Aus der Wörtersammlung: spinne

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regen

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bamako : 18.55 UTC Mor­gen oder über­mor­gen wer­de ich eine Geschich­te erzäh­len, die mit Jack Kerouac in einer gewis­sen losen Ver­bin­dung ste­hen wird. Als ich die Geschich­te zu notie­ren begann, erin­ner­te ich mich an einen Text, den ich vor 11 Jah­ren an die­ser Stel­le bereits gesen­det hat­te. Es war gleich­wohl im Sep­tem­ber gewe­sen, es reg­ne­te damals und ich spa­zier­te unter einem Regen­schirm. Zunächst reg­ne­te es Regen­sand, dann Regen­reis, dann reg­ne­te es klei­ne Frö­sche. Für einen kur­zen Moment dach­te ich, in einem Film ange­kom­men zu sein, der von Loui­sia­na han­del­te. Das war ein fei­nes Gefühl gewe­sen unterm klin­gen­den Schirm am Ufer des Mis­sis­sip­pi zu stehn und den Frö­schen zu lau­schen, die auf ihrer letz­ten Rei­se vom Him­mel erstaun­li­che, pfei­fen­de Geräu­sche von sich gaben. Als ich so im Frosch­re­gen am gro­ßen Fluss stand, erin­ner­te ich mich wie­der­um an einen klei­nen Text, den ich ein Jahr zuvor bereits geschrie­ben hat­te. Und sofort wuss­te ich, dass ich die­sen Text, sobald ich wie­der zu Hau­se ange­kom­men sein wür­de, noch ein­mal lesen soll­te. Es ist noch immer, auch heu­te, 12 Jah­re spä­ter, ein beru­hi­gen­der Text, ein Text, der mich berührt. Des­halb will ich die­sen klei­nen Text, eine Anlei­tung zum Glück­lich­sein, noch ein­mal, zum drit­ten Mal, für Sie wie­der­ho­len: Man ver­las­se das Haus. Sorg­fäl­tig alle Bewe­gun­gen des Ver­kehrs beach­tend, gehe man solan­ge durch die Stadt bis man auf eine Buch­hand­lung trifft. Dort kau­fe man  Cor­ta­zar, Julio – Geschich­ten der Cro­nopi­en und Famen. Dann gehe man spa­zie­ren, tra­ge den schma­len Band durch die Stra­ßen, bis man einen Park erreicht, wenn Som­mer, oder ein Cafe, wenn Win­ter ist. Man neh­me Platz und lese. Über den Umgang mit Amei­sen bei­spiels­wei­se oder wie wun­der­bar ange­nehm es ist, ein Spin­nen­bein pos­ta­lisch an einen Außen­mi­nis­ter auf­zu­ge­ben. Oder man las­se sich im Uhren­auf­zie­hen oder im Trep­pen­stei­gen unter­wei­sen. Jetzt bereits wird man eine leich­te Wär­me spü­ren, die aus der Gegend des Bau­ches nach oben und unten in Arme und Bei­ne aus­wan­dert. Also lese man wei­ter, lau­sche jenen ange­neh­men Geräu­schen im Kopf, die­sem sagen wir: Jeder­mann wird schon ein­mal beob­ach­tet haben, dass sich der Boden häu­fig fal­tet, der­ge­stalt, dass ein Teil im rech­ten Win­kel zur Boden­ebe­ne ansteigt und der dar­auf fol­gen­de Teil sich par­al­lel zu die­ser Ebe­ne befin­det, um einer neu­en Senk­rech­te Platz zu machen. Oder jenem: Trep­pen steigt man von vorn, da sie sich von hin­ten oder von der Sei­te her als außer­or­dent­lich unbe­quem erwei­sen. It works. — stopping

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von teefliegen

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ulys­ses : 22.55 UTC — Wie ist das mit der Wirk­lich­keit oder der Wahr­heit in mei­nem schrei­ben­den Leben? Jah­re­lang wohn­te bei­spiels­wei­se eine Schne­cke in mei­ner Woh­nung, außer­dem ein Lich­ten­berg­fal­ter, Spring­spin­nen, Libel­len, ein Puma und Tee­flie­gen, immer wie­der Tee­flie­gen. Ich habe sie mit eige­nen Augen alle gese­hen oder mit mei­nen erfin­den­den Augen, die in mei­nem Kopf ver­wei­len. Ich könn­te des­halb sagen, nicht jeder mei­ner Trom­pe­ten­kä­fer wäre vor­zeig­bar, aber doch vor­stell­bar. Nun habe ich eine wei­te­re deut­li­che Spur gelegt hin zur Arbeits­be­schrei­bung, Radar ist zu lesen unter jedem mei­ner Par­tic­les — Tex­te, ein Hyper­link, der auf einen Text ver­weist, wel­cher mei­ne Arbeit beschreibt. Die­ser Text exis­tiert seit 12 Jah­ren, heu­te habe ich ent­spre­chen­de Text­pas­sa­ge, die Wirk­lich­keit und Erfin­dung bedeu­tet, zunächst unter­stri­chen, dann, weni­ge Minu­ten spä­ter in kur­si­ve Zei­chen gesetzt. Das muss genü­gen. — Ich wünsch­te, eine Rau­pe wür­de noch heu­te durch mein Zim­mer spa­zie­ren. — stop

