Aus der Wörtersammlung: bild

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lillis monster

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oli­mam­bo : 6.55 — Es ist Sams­tag, als ich Lud­mil­la beob­ach­te wie sie tele­fo­niert. Gera­de, vor weni­gen Tagen, ist sie sechs Jah­re alt gewor­den, jetzt steht das Mäd­chen mit gro­ßen Augen am Fens­ter und lauscht in einen Hörer, in dem sich ein voll­stän­di­ges Tele­fon befin­det. Eine Stim­me, die Stim­me der Oma, erzählt von einem Wachs­krei­de­bild, über das sie sich sehr freue. Lud­mil­la hat das Bild tat­säch­lich für ihre Oma zum Geburts­tag gemalt. Die Oma fragt: Was hast Du mir denn da gemalt, Lil­li? Lud­mil­la muss nicht lan­ge nach­den­ken, sie hat der Oma in der Schu­le ein schreck­li­ches Mons­ter gemalt, einen Mons­ter­clown in roten und blau­en Far­ben. Da will die Oma zag­haft wis­sen: War­um hast Du mir denn ein Mons­ter gemalt? Na, ant­wor­tet Lud­mil­la, weil ich Dir eine Freu­de machen woll­te. — stop

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über grönland

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sier­ra : 0.25 — Plötz­lich, wir flo­gen gera­de über Grön­land dahin, wur­de das Mäd­chen wach mit­ten in der Nacht wäh­rend eines Flu­ges gegen die Zeit­rich­tung von Ost nach West. Als wir in New York star­te­ten, bei­na­he dun­kel, oben, in gro­ßer Höhe über Bos­ton wur­de es etwas hel­ler, Him­mels­far­ben von zar­tem Blau und oran­ge­far­be­nen Tönen, die sich wäh­rend des Nacht­flu­ges kaum ver­än­der­ten. Rau­schen­de Stil­le unter dem Kabi­nen­dach, das sich über schla­fen­den Men­schen wölb­te, da und dort leuch­te­te der Bild­schirm eines Com­pu­ters oder eines Tele­fons im Däm­mer­licht. Es war kühl gewor­den, viel­leicht des­halb, weil es kühl gewor­den war, wach­te das Mäd­chen auf. Das Mäd­chen war eine Japa­ne­rin, unge­fähr sech­zehn Jah­re alt, zier­lich, sie schien sehr rou­ti­niert im Flie­gen zu sein, reck­te sich, sah kurz zu mir hin, sah, dass ich eine Decke aus­ge­brei­tet hat­te über mei­nen Bei­nen, fisch­te selbst eine Decke unter ihrem Sitz her­vor, brei­te­te sie über ihren Schoß, hol­te ein Han­dy aus ihrer Hand­ta­sche, die selt­sam schil­ler­te, als wür­de sie aus Flüs­sig­keit bestehen, und begann sofort zu schrei­ben. Das war eine selt­sa­me Art und Wei­se zu schrei­ben, wie das Mäd­chen schrieb. Eine Hand, ihre lin­ke Hand, hielt sie unter der Decke ver­bor­gen, in der rech­ten Hand ruh­te das Tele­fon wie ein klei­ner Vogel rück­lings, so dass sein Tele­fon­bauch sicht­bar wur­de, eine Tas­ta­tur, über wel­che nun ein Dau­men in einer Geschwin­dig­keit hüpf­te, dass ich mei­nen Blick nicht lösen konn­te. Sie schrieb sehr lan­ge Zeit, notier­te Whats­App — Nach­rich­ten an Per­so­nen, deren Ava­tare ich gut, deren Zei­chen ich unmög­lich zu lesen ver­moch­te, an Men­schen oder Com­pu­ter, die ihr unver­züg­lich ant­wor­te­ten, so dass sie von einem Dia­log in einen ande­ren hüpf­te, indes­sen sie ihrer­seits beob­ach­te­te, wie ich mei­ner­seits ihren Dau­men beob­ach­te­te, was sie nicht wei­ter zu stö­ren schien, viel­leicht weil ihr gefiel, dass ich ihre Geschick­lich­keit bestaun­te, oder auch weil sie fand, dass sie über einen hüb­schen Dau­men ver­füg­te. Ihr Dau­men war klein, dach­te ich noch, weil er einer win­zi­gen Japa­ne­rin gehör­te, die in der Zeit, da sie neben mir saß, kei­nen Laut von sich gab. Ihren notie­ren­den Dau­men beob­ach­tend, schlief ich schließ­lich ein. Als ich erwach­te, war auch das Mäd­chen wie­der ein­ge­schla­fen. Sie lag unter der Decke, die sie bis zu ihren Schul­tern hoch­ge­zo­gen hat­te, ihre Hän­de waren ver­mut­lich vor der Brust gekreuzt, genau dort beweg­te sich etwas, hüpf­te. Das war über Irland gewe­sen. Struk­tur eines neu­en Jahr­tau­sends. — stop

