MELDUNG. Paris, Rue Bichat 33, 3. Etage, steinernes Zimmer : Kirsche No 772 [ Marmor, Carrara : 3.6 Gramm ] vollendet. — stop
Aus der Wörtersammlung: ende
odessa
vom poetischen wert
alpha : 15.28 UTC – Als würde ich kurz vor einem Gespräch mit einem Verleger vor einer Tür stehen. Ich bin aufgeregt und zugleich konzentriert. Ich habe meine erste Frage, die ich im Gespräch stellen werde, sorgfältig formuliert, auswendig gelernt und mehrfach geprüft. Es ist aber doch etwas anderes geplant, ein Gespräch nämlich mit ChatGPT über die Erfindung der Tiefseeelefanten. Eine Verbindung ist hergestellt, die Eingabemaske leuchtet unmittelbar vor mir auf dem Bildschirm, der Bot scheint zu warten. Ich sehe auf die Uhr, warum? — Das war gestern um kurz nach 22 Uhr gewesen. So habe ich notiert: Guten Abend! Mein Name ist Louis. Folgendes: Ich habe vor Jahren die Gattung der Tiefseeelefanten erfunden. Eine Herde dieser Tiere wanderte über einen Zeitraum mehrerer Monate von Europa aus über den Atlantik nach New York. Sie gingen Schritt für Schritt fest auf dem Boden, indessen ihre kilometerlangen Rüssel bis zur Meeresoberfläche hin ausgestreckt worden waren, um von dort Luft in die Tiefe zu holen. Sind diese Tiere jenseits eines poetischen Raumes denkbare Wesen? — 8 Sekunden später folgende erstaunliche wie berührende Antwort des künstlichen Systems:Deine Idee der Tiefseeelefanten ist faszinierend und poetisch – sie erinnert an die Kraft der Vorstellung, die in der Literatur und Kunst eine Realität für sich schaffen kann. Wenn wir die Idee aus naturwissenschaftlicher Perspektive betrachten, stoßen wir allerdings auf einige Herausforderungen: 1. Rüssellänge und Atmung: Ein kilometerlanger Rüssel, der von der Tiefsee bis zur Wasseroberfläche reicht, würde immense Schwierigkeiten für die Atmung mit sich bringen. Der Wasserdruck in der Tiefsee ist extrem hoch (z. B. ca. 1000 Atmosphären in 10.000 Metern Tiefe), während die Luftsäule im Rüssel nahezu drucklos wäre. Die Muskeln, die den Rüssel öffnen und schließen, müssten unglaublich stark sein, um den Druckunterschied zu bewältigen. 2. Druckresistenz: Lebewesen, die in der Tiefsee existieren, sind an den hohen Druck angepasst. Ein so großes Tier wie ein Elefant, das auf Landdruck optimiert ist, würde in der Tiefe zerquetscht. Eine denkbare Lösung wäre, dass die Tiefseeelefanten eine Anpassung entwickelt haben, um den Druck auszugleichen, z. B. durch eine extrem flexible oder verstärkte Körperstruktur. 3. Fortbewegung: Ein so großes Tier bräuchte sehr kräftige Beine, um auf dem Meeresboden laufen zu können, und gleichzeitig müsste es mit den Widerständen des Wassers zurechtkommen. Viele Tiefseelebewesen sind schwerelos und gleiten oder schweben – ein laufendes Tier wäre ungewöhnlich. 4. Nahrung: Die Tiefsee ist eine karge Umgebung, was Nahrung betrifft. Deine Elefanten müssten eine Strategie haben, um Nahrung in ausreichender Menge zu finden – vielleicht durch das Einfangen von Organismen, die in der Nähe der Wasseroberfläche leben, mithilfe ihrer Rüssel. Denkbare Anpassungen. Mit ein wenig Kreativität lassen sich jedoch Mechanismen erdenken, die deine Tiefseeelefanten möglich machen könnten. 1. Druckausgleich: Sie könnten ein internes System haben, das ihren Körperdruck dem Umgebungsdruck anpasst, ähnlich wie Tauchroboter, die für Tiefseeforschung gebaut werden. 2. Atmung: Statt über Rüssel könnten sie eine Art “Luftreservoir” in ihrem Körper tragen, das durch regelmäßige Besuche an der Wasseroberfläche aufgefüllt wird. 3. Körperstruktur: Ihre Beine könnten besonders dick und muskulös sein, um sowohl dem Druck als auch der Fortbewegung standzuhalten. 4. Ökologie: Sie könnten sich von organischen Ablagerungen am Meeresboden oder hydrothermalen Quellen ernähren, die als „Oasen“ der Tiefsee gelten. Poetischer Wert: Aus literarischer Sicht sind deine Tiefseeelefanten nicht nur denkbar, sondern sogar wunderbar. Sie laden dazu ein, über die Beziehung zwischen Oberfläche und Tiefe, zwischen Lebensräumen und Anpassung nachzudenken. Sie könnten als Symbole für Ausdauer, Anpassung oder den Übergang zwischen Welten stehen – und genau das macht sie so faszinierend. Ich bin gespannt, wie du die Geschichte dieser majestätischen Wesen weiterspinnst! — stop