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chronik der gefühle

9

echo : 4.55 UTC — Spin­nen hier oben in mei­ner Woh­nung unter dem Dach sind scheu gewor­den. Fast möch­te ich manch­mal mei­nen, dass sie gar nicht län­ger exis­tie­ren in mei­nen Zim­mern, wenn ich nicht da und dort Spu­ren beob­ach­ten könn­te, die auf ihre Exis­tenz ver­wei­sen, Netz­wer­ke oder ein Häuf­chen sehr klei­ner Flie­gen, wel­ches noch vor weni­gen Tagen auf dem Fens­ter­brett ganz sicher nicht gewe­sen ist. An einem Abend, ich hat­te die Fens­ter geöff­net, spa­zier­te plötz­lich ein recht umfang­rei­ches Spin­nen­ex­em­plar über die Wand mei­nes Arbeits­zim­mers, groß wie die Scha­le eines Tee­löf­fels. Die Spin­ne beweg­te sich laut­los über meh­re­re Wän­de hin, bis sie, ohne eine län­ge­re Pau­se ein­ge­legt zu haben, in der Küche durch ein geöff­ne­tes Fens­ter mei­ne Woh­nung wie­der ver­ließ. Kaum eine hal­be Stun­de war die Spin­ne in mei­ner Woh­nung gewe­sen. Und ich dach­te, viel­leicht hat sie eine Spur Duft­spur oder Faden ver­legt, es wer­den wei­te­re Spin­nen kom­men, hof­fent­lich eher klei­ne­re Spin­nen, die ich gern zu Gast haben wür­de, wäh­rend ich die gro­ßen Spin­nen doch sehr gründ­lich fürch­te. Ich war­te nun seit eini­gen Tagen bereits. In die­ser Zeit des War­tens habe ich unheim­li­che und prä­zi­se erzähl­te Geschich­ten Alex­an­der Klu­ges gele­sen und auch gehört, sie sind wun­der­voll anzu­hö­ren. — stop

ping

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zebraspringspinne

2

echo : 5.18 UTC — Ich beob­ach­te an die­sem Mor­gen auf dem Fens­ter­brett nach Süden zu eine Zebra­spring­spin­ne von höchs­tens 2 Gramm Gewicht. Sie spa­ziert dort unter mei­nen Augen furcht­los auf und ab. Mög­li­cher­wei­se ist sie kürz­lich erst durch die Luft geflo­gen oder aber den gan­zen Win­ter über in mei­ner Nähe gewe­sen, ohne dass ich sie bemerk­te. Für einen Moment hal­ten wir bei­de inne und schau­en in Rich­tung der Däm­me­rung. Eine Stra­ßen­bahn kommt um die Kur­ve gefah­ren, es ist die ers­te Stra­ßen­bahn die­ses Tages. Ich schlie­ße die Fens­ter. Mit die­ser ers­ten Stra­ßen­bahn kommt der Tag in die Nacht, Vögel stei­gen aus und hocken sich in Bäu­me und sin­gen, wäh­rend Flie­gen und Fal­ter aus mei­ner Woh­nung flüch­ten, um ein­zu­stei­gen und rasch davon­zu­fah­ren. Ich soll­te mor­gens ein­mal auf die Stra­ße tre­ten und zur Hal­te­stel­le gehen und war­ten, da nun die ers­te Fahrt der Linie 16 ein­tref­fen und der Fah­rer von Nacht­fal­tern bedeckt sein wird, und die Sit­ze und Lam­pen, und auch die Arbei­ter und Arbei­te­rin­nen der Früh­schicht. Dich­te, bit­te­re, stau­bi­ge Luft, ein sono­res Sum­men zehn­tau­sen­der Flü­gel. Klei­ne, har­te Käfer­kör­per stür­men durch wei­chen, flie­gen­den Fal­ter­wald, ping, pong, ping. — Die­ser Text wur­de zum ers­ten Mal vor vier Jah­ren notiert. Als ich heut früh­mor­gens eine Zebra­spring­spin­ne ent­deck­te, war mein Text wie­der mög­lich gewor­den. — stop