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eine wiederholung

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romeo : 0.22 — In weni­gen Stun­den wer­de ich den Ver­such unter­neh­men, einen Tief­flug über Sta­ten Island hin, den ich mit­tels einer Droh­ne im Janu­ar 2015 unter­nom­men hat­te, zu wie­der­ho­len, und zwar mög­lichst prä­zi­se auf den Spu­ren Samu­els, der noch immer nicht ver­schwun­den ist. Ob das mög­lich sein wird? Ich notier­te: Wäh­rend der Recher­che im Inter­net nach Pro­pel­ler­flug­ma­schi­nen, die von Hand zu bedie­nen sind, ent­deck­te ich eine Leih­sta­ti­on für Droh­nen­vö­gel nahe des St. Geor­ge Fer­ry Ter­mi­nals, und zwar in der Bay Street, Haus­num­mer 54. Obwohl ich mich in Mit­tel­eu­ro­pa befand, muss­te ich, um Kun­de wer­den zu kön­nen, kei­ne wei­te­ren Anga­ben zur Per­son hin­ter­le­gen als mei­ne Kre­dit­kar­ten­num­mer, nicht also begrün­den, wes­halb ich den klei­nen Metall­vo­gel, sechs Pro­pel­ler, für drei Stun­den nahe der Stadt New York aus­lei­hen woll­te. Auch erkun­dig­te sich nie­mand, ob ich über­haupt in der Lage wäre, eine Droh­ne zu steu­ern, selt­sa­me Sache. Ich bezahl­te 24 Dol­lar und star­te­te unver­züg­lich mit­hil­fe mei­ner Com­pu­ter­tas­ta­tur vom Dach eines fla­chen Gebäu­des aus. Ich flog zunächst vor­sich­tig auf und ab, um nach weni­gen Minu­ten bereits einen Flug ent­lang der Metro­ge­lei­se zu wagen, die in einem sanf­ten Bogen in Rich­tung des offe­nen Atlan­tiks nach Tot­ten­ville füh­ren. Ich beweg­te mich sehr lang­sam in 20 Metern Höhe dahin, kein Schnee, kaum Wind. Die fer­ne und doch zugleich nahe Welt unter mir auf dem Bild­schirm war gut zu erken­nen, ich ver­moch­te selbst Gesich­ter von Rei­sen­den hin­ter stau­bi­gen Fens­ter­schei­ben pas­sie­ren­der Züge zu ent­de­cken. Nach einer hal­ben Stun­de erreich­te ich Clif­ton, nied­ri­ge Häu­ser dort, dicht an dicht, in den Gär­ten mäch­ti­ge, alte Bäu­me, um nach einer wei­te­ren Vier­tel­stun­de Flug­zeit unter der Ver­ranz­a­no-Nar­rows Bridge hin­durch­zu­flie­gen. Nahe der Sta­ti­on Jef­fer­son Ave­nue wur­de gera­de ein Feu­er gelöscht, eine Rauch­säu­le rag­te senk­recht hoch in die Luft, als wäre sie von Stein. Dort bog ich ab, steu­er­te in der­sel­ben Höhe wie zuvor, der Lower Bay ent­ge­gen. Am Strand spa­zier­ten Men­schen, die wink­ten, als sie mei­nen Droh­nen­vo­gel oder mich ent­deck­ten. Als ich etwas tie­fer ging, bemerk­te ich in der Kro­ne eines Bau­mes in Ufer­nä­he ein Fahr­rad, des Wei­te­ren einen Stuhl und eine Pup­pe, auch Tang war zu erken­nen und ver­ein­zelt Vogel­nes­ter. Es war spä­ter Nach­mit­tag  gewor­den jen­seits des Atlan­tiks, es wur­de lang­sam dun­kel. — stop
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beobachtung

