Aus der Wörtersammlung: time

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von bestien

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lima : 15.42 UTC – Was für ein wun­der­ba­rer Nach­mit­tag. Son­ne scheint ins Arbeits­zim­mer, Magno­li­en blühn, und die Luft duf­tet nach Frö­schen und Zimt. Hör­te Char­lie Par­kers Sum­mer­ti­me, wäh­rend ich im Echo­kam­mer­th­read auf Posi­ti­on Twit­ter pfund­wei­se Dreh­or­gel­sät­ze über Gut­men­schen lese, die man gern auf­hän­gen wür­de, wenn man doch end­lich ein­mal auf­räu­men dürf­te. Das Wort auf­räu­men ist ein sehr begehr­tes Wort in der Kam­mer. Auch heu­te wie­der geht Euro­pa, geht Deutsch­land unter, und alle, die ande­rer Ansicht sind, lügen. Wür­den sie, die Andre88 hei­ßen, Rebell77, Aus­bil­der Schmidt, Wer­wolf, Deutsch­ro­se, wür­den sie, die in die­ser Wei­se hei­ßen, tun, wovon sie reden, hät­ten wir vie­le lust­vol­le Bes­ti­en über­all auf den Stra­ßen, in den Parks, den Hin­ter­hö­fen. Auch Eich­hörn­chen, unse­re lie­ben mit­tel­eu­ro­päi­schen Eich­hörn­chen, wür­den dann, von Men­schen­vor­bil­dern gelei­tet, mit gefletsch­ten Zäh­nen zuge­reis­te Nut­ri­as im Teich des bota­ni­schen Gar­tens bis zu ihrem bit­te­ren Ende jagen. — stop
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raymond carver goes to hasbrouck heights / 3

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sier­ra : 5.12 UTC — Es ist Sams­tag und ich habe gera­de eine Mel­dung gele­sen, die mir ein Pro­gramm mei­nes Par­tic­les-Ser­vers sen­de­te, es habe näm­lich irgend­ein Mensch, der nahe oder in Washing­ton D.C. leben soll, einen Text besucht, der von Ray­mond Car­ver erzählt. Ich las mei­nen Text nach län­ge­rer Zeit wie­der ein­mal mit älter gewor­de­nen Augen. Und ich dach­te mir, dass ich im Grun­de nicht sicher sein kön­ne, ob ein mensch­li­ches Wesen mei­nen Text in der Wei­te des World Wide Web ent­deck­te, oder ob eine Maschi­ne mein Par­tic­les besuch­te, die einer Spur von Schlüs­sel­wör­tern folg­te. Der Text, der am 12. Dezem­ber 2014 notiert wur­de, geht so: Ich kann nicht mit Sicher­heit sagen, war­um ich mich ges­tern, wäh­rend ich einen Bericht über Unter­su­chun­gen der CIA-Fol­ter­prak­ti­ken durch Ermitt­ler des US-Senats stu­dier­te, an eine klei­ne Stadt erin­ner­te, die ich vor weni­gen Jah­ren ein­mal von Man­hat­tan aus besuch­te. Ich las von Schlaf­ent­zug, von Water­boar­ding, von sehr klei­nen, dunk­len Kis­ten, in wel­che man Men­schen tage­lang sperr­te, von Lärm, von rus­si­schem Rou­lette und plötz­lich also erin­ner­te ich mich an Ole­an­der­bäu­me, die ich gese­hen hat­te in Has­b­rouck Heights an einem son­ni­gen Tag im Mai, an ihren Duft, an einen glück­li­chen Abend am Strand von Coney Island, an ein Jazz­kon­zert nahe der Strand­pro­me­na­de. Ich notier­te damals: Es ist die Welt des Ray­mond Car­ver, die ich betre­te, als ich mit dem Bus die Stadt ver­las­se, west­wärts, durch den Lin­coln­tun­nel nach New Jer­sey. Der Blick auf den von Stei­nen bewach­se­nen Mus­kel Man­hat­tans, zum Grei­fen nah an die­sem Mor­gen küh­ler Luft. Dunst flim­mert in den Stra­ßen, deren Fluch­ten sich für Sekun­den­bruch­tei­le öff­nen, bald sind wir ins Gebiet nied­ri­ger Häu­ser vor­ge­drun­gen, Eis­zap­fen von Plas­tik fun­keln im Licht der Son­ne unter Regen­rin­nen. Der Bus­fah­rer, ein älte­rer Herr, begrüßt jeden zustei­gen­den Gast per­sön­lich, man kennt sich hier, man ist schwarz oder weiß oder gelb oder braun, man ist auf dem Weg nach Has­b­rouck Heights, eine hal­be Stun­de Zeit, des­halb liest man in der Zei­tung, schläft oder schaut auf die Land­schaft, auf ros­ti­ge Brü­cken­rie­sen, die flach über die sump­fi­ge Gegend füh­ren. Und schon sind wir ange­kom­men, ein lie­be­voll gepfleg­ter Ort, der sich an eine stei­le Höhe lehnt, ein­stö­cki­ge Häu­ser in allen mög­li­chen Far­ben, groß­zü­gi­ge Gär­ten, Hecken, Büsche, Bäu­me sind auf den Zen­ti­me­ter genau nach Wün­schen ihrer Besit­zer zuge­schnit­ten. Nur sel­ten ist ein Mensch zu sehen, in dem ich hier schlen­de­re von Stra­ße zu Stra­ße, wer­de dann freund­lichst gegrüßt, how are you doing, ich spü­re die Bli­cke, die mir fol­gen, Bäu­me, Blu­men, Grä­ser schau­en mich an, das Feu­er der Aza­leen, Eich­hörn­chen stür­men über sanft geneig­te Dächer: Habt ihr ihn schon gese­hen, die­sen frem­den Mann mit sei­ner Pola­roid­ka­me­ra, die­sen Mann ohne Arme! Gleich wird er ein Bild von uns neh­men, wird klin­geln, wird sagen: Guten Tag! Ich habe Sie gera­de foto­gra­fiert. Wol­len Sie sich betrach­ten? — stop

