MELDUNG. Sao Paulo, Rua Conselheiro Crispiniano 15, 3. Etage, steinernes Zimmer : Kirsche No 1024 [ Marmor, Carrara : ´1.65 Gramm ] vollendet. — stop
ein selbstgespräch
nordpol : 15.12 — Oder ein Chatraum, in dem 200 Jahren lang eine Person mit sich selbst kommuniziert. Plötzlich erscheint das erste Zeichen einer weiteren Person, dann ein ganzes Wort in diesem Raum. — HELLO! — Langes Schweigen. — Jahre andauerndes, schweigendes Warten wie Staunen. Dann, unvermittelt, ein Jahrzehnt ist vergangen, wird das Selbstgespräch in einer Weise fortgesetzt als wäre das Wort HELLO niemals ausgesprochen oder empfangen worden: /// guten abend! wie geht es dir? — gut! und dir? — prächtig. — schön zu hören. lange nicht gesprochen, wo liegt dein problem? — ich habe heute abend kein problem. — wenn du dein problem nicht kennst, bist du hier genau richtig! — darf ich dir eine frage stellen? — sicher! — was bedeutet das wort luftwellensegel? — hast du schmetterlinge im bauch? — bitte! bleiben wir ernst, bleiben wir bei der sache: was bedeutet das wort luftwellensegel? — lass uns das eine weile zurückstellen. — warum? — erzähl weiter! — hast du schon andere gefragt? — aber natürlich! — schön zu hören. wo liegt dann dein problem? — ich habe heute abend kein problem! — wenn du dein problem nicht kennst, bist du hier genau richtig! ich sehe, du bist ein schwieriger fall. /// — stop
ANFANG === bEKOl6nBFkbLw4UCQdhQBw === ENDE
alpha : 5.15 — Der Feed-Atom eines kleinen Textes, den ich im Juni des Jahres 2013 an dieser Stelle verschlüsselt sendete, wurde bisher 16205 Mal angefordert. Ich bin nun beinahe sicher, dass es sich bei meinem Text um die Lektüre einer Maschine handelt, die sich rhythmisch vergewissert, ob der möglicherweise gefährliche Text noch existiert auf dem Particles-Server. Diese mir nicht bekannte, routiniert arbeitende Maschine scheint noch immer nicht in der Lage zu sein, einen Code zu erkennen, der im letzten Satz des Textes selbst für seine umgehende Entschlüsselung präpariert wurde. Eine skurrile Angelegenheit, nicht wahr! Versuch No. 3: ANFANG === a 4 n Z Q c Z c V 5 2 E p 5 0 P B S a l A B Y l g e 0 E Z M a N Q M D U F f a 5 g a F X 0 r j W u G h y B C V u v f L 7 U r D z s 9 y V 7 Q x I Q R E m I L c I 9 c n c D p t x g / y G r p M e k z a x 3 s O f c H / E e Q s 2 X 0 8 6 6 U h i M J 3 G 5 0 r m A f j Q j h k 3 f f 7 5 m r W + i R O f F H R d b m 1 n q i v 8 B Y 5 P m b q J 6 W J 8 Z t j o F h u J V Z T r W V 8 h + I 3 Y k g / P j L 0 S 5 p B j 8 J t / B 1 8 p + O O h k l 5 f n i z q e H J s s e g P W 9 m F n c L n / 6 Y C 8 n L p v / G H x m n K / D I 5 v d F u 8 u 8 M l 5 A m / V Y p g Q === ENDE / codewort : birdybirdy — stop
von zeppelinkäfern
marimba : 2.28 — Für einen Moment dachte ich heute Nacht an eine Geschichte, die ich vor langer Zeit einmal erzählte. Das war gegen 2 Uhr gewesen. Ich beobachtete aus mehreren Metern Entfernung, wie ein Käfer, der einem Zeppelinkäfer ähnlich war, sehr langsam durch mein Zimmer schwebte, um auf einer Tischlampe zu landen. Dort blieb er für einige Minuten sitzen. Sofort suchte ich nach jener Geschichte, die von einem Zeppelinkäfer handelt. Sobald ich sie gefunden hatte, segelte der Käfer, der mich an meine Notiz erinnert hatte, in die Dunkelheit davon, sodass ich ihn beinahe für die personifizierte Erinnerung