Aus der Wörtersammlung: tief

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abschnitt neufundland

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Abschnitt Neu­fund­land mel­det fol­gen­de gegen Küs­te gewor­fe­ne Arte­fak­te : Wrack­tei­le [ See­fahrt – 507, Luft­fahrt — 701, Auto­mo­bi­le — 53], Gruß­bot­schaf­ten in Glas­be­häl­tern [ 18. Jahr­hun­dert — 8, 19. Jahr­hun­dert – 66, 20. Jahr­hun­dert – 1001 , 21. Jahr­hun­dert — 355 ], Trol­ley­kof­fer [ blau : 7, rot : 66, gelb : 5, schwarz : 532 ] phy­si­cal memo­ries [ bespielt — 6, gelöscht : 122 ], Arm­band­uhr — Aude­mars Piguet / Typ Roy­al Oak Gran­de : [ 1 ], Frö­sche [ Pär­chen ] auf Treib­holz [ 8 ], Öle [ 0.76 Ton­nen ], Pro­the­sen [ Herz — Rhyth­mus­be­schleu­ni­ger – 8, Knie­ge­len­ke – 66, Hüft­ku­geln – 2, Bril­len – 562 ], Halb­schu­he [ Grö­ßen 28 – 39 : 54, Grö­ßen 38 — 45 : 88 ], Plas­tik­san­da­len [ 307 ], Kühl­schrän­ke [ 3 ], Tele­fo­ne [ 65 ], Por­zel­lan­pup­pen­hän­de [ 16 ] Gas­mas­ken [ 17 ], Tief­see­tauch­an­zü­ge [ ohne Tau­cher – 5, mit Tau­cher – 18 ], Pfei­fen­köp­fe — Bruyère­holz [ 2 ], Engels­zun­gen [ 51 ] | stop |

ping

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ein ball

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whis­key : 0.12 — Ein­mal beob­ach­te­te ich in New York einen Mann, wie er das Ver­hal­ten eines Bal­les in einem Wag­gon der Sub­way stu­dier­te. Es war ein son­ni­ger Tag im Janu­ar, ich fuhr gera­de mit der Linie N Rich­tung Coney Island, als der Mann, der mir im Zug unmit­tel­bar gegen­über Platz genom­men hat­te, einen roten Ball, von wei­ßen Punk­ten bedeckt wie ein Flie­gen­pilz, aus einer Tasche hol­te und auf den Boden leg­te. Sofort roll­te der Ball gegen die Fahrt­rich­tung davon, ver­lor sich zunächst zwi­schen den gestie­fel­ten Bei­nen eini­ger Rei­sen­der, war dann für einen Moment nicht zu sehen, sodass der Mann, der den Ball frei­ge­las­sen hat­te, sich nach vorn beu­gen muss­te, um ihn wie­der in den Blick zu bekom­men. Kurz dar­auf kehr­te der Ball zurück, beschrieb einen wei­ten Bogen, stieß mehr­fach gegen die Füße einer schla­fen­den Frau, die die Berüh­run­gen des Bal­les aber nicht zu bemer­ken schien und ein­fach wei­ter­schlief. Indes­sen ver­zeich­ne­te der Mann mit­tels eines Blei­stif­tes den Weg des Bal­les durch den Wag­gon in ein Notiz­buch, schar­fe Rich­tungs­wech­sel, enge Krei­se, oder auch ruhi­ge­re Bewe­gun­gen des Bal­les über den Gang des Wag­gons wur­den in die­ser Wei­se prä­zi­se doku­men­tiert. Ein­mal nahm ein Kind den Ball in sei­ne Hän­de, da mach­te der Mann an dem Ort, da der Ball den Boden ver­ließ, ein Kreuz auf sein Papier. Nach einer hal­ben Stun­de stieg der Mann aus dem Zug, und ich dach­te noch, dass ich die­sem Mann und sei­nem Ball viel­leicht nie wie­der begeg­nen wür­de. Ich notier­te: Hier in New York begeg­net man stän­dig Men­schen, die man nie wie­der sehen wird. Drei Tage spä­ter bemerk­te ich einen roten Ball mit wei­ßen Punk­ten auf einer Fäh­re nach Sta­ten Island, er roll­te lang­sam über das Hur­ri­ca­ne-Deck. — stop

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vor neufundland 1.16.28 uhr : kirschblüten