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time

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sier­ra : 18.32 — Das selt­sa­me Leben der Uhren, ihre Erschei­nung, oder die Geschwin­dig­keit, in wel­cher sich ihre Zei­ger oder Zif­fern bewe­gen. Immer wie­der die Fra­ge, ob Uhr­wer­ken nicht doch zu miss­trau­en ist. Gera­de Funk­uh­ren schei­nen Per­sön­lich­kei­ten zu sein, sie lau­fen, ich habe das mit eige­nen Augen beob­ach­tet, manch­mal rück­wärts. Und so stell­te ich mir vor, eine Uhr zu ver­wen­den, um eine ande­re Uhr zu kon­trol­lie­ren, oder meh­re­re Uhren einer Umge­bung, in der Hoff­nung, dass sie sich gleich­mä­ßig ver­hal­ten. Die­se Über­le­gun­gen sind Orten ver­bun­den, die nie­mals mit Tages­licht in Berüh­rung kom­men, Räu­me, in wel­chen 28 Stun­den dau­ern­de Tage längst denk­bar gewor­den sind. — stop
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ein taucher

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nord­pol : 10.12 — Ich hör­te, auf Grön­land soll in einer Sied­lung nörd­lich des Polar­krei­ses ein Mann exis­tie­ren, der trai­niert wur­de, in Wal­fisch­kör­pern zu tau­chen. Sobald sorg­fäl­tigs­te Unter­su­chung eines gestran­de­ten Tie­res not­wen­dig wer­den soll­te, wür­de jener Wal­fisch­tau­cher unver­züg­lich zur Arbeit geru­fen. Ich stel­le mir vor, wie der Mann in einen Neo­pren­an­zug gehüllt, mit einem fla­chen Sau­er­stoff­ge­rät aus­ge­rüs­tet, einer star­ken Lam­pe, zwei äußerst schar­fen Mes­sern, sowie einem ange­spitz­ten Helm aus­ge­rüs­tet, strand­wärts ruhen­de Leich­na­me besucht, die mög­li­cher­wei­se noch warm sind. Ein fast laut­lo­ser Vor­gang. Der Tau­cher ver­schwin­det voll­stän­dig, arbei­tet sich Zen­ti­me­ter um Zen­ti­me­ter schnei­dend durch den Kör­per vor­an. Viel­leicht wird sei­ne Stim­me zu hören sein, eine Funk­stim­me, die von Zeit zu Zeit mel­det, dass er sich gut füh­le, dass er das Herz des Wales bald errei­chen wer­de, das ist denk­bar. — stop

