Aus der Wörtersammlung: stop

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luftraum

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echo : 17.18 — Da war ein jun­ger Mann, der lei­se zu sei­nem Hand­te­le­fon sprach, eine Beschwö­rung ohne Pau­se in einem Sub­way­zug auf dem Hoch­gleis über Brook­lyn. Als der Zug in den Tun­nel taucht, als die Funk­über­tra­gung längst abge­bro­chen ist, spricht er wei­ter wohin? — stop

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central park — liegend

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tan­go : 15.28 — Im Cen­tral Park für Stun­den. Ein­mal lege ich mich ins Gras und notie­re was ich sehe : Hun­de, zum Bei­spiel, Rie­sen­pu­del im wei­ßen Pelz, rosa­far­ben die Haut ihrer Gesich­ter, Krea­tu­ren, Men­schen­hun­de, die uralte Bäu­me mar­kie­ren. Das fei­ne, hel­le Grün der Kro­nen, wis­pern­des Licht, als wär noch Früh­ling, sol­che Bäu­me, die gedul­dig fla­nie­ren­de Per­so­nen beschir­men. Und Läu­fer, männ­li­che und weib­li­che Läu­fer, leicht beklei­det, ent­spann­tes Lächeln, wie von unsicht­ba­ren Fuß­sänf­ten getra­gen. Vier Poli­zis­ten, je mit Müt­ze, schwe­res Gerät klim­pert in der Mit­te ihrer run­den, fes­ten Kör­per. Eis­ver­käu­fer strei­ten am Ufer eines Sees, auf dem Funk­steu­er­boo­te segeln. Ein ver­lieb­tes Paar ist da noch, sie lie­gen, und ein wei­te­res, ein gleich­gül­ti­ges Paar lun­gert auf einer Bank, die Frau einer­seits türmt mit zar­tes­ten Bewe­gun­gen ihrer rot bemal­ten Zehen Baum­sa­men­spreu zu Gebir­gen, der Mann ande­rer­seits beob­ach­tet ein fili­gra­nes Wesen, das von Leib­wäch­tern umringt über eine Wie­se nord­wärts schrei­tet. Ich schla­fe bald ein. Eine nord­ame­ri­ka­ni­sche Bie­ne, brum­mend. Das mee­ri­sche Blau des Him­mels. Zwei Luft­bal­lons wip­pen vor­über, als wür­den sie auf eige­nen Bei­nen gehn. — stop

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groundzerosekundenzeit

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char­lie : 22.18 — Kurz nach sechs Uhr abends. Church Street. Auf einer Trep­pe sitzt ein Mann in einem dunk­len Anzug, wei­ßem Hemd, blau­er Kra­wat­te. Seit bald einer Vier­tel­stun­de, Akten­kof­fer zwi­schen den Bei­nen, Hän­de gefal­tet, ver­harrt er in die­ser Wei­se bewe­gungs­los, schaut in den Luft­raum über Ground Zero. Press­luft­häm­mer sind zu hören, Tau­ben picken über den Boden. Eine Arm­län­ge ent­fernt von dem Mann, der zu beten scheint, balan­ciert ein sehr viel jün­ge­rer Mann auf den Schul­tern eines wei­te­ren jun­gen Man­nes. Er hält mit einer Hand einen Foto­ap­pa­rat so weit wie mög­lich in die Höhe, um eine Foto­gra­fie jenes Ortes auf­neh­men zu kön­nen, der hin­ter einem Bau­zaun ver­bor­gen liegt. Das sieht so aus, als ver­su­che er rück­wärts in die Zeit vor­zu­drin­gen, als wol­le er noch etwas vom Ver­schwun­de­nen, vom Schre­cken doku­men­tie­ren, all das fin­den viel­leicht, was dort nicht mehr ist, so gründ­lich wur­de auf­ge­räumt. Wie er jetzt von den Schul­tern des Freun­des springt, fällt ihm der Foto­ap­pa­rat aus der Hand. Der klei­ne Blech­kas­ten schep­pert über den Geh­steig, Tau­ben flie­gen auf. Auch der Blick des beten­den Man­nes bewegt sich, fla­ckert für einen Moment in den Räu­men der Zeit. — stop
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george ferry terminal’s tiefseeelefanten

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sier­ra : 17.10 — Hat­te einen Traum, eine Wahr­neh­mung, die mir lan­ge Zeit, ich war längst erwacht, ein sehr wirk­li­cher Raum gewe­sen zu sein schien. Dort, im Nacht­zim­mer, war­te­te ich an einem spä­ten Abend in der zen­tra­len Hal­le des Saint Geor­ge Fer­ry Ter­mi­nals auf das nächs­te Schiff nach Man­hat­tan zurück. Ich war­te­te lan­ge, ich war­te­te den hal­ben Tag und eine hal­be Nacht, begeis­tert vom Anblick einer Her­de fili­gra­ner Tief­see­ele­fan­ten, die über den hell­san­di­gen Boden eines Schau­aqua­ri­ums wan­der­ten. Sie hat­ten ihre meter­lan­gen Rüs­sel zur Was­ser­ober­flä­che hin aus­ge­streckt, such­ten in der See­luft her­um und berühr­ten ein­an­der in einer äußerst zärt­li­chen Art und Wei­se. Ein fas­zi­nie­ren­des Geräusch war zu hören, sobald ich eines mei­ner Ohren an das haut­war­me Glas des Gehe­ges leg­te. Die­ses Geräusch nun sucht seit Stun­den nach einem Wort für sich selbst, nach einem Zei­chen­satz, der ver­mut­lich nie­mals exis­tie­ren wird. — stop
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lexingtonlineparticle