dieser einen Geschichte halten möchte. Sie geht so: Ein seltsames Wesen schwebte kurz nach 1 Uhr in der Nacht schnurgerade eine unsichtbare Linie über den hölzernen Fußboden meines Arbeitszimmers entlang, wurde in der Mitte des Zimmers von einer Luftströmung erfasst, etwas angehoben, dann wieder zurückgeworfen, ohne allerdings mit dem Boden in Berührung zu kommen. — Ein merkwürdiger Auftritt. – Und dieser großartige Ballon von opakem Weiß! Ein Licht, das kaum noch merklich flackerte, als ob eine offene Flamme in ihm brennen würde. Ich habe mich zunächst gefürchtet, dann aber vorsichtig auf Knien genähert, um den Käfer von allen Seiten her auf das Genaueste zu betrachten. — Folgendes ist nun zu sagen. Sobald man einen Zeppelinkäfer von unten her besichtigt, wird man sofort erkennen, dass es sich bei einem Wesen dieser Gattung eigentlich um eine filigrane, flügellose Käfergestalt handelt, um eine zerbrechliche Persönlichkeit geradezu, nicht größer als ein Streichholzkopf, aber schlanker, mit acht recht langen Ruderbeinen, gestreift, schwarz und weiß gestreift in der Art der Zebrapferde. Fünf Augen in graublauer Farbe, davon drei auf dem Bauch, also gegen den Erdboden gerichtet. Als ich bis auf eine Nasenlänge Entfernung an den Käfer herangekommen war, habe ich einen leichten Duft von Schwefel wahrgenommen, auch, dass der Käfer flüchtet, sobald man ihn mit einem Finger berühren möchte. Ein Wesen ohne Laut. – Guten Morgen! Heute ist Sonntag bei großer Hitze. — stop
ai : ägypten
MENSCHEN IN GEFAHR: „Die Frauenrechtlerin Azza Soliman sowie 16 weitere Personen, die bei einem friedlichen Gedenkmarsch Augenzeug_innen einer Tötung durch die Polizei geworden waren, müssen am 4. Juli vor Gericht erscheinen. Ihnen drohen bis zu fünf Jahre Haft und eine Geldstrafe bis zu 50.000 Ägyptischen Pfund (rund 5.800 Euro). Das Gericht ordnete am 13. Juni die persönliche Anwesenheit der Angeklagten bei der Anhörung am 4. Juli an. Die 17 Angeklagten waren am 23. Mai von einem Kairoer Gericht von dem Vorwurf der “Teilnahme an illegalen Protesten” und der “Störung der öffentlichen Ordnung” auf Grundlage des repressiven Demonstrationsgesetzes freigesprochen worden. Drei Tage später legte die ägyptische Staatsanwaltschaft ein Rechtsmittel ein. Die Anhörung am 13. Juni war die erste im Rechtsmittelverfahren. Sie fand vor dem Berufungsgericht Zainhom in Anwesenheit von zwei Prozessbeobachter_innen der Delegation der Europäischen Union in Kairo statt. / Laut dem von Azza Soliman gegründeten Rechtshilfezentrum für ägyptische Frauen Center for Egyptian Women’s Legal Assistance bemerkte das Gericht, dass die Angeklagten bei dieser Anhörung nicht wie vom ägyptischen Prozessrecht vorgesehen vor Gericht erschienen waren. Die Rechtsbeistände der Verteidigung führten an, dass ihre Mandant_innen das Recht hätten, von Rechtsbeiständen vertreten zu werden. Sie haben ihre Mandant_innen instruiert, dass nicht alle von ihnen am 4. Juli erscheinen müssen. / Der Polizeibeamte Yassin Hatem Salahedeen wurde am 11. Juni wegen der Tötung der linksgerichteten Aktivistin und Dichterin Shaimaa Al-Sabbagh zu 15 Jahren Haft verurteilt.“ — Hintergrundinformationen sowie empfohlene schriftliche Aktionen, möglichst unverzüglich und nicht über den 13. August hinaus, unter »> ai : urgent action
kyllini