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ai : HAITI

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MENSCHEN IN GEFAHR : “Die Men­schen­rechts­ver­tei­di­ger David Boni­face und Juders Yse­mé fürch­ten nach dem plötz­li­chen Tod ihres Kol­le­gen Nis­sa­ge Mar­tyr um ihr Leben. Nis­sa­ge Mar­tyr starb einen Tag, nach­dem die drei in den USA gegen Jean Moro­se Vili­ena, den ehe­ma­li­gen Bür­ger­meis­ter ihrer Hei­mat­stadt in Hai­ti, Kla­ge wegen schwe­rer Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen ein­ge­reicht hat­ten. Die Män­ner berich­ten seit 2007 von wie­der­hol­ten Mord­dro­hun­gen und Angrif­fen durch den ehe­ma­li­gen Bür­ger­meis­ter. Sie müs­sen daher ange­mes­se­nen Schutz erhal­ten. / Am 22. März reich­ten David Boni­face, Juders Yse­mé und Nis­sa­ge Mar­tyr Kla­ge gegen Jean Moro­se Vili­ena, den ehe­ma­li­gen Bür­ger­meis­ter ihrer Hei­mat­stadt Les Irois im Süd­wes­ten von Hai­ti, bei einem Bun­des­ge­richt in Bos­ton im Nord­os­ten der USA ein. Die Kla­ge wur­de in den USA ein­ge­reicht, weil Jean Moro­se Vili­ena Anfang 2009 in die USA geflo­hen war, nach­dem die hai­tia­ni­schen Behör­den wegen des Mor­des an David Boni­faces Bru­der im Jahr 2007 und eines Angriffs auf den Gemein­de­ra­dio­sen­der im Jahr 2008 ein Straf­ver­fah­ren gegen ihn ein­ge­lei­tet hat­ten. Bei die­sem Angriff ver­lor Nis­sa­ge Mar­tyr ein Bein und Juders Yse­mé ein Auge. Die drei Män­ner wer­fen Jean Moro­se Vili­ena vor, dass er für eine Rei­he von Angrif­fen gegen sei­ne Kritiker_innen ver­ant­wort­lich ist, dar­un­ter “Brand­stif­tung”, “außer­ge­richt­li­che Hin­rich­tun­gen”, “ver­such­te außer­ge­richt­li­che Hin­rich­tung”, “Fol­ter” und “Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit”. Die Ver­bre­chen wur­den auf sei­ne Anwei­sung hin von einer bewaff­ne­ten Grup­pe ver­übt, die mit sei­ner poli­ti­schen Par­tei in Ver­bin­dung steht. Am 24. März 2017, einen Tag nach­dem die Kla­ge gegen Jean Moro­se Vili­ena ein­ge­reicht wor­den war, erkrank­te Nis­sa­ge Mar­tyr plötz­lich schwer und starb auf dem Weg ins Kran­ken­haus von Les Irois. Sei­ne Fami­lie gibt an, dass er zuvor ganz gesund war. Mit Hil­fe ihrer Rechts­bei­stän­de for­dert die Fami­lie eine sofor­ti­ge unab­hän­gi­ge Aut­op­sie und umfas­sen­de Unter­su­chun­ge sei­nes Todes. Die ört­li­che Staats­an­walt­schaft hat zwar die Aut­op­sie geneh­migt, doch bis jetzt kei­ne Unter­su­chung auf­ge­nom­men. / David Boni­face und Juders Yse­mé sind Men­schen­rechts­ver­tei­di­ger und wer­den als Unter­stüt­zer der Par­tei Orga­ni­sa­ti­on du Peu­ple en Lut­te, einer Oppo­si­ti­ons­par­tei in Hai­ti, betrach­tet. Seit 2007 berich­ten die bei­den Män­ner und Nis­sa­ge Mar­tyr, dass Jean Moro­se Vili­ena und sei­ne Ver­bün­de­ten ihnen Mord­dro­hun­gen schi­cken und sie tät­lich angrei­fen und ver­sucht haben, sie zu töten, weil sie ihre legi­ti­me Arbeit als Men­schen­rechts­ver­tei­di­ger aus­füh­ren. Im Zuge des­sen haben sie das ers­te Gemein­de­ra­dio initi­iert sowie die straf­recht­li­che Ver­fol­gung von Jean Moro­se Vili­ena und sei­nen Ver­bün­de­ten ange­strebt, um der Gewalt in der Gemein­de ein Ende zu berei­ten. 2015 gewähr­te die Inter­ame­ri­ka­ni­sche Men­schen­rechts­kom­mis­si­on den drei Män­nern und ihren Fami­li­en Schutz­maß­nah­men, um ihre Sicher­heit zu gewähr­leis­ten. David Boni­face und Juders Yse­mé berich­te­ten Amnes­ty Inter­na­tio­nal, dass die hai­tia­ni­schen Behör­den auf­grund der gras­sie­ren­den Straf­lo­sig­keit im Land jedoch nichts unter­nom­men hät­ten, um die­sen Maß­nah­men Fol­ge zu leis­ten. Die bei­den Män­ner sind nach Nis­sa­ge Mar­tyrs Tod mit ihren Fami­li­en aus Les Irois geflo­hen, da sie um ihre Sicher­heit fürch­ten. Sie gaben an, dass der ein­zi­ge Weg zu Gerech­tig­keit ihre Aus­sa­ge gegen Jean Moro­se Vili­ena sei, doch dass sie ohne ange­mes­se­nen Schutz fürch­ten, getö­tet zu wer­den, noch ehe sie ihre Aus­sa­ge machen kön­nen.” — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 24. Mai 2017 hin­aus, unter »> ai : urgent action

