Aus der Wörtersammlung: still

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papiersegel

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romeo : 0.05 — Das Ver­gnü­gen, ein Manu­skript auf Papier zu dru­cken. Die nadeln­den, sum­men­den, pfei­fen­den Geräu­sche der Maschi­ne, Satz für Satz Sekun­den­sei­ten. Wie ich Arbeit von Tagen, von Wochen, vor mir zu einem Segel auf den Boden brei­te. Wie ich zufrie­den und still vor dem Wind­ge­fäß im Zim­mer ste­he. Wie ich, bald wie­der stür­misch gewor­den, in die Knie gehe, um wei­te­ren Flug­sand mit der Hand aufs Papier zu set­zen. — Notier­te: Ein mensch­li­ches Gehirn ruh­te in mei­nen Hän­den. Und ich dach­te, kühl ist es und weich und schwer. Ich hör­te deut­lich eine den­ken­de Stim­me, als wäre da noch ein ande­rer Beob­ach­ter gewe­sen, als ich selbst. Dann bemerk­te ich, dass ich mit blo­ßem Auge nicht erken­nen konn­te, in wel­cher Spra­che jenes Gehirn, das ich in mei­nen beben­den Hän­den hielt, ein Leben lang träum­te, auch nicht, ob es glück­lich oder doch eher unglück­lich gewe­sen ist. Eine schwei­gen­de, eine ver­las­se­ne, eine Welt ohne Licht. Ja, lili­mam­bo, das Leuch­ten leben­der Men­schen! — stop

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kofferzimmer

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echo : 2.18 — Ich stell­te mir eine Minu­te vor, dann eine Stun­de, dann einen Tag. Ich stand auf und ging von Zim­mer zu Zim­mer, aß eine Bana­ne, sah aus dem Fens­ter, set­ze mich an den Schreib­tisch, stell­te mir eine Woche vor, dann einen Monat, dann ein Jahr. Ich erhob mich, sah nach der Uhr­zeit, dann aus dem Fens­ter, ver­ließ das Haus, spa­zier­te und kam zurück, setz­te mich aufs Sofa. Eine harm­lo­se Geschich­te. Sogleich wei­ter gedacht. Selt­sa­me Ker­ne lei­se in mei­nem Kopf hin und her bewegt, jene von den Schlaf­wa­ben zum Bei­spiel, von Kof­f­er­zim­mern, in wel­chen erwerbs­lo­se Men­schen däm­mernd lagern. Wie ihnen schmerz­los die Zeit ver­geht, wie sie, von bes­se­ren Zei­ten träu­mend, Blut­kon­ser­ven aus ihren Kno­chen destil­lie­ren. Kaum hat­te ich auf­ge­schrie­ben und mich gewun­dert über das, was ich dach­te, stand ich wie­der in der Küche, aß eine wei­te­re Bana­ne und einen Pfir­sich zum Nach­tisch. Dann, end­lich, bemerk­te ich Geral­di­nes Som­mer­hut, sein Schau­keln auf atlan­ti­schen Wel­len. Unge­heu­re Stil­le. Abso­lu­te Stil­le. In die­ser namen­lo­sen Stil­le, ein Hut allein auf dem Meer. Kein Schiff. Kein Land. Aber ein­hun­dert See­mei­len­k­rei­se von Stil­le in einem Bild, das ich nie­mals mit Augen sehen, son­dern immer wie­der nur den­ken wer­de. stop. Guten Morgen!

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regenkäfer henry

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hibis­kus : 3.25 — Kurz nach drei Uhr. Es hat auf­ge­hört zu reg­nen, die Nacht ist still, alle Men­schen um mich her­um schla­fen. Ich habe eini­ge Stun­den ver­geb­lich ver­sucht, eine Geschich­te auf­zu­schrei­ben, die mir seit zwei Tagen durch den Kopf geis­tert. Hart habe ich gear­bei­tet, jetzt bin ich müde und sen­de anstatt mei­ner Geschich­te, eine Zeich­nung, eine Ahnung viel­leicht vom Gespenst, das in die­ser Nacht nicht gelin­gen woll­te. — Guten Mor­gen! Heu­te ist Don­ners­tag. — stop

