Aus der Wörtersammlung: geschichte

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revolver

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india : 3.26 — Das Selt­sa­me an den Nacht­bü­chern ist, dass man sie nur nachts und nur unter frei­em Him­mel lesen kann. Ich war des­halb bis kurz nach Zwei im Pal­men­gar­ten am See und hör­te den Spin­nen zu beim Sei­len, und lausch­te Pan­thern bei lei­ser Fres­se­rei und ande­ren ange­neh­men Din­gen, die man so macht, wenn man bemerkt, dass man ein Pan­ther gewor­den ist in einer Vor­som­mer­nacht. Dann ging ich nach Hau­se und leg­te das Nacht­buch, das von einer Chi­ne­sin erzählt, die sich wun­dert, dass sie eine Chi­ne­sin ist, ins Regal zu ande­ren Nacht­bü­chern zurück. Sit­ze jetzt auf dem Sofa und die Fens­ter sind geöff­net und ein Fal­ter flat­tert in einem Lam­pion­ her­um und notie­re eine klei­ne wil­de Geschich­te. Die­se Geschich­te geht so: Irgend­wann, sagen wir im Som­mer, sagen wir mor­gens. Ein Spie­ler steht am Fens­ter. Er schaut in Rich­tung des gegen­über­lie­gen­den Hau­ses. Die Sicht ist gut. Kein Nebel. Kein Dunst. Ein oder zwei Vögel, Later­nen­hö­he, auf und ab. Jetzt rich­tet der Spie­ler den Revol­ver gegen die Schlä­fe. Alle Kam­mern der Waf­fe sind muni­tio­niert. Der Spie­ler war­tet ab. Glü­hen­der Kopf. Film zurück, mal bunt, mal nicht. Bril­lan­ter Strei­fen. Ver­lässt ein Mann das Haus, schießt sich der Spie­ler eine Kugel in den Kopf. Game over. Ende. Fin. Ver­lässt eine Frau das Haus, hat der Spie­ler einen Tag gewon­nen. Es ist dann ein Tag leich­ten Genie­ßens, ein Tag aber auch von Unru­he, sobald Abend gewor­den ist. Jetzt schläft der Spie­ler. Dann wacht der Spie­ler auf. Wie­der steht er am Fens­ter, wie­der ist frü­her Mor­gen und wie­der ist Som­mer. Die Maschi­ne lässt sich nicht anhal­ten, auch die Zeit nicht, — Revol­ver gegen Stirn. Ent­weicht dem Haus eine Kat­ze, wird eine Kugel ent­nom­men. Jede wei­te­re Kat­ze ent­nimmt der Revol­ver­trom­mel eine wei­te­re Kugel. Sechs Kat­zen bedeu­ten eine Frau. Frau­en und Kat­zen brin­gen Glück. Natür­lich lässt sich das unend­lich ver­fei­nern. Eine rote Kat­ze erzwingt eine zwei­te Auf­füh­rung noch an dem­sel­ben Mor­gen. Kommt ein Nas­horn aus dem Haus, hört der Spie­ler für immer auf zu spie­len. Ein Nas­horn mit drei Hör­nern und der Spie­ler wird Pries­ter. Wir sehen, die Bedin­gun­gen des Spie­lers ein Pries­ter zu wer­den, sind ein­deu­tig defi­niert. Kein Ent­kom­men. Kein Aus­weg. Ein Lieb­ha­ber kon­zen­trier­ten Lichts. Cine­ma Paradiso. 

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zoulou

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sier­ra : 2.05 — Eine ange­neh­me Nacht mit Ben­ny Good­man und sei­nem Orches­ter 1938 in der Car­ne­gie Hall. | stop | I play light­ly, soft­ly sin­ging. | stop | Regen. | stop | Nas­se Flie­gen, nas­se Fal­ter. | stop | Habe in mei­ner Küche vor dem Ofen Platz genom­men und eine Ente und die Hit­ze betrach­tet und über die Zeit nach­ge­dacht, über die hohe Geschwin­dig­keit, in der ich arbei­te. Eine neue Geschich­te begin­nen, eine sehr lang­sam erzähl­te Geschich­te, jeden Tag ein Zei­chen. Ich begin­ne mit dem Zei­chen : z – zou­lou