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minutenminiatur : schlaflos

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nord­pol : 8.16 UTC — Um kurz nach sechs Uhr in der Früh berich­tet Katha­ri­na in einem Laden unter dem Flug­ha­fen­ter­mi­nal 1 vor einer Kas­se ste­hend, sie flie­ge nun seit bald zwei Jah­ren Lang­stre­cke nach New York und wie­der zurück. Eine anstren­gen­de Pen­del­be­we­gung, gera­de eben vor einer hal­ben Stun­de erst sei sie gelan­det, sie lie­be die Beob­ach­tung des Son­nen­lichts, das in gro­ßer Höhe über dem Atlan­tik wäh­rend eines Nacht­flu­ges zurück nach Euro­pa im oran­ge­far­be­nen Zwie­licht stets sicht­bar am Hori­zont ver­wei­le. An die­sem Mor­gen ist Katha­ri­na sehr auf­ge­regt, sie habe, sagt sie, in den ver­gan­ge­nen zwei Jah­ren die Stadt New York selbst nie betre­ten, ges­tern aber, vor weni­gen Stun­den, mit einer Kol­le­gin, mit Muri­el, vom Flug­ha­fen John F. Ken­ne­dy aus ein Taxi genom­men, um über die Wil­liams­burg Bridge zum ers­ten Mal in ihrem Leben nach Man­hat­tan zu fah­ren, drei Stun­den Zeit. Sie sei­en am Times Squa­re gewe­sen, vor der New York Public Libra­ry, im Grand Cen­tral Ter­mi­nal und im Cen­tral Park, noch immer spü­re sie Span­nung, ver­mut­lich kön­ne sie nicht schla­fen. — stop
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transcript