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zou­lou : 0.08 — Die Nach­richt, ein afri­ka­ni­scher Mann von der Elfen­bein­küs­te habe bereits am ver­gan­ge­nen Mitt­woch sei­nen 8 Jah­re alten Sohn in einem Roll­kof­fer über die marok­ka­nisch – spa­ni­sche Gren­ze nach Euro­pa trans­fe­riert. Das Kind wur­de wäh­rend einer Kof­fer­durch­leuch­tung lebend ent­deckt, sein Vater fest­ge­nom­men. Ich erin­ne­re mich, vor zwan­zig Jah­ren ein­mal beob­ach­tet zu haben, wie am Zen­tral­bahn­hof ein Kind in ein Gepäck­schließ­fach klet­ter­te, eine Frau, viel­leicht die Mut­ter des Kin­des, klapp­te die Tür des Schließ­fa­ches zu, war­te­te eini­ge Sekun­den, dann öff­ne­te sie die Tür wie­der und das Kind klet­ter­te aus dem Fach. Das Kind lach­te. — Mel­dung von Noe aus 805 Fuß Mee­res­tie­fe vor Neu­fund­land. ANFANG 01.14.02 | | | > s t o p habe das wort som­mer­zeit notiert. s t o p kurz dar­auf ein­ge­schla­fen. s t o p als ich erwa­che liegt mei­ne hand noch auf der tas­ta­tur der maschi­ne. s t o p ein gel­ber fisch. s t o p behut­sam. s t o p als ob er mit mei­nem hand­schuh spre­chen woll­te. s t o p wer­de bald ohne luft sein. s t o p das ist denk­bar, s t o p ohne erin­ne­rung. h u n t i n g r e d f i s h f r o m a b o v e. s t o p plan­los. s t o p ein laut­lo­ses ende. s t o p der duft der kirsch­blü­ten. s t o p von einem atem­zug zum ande­ren. s t o p stark. s t o p süß. s t o p viel­leicht flie­der? t w o y e l l o w f i s h e s l e f t h a n d. s t o p | | | ENDE 01.16.28

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von nelken

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echo : 6.10 — Ich beob­ach­te­te eine alte Frau, wie sie unter einem Regen­schirm im Gar­ten kniend Nackt­schne­cken von Nel­ken­blu­men pflück­te. Neben sich hat­te die alte Frau einen klei­nen Eimer abge­stellt, der sich all­mäh­lich mit Schne­cken­kör­pern füll­te. Hef­ti­ger Regen. Ich konn­te den Regen hören, wie er auf den Schirm der alten Frau trom­mel­te. Und ich hör­te eine hel­le Stim­me, die mit sich selbst oder zu den Schne­cken sprach. Immer wie­der ein­mal stand die alte Frau vor­sich­tig auf, um in ihr Haus zurück­zu­keh­ren. Sie klopf­te dann ihre Schu­he ab, stand hin­ter dem Fens­ter, schau­te in den Gar­ten und war­te­te, bis wei­te­re Schne­cken ohne Häu­ser in die Nähe ihrer Nel­ken gekom­men waren. Die­se Schne­cken reis­ten nicht von der Sei­te her an, son­dern kamen tat­säch­lich von unten aus dem erdi­gen Boden her­auf. Waren es wie­der vie­le Schne­cken gewor­den, kehr­te die alte Frau zurück in ihren Gar­ten und erneut hör­te ich den Regen und eine hel­le Stim­me. Ich hat­te bald den Ein­druck, die­se Schne­cken, die unab­läs­sig aus dem Boden stie­gen, könn­ten rein aus etwas Haut und kla­rem Was­ser bestehen, es waren der­art vie­le, dass sie ganz ein­fach zunächst win­zi­ge Wesen sein muss­ten, die sich zu ihrer vol­len Ent­fal­tung mit Was­ser füll­ten, sobald es reg­ne­te. Nach drei Stun­den war der Eimer gefüllt und die alte Frau deck­te ihn mit einem Koch­topf­de­ckel zu, hol­te aus dem Haus einen wei­te­ren Eimer, der etwas grö­ßer gewe­sen war, als der ers­te Eimer. Es däm­mer­te, dann war es dun­kel, und als es rich­tig dun­kel gewor­den war, fins­ter, kehr­te die alte Frau mit einer Taschen­lam­pe in den Gar­ten zurück. Sie trug jetzt Gum­mi­stie­fel an den Füßen und ein Nacht­hemd und es reg­ne­te noch immer. — stop

