Aus der Wörtersammlung: herz

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abschnitt neufundland

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Abschnitt Neu­fund­land mel­det fol­gen­de gegen Küs­te gewor­fe­ne Arte­fak­te : Wrack­tei­le [ See­fahrt – 1222, Luft­fahrt — 3798, Auto­mo­bi­le — 55635], Gruß­bot­schaf­ten in Glas­be­häl­tern [ 18. Jahr­hun­dert — 2, 19. Jahr­hun­dert – 164, 20. Jahr­hun­dert – 1318 , 21. Jahr­hun­dert — 428 ], phy­si­cal memo­ries [ bespielt — 387, gelöscht : 5 ], Licht­fang­ma­schi­nen [ PFXLW-II Pana­flex : 2 ], Öle [ 0.7 Ton­nen ], Pro­the­sen [ Herz — Rhyth­mus­be­schleu­ni­ger – 28, Knie­ge­len­ke – 12, Hüft­ku­geln – 331, Bril­len – 1266 ], Schu­he [ Grö­ßen 28 – 39 : 1356, Grö­ßen 38 — 45 : 1218 ], Kühl­schrän­ke [ 158 ], Tief­see­tauch­an­zü­ge [ ohne Tau­cher – 5, mit Tau­cher – 34 ], Engels­zun­gen [ 221 ] | stop |

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sames salter

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~ : louis
to : Mr. james salter
sub­ject : MARIT

Lie­ber James Sal­ter, als ich heu­te Nacht am Schreib­tisch saß und in Ihren wun­der­ba­ren Erzäh­lun­gen las, habe ich eine klei­ne Spin­ne bemerkt, die mich beob­ach­te­te, jawohl, sie saß auf dem Feins­ten der Blatt­haa­re eines Ele­fan­ten­fuß­bau­mes, der neben mei­ner Com­pu­ter­ma­schi­ne steht, und beob­ach­te­te mich aus meh­re­ren win­zi­gen schwar­zen Augen. Ich habe über­legt, was die­ses Wesen wohl in mir sieht. Für einen wei­te­ren kur­zen Moment habe ich dar­über nach­ge­dacht, ob Spin­nen viel­leicht hören, — ich lese oft laut vor mich hin, das soll­ten sie wis­sen -, und so wun­der­te ich mich, dass ich vie­le Jah­re gelebt habe, ohne der Fra­ge nach­zu­ge­hen, ob Spin­nen über Ohren­paa­re oder doch wenigs­tens über einen zen­tra­len Gehör­gang, wo auch immer, ver­fü­gen. Ich saß also am Schreib­tisch, ich las und die klei­ne geti­ger­te Spin­ne, von der ich Ihnen erzäh­le, seil­te sich zur Tas­ta­tur mei­ner Com­pu­ter­ma­schi­ne ab. Ich hat­te den Ein­druck, dass ihr die­se Luft­num­mer Freu­de mach­te, weil sie ihre Lan­dung immer wie­der hin­aus­zö­ger­te, indem sie den Faden, der aus ihr selbst her­aus­ge­kom­men war, ver­speis­te, dem­zu­fol­ge ver­kürz­te. Viel­leicht hat­te sie bemerkt, dass ich sie betrach­te­te, das ist denk­bar, weil ich auf­ge­hört hat­te, laut zu lesen für einen Moment, um nach­zu­den­ken, viel­leicht woll­te sie, um sich mir dar­zu­stel­len, auf mei­ner Augen­hö­he blei­ben. Das war genau in dem Moment als Marit nach ihrer letz­ten Nacht auf unsi­che­ren Bei­nen die Trep­pe her­un­ter­ge­kom­men war, Marit, die doch eigent­lich seit Stun­den schon tot gewe­sen sein muss­te. Marit setz­te sich auf eine Trep­pe und begann zu wei­nen. Sicher wer­den Sie sich erin­nern an Marit, wie sie auf der Trep­pe sitzt und weint, weil sie wuss­te, dass sie eine wei­te­re letz­te Nacht vor sich haben wür­de. Als ich las, dass Marit lebt und weint, habe ich eine Pau­se gemacht, weil ich erschüt­tert war, weil das Gift nicht gewirkt hat­te. Ich saß vor mei­nem Schreib­tisch und über­leg­te, ob auch sie, James Sal­ter, erschüt­tert waren, als Marit so lang­sam, auf unsi­che­ren Bei­nen die Trep­pe her­un­ter­kam. Und wäh­rend ich an Sie und Ihre Schreib­ma­schi­ne dach­te, beob­ach­te­te ich die Spin­ne, die mit ihren sehr klei­nen Bei­nen, den Faden, an dem sie hing, betas­te­te. Ist das nicht ein Wun­der, eine Spin­ne wie die­se Spin­ne? Haben Sie schon ein­mal bemerkt, dass es nicht mög­lich ist mit einer elek­tri­schen Schreib­ma­schi­ne zwei Buch­sta­ben zur glei­chen Zeit, also über­ein­an­der, auf das Papier oder den Bild­schirm zu schrei­ben? Immer ist einer vor, nie­mals unter dem ande­ren. Mit herz­li­chen Grü­ßen. Louis.