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karpfenzungen

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18.15 — Ich hör­te, eine U‑Bahn-Linie soll ein­mal vor lan­ger Zeit Euro­pa mit dem nord­ame­ri­ka­ni­schen Kon­ti­nent ver­bun­den haben. Sie folg­te dem 55. Brei­ten­grad unter atlan­ti­schen Gestei­nen, nahe Bryant Park, Man­hat­tan, stieg man zu. Dann fuhr man los. Man fuhr zwei Tage und drei Näch­te, Zeit, viel Zeit, Geschich­ten zu erzäh­len. Wenn Nacht gewor­den war unter dem Mee­res­bo­den, schlief man auf Hän­ge­mat­ten gebet­tet tief und fest, war wie­der Tag gewor­den, saß man plau­dernd vor den Fens­tern zu den Stei­nen. Am letz­ten Abend der Rei­se end­lich wur­de getanzt bis spät in die Nacht. Schon mit­tel­eu­ro­päi­scher Zeit, ser­vier­te man über offe­nen Feu­ern gebra­te­ne Täub­chen. Die waren prall gefüllt mit Karp­fen­zun­gen. Dann war’s fünf und Mor­gen über Buda­pest. Metro Vörös­mar­ty tér stieg man aus und jeder ging sei­ner Wege. – Zwei Uhr fünf­und­zwan­zig in Lha­sa, Tibet. — stop

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real online kiss

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15.14 — Wie­der etwas Féné­on gele­sen, fei­ne Geschich­ten, die von schnel­len Zügen, von rau­chen­den Pis­to­len, von lie­bes­tol­len Mör­dern, von Bom­ben und ande­ren Unglücks­mo­men­ten erzäh­len. — Geschich­te No 162 zum Bei­spiel : Kaum getraut, war das Ehe­paar Boulch aus Lam­bé­zel­le ( Finis­tère ) schon so betrun­ken, dass man es auf der Stel­le ein­sper­ren muss­te. — Oder die­se Geschich­te No 373 : Auf dem Dach­first des Bahn­hofs von Eng­hien erhielt ein Maler einen elek­tri­schen Schlag. Man hör­te noch das Klap­pern sei­nes Gebis­ses, dann fiel er auf die Mar­ki­se. — Muss neue Spra­che ler­nen. rok = real online kiss. — Nichts weiter.

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larynx

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22.05 – Da war ein Tisch vor weni­gen Stun­den. Auf die­sem Tisch lag ein geöff­ne­ter mensch­li­cher Kör­per. In nächs­ter Nähe lehn­te eine hoch­ge­wach­se­ne jun­ge Frau mit dem Rücken an einer Wand, Augen geschlos­sen, als wäre sie ein­ge­schla­fen. Ihre Hän­de betas­te­ten einen Kehl­kopf, das heißt, genau­er betrach­tet hüpf­ten ihre Fin­ger über den klei­nen hell­brau­nen Kör­per hin, als wären sie Lebe­we­sen für sich. Wenig spä­ter war die Frau wach gewor­den. Sie leg­te die fili­gra­ne Struk­tur auf den Tisch zurück, zog ihre Hand­schu­he aus und sag­te: Aber natür­lich darfst Du das wis­sen. Ich habe nach­ge­dacht und geträumt zur glei­chen Zeit. Rasch mach­te sie mit einer Hand eine Scha­le, hob den Kehl­kopf mit der ande­ren Hand vom Tisch und leg­te ihn dort­hin ab: Larynx! Gran­di­os, nicht wahr! Was ich mit mei­nen Fin­gern ange­schaut habe, geht nie wie­der fort! – Tau­ben­grau­er Him­mel. Leich­ter Regen. Sturm von Süd­west. — stop