ping

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von sammlern

2

echo : 22.01 UTC — Weil ich mich nun für 12 Mona­te (oder län­ge­re Zeit) mit der Beob­ach­tung von berühm­ten Käfer­samm­lern beschäf­ti­gen wer­de, mit Ernst Jün­ger, zum Bei­spiel, oder Carl von Lin­né, nach ihrem Wesen, ihren Samm­ler­mo­ti­ven, ihrer Lei­den­schaft fra­gen, erin­ner­te ich mich an einen Brief, den ich vor lan­ger Zeit ein­mal an Jean-Hen­ri Fab­re in der Hoff­nung sen­de­te, er wür­de doch irgend­wie in der Lage sein, ihn wahr­zu­neh­men. Ich notier­te: Mein lie­ber Mon­sieur Fab­re, an die­sem wun­der­schö­nen, eis­kal­ten Dezem­ber­tag gegen Zehn, habe ich ent­lang Ihrer fei­nen Zei­chen­ket­te die Bestei­gung des Mont Ven­toux in Angriff genom­men. Nun bin ich wie­der ein­mal begeis­tert von hin­rei­ßen­der Land­schaft, von der dün­ner wer­den­den Luft, von Ihren gelieb­ten Wes­pen, die ich noch nie in mei­nem Leben mit eige­nen Augen wahr­ge­nom­men habe. Heu­te Mor­gen sehr früh, als ich vor dem Fens­ter saß und mei­ne Polar­spin­ne beob­ach­te­te, wie sie sich freu­te, nach einer sehr lan­gen Zeit im Eis­fach end­lich unter der frei­en, kal­ten Luft die Ster­ne betrach­ten zu kön­nen, hat­te ich die Genau­ig­keit Ihres Sehens erin­nert, die Geduld Ihrer Augen, und sofort in Ihr klei­nes, bedeu­ten­des Buch von der Poe­sie der Insek­ten geschaut. Man kann das Atmen ver­ges­sen. Wie lan­ge Zeit wer­den Sie wohl eine gra­ben­de Sand­wes­pe betrach­tet haben, ehe Sie einen ers­ten Satz for­mu­lier­ten? Und was, zum Teu­fel, hat­ten Sie unter der Lupe, als Nadar Sie foto­gra­fier­te? — Ihr Lou­is, mit bes­ten Grü­ßen. — stop

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luftpapiere

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alpha : 15.32 UTC — Über­all schwe­ben im Som­mer Fäden in der Luft her­um, Spin­nen­ge­we­be, auf wel­chem Roma­ne notiert sein könn­ten mit­tels sehr klei­ner Zei­chen. Eine Frau sitzt an einem Tisch und notiert Ovids Meta­mor­pho­sen auf eine Papier­luft­schlan­ge. Wie behut­sam sie vor­geht, um das Papier nicht zu zer­rei­ßen. Kaum ist sie mit der Beschrif­tung einer der papie­re­nen Stre­cken zu Ende gekom­men, ver­bin­det sie mit einem Tröpf­chen Kleb­stoff eine wei­te­re noch unbe­schrif­te­te Schlan­ge. Kurz dar­auf notiert sie wei­ter. Sehr fei­ner Pin­sel. Das ist kei­ne erfun­de­ne Geschich­te. — stop

ping

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jonny

9

ulys­ses : 6.25 UTC — Was für ein schö­ner Mor­gen unter Kas­ta­ni­en­bäu­men. Som­mer­fä­den trei­ben durch die war­me Luft. Atem­zü­ge der Spin­nen, der Fal­ter, der Käfer, sanft strei­fen sie durch Blü­ten­staub­wol­ken. In die­sem Moment, da ich mir ein Baum­mi­kro­skop erfin­de, höre ich aus dem Radio, der 45. Prä­si­dent der Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka habe ver­sucht, Ermitt­lun­gen des FBI zu behin­dern. Das ist eine ziem­lich inter­es­san­te Geschich­te. Das Kurz­wort FBI war schon immer ein leuch­ten­des Wort. Wenn ich mich nicht irre, ist das so, dass ich in mei­nem wirk­li­chen Leben noch nie einem FBI — Beam­ten begeg­net bin. Viel­leicht habe ich ein­mal in einer U‑Bahn, die in Rich­tung Coney Island fuhr, neben einem FBI — Beam­ten Platz genom­men, das ist mög­lich, ich habe ihn nicht bemerkt. Mit dem Wort FBI ist in mei­ner Erin­ne­rung zunächst ein hef­ti­ges Gespräch ver­bun­den, wel­ches ich ein­mal in mei­ner Kind­heit mit einem Jun­gen namens Jon­ny führ­te, der war uni­for­miert und bewaff­net gewe­sen zur Kar­ne­vals­zeit. Ich sag­te: Du, Jon­ny, Du bist Poli­zist! Er sag­te: Nein, ich bin vom FBI, und zück­te sei­ne Waf­fe. Seit etwa einer hal­ben Stun­de tra­ge ich die For­mu­lie­rung Sum­mer of Sam wie einen Stem­pel in mei­nem Kopf. War­um? — stop