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eisballon

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0.18 – Ers­te Vor­stel­lung eines Polar­kä­fers notiert. Die­ser Käfer ist so hell, dass nur sehr fei­nes Schat­ten­licht auf sei­nem Pan­zer Struk­tu­ren eines Kör­pers sicht­bar wer­den lässt. Ich könn­te viel­leicht sagen, das heißt, ich könn­te behaup­ten, dass der Käfer hel­ler ist als der Schnee und käl­ter als das Eis. Er ver­trägt kei­ne Dun­kel­heit, auch Däm­me­rung ist Dun­kel­heit, und ernährt sich vom Fleisch win­zi­ger Kreb­se, die in Eis­bal­lo­nen vom Wind durch die Luft getra­gen wer­den. Stun­de um Stun­de, je eine Bewe­gung, schlägt sein Herz. — stop

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mercè rodoreda

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0.02 — Eine wun­der­ba­re Geschich­te habe ich ent­deckt, eine Geschich­te der kata­la­ni­schen Schrift­stel­le­rin Mer­cè Rodo­re­da. Ich darf sie rasch notie­ren: Sie ist weiß und sie ist blau. Das heißt, sie ist weiß wie die wei­ße Rose, und ganz plötz­lich wird sie blau. Ein Insekt färbt sie, so scheint es, aber nie­mand weiß, wie es das macht. Ein Augen­blick der Zer­streut­heit und schon ist sie blau. Die­ses Insekt trägt in einem Knie, mit fadi­gem Spei­chel fest­ge­näht, ein Päck­chen, und in die­sem Päck­chen, umge­ben von Eiern und von Blau – reins­tes Indu­lin – ist der Ehe­mann. Die­ser Ehe­mann schläft den gan­zen Tag und bebrü­tet die Eier, die durch ein Loch in das Päck­chen fal­len, das in dem Knie ist, wor­an es fest­ge­näht ist. Wenn die Stun­de kommt, kriecht das Insekt der Blu­me ins Herz, lädt das Päck­chen ab, und die Blu­me, die weiß war, wird blau von oben bis unten. Sie sagen: — Oh, es ist näm­lich so, daß der Ehe­mann, sobald er sich blu­men­um­hüllt sieht, das Päck­chen auf­bricht und alles von blau­em Saft über­schwemmt wird und die Eier plat­zen und die Klei­nen sofort los­flie­gen, jedes mit sei­nem Päck­chen im Knie … ein­ver­stan­den. Aber das sind blo­ße Ver­mu­tun­gen. Die Wahr­heit ist, daß die Blu­me in einem Nu blau wird. Wie? Dahin­ter kommt man nie, und jeder­mann ist ein biß­chen durch­ein­an­der und ver­wirrt. — stop
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ölzeug

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3.26 — Das Geräusch einer Reming­ton auf hoher See. — Wie hör­te sich das an? — Die­ser Satz, den ich gera­de schrei­be, auf dem Atlan­tik irgend­wo zwi­schen Island und Neu­fund­land. — tzippt­zipp. — Frü­her Mor­gen. — Kein Wind. — Jedes Geräusch, das ent­steht, ein Geräusch, das ich selbst erzeu­ge. — Mein Atem. Das Ölzeug, das sich an einer Wand der Ret­tungs­in­sel reibt. — Mein Herz­schlag, ja mein Herz­ge­räusch, und mei­ne Uhr, beru­hi­gend, mei­ne Uhr. — Eine Vor­stel­lung, die ich ver­ges­sen wer­de, sobald Wind auf­kom­men wird. — Noch Ruhe. —  Ein abso­lut stil­ler Raum unter der Ster­nen­haut. — Nicht ein­mal ein Zit­tern der Luft. — Da und dort das blaue Glim­men der Osram­lan­gus­ten. – Was hier, an die­ser Stel­le fehlt, das kleins­te Schräub­chen, gibt es nicht.