als tiefseeelefanten
in unseren gesprächen
noch nicht existierten
flog vater 1971 über
grönland nach
san franzisko
eine feder
sierra : 12.28 UTC – An einer Grenze, weit entfernt, sind Tag ein, Tag aus, Höllengeräusche zu vernehmen. Er las ein elektrisches Buch auf dem Bildschirm seiner flachen Schreibmaschine über diese seltsamen Geräusche, die an der Grenze zu Nordkorea weithin zu hören sein sollen. Das Buch war ein Roman, der Roman ein umfangreiches Buch. Zum ersten Mal las er einen umfangreichen elektrischen Roman in der Begleitung eines Buches von Papier, das neben seiner Schreibmaschine auf dem Tisch lag. Jedes Mal, wenn er eine digitale Seite auf seinem Bildschirm berührte, damit sie wegflog, um einer neuen Seite Platz zu bieten, blätterte er gleichwohl eine Seite des Papierbuches um. Das Papierbuch verfügte über keinerlei Schriftzeichen, es war sorgfältig gebunden, in einem zitronengelben Umschlag, leere kräftige Blätter. Ehe er zu lesen begann, zählte er die Seiten ab, die das elektrische Buch, das er zu lesen plante, in der Gestalt eines gebundenen Buches verfügen würde. Das nun ist also wird zu lesen sein, sagte er sich, und er legte eine Feder genau an jene Stelle in das Buch, an der der Roman, der von fernen Höllengeräusche erzählt, enden würde. So könnte es funktionieren, dachte er. Die Feder, sein Lesezeichen, war einmal die Feder einer Möwe gewesen. — stop
Geräusche
zum Fürchten
am inarisee
sierra : 0.15 UTC – Stundenlange Beobachtung des Inarisees zur Polarnachtzeit. Taubengrauer Himmel. Hinter Wolken wandert grünes Licht langsam ostwärts. Leuchtendes Blau steigt am Horizont aus dem Nebel, der dicht über der Eisfläche liegt. Schnee, einzelne Flocken. 5 Leuchtpunkte schimmern in der Ferne durch den Bildausschnitt der Kamera, die seit dem späten Sommer filmt. Der See war noch zu sehen im Sommer und im Herbst, Wasser, dunkel. In der Polarnacht nun wundervolles Licht des Himmels, Sterne, auch Mond, der hell strahlt, als sei er Sonne. Und eben das seltene Licht der Menschen, Menschenlicht. Die Grenze nach Russland ist 15 Kilometer entfernt. — stop
inari 5 bird island
gestaltmantel
aus der serie
vagabondit 8 NM
porträtzeichnung
pencil
ai : TUNESIEN
MENSCHEN IN GEFAHR: „Am 11. Mai 2024 stürmten Sicherheitskräfte maskiert und in Zivilkleidung die Büros der Anwaltskammer in Tunis und nahmen die Anwältin Sonia Dahmani fest. Seitdem ist sie willkürlich in Haft. Die Behörden gehen mit fünf verschiedenen Strafverfahren gegen sie vor, allein weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen hat. Sonia Dahmani wird derzeit im Gefängnis von Manouba festgehalten, die Bedingungen sind grausam und unmenschlich. Sie ist extremer Kälte ausgesetzt und hat keinen Zugang zu grundlegenden Dingen wie sauberer Kleidung. / Die anhaltende ungerechtfertigte Inhaftierung von Sonia Dahmani gibt Anlass zu großer Sorge. Sie ist allein deswegen im Gefängnis, weil sie von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machte. So kritisierte sie die Haftbedingungen in tunesischen Gefängnissen sowie die Misshandlung von Flüchtlingen und Migrant*innen. / Nachdem sie in Fernseh- und Radiosendungen regelmäßig öffentlich die Behörden kritisierte, haben diese in fünf verschiedenen Fällen Ermittlungen gegen sie eingeleitet. In zwei davon wurde sie bereits schuldig gesprochen und zu einer Haftstrafe verurteilt. Am 6. Juli 2024 verurteilte ein erstinstanzliches Gericht in Tunis Sonia Dahmani