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auftauchen

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alpha : 0.28 — Immer wie­der ein Bild vor Augen, ein Bild lang­sam vor­rü­cken­der Zeit. stop. Die Ober­flä­che des Atlan­ti­schen Oze­ans vor Neu­fund­land. stop. Kei­ne Bewe­gung, nicht die kleins­te Wel­le. stop. Auch am Him­mel, kei­ne Wel­len, kein Flug­zeug, kein Vogel. stop. Abso­lu­te Stil­le. stop. Minu­ten­lan­ge Stil­le. stop. Tage der Stil­le, Mona­te, Jah­re. stop. Jetzt ein Schat­ten. stop. Der Schirm der Was­ser­ober­flä­che öff­net sich. stop. Der Helm eines Tief­see­tau­chers erscheint. stop. Schwe­res Gehäu­se. stop. Trie­fen­de Muscheln. stop. Eine Hand. stop. Die Gestalt einer eiser­nen Hand, wie sie nach ros­ti­gen Schrau­ben tas­tet. stop. Wie der Helm des Tau­chers, durch die Luft fliegt. stop. Das Gesicht eines Man­nes, des­sen Haut schnee­weiß ist. stop. Eine Schne­cke ohne Gehäu­se, die auf sei­ner Stirn sitzt. stop. Sie scheint zu gra­sen. stop. Der Mann, wie er sich umsieht. stop. Wie er blin­zelt, wie er lächelt. stop. Flüs­tert. stop. stop. Obwohl ich ver­su­che, so nahe wie mög­lich her­an­zu­kom­men, ist doch kein Wort zu ver­ste­hen. stop. Jetzt winkt er. stop. stop. Ein hei­te­res Bild. stop. Ein Bild, in dem Zeit ent­hal­ten ist. stop. stop. Wer end­lich ver­haf­tet Robert Muga­be? stop. stop. 0.52 in Musi­na, süd­li­ches Afri­ka. — stop

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kakteenorchester : telegramm

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marim­ba : 8.02 — Pal­men­gar­ten. stop. Wüs­ten­haus. stop. Das fei­ne Geräusch der Kak­teen, sobald ich ihr Sta­chel­horn mit einem Pin­sel, einem Mika­do­stäb­chen, einem Fin­ger berüh­re. Hell. stop. Federnd. stop. Pro­pel­lernd. stop. Klän­ge, für die in mei­nem suchen­den Wort­ge­hör noch kei­ne eige­ne Zei­chen­fol­ge zu fin­den ist. stop. stop. Die Stil­le beim Durch­blät­tern eines feuch­ten Buches in der Man­gro­ven­ab­tei­lung. — stop

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yanuk : zeitherz

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marim­ba

~ : yanuk le
to : louis
sub­ject : ZEITHERZ
date : nov 24 08 6.32 p.m.

Höhe 310. Beob­ach­te Pflan­zen seit drei Tagen. Auch in den Näch­ten, wenn ich unterm Pfei­fen der Mos­ki­tos nicht ein­schla­fen kann, war­te ich am Ran­de der Platt­form, las­se die Bei­ne bau­meln, hof­fe, dass der Schwarm schwe­ben­der Zwerg­see­ro­sen sich wie­der in Bewe­gung setz­ten wird. Lan­ge Stun­den der Ruhe, des Still­stan­des, stolz zei­gen sie ihre wei­ßen, ihre blau­en Blü­ten, schwim­men oder schwe­ben fast reg­los auf dem Nebel. Ist die­ser Nebel viel­leicht schon eine Wol­ke, bin ich so weit gekom­men, dass ich die Wol­ken­de­cke durch­sto­ßen habe? Ja, Stun­den der Bewe­gungs­lo­sig­keit, nur von einem leich­ten Wind­zug gestrei­chelt, aber dann, sehr plötz­lich, schlie­ßen sie zur sel­ben Sekun­de ihre locken­den Kel­che, eine Wel­le süßen Duf­tes wan­dert gegen den Him­mel, und es wird so still, als wären all die pfei­fen­den, sin­gen­den, krei­schen­den Geschöp­fe des Wal­des betäubt von der schwe­ren Sub­stanz der Pflan­zen­luft. Habe die Zeit gemes­sen, habe ver­sucht, einen Rhyth­mus des Schlie­ßens und Öff­nens zu fin­den, ver­geb­lich, viel­leicht, weil ich sie Jah­re beob­ach­ten müss­te, um ihre Fre­quenz zu ver­ste­hen. Ein­mal bin ich zurück in den Nebel getaucht, habe das Wur­zel­haar unter­sucht, fili­gra­ne Gefä­ße, rosa­far­ben, aber kei­ne Ver­bin­dung von Pflan­ze zu Pflan­ze. Ein Wun­der, wie sie das machen, syn­chron, simul­tan, als ver­füg­ten sie über ein gemein­sa­mes, ein gehei­mes Herz, das die Zeit zäh­len kann. – Wie­der letz­te Minu­ten vor Däm­me­rung. Das Rudel der Affen liegt um mei­ne Schreib­ma­schi­ne her­um. Du kannst Dir nicht vor­stel­len, Mr. Lou­is, von welch wei­cher, geschmei­di­ger Gestalt glück­li­che Affen sind. Selbst die Kno­chen ihrer klei­nen Köp­fe schei­nen der Schwer­kraft nach­zu­ge­ben. — Cucur­ru­cu! Yanuk