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mercè rodoreda

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0.02 — Eine wun­der­ba­re Geschich­te habe ich ent­deckt, eine Geschich­te der kata­la­ni­schen Schrift­stel­le­rin Mer­cè Rodo­re­da. Ich darf sie rasch notie­ren: Sie ist weiß und sie ist blau. Das heißt, sie ist weiß wie die wei­ße Rose, und ganz plötz­lich wird sie blau. Ein Insekt färbt sie, so scheint es, aber nie­mand weiß, wie es das macht. Ein Augen­blick der Zer­streut­heit und schon ist sie blau. Die­ses Insekt trägt in einem Knie, mit fadi­gem Spei­chel fest­ge­näht, ein Päck­chen, und in die­sem Päck­chen, umge­ben von Eiern und von Blau – reins­tes Indu­lin – ist der Ehe­mann. Die­ser Ehe­mann schläft den gan­zen Tag und bebrü­tet die Eier, die durch ein Loch in das Päck­chen fal­len, das in dem Knie ist, wor­an es fest­ge­näht ist. Wenn die Stun­de kommt, kriecht das Insekt der Blu­me ins Herz, lädt das Päck­chen ab, und die Blu­me, die weiß war, wird blau von oben bis unten. Sie sagen: — Oh, es ist näm­lich so, daß der Ehe­mann, sobald er sich blu­men­um­hüllt sieht, das Päck­chen auf­bricht und alles von blau­em Saft über­schwemmt wird und die Eier plat­zen und die Klei­nen sofort los­flie­gen, jedes mit sei­nem Päck­chen im Knie … ein­ver­stan­den. Aber das sind blo­ße Ver­mu­tun­gen. Die Wahr­heit ist, daß die Blu­me in einem Nu blau wird. Wie? Dahin­ter kommt man nie, und jeder­mann ist ein biß­chen durch­ein­an­der und ver­wirrt. — stop
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flaubert

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0.02 — Will rasch fol­gen­de fas­zi­nie­ren­de Anek­do­te zitie­ren, die in Wolf­gang Koep­pens wun­der­vol­lem Buch Ich bin gern in Vene­dig war­um zu fin­den ist. Die Geschich­te geht so : Flau­bert schrieb eine Sei­te am Tag. In einer Gesell­schaft bat man ihn — Sie sind doch Schrift­stel­ler — einem Abwe­sen­den eine Gruß­kar­te zu schrei­ben. Flau­bert ging in ein ande­res Zim­mer und blieb ver­schwun­den. Nach drei Stun­den erin­ner­te sich die Gesell­schaft an ihn. Er saß am Tisch, die Kar­te vor sich und sag­te: — So geht es … viel­leicht. – Auf der Kar­te stand : Freund­li­che Grüße.

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segeln

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1.51 — Es ist jetzt kurz nach 2 Uhr. Eine ange­neh­me Nacht hier in Mit­tel­eu­ro­pa. Auf mei­nem Schreib­tisch blü­hen zwei klei­ne Bäu­me in nicht erwar­te­ten Far­ben. Trotz­dem wäre ich ger­ne auf einem Schiff, das gera­de den Ama­zo­nas abwärts treibt. Wür­de in einer Hän­ge­mat­te lun­gern und lesen und mich vor Spin­nen fürch­ten. Die Plan­ken des Schiffs schau­kel­ten unter mir auf und ab, von den Ufern her wäre das Kon­zert der Nacht­af­fen zu hören. — stop

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harold and maude

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2.05 — Ich habe mir etwas Luxus gestat­tet. Ich habe mich mit einer Schach­tel Pis­ta­zi­en­eis auf mein Sofa gesetzt und einen Film betrach­tet, den ich vor zwan­zig Jah­ren zuletzt gese­hen und seit­her nie wie­der ver­ges­sen habe : Harold and Mau­de. Ein gro­ßes Ver­gnü­gen. Wie weit ent­fernt in der Zeit doch Harold erscheint. Unlängst noch, ist er ver­traut und nah gewe­sen. Aber Mau­de ist in mei­nen Augen sehr viel jün­ger gewor­den. Für einen kur­zen Moment habe ich über­legt, in wel­cher Art und Wei­se ich mein Leben gestal­ten soll­te, um Mau­de ein­mal als jun­ges Mäd­chen wahr­neh­men zu kön­nen. — Zwei Stun­den nach Mit­ter­nacht, also spä­ter Nach­mit­tag. Nichts zu tun in die­ser Nacht, als mit Doro­thy Par­kers New Yor­ker Geschich­ten durch die Zeit zu segeln. — stop

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