wegen eines ironischen Kommentars in einer Fernsehsendung zu einem Jahr Gefängnis. Im Rechtsmittelverfahren wurde die Haftstrafe auf acht Monate reduziert. Am 24. Oktober 2024 verurteilte dasselbe Gericht sie in einem anderen Fall zu einer zusätzlichen zweijährigen Haftstrafe, weil sie auf rassistische und diskriminierende Praktiken in Tunesien hingewiesen hatte. Beide Urteile basieren auf dem drakonischen Gesetzesdekret 54 über Cyberkriminalität. Gegen Sonia Dahmani sind drei weitere Verfahren anhängig, die sich alle auf die Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung beziehen. / Sonia Dahmani wird unter grausamen und unmenschlichen Bedingungen festgehalten. Sie ist mit extremen Temperaturschwankungen konfrontiert, im Winter ist es in ihrer Zelle wegen eines kaputten Fensters eiskalt. Die Gefängnisbehörden verweigern ihrer Familie, ihr bei Besuchen warme Kleidung oder Nahrung mitzubringen, was zu Unterernährung und erheblichem Gewichtsverlust führt. Sie hat in Haft massive gesundheitliche Probleme entwickelt, darunter Diabetes, Rückenschmerzen, geschwollene Beine und Bluthochdruck. Sonia Dahmani werden außerdem grundlegende Güter wie saubere Kleidung sowie eine angemessene medizinische Versorgung und Medikamente verweigert, während sie von den Gefängniswärter*innen demütigend behandelt wird. So wurde sie beispielsweise am 20. August 2024 vor ihrer Gerichtsverhandlung einer erniedrigenden Leibesvisitation unterzogen, bei der sie sich nackt ausziehen musste, was eine Verletzung ihrer physischen und psychischen Integrität darstellt. Sonia Dahmani teilt sich ihre Zelle – und die nicht abgetrennte Toilette – mit vier anderen Gefangenen, sie hat nur begrenzt Zugang zu heißem Wasser. Die hygienischen Verhältnisse sind miserabel, ihre Zelle ist von Ratten und Ungeziefer befallen.”> EINE E‑MAIL SCHREIBEN ODER EINEN BRIEF VON PAPIER
heimsuchung
tango : 20.01 UTC – Über dem Kanal de Saint-Martin nahe der Rue Bichat im 10. Pariser Arrondissement kreist seit drei Tagen ein krähenartiger Vogel, ohne je zu landen. Er scheint mit der kalten Winterluft ein Gespräch zu führen im Flug bei Tag und bei Nacht. Vogelbeobachter sind eingetroffen. Sie sitzen auf Bänken und Balkonen, ihre Fernrohre auf Stative gestellt und gegen den Himmel ausgerichtet. Es ist deshalb, weil mit diesem sprechenden und singenden Vogel möglicherweise etwas nicht stimmt. Seit der Vogel eingetroffen ist, so wird erzählt, erscheinen auf den Bildschirmen lokaler Fernsehgeräte Filmaufnahmen, die aus der Sicht dieses Vogels aufgenommen worden sein könnten. Gleichwohl sind Geräusche verzeichnet, sodass nun das Weinen von Kindern in den Pariser Häusern zu vernehmen ist, auch auf den Bildschirmen der Handtelefone sind Kinder zu sehen, die in Zelten wohnen ohne einen Fußboden, weil dort hindurch der Schlamm, der von den Bergen kommt, talabwärts strömt. Die Kinder sind krank, das kann man sehen, sobald man die erschrockenen Augen öffnet. Auch die Eltern der Kinder sind krank, sie tragen Pusteln im Gesicht und auf den Armen und Beinen und auf ihren mageren Rücken. Vulkane wachsen auf den Körpern der Menschen und speien Eiter und Blut. Jener Vogel, der diese Aufnahmen in einer afrikanischen Gegend machte, um sie persönlich nach Europa zu transportieren, war und ist noch immer ein geduldiger Beobachter. Der Vogel flog leise in Bodennähe umher, ohne das Leid zu stören, das sich ihm öffnete, als wäre es eine dunkle schmerzende Blume. Kinder fassten nach dem Vogel, deuten auf ihn, sie waren ohne Furcht. Und die Eltern der Kinder erzählten in einer fremdartigen Sprache, wie es ist derart krank und elend und bedroht zu sein. Ihre Gesten zu dem Auge des Vogels hin waren flehende Gesten. Seit Tagen nun kommen diese Bilder in die Welt der Bildschirme und der Lautsprecheranlagen bei Tag und bei Nacht am Kanal de Saint-Martin nahe der Rue Bichat im 10. Pariser Arrondissement. Niemand kann sagen, warum das so ist und wie lange die Heimsuchung noch dauern wird. Vielleicht, so eine Vermutung, werden weitere Vögel kommen, weitere Bilder, Filme, Geräusche. Eine Person soll auf einer Kanalbrücke stehend lautstark gefordert haben, den Vogel endlich vom Himmel zu holen. Einmal waren Schüsse zu hören. — stop