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ulys­ses : 6.12 — Wäh­rend ich Jack Kerou­acs Roman On the Road in der unge­kürz­ten Fas­sung als E‑Book las, bemerk­te ich, dass ein Com­pu­ter , ver­mut­lich von Nord­ame­ri­ka aus ver­zeich­ne­te, wel­che Zei­len die­ses Romans von Lesern oder Lese­rin­nen wäh­rend ihrer Lek­tü­re mar­kiert wor­den waren. Eine aus­ge­dehn­te, prä­zi­se Leser­be­ob­ach­tung scheint kaum merk­lich Stun­de, um Stun­de voll­zo­gen zu wer­den. Ich stell­te mir vor, Licht­ma­schi­nen, die von Men­schen in der Hand gehal­ten wer­den, doku­men­tie­ren, wie lan­ge Zeit sich lesen­de Men­schen mit einem bestimm­ten Text beschäf­ti­gen, wie sie den Text stu­die­ren, ob sie die Lek­tü­re der ein oder ande­ren Sei­te wie­der­ho­len, an wel­chen Text­or­ten ihre Augen inne­hal­ten oder ihre Hän­de über den Bild­schirm strei­chend vor­wärts blät­tern, wie vie­le Leser sich zunächst mit dem Ende einer Geschich­te beschäf­ti­gen, ehe sie die ers­te Sei­te des Tex­tes öff­nen, um nun tat­säch­lich mit der Lek­tü­re zu begin­nen, so wie sich der Autor oder Autorin die Lek­tü­re ihres Tex­tes ein­mal vor­ge­stellt haben könn­ten. Dass fun­ken­de Bücher Kör­per­tem­pe­ra­tu­ren mes­sen, Feuch­tig­keit, Sal­ze der Hän­de, wel­che sie berüh­ren, ist nicht unwahr­schein­lich. Man will wis­sen, weil man es wis­sen kann, an wel­cher Stel­le des Tex­tes Leser ver­lo­ren gehen oder von wel­cher Stel­le des Tex­tes an Leser rest­los ein­ge­fan­gen sind, ja, das ist denk­bar. Guten Mor­gen. Es ist der 16. Okto­ber, leich­ter Regen. — stop

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zugvögel

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oli­mam­bo : 0.33 — Wo sind die Häl­se der Hüh­ner geblie­ben, die vor Jah­ren noch in Tief­kühl­tru­hen unse­rer Super­märk­te lager­ten? Ver­mut­lich wird sich ein Han­dels­strom von Hüh­ner­häl­sen süd­wärts aus­ge­bil­det haben, nach Afri­ka hin. Ob sie mit Flug­zeu­gen trans­por­tiert wer­den? — stop
einhundert

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alisa

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fox­trott : 3.02  – Ali­sa, wie sie vor Jah­ren in Holz­schu­hen durch das Trep­pen­haus hüpft, wie sie Rosen­blü­ten in mei­nen Brief­kas­ten wirft, wenn schon nicht tele­fo­nie­ren, dann eben so. Ihre Wild­heit. Ihre Lust auf Foto­ap­pa­ra­te. Ihr blau­es Auge, weil sie eine Foto­gra­fie zu Hau­se zeig­te, die ich ahnungs­los auf­ge­nom­men hat­te, Ali­sa, die Kas­ta­ni­en sam­melt an einer nahen Stra­ßen­bahn­hal­te­stel­le, nie wie­der Rosen­blü­ten. Wie wir uns ein­mal auf die Suche machen, Ali­sas ver­zwei­fel­te Mut­ter, mit Kopf­tuch, und ich, ohne Kopf­tuch. Sie kann nicht mit dem Mund zu mir spre­chen, es feh­len die Wör­ter, also spricht sie mit den Augen. Mit ange­win­kel­ten Bei­nen sitzt Ali­sa in einer Turn­hal­le und sieht rie­si­gen Män­nern zu, die Bas­ket­ball spie­len. Sie hat die Zeit ver­ges­sen, wie alle Kin­der die Zeit ver­ges­sen. Da ist gera­de noch ein Bild in mei­nem Kopf, ein tod­mü­der marok­ka­ni­scher Mann, Ali­sas Vater, mit sei­nem her­un­ter­ge­kom­me­nen roten Auto, wie er an einem spä­ten Frei­tag­abend gebückt und stau­big die Stra­ße über­quert. Plötz­lich waren sie nicht mehr da, Ali­sa, ihre Mut­ter, der Vater, das rote Auto. — stop

