Aus der Wörtersammlung: stunde

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elefanten

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zou­lou : 8.30 — In der ver­gan­ge­nen Nacht träum­te ich eine lus­ti­ge Geschich­te, das heißt, ich träum­te mich in ein Bild, das mir bekannt zu sein schien, wes­halb ich ein Selbst­ge­spräch führ­te, in etwa so, als wür­de ich einen Film kom­men­tie­ren. Als ich wach gewor­den war, erin­ner­te ich mich, vor eini­ger Zeit eine Traum­ge­schich­te auf­ge­zeich­net zu haben, die von selt­sa­men Men­schen­oh­ren erzähl­te. Und tat­säch­lich habe ich die­se Geschich­te und mit ihr den Traum der ver­gan­ge­nen Nacht gera­de eben wie­der­ge­fun­den, sodass heu­te Mor­gen nichts zu tun ist, als die Wie­der­ho­lung des Trau­mes von den selt­sa­men Ohren und sei­nen Zei­chen­schat­ten auch an die­ser Stel­le zu doku­men­tie­ren. Ich saß also vor län­ge­rer Zeit und noch vor weni­gen Stun­den > in einem Cafe nahe eines Mee­res unter Män­nern, die Go oder etwas ande­res spiel­ten mit klei­nen, run­den, bern­stein­far­be­nen Stei­nen. Die Luft an die­sem Ort war heiß und tro­cken, des­halb wun­der­te ich mich nicht, dass die Män­ner, die von hohem Alter gewe­sen waren, sich mit gewal­ti­gen Ohren Luft zufä­chel­ten in der Art und Wei­se der Ele­fan­ten. Selt­sa­me Geräu­sche waren zu hören, schwe­re, knar­zen­de Töne, als wür­de an höl­zer­nen Schrau­ben gedreht. Und doch war die Haut der Ohren so fein, dass man durch sie hin­durch sehen konn­te. Sobald sie hin­ter den ver­wit­ter­ten Köp­fen zusam­men­schlu­gen, wur­den die Augen der Herrn zu Schlit­zen, beweg­ten sich die luf­ti­gen Häu­te zurück, öff­ne­ten sie sich. Hin­ter dem Tre­sen däm­mer­te ein wei­te­rer Mann, der hat­te sich mit sei­nem Per­ga­ment das Gesicht zuge­deckt. Ich betrach­te­te ihn eine Wei­le, und schon war ich, noch im Ste­hen, dem heu­ti­gen Tag zu ein­ge­schla­fen. – Guten Mor­gen! Heu­te ist Sonntag. 

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kukkuruku

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kuk­ku­ru­ku : 18.10 — Ich mag die Gegen­wart nicht in gegen­wär­ti­gen Wör­tern erzäh­len. stop. Wenn ich die Gegen­wart erzäh­le, ver­wen­de ich Wör­ter einer alten Zeit. stop. War­um? stop. Glüh­lam­pe. stop. Vor den Fens­tern ists dun­kel gewor­den. stop. Nach 6 Stun­den vor der Schreib­ma­schi­ne wer­den anstatt Wör­tern, noch Satz­stem­pel aufs Papier gesetzt. stop.

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feuerbäume

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nord­pol : 2.15 — Im Süden, in den Ber­gen, liegt ein Tal in gro­ßer Höhe, eine Hoch­ebe­ne, die dicht von Ahorn­bäu­men bewach­sen ist. Jedes Jahr im Herbst möch­te man mei­nen, ein gro­ßes Feu­er sei im Tal unter den Bäu­men aus­ge­bro­chen, eine Feu­ers­brunst, die nicht nur alle die ver­wit­ter­ten Bäu­me ver­schlin­gen woll­te, son­dern gleich noch ein paar Berg­gip­fel und Dör­fer dazu. Aber das ist natür­lich Unsinn, die Luft ist für ein wirk­li­ches Feu­er viel zu kalt und die Wie­sen unter den Bäu­men sind saf­tig und feucht. Libel­len, schon lang­sam gewor­den, flie­gen auf und ab. Sie ahnen den Win­ter, wie die Sumpf­dot­ter­blu­men, die mor­gens nur noch sehr sel­ten auf­ste­hen wol­len. Nichts Auf­re­gen­des also in die­ser Land­schafts­be­schrei­bung. Alles das kommt vor in den Ber­gen, auch Schu­len blut­jun­ger Ken­tau­ern, die in der Däm­me­rung ver­geb­lich nach Hasen jagen. Wenn da nicht jene selt­sa­men Pil­ze wären, die noch ohne Namen sind, weil man sich bis­her nicht eini­gen konn­te, ob sie nun tat­säch­lich noch Pil­ze oder nicht doch schon ganz ande­re Wesen sind. Solan­ge das Son­nen­licht ins Tal ein­fal­len kann, ver­ste­cken sie sich zwi­schen den Grä­sern der Berg­wie­se in Gestalt der Bovis­te, sobald es aber dun­kel gewor­den ist, ich kann ihnen sagen, flie­gen sie los. Sie ent­fal­ten Schir­me von unglaub­li­cher Grö­ße und leuch­ten in zitro­nen­gel­ber Far­be und schwe­ben stun­den­lang und völ­lig laut­los dicht über die Kro­nen der Ahorn­bäu­me dahin. Was haben Pil­ze dort oben am Him­mel ver­lo­ren? Und wie fin­den sie wie­der zurück auf die Erde? War­um über­haupt kom­men sie zurück? Selt­sa­me Sub­stan­zen. Ich muss das im Auge behal­ten. – Es ist jetzt kurz nach 2 Uhr. Eigent­lich hat­te ich vor, einen klei­nen Brief an Kenzabu­ro Oe zu schrei­ben, um ihm mit­zu­tei­len, dass Mrs. Cal­las ges­tern in den frü­hen Mor­gen­stun­den nun end­gül­tig abrei­sen konn­te, dass sie für mich wie­der zu rei­nen Schrift­zei­chen gewor­den ist. Für die­sen Brief ist es jetzt zu spät. Wer­de mor­gen eine Depe­sche notieren.