punkt
bamako : 22.28 UTC – Candide rät ⋅ Wir müssen unseren Garten bestellen ⋅ stop ⋅ Geliebte schwebende Punkte ⋅ stop ⋅ Im Park in der Dämmerung im Tiefflug eine pfeifende Gruppe von Halsbandsittichen. Sie haben auf mich gewartet, wie auf den ersten Schnee. — stop
Ein Punkt
im Weltraum
eingefangen von dem
james-web-teleskop
krieg von oben
marimba : 22.28 UTC – Es war einmal an einem frühen Abend. Landkrieg von oben aus großer Höhe. Noch warmes, mildes Licht der tief über dem Horizont stehenden Sonne. In diesem Licht segeln Drohen weit unter uns lautlos der Erde nah, weiße Rotorwesen vor und zurück, tasten sich heran, wie Luftkatzen an qualmende, gepanzerte Fahrzeuge. Der Rauch brennender Öle, brennender Körper, weithin sichtbar. Flach über den Steppenboden fliegen Geschosse von irgendwoher, zeichnen Spuren in der dampfenden Luft. Menschenfiguren eilen aus versengten Fahrzeugen, suchen Zuflucht im Unterholz der schmalen Baumstreifen, die die ukrainische Steppe durchziehen. Zu schwarzen Gestalten nun in der Schneelandschaft der Wärmebildkamera geworden, Gestalten, die nicht unsichtbar werden, sosehr sie auch wünschen, nie wieder sichtbar zu sein. Drohnen, weitere Vögel, nähern sich. Weiße fliegende Spinnen erkunden, ob noch Leben im brennenden Panzer zu finden ist, luren in die Schatten der metallenen Höhlen. Das sind tatsächlich Bewegungen jagender Katzen. Aus der Helligkeit gleißenden Feuers bewegt sich die Gestalt eines flüchtenden Menschen hervor. Der flüchtende Mensch zieht ein Bein hinter sich her, das Bein scheint verloren. Der Mensch fällt, als er auch das zweite Bein für immer verliert. Liegt ganz still im Gras. Ein Drohnenvogel schwebt über ihm. Der Vogel wartet. — stop
psyop
kilimandscharo : 22.52 UTC – Ich habe heute ein besonderes Wort entdeckt. Das Wort lautet Psyop. Ich dachte, als ich das Wort las, das ist unheimlich, ein unheimliches Wort. Ich habe, um Bekanntschaft zu schließen, das Wort zunächst laut ausgesprochen, dann notiert: Das Wort Psyop wurde von einer X‑Person buchstabiert, die die Enthüllung eines Deep State in den Vereinigten Staaten von Amerika fordert. Man forderte gleichwohl, keine drei Minuten waren an Ort und Stelle vergangen, amerikanische Staatsbürger/innen somalischen Ursprungs, des Landes zu verweisen, das heißt zu deportieren. Eine Fotografie wurde zur Unterstützung gesendet, die Fotografie einer jungen Frau, einer Frau von schwarzer Hautfarbe, das ist wichtig, sie persönlich also soll inhaftiert und deportiert werden. Die Frau, die die Fotografie zeigt, lacht. Sie wusste zum Zeitpunkt der Aufnahme nicht, was auf ihre Fotografie und sie selbst zukommen wird. Ich stelle fest: 45000 Augenpaare haben zum Zeitpunkt meiner Beobachtung diesen Text mit Bild wahrgenommen, 2270 menschliche Wesen haben Zustimmung durch Herzstempel erteilt. Ich fragte ChatGPT nach einer Umschreibung des Wortes Psyop. Bot antwortet Folgendes: Psyop ist eine Abkürzung für „psychologische Operation“ (auf Englisch: psychological operation). Der Begriff stammt aus dem militärischen und geheimdienstlichen Bereich und bezieht sich auf Maßnahmen, die darauf abzielen, die Wahrnehmungen, Einstellungen und das Verhalten von Menschen oder Gruppen zu beeinflussen. Ziel ist es, psychologischen Einfluss auszuüben, der oft politischer, militärischer oder sozialer Natur ist, um bestimmte Reaktionen oder Handlungen zu fördern. — stop
Vater fotografierte
1971 die Stadt
New York.
Es war kalt.
Ein Jahr vor
Watergate.