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22.18 UTC
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walfischspaziergang

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hima­la­ya : 8.05 — Wie ich mor­gens erwa­che und anstatt in einem Zim­mer zu lie­gen, mich unter einem schö­nen frei­en Him­mel wie­der­fin­de. Das ist eigent­lich noch kei­ne gro­ße Sache. Ich wür­de zunächst die Augen schlie­ßen und den­ken, das ken­ne ich doch, wie oft schon bin ich von einem Traum in den nächs­ten gewan­dert. Ganz still wür­de ich war­ten, um kurz dar­auf mei­ne Augen erneut zu öff­nen, und schon wie­der oder noch immer wäre die­ser schö­ne Him­mel über mir, ein leich­ter Wind wür­de wehen und die Luft duf­ten nach Salz und Tang. Wie ich mich auf­set­ze und schaue, hur­ra, Was­ser in allen Rich­tun­gen, Was­ser hin bis zum Hori­zont. Was für ein sel­te­ner Anblick, was für eine merk­wür­di­ge Erfah­rung! So plötz­lich auf hoher See, und der Boden, auf dem ich sit­ze, zit­tert, nein bebt, nein pulst, und ich wür­de den­ken, wie kost­bar die­ses Leben doch ist und dass ich mich nicht erin­nern kann, wie ich hier­her auf den Rücken eines Wales gekom­men bin. – Es ist jetzt zwei Stun­den nach Mit­ter­nacht, die Luft riecht nach Schnee und die Welt ist still. Alles schläft. Auch Sie wer­den schla­fen, wäh­rend ich die­sen Text notie­re. Aber nun ist etwas Zeit ver­gan­gen, und da Sie wach gewor­den sind, wer­den Sie viel­leicht fra­gen, wie ich zu die­ser Über­le­gung einer nächt­li­chen Mee­res­lan­dung gekom­men bin. Nun, das ist ganz ein­fach. Vor weni­gen Tagen hör­te ich, eine Frau habe sich gewünscht, ein­mal in ihrem Leben auf dem Rücken eines Wales zu ste­hen. Sie wür­de sich, sag­te man, ihrer Schu­he ent­le­di­gen und auf dem Rücken des Wales spa­zie­ren wie auf einem Unter­see­boot. Natür­lich habe ich dar­über nach­ge­dacht, was gesche­hen wür­de, wenn die­ser Wal, von dem hier tat­säch­lich die Rede ist, sich nicht in der Nähe einer Küs­te, son­dern auf dem offe­nen Meer, auf hoher See, befin­den wür­de. Ja, und was wür­de gesche­hen, wenn der Wal zu tau­chen wünsch­te, viel­leicht weil er hung­rig gewor­den ist, obwohl er doch die Schrit­te einer Men­schen­frau auf sei­nem Rücken spür­te. Stel­len Sie sich vor, ich weiß, wie er das macht. Der Wal wird lang­sam und geräusch­los sin­ken, jawohl. Aber noch ehe voll­stän­dig in die Tie­fe abge­taucht wer­den wird, wird er noch ein­mal zurück­keh­ren und ruhig neben der schwim­men­den Frau im Was­ser lie­gen, wird etwas Luft­schaum bla­sen und ihr sein Auge zei­gen. Ja, so genau wird der Wal das machen, und dann wird er in der Tie­fe ver­schwun­den sein, und viel­leicht, nein, sehr sicher, wird die schwim­men­de Frau einen fei­nen Gesang aus der Tie­fe ver­neh­men, die Geschich­te einer Begeg­nung von einem Wal den Walen erzählt, eine Kurz­ge­schich­te, mehr Zeit ist nicht. — stop