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nachtbild

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char­lie : 2.02 — Noch dun­kel, aber doch soviel Licht, dass ich eine Hand ent­de­cke, die sich genau­so bewegt, als wür­de sie malen. Der Mensch, zu dem die­se malen­de Hand gehört, schläft, ver­mut­lich ereig­nen sich im Augen­blick mei­ner Beob­ach­tung Träu­me, die die Hand bewe­gen. Ich ver­su­che in der Beob­ach­tung her­aus­zu­fin­den, das heißt, vor­zu­stel­len, was die­se Hand gera­de malen oder zeich­nen könn­te. Dar­über schla­fe ich ein. Als Mor­gen gewor­den ist, sage ich fröh­lich: Du hast heu­te Nacht viel­leicht im Schlaf gemalt! Kannst Du Dich erin­nern, an wel­chem Bild Du gear­bei­tet haben könn­test? — Es ist die Zeit der Hum­mer­ern­te. Ers­te kal­te Win­de flie­ßen über die gro­ßen Seen süd­ost­wärts. Ecke Wil­low St. pas­siert ein Legu­an die Cran­ber­ry St., ein Poli­zist, der sich freut, regelt den Ver­kehr. Plötz­lich eine Fra­ge wie eine bren­nen­de Lun­te, eine Fra­ge, die ich in einer frem­den Spra­che vor­sich­tig notie­re, ob sich Hum­mer­tie­re an mensch­li­chen Kör­pern ver­grei­fen? Beun­ru­hi­gend, wie damals, Ende des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts, die Fra­ge nach den Vor­lie­ben der Vik­to­ria­see­bar­sche? — stop
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die insel der farbenblinden

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echo : 0.12 — Oli­ver Sacks notiert in sei­nem Rei­se­be­ob­ach­tungs­buch Die Insel der Far­ben­blin­den Fol­gen­des: Mei­ne Besu­che auf die­sen Inseln waren kurz und unvor­be­rei­tet, nicht an einen fes­ten Plan oder ein Pro­gramm gebun­den, nicht dazu bestimmt, eine The­se zu bewei­sen oder zu wider­le­gen, son­dern ein­fach der Beob­ach­tung gewid­met. Doch so impul­siv und unsys­te­ma­ti­sch sie auch waren, ich ver­danke ihnen inten­sive, viel­schich­tige Erleb­nisse, die sich in alle mög­li­chen, mich stän­dig über­ra­schen­den Rich­tun­gen ver­zweig­ten. Viel­leicht bedurf­te es erst mei­ner Rück­kehr, der Mög­lich­keit, die Erleb­nisse wie­der und wie­der Revue pas­sie­ren zu las­sen und zu sich­ten, um ihres Zusam­men­hangs und ihrer Bedeu­tung (oder zu min­des­tens eines Teils ihrer Bedeu­tung) hab­haft zu wer­den ― und um die­sen Impuls zu ver­spü­ren, sie zu Papier zu brin­gen. Die­se Nie­der­schrift, die mich wäh­rend der letz­ten Mona­te beschäf­tigt hat, erlaub­te mir, ja zwang mich, die Inseln in mei­ner Erin­ne­rung erneut auf­zu­su­chen. Und da die Erin­ne­rung, wie Edel­mann aus­führt, nie­mals nur sim­ple Auf­zeich­nung oder Repro­duk­tion ist, son­dern ein akti­ver Pro­zess der Reka­te­go­ri­sie­rung, der Rekon­struk­tion und Fan­ta­sie­tä­tig­keit, ― ein Pro­zess, der von unse­ren eige­nen Wer­ten und Per­spek­ti­ven bestimmt wird, hat mich die Erin­ne­rungs­ar­beit dazu geführt, die Besu­che in gewis­ser Wei­se neu zu erfin­den und so ein per­sön­li­ches, eigen­wil­li­ges, viel­leicht exzen­tri­sches Bild die­ser Inseln zu ent­wer­fen, das zusätz­lich genährt wur­de durch mei­ne Lei­den­schaft für Inseln und Insel­bo­ta­nik. — stop
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wörterbilder