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echo : 22.08 UTC — Zu stän­di­gen Erin­ne­rung > Meryl Streep’s Gol­den Glo­be Speach, 8. Janu­ar 2017 : Plea­se sit down. Thank you. I love you all. You’ll have to for­gi­ve me. I’ve lost my voice in screa­ming and lamen­ta­ti­on this weekend. And I have lost my mind some­time ear­lier this year, so I have to read. Thank you, Hol­ly­wood For­eign Press. Just to pick up on what Hugh Lau­rie said: You and all of us in this room real­ly belong to the most vili­fied seg­ments in Ame­ri­can socie­ty right now. Think about it: Hol­ly­wood, for­eig­ners, and the press. / But who are we, and what is Hol­ly­wood any­way? It’s just a bunch of peo­p­le from other places. I was born and rai­sed and edu­ca­ted in the public schools of New Jer­sey. Vio­la was born in a sharecropper’s cabin in South Caro­li­na, came up in Cen­tral Falls, Rho­de Island; Sarah Paul­son was born in Flo­ri­da, rai­sed by a sin­gle mom in Brook­lyn. Sarah Jes­si­ca Par­ker was one of seven or eight kids in Ohio. Amy Adams was born in Vicen­za, Ita­ly. And Nata­lie Port­man was born in Jeru­sa­lem. Whe­re are their birth cer­ti­fi­ca­tes? And the beau­tiful Ruth Neg­ga was born in Addis Ababa, Ethio­pia, rai­sed in Lon­don — no, in Ire­land I do belie­ve, and she’s here nomi­na­ted for play­ing a girl in small-town Vir­gi­nia. Ryan Gosling, like all of the nicest peo­p­le, is Cana­di­an, and Dev Patel was born in Kenya, rai­sed in Lon­don, and is here play­ing an Indi­an rai­sed in Tas­ma­nia. So Hol­ly­wood is craw­ling with out­si­ders and for­eig­ners. And if we kick them all out you’ll have not­hing to watch but foot­ball and mixed mar­ti­al arts, which are not the arts. / They gave me three seconds to say this, so: An actor’s only job is to enter the lives of peo­p­le who are dif­fe­rent from us, and let you feel what that feels like. And the­re were many, many, many powerful per­for­man­ces this year that did exact­ly that. Breath­ta­king, com­pas­sio­na­te work. But the­re was one per­for­mance this year that stun­ned me. It sank its hooks in my heart. Not becau­se it was good; the­re was not­hing good about it. But it was effec­ti­ve and it did its job. It made its inten­ded audi­ence laugh, and show their tee­th. It was that moment when the per­son asking to sit in the most respec­ted seat in our coun­try imi­ta­ted a dis­ab­led repor­ter. Someone he outran­ked in pri­vi­le­ge, power and the capa­ci­ty to fight back. It kind of bro­ke my heart when I saw it, and I still can’t get it out of my head, becau­se it wasn’t in a movie. It was real life. And this instinct to humi­lia­te, when it’s mode­led by someone in the public plat­form, by someone powerful, it fil­ters down into everybody’s life, becau­se it kin­da gives per­mis­si­on for other peo­p­le to do the same thing. Dis­re­spect invi­tes dis­re­spect, vio­lence inci­tes vio­lence. And when the powerful use their posi­ti­on to bul­ly others we all lose. O.K., go on with it. O.K., this brings me to the press. We need the prin­ci­pled press to hold power to account, to call him on the car­pet for every outra­ge. That’s why our foun­ders enshri­ned the press and its free­doms in the Con­sti­tu­ti­on. So I only ask the famously well-hee­led Hol­ly­wood For­eign Press and all of us in our com­mu­ni­ty to join me in sup­port­ing the Com­mit­tee to Pro­tect Jour­na­lists, becau­se we’re gon­na need them going for­ward, and they’ll need us to safe­guard the truth. One more thing: Once, when I was stan­ding around on the set one day, whi­ning about some­thing — you know we were gon­na work through sup­per or the long hours or wha­te­ver, Tom­my Lee Jones said to me, “Isn’t it such a pri­vi­le­ge, Meryl, just to be an actor?” Yeah, it is, and we have to remind each other of the pri­vi­le­ge and the respon­si­bi­li­ty of the act of empa­thy. We should all be proud of the work Hol­ly­wood honors here tonight. / As my fri­end, the dear depar­ted Prin­cess Leia, said to me once, take your bro­ken heart, make it into art. — stop / fund­ort

