WINDSTILLE
Es war Mittwoch, lieber Jonathan, trauriger Tag, mein letzter Fisch ist von mir gegangen. Als ich ihn besuchen wollte, ruhte er seitwärts auf sandigem Boden, eine scheinbar schlafende Gestalt. Das Gewicht seines Körpers kurz darauf in meiner Hand, nicht erwartete Kühle und die Rauheit seines Kopfes, den ich nie zuvor berührt hatte, ein seltsamer, ein bewegender Moment. Sie werden, lieber Kekkola, meine leise Trauer nach Jahren gemeinsamen Lebens verstehen, Sie ganz gewiss! — Sagen Sie, wie geht es Ihren Lungen, haben Ihre Atemflügel den Winter gut überstanden, ist alles so wie gewünscht, oder sind Sie vielleicht Stunden oder Tage ins Wasser zurückgekehrt, um Luft zu holen in vertrauter Art und Weise? Eine kuriose Vorstellung, wie mir scheint, Mr. Kekkola tauchend unter der Eishaut eines nordamerikanischen Sees. Ich darf Ihnen sagen, dass ich mich ein wenig vor Ihnen fürchte! Trotzdem hoffe ich, Sie haben sich bereits auf südöstlichen Kurs begeben. Ein wolkenloser Himmel sollte Sie erwarten, Windstille bei 17° Celsius, dort, wo ich Sie lebend vermute. – Ihr Louis, ahoi!
gesendet am
18.03.2010
4.38 MESZ
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louis to jonathan
noe kekkola »
echo
echo : 0.15 — Folgendes. Wenn Sie diese hin und her gefaltete Zeile lesen und immer weiter lesen, werden Sie einer kleinen Geschichte begegnen, die ich in der vergangenen Woche bereits notierte und gesendet habe. Eine Fotografie war damals hinzugefügt, und weil ich sehr müde gewesen war, legte ich mich schlafen, um zwei oder drei Stunden später mit dem Gedanken wach zu werden: Nein, Louis, nein! Das ist kein guter Text, den Du da gesendet hast! Ich hastete also zum Schreibtisch und löschte den Text, und auch die Fotografie, und schlief sofort sehr zufrieden wieder ein. Kaum eine Stunde ist vergangen, seit ich den Text noch einmal gelesen habe. Ich wunderte mich, weil mich die Geschichte nun doch berührte, und ich ahne sehr gründlich, warum das so ist. Hier also ist meine kleine gelöschte Geschichte ohne Fotografie, eine Geschichte, die von einem Spaziergang erzählt, der mich über einen Nachtflughafen führte. Still war die Zeit, überall in den Hallen und auf den Fluren lagen schlafende Menschen herum. In einem besonders großen Saal aber schaukelten zwei Männer durch Luft, die Glühbirnchen in Fassungen schraubten, um weihnachtliche Stimmung zu erzeugen. Beide waren sie gut gelaunt, machten Späße und erzählten sich lauthals irgendwelche Geschichten, sie hatten ganz ohne Zweifel viel Freude mit ihrer Arbeit unter dem gläsernen Gewölbe an Seilen hängend. Einmal kamen sie auf den Erdboden zurück. Sie standen etwas unsicher auf den Beinen und flatterten mit ihren Armen. Als ich mich erkundigte, ob ihnen vielleicht schon irgendwann eine Glühlampe von der Decke gefallen und zerbrochen sei, antwortete einer der Männer: Nein! Niemals! Ich machte dann eine Aufnahme, merkwürdig, dieser Moment, da sie zur Flughafenschwebebahn schlenderten. Denn genau in dem Augenblick, als ich den Auslöser der Kamera drückte, war ich mir sicher gewesen, dass die zwei Männer in ihren blauen Anzügen auf meiner Fotografie später nicht zu sehen sein würden. – So, das war meine Geschichte, die in der vergangenen Woche verschwand. Jetzt ist sie wieder da und wird vermutlich bleiben. Kurz nach Mitternacht. Ich trage das schöne Wort Gandhineuron in meinem Kopf.