sommernacht
delta : 4.15 – In der vergangenen Nacht habe ich wieder einmal das Käferwerfen geübt. Angenehme Stunden. Benny Goodman Live at Carnegie Hall. Folgende Käfer habe ich aus dem Fenster geworfen: 1 blauen Spitzmausrüsselkäfer gegen Mitternacht, 4 Marienkäfer von 1 Uhr bis 2 Uhr, 1 seidigen Glanzrüssler um kurz nach 3, gegen 4 Uhr dann 1 scharlachroten Feuerkäfer. Jedweder aus dem Fenster geworfene Käfer war sofort wieder zu mir zurückgekehrt, entweder weil er ein weiteres Mal in die Luft geworfen werden wollte oder weil das Licht von meinen Zimmern her so schön warm in der Dunkelheit leuchtete. – stop
onkel ludwig
tango : 1.38 — Mein alter Onkel Ludwig, der wirklich schon sehr alt ist, berichtet, er habe errechnet, wenn er noch in der Lage wäre, jeden Tag 300 Seiten eines Buches zu lesen, wenn er außerdem noch fünf Jahre lesend erleben dürfte, würde er, bei guter Führung, 1825 weitere Bücher zu sich nehmen. Das könnte genügen, sagte Onkel Ludwig. Er ist übrigens noch gut zu Fuß, man kann ihn morgens gegen 10 Uhr beobachten, wie er die Treppen zur Stadtbibliothek erklimmt. Er kommt mit der Straßenbahn dort an, heimwärts, schwere Büchertaschen tragend, nimmt er ein Taxi. Manchmal sitzt er noch ein oder zwei Stunden im Café Mozart, er liebt Käsekuchen und Mohnschnitten von Herzen. Ich glaube, heute ist Mittwoch, heute wird er ein Buch der Schriftstellerin Yoko Ogawa zu sich nehmen, so ist sein Plan, in diesem Buch soll ein Elefant auf dem Dach eines Kaufhauses leben. Gerade eben leichter Gewitterregen. Das wird sicher sehr warmes Wasser sein, das vom Himmel fällt. Guten Morgen! — stop
vom fotografieren
himalaya : 2.28 — Gestern Abend machte ich einen Spaziergang durch die Stadt. Es war schön warm geworden, über den Opernplatz jagten ein paar Haifüssliere in Kopfhöhe unter den flanierenden Menschen dahin, eine wirklich schöne dunkelblaue Stunde. Und während ich so ging, telefonierte ich scheinbar, das heißt, ich hielt mein Mobiltelefon an mein rechtes Ohr, aber anstatt einer Stimme zuzuhören, die gar nicht aus dem Telefon herauskommen konnte, weil ich mit niemandem verbunden war, fotografierte ich wild herum, ohne freilich sehen zu können, was mir vor die Ohrlinse kam. Auf der Kaiserstraße machte ich in dieser Weise heimlich Aufnahmen von einem Hütchenspieler. Ich musste mich dazu seitwärts zum Geschehen in meiner Nähe positionieren. Jemand könnte in diesem Moment vielleicht Verdacht geschöpft haben, als ich weiterging, wurde ich beobachtet, zwei Herren, die mir nicht gefielen, begleiteten mich. Sie kamen sehr nah an mich heran. Um mich zu retten, begann ich in mein Telefon zu sprechen. Ich tat so, als ob ich irgendjemandem eine Geschichte erzählen würde. Ich berichtete von Häusern, die unter riesigen Ballonen schweben. Indessen ging ich nicht schneller voran als üblich. Zweimal blieb ich stehen, und auch die zwei Männer blieben stehen. Am Londoner Platz fiel mir zu Ballonhäusern nichts mehr ein, ich gab darum eine Weile vor, selbst einer Geschichte zuzuhören, nickte immer wieder, lachte, dann fragte ich mit fester Stimme, ob ich vielleicht die Geschichte von den Eisbüchern erzählen sollte. Da ließen, weiß der Himmel, warum, beide Herrn von mir ab. — stop
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india : 5.05 — n a s e n m u s c h e l