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nachts gegen drei

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sier­ra : 3.01 — Um kurz vor drei Uhr nachts stand ich vor dem geöff­ne­ten Fens­ter und schau­te zu den Ster­nen. Ich hat­te die Nach­richt erhal­ten, am Him­mel über mir wer­de die Inter­na­tio­na­le Raum­sta­ti­on ISS sicht­bar wer­den ( Time: Thu May 26 3:01 AM, Visi­ble: 6 min, Max Height: 69°, Appears: 10° abo­ve WNW, Dis­ap­pears: 11° abo­ve E ) ein Pünkt­chen, das sich, von der bald auf­ge­hen­den Son­ne beleuch­tet, rasend schnell über das Fir­ma­ment bewe­gen wür­de, genau so war es berich­tet wor­den von einem Beob­ach­ter, der mehr­fach Augen­zeu­ge gewe­sen sein will. Aber der Him­mel war bedeckt, es reg­ne­te leicht. Wie ich mich gera­de abwen­den woll­te, ent­deck­te ich eine Flie­ge, die auf schnur­ge­ra­der Bahn mein Fens­ter pas­sier­te. Sie kam von rechts, also von Nor­den her, und ich frag­te mich, wie das mög­lich sei, weil es doch reg­ne­te, schwe­re Trop­fen. Kaum hat­te ich mei­ne Fra­ge im Kopf so for­mu­liert, dass ich sie wahr­neh­men konn­te, war die Flie­ge, ohne eine Spur zu hin­ter­las­sen, ohne einen Beweis ihrer Exis­tenz, in der Dun­kel­heit ver­schwun­den gewe­sen. — stop

drohne25

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mrs sini reiss

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marim­ba : 0.08 — Vor eini­ger Zeit besuch­te ich Mrs. Sini Reiss, die im 22. Stock eines Wohn­hoch­hau­ses nahe der Clark Street wohnt. Ich hör­te, sie sei hoch betagt und habe ihr Apart­ment seit über zehn Jah­ren nicht ver­las­sen. Die alte Dame lese viel und schaue gern vom Bal­kon aus zu den oran­ge­far­be­nen Schif­fen hin, die zwi­schen Man­hat­tan Süd und Sta­ten Island pen­deln. Ich erkun­dig­te mich, ob ich mich mit der alten Dame unter­hal­ten müs­se. Nein, nein, ich sol­le nur ein paar Geträn­ke vor­bei­brin­gen und viel­leicht ein biss­chen nach dem Müll schau­en, Mrs. Reiss habe noch nie einen deut­schen Mann ken­nen­ge­lernt, nur wel­che im Fern­se­hen gese­hen, sie wer­de sicher neu­gie­rig sein, sie spre­che aber nur sehr wenig, sie wer­de also neu­gie­rig vor allem mit ihren Augen sein. Über­haupt sol­le ich mich nicht wun­dern, ich wür­de das hören sobald ich aus dem Auf­zug stei­ge, in ihrer Woh­nung sin­gen Vögel und brül­len Affen und zetern Zika­den unent­wegt. Wenn du die Augen schließt, dann meinst du dich im Urwald zu befin­den, das ist so, weil es in den Ohren der alten Dame seit vie­len Jah­ren hef­tig rauscht und pfeift, wes­halb sie jene frem­den Stim­men in ihre Woh­nung hol­te, damit sie das Geräusch, das sich in ihren Ohren befin­det, nicht als ihr eige­nes Geräusch wahr­neh­men müs­se. Mrs. Sini Reiss tra­ge ein Wölk­chen schloh­wei­ßen Haa­res auf dem Kopf, ihr Mund sei hell­rot geschminkt, ihre Wan­gen apri­ko­sen­far­ben bepu­dert, sie tra­ge ein dun­kel­blau­es Kos­tüm, und sie lese die New York Times von der ers­ten bis zur letz­ten Sei­te Tag für Tag, sie wis­se über die Welt sehr gut Bescheid, aber sie wol­le eigent­lich nichts hören und nicht spre­chen, son­dern nur die Zei­tung lesen und den Vögeln und Zika­den lau­schen. Genau so ist es gewe­sen. Es war einem Diens­tag. — stop
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