ohrwesen
romeo : 0.08 – Kurz nach Mitternacht. Leichter Regen, aber nur als Vorstellung, als Übung, als Suche in den Magazinen meines Gehörs. Plötzlich erinnerte ich mich, einmal heimlich ein Ohr aus nächster Nähe beobachtet zu haben, ein Wunder der Schöpfung. Ich betrachtete dieses Ohr so liebevoll und so lange Zeit, dass ich bald etwas ganz anderes in ihm sehen wollte, als eine halbe Stunde noch zuvor, ein Wesen nämlich ganz für sich. Der Gedanke, ich könnte jederzeit ein schlafendes Ohr mit meinem Blick berühren, ohne dass es davon wach werden würde, fasziniert mich außerordentlich. Wenn ich aber sagen würde, leise, leise: Du bist wunderschön, dann würde das Ohr mich vielleicht ansehen, ein noch halbwegs träumendes Auge von einer Sekunde zur anderen Sekunde, und ein Mund, ein Mund, der lächelt. — Gute Nacht.
sleeping
sierra : 0.02 — Kurz nach Mitternacht, das Ende eines federleichten Tages, an dem ich, gegen den Morgen zu, eine feine Geschichte erlebte. Das war nämlich so gewesen, dass meine Hand, meine rechte Hand, während ich schlief, das Bett verlassen hatte. Sie schwebte, indem ich träumte, von einem Gewitter angerufen worden zu sein, fast bewegungslos über dem Boden und wurde in dieser Haltung nach einer Erinnerung zärtlich fotografiert, weil ich vor einigen Monaten notiert hatte, dass ich, wenn ich sage: meine schlafenden Hände, von Händen spreche, die ich nie gesehen habe. Dieser Satz ist nun natürlich nicht ganz unwahr geworden, weil ich immerhin noch keine Ahnung habe, wie meine linke Hand aussehen könnte, während sie schläft. Außerdem habe ich meine schlummernde Hand nicht selbst gesehen, mit eigenen Augen, wahrhaftig, in echter Zeit, sondern verzögert und durch das Auge einer Kamera gebändigt. — stop
zwitschern
india : 22.10 — Seltsame Spur, die Twitter auf meinem Computer schreibt. Meldungen, Sekunden nur oder Minuten voneinander entfernt: > mw — boston : Just saw a mouse in the apartment! EEEEK!!!!!! Im getting a barn owl./ ky — teheran : unconfirmed — 150 people killed last week/ mv — absudistan : Ich glaube, mein Blick sagt gerade Vorm-Schlafengehen-möchte-ich-Blut-fließen-sehen./ sb — zürich : ich werde von menschen regiert, mit denen ich nicht mal reden würde./ ft — teheran : Crackdown on Journalists: Journalists are reportedly arrested in Boushehr, Mashad and Rasht/ mb — berlin : könnt ihr mal ähm feedback geben, ob der feedreader wieder funktioniert für mein blog?/ ft — teheran : Allah Akbar and Death to Dictator cry out over Iran tonight, as in other nights/ ts — münchen : “Was sollen das für Sprachen sein, die sich von Ihnen beherrschen lassen” Kurt Tucholsky/ cb — georgia : today is a good day to die say the cheyene/ pk — hamburg : ich habe einen WakeUp-Tweet in die Köpfe meiner schlafenden Timeline gesendet/ sl — nordsee : More videos coming in from Tehran. A man down and a bus in flames./ ft — teheran : foreign embassies in Tehran opened their doors to the wounded & Injured/ cnn — everywhere : moussavi to protesters: ‘The country belongs to you. The revolution and the system is your heritage.’/ kiwi — teheran : We have a few moments to tweet with you — our friends — from a DSL connection.