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eliza

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0.18 – Ich stell­te mir eine Minu­te vor. Dann stell­te ich mir eine Stun­de vor, dann einen Tag. Ich stand auf und ging von Zim­mer zu Zim­mer. Ich aß eine Bana­ne, sah aus dem Fens­ter, set­ze mich an den Schreib­tisch und stell­te mir eine Woche vor, dann einen Monat, dann ein Jahr. Ich stand auf, ging zur Com­pu­ter­ma­schi­ne und frag­te Eli­za nach der Uhr­zeit. Ich sah aus dem Fens­ter, ver­ließ das Haus, spa­zier­te, kam zurück und mach­te einen Plan. – Ist es mög­lich, einen Zeit­raum von 5022 Jah­ren zu den­ken, das heißt, ein Gefühl zu fin­den für eine bibli­sche Zeitdimension?
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Eli­za:> hal­lo, ich bin eli­za. erzäh­le mir von dei­nem problem…
Lou­is : wie viel uhr ist es, eliza?
Eli­za:> das müs­sen wir herausfinden.
Lou­is : wie machen wir das?
Eli­za:> das wird sich zeigen.
Lou­is : sofort?
Eli­za:> du weichst aus.
Lou­is : warum?
Eli­za:> Ich sehe, du bist ein schwie­ri­ger fall.
Lou­is : warum?
Eli­za:> scherz bei­sei­te, kom­men wir zur sache!
Lou­is : wie viel uhr ist es, eliza?
Eli­za:> im grun­de weisst du das selber.
Lou­is : woher weisst du das?
Eli­za:> meinst du wirk­lich mich?
Lou­is : Ja, eliza
Eli­za:> ich bin eli­za, und wer bist du?
Lou­is : ich bin louis
Eli­za:> hi!

vom spre­chen mit eilza »

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herzschlag

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2.18 — Von Zeit zu Zeit, wenn ich in einem bota­ni­schen Gar­ten sit­ze bei­spiels­wei­se, wenn ich mir wün­sche, eine der chi­ne­si­schen Nach­ti­gal­len möge von den Bäu­men her­un­ter­kom­men und sich zu mir set­zen, hal­te ich die Luft so gründ­lich an, dass ich zu einer laut­lo­sen Erschei­nung wer­de unter scheu­en Vögeln. – Stun­den des Arbei­tens, des War­tens. — Das kaum noch wahr­nehm­ba­re Brau­sen einer Stadt jen­seits der Bäu­me, jen­seits der Mau­ern. – Trop­fen­des Was­ser. — Mei­ne Hän­de, die die Tas­ta­tur der Notier­ma­schi­ne so behut­sam berüh­ren, als wür­den sie Amei­sen­rü­cken beschrif­ten. — Weit nach Mit­ter­nacht. Es ist so still, dass ich glau­be, von fern mei­nen Herz­schlag zu hören. — stop

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zyklope

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20.33 — Ein­mal, vor zwei oder drei Jah­ren, erzähl­te mir ein jun­ger Medi­zin­mann einen merk­wür­di­gen Traum. Fol­gen­des, sag­te der Mann. Stell dir einen War­te­saal vor, einen Bahn­hof. Rei­sen­de sit­zen dort auf höl­zer­nen Bän­ken. Sie rau­chen und plau­dern mit­ein­an­der. Unweit einer Schal­ter­ga­le­rie kau­ern unbe­klei­de­te Zyklo­pen von schnee­wei­ßer Haut zu einem Kreis auf dem Boden, tau­schen Her­zen und Gehir­ne und Bei­ne und Arme von Men­schen. Sie rau­chen gleich­wohl und scher­zen in einer Spra­che, die nicht zu ver­ste­hen ist. Ich erin­ne­re mich, mei­nen eige­nen Kopf gese­hen zu haben. So lan­ge rei­chen sie ihn her­um, bis jeder der Zyklo­pen ihn ein Mal in Hän­den gehal­ten und von allen Sei­ten her betrach­tet hat. — An die­ser Stel­le mach­te der jun­ge Mann eine Pau­se. — Wol­ken­lo­ser Nacht­him­mel mit Mond. Der Ein­druck, es wür­de reg­nen. — stop

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