 

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schlafen in turku

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echo : 8.28 — Ist Ihnen viel­leicht bekannt, dass Wale, Pott­wa­le genau­er, wenn sie schla­fen, Kopf nach oben im Was­ser schwe­ben? Lang­sam sin­ken­de Tür­me, lei­se sin­gend, lei­se knat­ternd, fried­vol­le Ver­samm­lun­gen, die mit dem Golf­strom trei­ben. Wenn Sie ein­mal wach lie­gen soll­ten, wenn Sie nicht schla­fen kön­nen, weil Sor­gen Sie bedrän­gen oder ande­re schmerz­vol­le Gedan­ken, wird es hilf­reich sein, eine Tauch­fahrt zu unter­neh­men im Kopf durchs Bild der träu­men­den Wale. Oder Sie rei­sen an die Ost­see, neh­men die nächs­te Fäh­re nach Tur­ku. Sie wer­den dann schon sehen. Bal­lo­ne, zum Bei­spiel, Bal­lo­ne wer­den Sie sehen am Hori­zont, Bal­lo­ne am dämm­ri­gen Him­mel, dort müs­sen Sie hin. Alles ist gut zu Fuß zu errei­chen, eine Stun­de oder zwei, nicht län­ger, je nach Gepäck. Man wird Sie schon erwar­ten, man wird Sie freund­lich begrü­ßen, man wird Sie fra­gen, wie lan­ge Zeit Sie zu schla­fen wün­schen, wel­cher Art die Din­ge sind, die Sie zu ver­ges­sen haben, die Sie beschwe­ren. Man wird Ihren Blick zum Him­mel len­ken und Sie wer­den erken­nen, dass unter den Bal­lo­nen Men­schen schwe­ben, auf­recht und reg­los, in Dau­nen­män­tel gehüllt, von einem leich­ten Wind hin und her geschau­kelt, hun­der­te, ja tau­sen­de Men­schen. — - Stil­le herrscht. — - Nur das Fau­chen der Feu­er­ma­schi­nen von Zeit zu Zeit. – Guten Mor­gen! Heu­te ist Diens­tag oder Mitt­woch oder Sams­tag. Auf nach Turku!

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lichtwellensegel

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romeo : In der ver­gan­ge­nen Nacht war ich begeis­tert in Chi­ca­go auf dem Bild­schirm. Ich hat­te des­halb kei­ne Zeit, einen Text zu schrei­ben oder über einen Text nach­zu­den­ken. Will nun statt­des­sen ein klei­nes Stück zitie­ren, das ich im Okto­ber des ver­gan­ge­nen Jah­res bereits notier­te, als ich sehr glück­lich gewe­sen war. Fol­gen­des: Man stel­le sich ein­mal ein Zim­mer vor, ein freund­li­ches, hel­les Zim­mer von aller­feins­ter Qual­len­haut, von Was­ser, von Salz, von Licht. Man könn­te die­ses Zim­mer, und alles, was sich im Zim­mer befin­det, das Qual­len­bett, die Qual­len­uhr, und all die Qual­len­bü­cher und auch die Schreib­ma­schi­nen von Qual­len­haut, trock­nen und fal­ten und sich 10 Gramm schwer in die Hosen­ta­sche ste­cken. Und dann geht man mit dem Zim­mer durch die Stadt spa­zie­ren. Oder man geht kurz mal um die Ecke und setzt sich in ein Kaf­fee­haus und war­tet. Man sitzt also ganz still und zufrie­den unter einer Ven­ti­la­tor­ma­schi­ne an einem Tisch, trinkt einen Becher Kakao und lächelt und ist gedul­dig und sehr zufrie­den, weil nie­mand weiß, dass man ein Zim­mer in der Hosen­ta­sche mit sich führt, ein Zim­mer, das man jeder­zeit aus­pa­cken und mit etwas Was­ser, Salz und Licht, zur schöns­ten Ent­fal­tung brin­gen könn­te. – Null Uhr acht: Haben wir noch alle Tas­sen im Schrank? — stop

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