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echo : 2.12 — In der Stadt Kyiv sol­len noch Mona­te nach der Hava­rie des Reak­tors 4 in Tscher­no­byl Stra­ße um Stra­ße ent­lang der Häu­ser­wän­de per­fo­rier­te Roh­re instal­liert wor­den sein, aus wel­chen Was­ser ström­te, um das strah­len­de Gift von den Stra­ßen zu schwem­men. Eine Bekann­te erzähl­te mir von der Exis­tenz die­ser Roh­re, sie war damals in Kyjiw für eini­ge Tage. Ich ken­ne die­ses Bild, ich erin­ne­re mich, das ein Wör­ter­bild ist, kein Licht­bild, da ich kei­ne Foto­gra­fie in der digi­ta­len Sphä­re ent­de­cke. Wie lan­ge Zeit soll­te ich suchen? Stun­den? Oder Tage? Das Wör­ter­bild scheint plau­si­bel zu sein, oder sogar wahr­schein­lich. Wie vie­le Men­schen exis­tie­ren in der Stadt, in der ich lebe, also in mei­ner unmit­tel­ba­ren Nähe, die mit dem Tod bedroht wer­den, weil sie sich Glau­ben und wei­te­ren Ritua­len wider­set­zen? — stop

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postkarte

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echo : 5.15 – In mei­nem Brief­kas­ten ruh­te eine Post­karte, die von irgend­je­man­dem mit win­zi­gen japa­ni­schen Zei­chen beschrif­tet wor­den war. Zunächst wirk­te der Text wie ein Mus­ter, das sich erst dann zu Schrift­zei­chen auf­löste, als ich mei­ne Bril­le aus der Schub­la­de hol­te. Ich konn­te den Text natür­lich nicht lesen. Ich neh­me an, die Post­karte wur­de ver­se­hent­lich in mei­nen Brief­kas­ten gewor­fen. Bei genau­e­rer Unter­su­chung stell­te ich jedoch fest, dass die Post­karte in jedem ande­ren Brief­kas­ten ver­mut­lich gleich­wohl ein ver­se­hent­li­ches Ereig­nis gewe­sen wäre, die Post­karte trug näm­lich kei­ne Anschrift an der dafür vor­ge­se­he­nen Stel­le, aber eine Brief­marke des japa­ni­schen Hoheits­ge­bie­tes. Auch auf ihrer Rück­seite war kein Adres­sat zu erken­nen. Eine Foto­gra­fie zeigt Samu­el Beckett, der unter einem blü­hen­den Kirsch­baum sitzt, oder einen Mann, der Samu­el Beckett ähn­lich sein könn­te, der Dich­ter im Alter von 160 Jah­ren, er hat sich kaum ver­än­dert. Ein sehr inter­es­san­tes Bild. Auf einem Ast des Bau­mes sind Eich­hörn­chen zu erken­nen, sie­ben oder acht Tie­re, die ihre Augen geschlos­sen hal­ten. Ich erin­nere mich, dass ich ein­mal davon hör­te, Men­schen wür­den immer wie­der ein­mal Post­kar­ten notie­ren, oft sehr auf­wen­dig aus­ge­ar­bei­tete Schrift­stü­cke, um zuletzt die Adres­se des Emp­fän­gers zu ver­ges­sen. Das ist tra­gi­sch oder viel­leicht eine Metho­de, Infor­ma­tion an die Welt zu sen­den, die nie­man­den oder irgend­ei­nen belie­bi­gen Men­schen errei­chen soll. Nun liegt die­se Post­karte neben Zimt­ster­nen, Bana­nen und Äpfeln auf mei­nem Küchen­ti­sch. Zunächst hat­te ich das Wort L i e ­b e r in die Goo­gle – Über­set­zer­ma­schine ein­ge­ge­ben und in die japa­ni­sche Spra­che über­setzt. Zei­chen, die sich auf mei­nem Bild­schirm for­mier­ten, waren mit den ers­ten Zei­chen auf der Post­karte iden­ti­sch. Ich weiß sehr genau, was jetzt zu tun ist. In die­sem Augen­blick jedoch scheue ich noch davor zurück, mei­nen Namen in die Mas­ke der Such­ma­schine ein­zu­ge­ben. Bald Mor­gen­däm­me­rung im Kof­fer­text, ich höre schon Tau­ben auf dem Dach spa­zie­ren. – stop

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