nyala
ginkgo : 0.01 — Wenn ich sage: meine schlafenden Augen, spreche ich von Augen, die ICH nie gesehen habe. — stop
regenzeit
olimambo : 0.02 — Angenehme Müdigkeit, warm und leicht, eine Versuchung, sagen wir, sofort die Augen zu schließen und nachzusehen, was das Nachtleuchten im Kopf mit mir vielleicht bald unternehmen wird. — Seltsam, wie es ist. — Vor wenigen Stunden noch über das Geräusch des Regens nachgedacht. Nicht einfach nur so über das gewöhnliche Geräusch vom Himmel kommenden Wassers, sondern über ein Regengeräusch, das bis in die Träume eines Schlafenden reicht, sodass er wach wird vom Regen, den er träumte und doch nicht träumte. ping ping ping. Wie er sich aufsetzt, wie er durch ein dunkles Zimmer tastet, wie er auf einem Balkon steht und wie ihm der Regen aufs Gesicht fällt. stop. Ein Uhr zweiundzwanzig auf hoher See vor Lampedusa. — stop
schlafende wale
nordpol : 0.12 — Kurz nach Mitternacht. Notierte folgenden Text: „Das Meer ruhig. Nichts zu hören, nur das Blasen der Wale. Kühles Geräusch von Wasser, von Luft. Sie liegen um die Rettungsinsel herum. Habe den Eindruck, sie warten. 12 Tiere. Gewaltige, weiße Körper. Helle Augen, schwarz gezeichnete Flossen. Auch das Heck, schwarz. Längs, über den Rücken hin, eine handbreite Zeichnung, orangefarben und exakt, als sei sie von einer Maschine aufgetragen. Sie werden ein oder zwei Stunden unter Wasser gewesen sein, vielleicht waren es fünf, vielleicht sechs, vielleicht sieben Stunden. Die Luft riecht nach Metall, nach Salz, nach Tang. Von Zeit zu Zeit tauchen sie ab, kreuzen unter der Insel, ohne uns zu berühren, ohne das Wasser zu bewegen, als wollten sie uns schonen. Auch Mrs. Anderson, unbewegt. Keine Raubfische. Warte auf Rettung. Joe Ellis hier — Joe Ellis — Rufe London.“ — In diesen Tagen, da ich einen atlantischen Text vertiefe, immer wieder das Staunen darüber, dass ich in einer Art und Weise über Wale schreibe, als hätte ich Jahre an ihrer Seite schwimmend zugebracht. – stop
schlafende vögel
echo : 8.25 — Weil ein unter der Wasseroberfläche lebender Vogel noch immer ein Vogel ist, weder Fisch noch Amphibie, wird er sich von Zeit zu Zeit an die Gestalt der Bäume erinnern, an den Luftgesang seiner Freunde, an den Wind, der durch sein Gefieder streifte, an das Vordämmerungslicht der Sonne, das ihm Augen und Schnabel öffnete, auch an die Farben der Wolken, an den Schnee, an den Duft der Blüten, an das Öl der Samen, der Nüsse. Er wird vielleicht auf sandigem Boden unter weiteren Vögeln sitzen und das Licht der Wellen wird ihm schmeicheln, komm zurück, komm zurück, und er wird in diesen Momenten fühlen, dass etwas anders geworden ist, dass man als schlafender Vogel auf und davon treiben, dass man niemals wissen kann, wo man erwachen wird. – Ein wunderbar ruhiger Abend, spazierte ins Café, besuchte L., notierte endlich wieder ein paar anatomische Sätze, studierte Zugfahrpläne Mumbai – Darjeeling. Wie schrittweise die Farben zurückkehren, Gravitation, ein Oben, ein Unten. Und plötzlich dieses feine Bild eines Schwarms der Unterwasservögel, wie sie schlafend als Vogelwolke in der Strömung treiben. Manche schweben auf dem Rücken, die Flügel weit geöffnet, andere haben ihren Kopf ins nasse Gefieder gesteckt, gleiten in einer Haltung dahin, als würden sie wie immer auf dem Ast eines Baumes sitzen. Das Nachtgespräch der Schlafenden in meinem Kopf, ein leises Singen, ein Singen, das schon bald zu einem Gespräch geworden ist. — stop