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echo : 2.32 — Sub­way 86 St, Linie 4, spä­tes­ter Abend : Men­schen­stil­le. Aber das Brau­sen tau­sen­der Ven­ti­la­to­ren, die küh­le Luft durch ble­cher­ne Arte­ri­en bla­sen. Eine Roll­trep­pe, ein­sam quiet­schend, selbst­ge­nüg­sa­mes Wesen. Und das Was­ser, woher, an den Wän­den. Hier muss nicht geat­met wer­den, solan­ge der Boden bebt von der Erwar­tung des Zuges. Man hört ihn schon von weit her kom­men, dump­fe, pochen­de Erschüt­te­rung. Und wenn er dann her­ein­fliegt aus den Schat­ten, das rote, das gel­be, das blaue Zah­len­au­ge. Luft zischt, als öff­ne­te sich ein Tief­druck­ge­biet, Men­schen tre­ten her­vor oder blei­ben. Jede Kam­mer, jeder Wagon, hin­ter jedem Fens­ter, eine eige­ne, ein­zig­ar­ti­ge Ver­samm­lung leben­der Geschich­ten. stop. Wie sich die Türen schlie­ßen. stop. Wie man ver­schwin­det. stop

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ground zero

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sier­ra : 18.16 — Zwei Stun­den Broad­way süd­wärts bis Ful­tonstreet. Eine klei­ne Kir­che, St Paul’s Cha­pel, Gra­nit­stei­ne, Grä­ber, ein Gar­ten unter Bäu­men. Ich ken­ne die­sen Gar­ten, die­se Bäu­me, eine Foto­gra­fie genau­er, die einen Staub­gar­ten zeigt, Sekun­den­zeit ent­fern­ter Gegen­wart, ein Bild, das im Sep­tem­ber 2001 auf­ge­nom­men wur­de, am elf­ten Tag des Monats kurz nach zehn Uhr vor­mit­tags. Hell­graue Land­schaft, Papie­re, grö­ße­re und klei­ne­re Tei­le, lie­gen her­um, Akten, Scher­ben. Auch die Bäu­me vor der Kir­che, hel­le Gestal­ten, als hät­te es geschneit, eine fei­ne Schicht reflek­tie­ren­der Kris­tal­le, Spät­som­mer­eis, das an Wän­den, Stäm­men und an den Men­schen haf­tet, die durch den Gar­ten schrei­ten, träu­men­de, schlaf­wan­deln­de, jen­sei­ti­ge Per­so­nen im Moment ihres Über­le­bens. Ein merk­wür­di­ges Licht, bei­nern, nicht blau, nicht blü­hend wie am heu­ti­gen Tag um Jah­re wei­ter­ge­kom­men. Etwas fehl­te in der Luft im Raum unter dem Him­mel über Man­hat­tan sehr plötz­lich, war so fein gewor­den, dass es von flüch­ten­den Men­schen ein­ge­at­met wur­de. Kaf­fee­tas­sen. Trep­pen­läu­fe. Hän­de. Feu­er­lö­scher. Füße. Wasch­be­cken. Nie­ren. Stüh­le. Schu­he. Com­pu­ter­bild­schir­me. Arme. Brüs­te. Kopf­scha­len. Radio­ge­rä­te. Blei­stif­te. Tele­fo­ne. Ohren. Augen. Her­zen. stop
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madison avenue

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ulys­ses : 7.
32 — Madi­son Ave­nue am frü­hen Mor­gen von Süd nach Nord. Tau­sen­de Tag­pas­san­ten nähern sich und ver­schwin­den. Hef­ti­ge Win­de. Blü­ten, Blät­ter, Töne wir­beln in Spi­ra­len durch die fri­sche Luft. Frau­en hal­ten ihre Röcke, Män­ner ihre Hüte fest. Berau­schen­de Glücks­ge­füh­le. Wer­de ich grö­ßer oder wer­de ich klei­ner? Irgend­et­was schep­pert lei­se im Kopf von Schritt zu Schritt. Flie­gen­leicht­ge­wich­te, trans­pa­ren­te Hum­mer­ge­stal­ten, spa­zie­ren seit­wärts über den Bild­schirm mei­ner Hand­schreib­ma­schi­ne dahin, gebeu­tel­te, zau­si­ge Her­zen. Wo waren sie in der ver­gan­ge­nen Nacht gewe­sen? In dem ich eines der Geschöp­fe auf der Schul­ter mit mir tra­ge, der Gedan­ke, dass sich bei­na­he alle Men­schen die­ser gro­ßen Stadt nicht per­sön­lich ken­nen. stop