ping

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brooklyn heights promenade : höhe pierrepont st.

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del­ta : 0.02 — Immer wie­der bemer­kens­wert in der Däm­me­rung: Der syn­chro­ne Auf­tritt kor­pu­len­ter Netz­spin­nen. Von einem Augen­blick zum nächs­ten, sit­zen sie im Dut­zend in der Mee­res­luft auf Vor­nacht­ge­spins­ten, um unver­züg­lich Repa­ra­tur­ar­bei­ten auf­zu­neh­men. Fast möch­te man mei­nen, sie wären in ihren Tages­ver­ste­cken mit­tels gehei­mer Signal­lei­tun­gen mit­ein­an­der ver­bun­den, so plötz­lich tau­chen sie in der Dun­kel­heit auf, laut­los, ohne Geruch, ver­we­ben sie Fäden von stau­bi­gem Licht. Ich habe den Ver­dacht, sie könn­ten, mit sen­si­bels­ten opti­schen Sen­so­ren aus­ge­rüs­tet, in der Lage sein, feins­te Gra­de von Licht­stär­ke zu mes­sen. Ich dach­te, eine Art der Dau­er­be­leuch­tung, Mit­ter­nachts­son­ne über Man­hat­tan, könn­te sie mür­be machen. — stop

polaroiddowntown

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louis an louis

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romeo : 6.55 – Du wirst Dich viel­leicht wun­dern, lie­ber Lou­is, wes­halb ich für Dich notie­re in die­ser Wei­se auf eine Sei­te Papier von Heiß­luft­bal­lo­nen über der Stadt Tur­ku, unter wel­chen in Kör­ben schla­fen­de Men­schen woh­nen. Ich erzähl­te Dir von einer schnee­wei­ßen Spin­ne mit acht hell­blau­en Augen, die im Gefrier­fach Dei­nes Kühl­schranks wohnt. Erin­nerst Du Dich? Wie wir durch Istan­bul fah­ren im Win­ter im Wagen einer alten Stra­ßen­bahn auf der Suche nach Mr. Pamuk. Wir sind allein im Wagon, es ist schon spät, wir sit­zen gleich hin­ter der Kabi­ne des Fah­rers und erzäh­len laut­hals von der Erfin­dung der Trom­pe­ten­kä­fer. Der Fah­rer, ein älte­rer Herr, nickt immer­zu mit dem Kopf, und wir über­le­gen, ob er unse­re Spra­che viel­leicht ver­ste­hen könn­te, also erzäh­len wir wei­ter, wir erzähl­ten von Vögeln ohne Füße, die nie­mals lan­den, von Tief­see­ele­fan­ten, die den Atlan­tik in Her­den durch­strei­fen, und von der Sekun­de da Mel­ly Cus­aro, wohn­haft in Brook­lyn, an ihrem 10 Geburts­tag beschloss, Astro­nau­tin zu wer­den. Wenn Du die­sen Brief lesen wirst, lie­ber Lou­is, wird 1 Jahr spä­ter sein. Ich habe die­sen Brief vor genau 365 Tagen für Dich auf­ge­schrie­ben, ver­bun­den mit der Anwei­sung, ihn am 1. Dezem­ber 2015 an Dich zuzu­stel­len. Im Text sind wesent­li­che Pass­wort­ker­ne für Dei­ne Schreib­ma­schi­ne ent­hal­ten, gut ver­steckt, Du wirst sie, sofern not­wen­dig, wie­der­erken­nen. Wür­dest Du bit­te noch in die­ser Stun­de, da Du mei­nen oder Dei­nen Brief gele­sen haben wirst, Pass­wort­ker­ne mit neu­en Phra­sen und Geschich­ten ver­se­hen, einen wei­te­ren Brief notie­ren, zu sen­den an Lou­is im Auf­trag: Zuzu­stel­len am 14. Dezem­ber des Jah­res 2016. Sei herz­lich gegrüßt. Alles Gute! Dein Lou­is — stop
drohne16