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tokio

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gink­go : 0.22 — Ein Kind will sehen. So fängt es immer an, und auch damals fing es so an. Ein Kind woll­te sehen. Der Jun­ge konn­te lau­fen, und er konn­te an eine Tür­klin­ke her­an­rei­chen. Es steck­te kei­ner­lei Absicht dahin­ter, nur der instink­ti­ve Tou­ris­mus des Kin­des­al­ters. Eine Tür war dazu da, auf­ge­sto­ßen zu wer­den; er ging hin­ein, blieb ste­hen, schau­te. Da war nie­mand, der ihn beob­ach­tet hät­te; er dreh­te sich um und ging fort, wobei er sorg­sam die Tür hin­ter sich zumach­te. — Ich erin­ner­te mich an die­se Zei­len Juli­an Bar­nes, als ich zum ers­ten Mal von B. hör­te, der eine tie­fe Lei­den­schaft für die Stadt Tokio ent­wi­ckelt haben soll, obwohl er nie dort gewe­sen ist. Was weiß ich von B. an die­sem Abend? Eigent­lich nicht sehr viel. B. ist 52 Jah­re alt, unge­fähr 1,88 Meter groß, schlank, stu­dier­te sla­wi­sche Spra­chen, arbei­te­te als Über­set­zer, Alten­pfle­ger, Autor von Restau­rant­be­schrei­bun­gen, Dra­ma­turg, Post­schaff­ner, seit vier Jah­ren nun weder das eine noch das ande­re, weil er wohl­ha­bend gewor­den ist durch uner­war­te­te Erb­schaft. Er blieb damals vor vier Jah­ren in sei­ner klei­nen Woh­nung, kauf­te sich einen Com­pu­ter mit einem gro­ßen Bild­schirm und muss irgend­wie in Tokio gelan­det sein. Sei­nen ers­ten Besuch mit­tel der Street­views (Goog­le-Maps) beschreibt er als ein wesent­li­ches Ereig­nis sei­nes Lebens, er sei irgend­wo in der Stadt gelan­det, habe sich gewun­dert über die Enge der Stra­ße, auf wel­cher er sich plötz­lich befand, und über Bäu­me, die aus Häu­sern zu wach­sen schie­nen. Ein Mann stand vor einem Geträn­ke­au­to­ma­ten, er schau­te in die Kame­ra, die ihn gera­de ablich­te­te. Sei­ne Augen, durch Unschär­fe ver­frem­det, waren nicht zu erken­nen, aber eine Ziga­ret­te, die der Mann zwi­schen Fin­ger sei­ner rech­ten Hand geklemmt hat­te. So, erzähl­te B., habe es ange­fan­gen. Stun­de um Stun­de, Tag für Tag, beweg­te er sich fort­an durch die Stadt. Immer wie­der ent­de­cke er Spu­ren selt­sams­ter Geschich­ten. Ich habe eine Tür geöff­net. — stop

joseph

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00101101

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nord­pol : 10.28 — Habe heu­te bemerkt, dass ich eine Foto­gra­fie, die ich vor eini­gen Jah­ren ver­geb­lich wie­der­zu­fin­den such­te, nun tat­säch­lich ver­lo­ren zu haben schei­ne. Ich erin­ne­re mich, die Foto­gra­fie zeigt die Raum­sta­ti­on MIR in gro­ßer Höhe über der Erde schwe­bend. Ich konn­te mich zuletzt noch gut an das far­bi­ge Bild erin­nern, viel­leicht des­halb, weil mich die Auf­nah­me, als ich sie vor mir auf dem Tisch lie­gen sah, tage­lang berühr­te. Jetzt, heu­te, nur noch ein vages Bild, wie ein Ent­wurf, dem ich nicht trau­en kann, aber die Beschrei­bung der Foto­gra­fie, die ich aus der Erin­ne­rung notier­te: Ein Bull­au­ge, dort das Gesicht einer Frau, ein erns­tes Gesicht, Ahnung, Schat­ten, Züge einer rus­si­schen Kos­mo­nau­tin, die Mona­te allei­ne auf der MIR-Sta­ti­on leb­te. Sie beob­ach­tet die äußerst behut­sa­me Annä­he­rung eines Raum­schif­fes der NASA, in dem sich Men­schen befin­den, die ver­mut­lich bereits Kon­takt auf­ge­nom­men haben: Wir sehen Dich! — Da war das tie­fe Schwarz des Welt­alls im Hin­ter­grund, ein abso­lut töd­li­cher wir­ken­der Raum, der sich zwi­schen den bei­den Raum­kör­pern erstreck­te. — stop
ping