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nachtorte

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ulys­ses : 1.15 — Und träu­me von frü­her. Als die Zeit noch eine Figur war, die eine Rol­le spiel­te. Damals dach­te ich, dass, wenn bei uns Tag war, wir die Nacht auf der ande­ren Sei­te der Welt bewach­ten. Bis mir klar wur­de, dass wir ihren Schlaf nicht bewach­ten, son­dern sie im Schlaf aus­raub­ten. Dann bin ich auf­ge­wacht. — Die­se Beob­ach­tung habe ich in einer Text­samm­lung Ali­s­sa Walsers ent­deckt: Von den Tie­ren im Notie­ren. Kur­ze Zeit spä­ter, auf dem Weg zum Fens­ter, erin­ner­te ich mich an das Muse­um der Nacht­häu­ser, das sich am Shore Bou­le­vard nörd­lich der Hell Gates Bridge befin­det, die den New Yor­ker Stadt­teil Queens über den East River hin­weg mit Ran­di­lis Island ver­bin­det. Ich weiß nicht, ob das Muse­um noch immer exis­tiert, es war oder ist ein recht klei­nes Haus, rote Back­stei­ne, ein Schorn­stein, der an einen Fabrik­schlot erin­nert, ein Gar­ten, in dem ver­wit­ter­te Apfel­bäu­me ste­hen, und der Fluss so nah, dass man ihn rie­chen konn­te. Wäh­rend eines Spa­zier­gan­ges, zufäl­lig, ent­deck­te ich die­ses Muse­um, von dem ich nie zuvor hör­te. Es war ein spä­ter Nach­mit­tag, ich muss­te etwas war­ten, weil das Muse­um nicht vor Ein­bruch der Däm­me­rung öff­nen wür­de, ein Muse­um für Nacht­men­schen eben, die in Nacht­häu­sern woh­nen, wel­che erfun­den wor­den waren, um Nacht­men­schen art­ge­rech­tes Woh­nen zu ermög­li­chen. Als das Muse­um dann end­lich öff­ne­te, war ich schon etwas müde gewor­den, und weil ich der ein­zi­ge Besu­cher gewe­sen, führ­te mich ein jun­ger Mann per­sön­lich her­um. Er war sehr gedul­dig, war­te­te, wenn ich wie wild in mein Notiz­buch notier­te, weil er span­nen­de Geschich­ten erzähl­te von jenen merk­wür­di­gen Gegen­stän­den, die in den Vitri­nen des Muse­ums ver­sam­melt waren. Von einem die­ser Gegen­stän­de will ich kurz berich­ten, von einem metal­le­nen Wesen, das mich an eine Kreu­zung von Gecko und Spin­ne erin­ner­te. Das ver­ros­te­te Ding war von der Grö­ße eines Schuh­kar­tons. An je einer Sei­te des Objekt saßen Bei­ne fest, die über Saug­näp­fe ver­füg­ten, eine Kame­ra thron­te oben­auf wie ein Rei­ter. Der jun­ge Mann erzähl­te, dass es sich bei die­sem Gerät um ein Instru­ment der Ver­tei­di­gung han­del­te, aus einer Zeit, da Nacht­men­schen mit Tag­men­schen noch unter ein und dem­sel­ben Haus­dach wohn­ten. Das klei­ne Tier saß in der Vitri­ne in einer Hal­tung als wür­de er sich ducken, als wür­de es jeder­zeit wie­der eine Wand bestei­gen wol­len. Das war näm­lich sei­ne vor­neh­me Auf­ga­be gewe­sen, Zim­mer­wän­de zu bestei­gen in der Nacht, sich an Zim­mer­de­cken zu hef­ten und mit klei­nen oder grö­ße­ren Ham­mer­werk­zeu­gen Klopf- oder Schlag­ge­räu­sche zu erzeu­gen, um Tag­men­schen aus dem Schlaf zu holen, die ihrer­seits weni­ge Stun­den zuvor noch durch ihre erbar­mungs­los har­ten Schrit­te den Erfin­der der Geck­oma­schi­ne, einen Nacht­ar­bei­ter, aus sei­nen Träu­men geris­sen haben moch­ten. Es war, sag­te der jun­ge Mann, immer so gewe­sen damals in die­ser schreck­li­chen Zeit, dass sich Tag­men­schen sicher fühl­ten vor Nacht­men­schen, die unter ihnen leb­ten, die mit Schrit­ten Zim­mer­de­cken ihrer Woh­nung nie­mals erreich­ten. Aus und fini! — stop

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