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vor neufundland 18:22:58 uhr : webstimme

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alpha : 22.01 — Fie­ber­ta­ge. Ich mei­ne, stür­mi­schen Wind vor den Fens­tern zu hören. Ein hel­les Geräusch wei­ter­hin in mei­nem Kopf, lei­se, zu jeder Zeit. Ein­mal ste­he ich auf, schal­te mei­ne Com­pu­ter­ma­schi­ne an, ent­de­cke eine Nach­richt Noes. Tag 1498 im Tau­cher­an­zug vor Neu­fund­land, Tie­fe 84 Meter. ANFANG 18.22.58 | | | > ich höre das ticken einer uhr. s t o p ich könn­te die zeit zäh­len. s t o p wei­ter­ma­chen. t w o b l u e f i s h e s i n l o v e s t r a i g h t a h e a d. s t o p solan­ge ich lache ist leben in mei­nem gehäu­se. s t o p der duft der kirsch­blü­ten. s t o p von einem atem­zug zum ande­ren. s t o p stark. s t o p süß. s t o p viel­leicht flie­der? t w o y e l l o w f i s h e s l e f t h a n d. s t o p ich stel­le mir vor ich arbei­te­te im welt­raum. s t o p gran­dio­se idee. s t o p da ist etwas das nicht stimmt. s t o p eine mensch­li­che stim­me in mei­ner nähe. s t o p eine war­me mensch­li­che stim­me so nah dass ich den luft­zug spü­re der sie webt. s t o p < | | | ENDE 18.24.28

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polaroidtheater

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abschnitt neufundland

picping

Abschnitt Neu­fund­land mel­det fol­gen­de gegen Küs­te gewor­fe­ne Arte­fak­te : Wrack­tei­le [ See­fahrt – 507, Luft­fahrt — 701, Auto­mo­bi­le — 53], Gruß­bot­schaf­ten in Glas­be­häl­tern [ 18. Jahr­hun­dert — 1, 19. Jahr­hun­dert – 105, 20. Jahr­hun­dert – 1422 , 21. Jahr­hun­dert — 82 ], phy­si­cal memo­ries [ bespielt — 7, gelöscht : 26 ], Frö­sche [ ein Pär­chen ] auf Treib­holz [ 2 ], Öle [ 0.77 Ton­nen ], Pro­the­sen [ Herz — Rhyth­mus­be­schleu­ni­ger – 6, Knie­ge­len­ke – 33, Hüft­ku­geln – 88, Bril­len – 2 ], Schu­he [ Grö­ßen 28 – 39 : 177, Grö­ßen 38 — 45 : 209 ], Kühl­schrän­ke [ 22 ], Tele­fo­ne [ 652 ], Por­zel­lan­pup­pen­köp­fe [ 3 ] Gas­mas­ken [ 8 ], Tief­see­tauch­an­zü­ge [ ohne Tau­cher – 3, mit Tau­cher – 56 ], Engels­zun­gen [ 76 ] | stop |

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marin

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echo : 16.02 — Das sehr Beson­de­re an der Gat­tung der Marin­kä­fer ist, dass sie blau sind, von einem tie­fen, vor­neh­men Blau, nicht nur von Außen her betrach­tet, son­dern auch dann, wenn man sie öff­net, wenn man ihre Augen, ihr Gehirn, ihr Herz im Innern beob­ach­tet, alles blau im Käfer, Faser für Faser. Seit Tagen bereits, da ich ihre Gat­tung ent­deck­te, den­ke ich dar­über nach, wie sie das machen, das Blau­sein, ob das über­haupt mög­lich ist und woher sie kom­men und wovon sie sich ernäh­ren. Stun­de um Stun­de, das ist gesi­chert, Tag und Nacht, sen­den sie genau ein Mil­li­gramm ultra­ma­ri­nes Pig­ment in die Welt, aber nur dann, wenn ich zärt­lich zu ihnen spre­che, wenn ich sie mit mei­nen Gedan­ken berüh­re. — stop

polaroidposaunist



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