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lichtzeitmaschine

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romeo : 0.01 — Glüh­bir­nen sam­meln für 500 Jah­re Glüh­fa­den­licht. stop. Dazu Hand­kur­bel­ma­schi­nen zur Strom­erzeu­gung. stop. Denk­bar, dass ich den Ursprung einer wil­den Geschich­te ent­deck­te, wäh­rend ich ges­tern Nach­mit­tag schla­fend durch den Pal­men­gar­ten spa­zier­te. stop. Ver­rückt sein. stop. Eine lite­ra­ri­sche Geschich­te ins wirk­li­che Leben zie­hen. stop. Seit Stun­den nun geis­tert das Wort Men­lo­park durch mei­nen Kopf. stop. Ahne, woher das schö­ne Wort gekom­men ist. stop. Wie lan­ge Zeit, bei güns­tigs­ten Wit­te­rungs­be­din­gun­gen, leuch­tet eine 60 Watt Glüh­lam­pe? stop.

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luftfische

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tan­go : 0.01 — Eine Nacht kon­zen­trier­ter Arbeit. stop. Begin­ne Cal­las Box 2.0 zu mon­tie­ren. stop. Tau­sen­de Bewe­gun­gen mei­ner Hän­de. stop. Im Zeit­raf­fer, die Bewe­gun­gen einer Näh­ma­schi­ne. stop. Click tick tick tick. stop. Jeder Bewe­gung geht ein prü­fen­der Blick vor­aus. stop. Jeder voll­zo­ge­nen Bewe­gung folgt ein prü­fen­der Blick. stop. Ich weiß, dass ein nicht sofort ent­deck­ter Feh­ler im Code, Stun­den der Suche bedeu­ten wür­de. stop. Hei­ße Scho­ko­la­de. stop. Immer wie­der ein­mal auf­ste­hen und spa­zie­ren gehen. stop. Leich­te elek­tri­sche Ent­la­dun­gen der Luft. stop. Als wür­den mich luft­schwe­ben­de Fische küs­sen. stop. 

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ein bauch voll licht

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alpha : 0.01 — Kurz nach Mit­ter­nacht, also Nach­mit­tag. Ich habe gera­de eine Tas­se hei­ßer Scho­ko­la­de getrun­ken, und wie immer, wenn ich Scho­ko­la­de getrun­ken habe, mei­ne ich, vom Licht uralter Glüh­bir­nen genascht zu haben. Jetzt ste­he ich mit einem war­men Bauch voll Licht vor einem Fens­ter, hin­ter dem pola­re Käl­te knis­tert. Ja, eine ange­neh­me Nacht ist ange­bro­chen. Ich könn­te gleich eine Rei­se begin­nen. Ich stel­le mir eine Lese­zeit wie eine Rei­se­zeit vor? Ich set­ze mich auf mein Sofa, öff­ne ein Buch gesam­mel­ter Geschich­ten, sagen wir, gesam­mel­ter Geschich­ten aus aller Welt, und lese. Ich lese fünf Stun­den, ohne ein­zu­schla­fen, weil die Geschich­ten, die ich lese, gute Geschich­ten sind. Dann trin­ke ich Kaf­fee und lau­fe ein wenig in der Woh­nung her­um. Dann schla­fe ich. Dann lese ich wei­ter. Dann schla­fe ich wie­der. Habe ich aus­rei­chend Was­ser, Enten, Brot für eine Woche?

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flimmern

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sier­ra : 6.15 — Ich hat­te mein Fern­seh­ge­rät für einen kur­zen Moment ein­ge­schal­tet, das heißt, ich woll­te für eine Minu­te, gewiss nicht län­ger, nach­se­hen, was sich gera­de ereig­net, sagen wir, aus der Ent­fer­nung betrach­tet nahe und in der Stadt Gaza. Nach fünf Stun­den hat­te ich den Appa­rat noch immer nicht aus­ge­schal­tet, wes­halb ich an die­sem vor Käl­te knis­tern­den Mor­gen kei­ne schreib­ba­ren Gedan­ken, als die­se Gedan­ken, notie­ren kann. Und nun soll­te ich doch viel­leicht aner­ken­nen, dass ich mich heu­te Nacht ver­lo­ren habe. Was ist eigent­lich in mei­nem Kopf ange­kom­men? Was habe ich gese­hen? Was habe ich gehört? War­um habe ich nichts gedacht? Oder habe ich doch etwas gedacht? Was habe ich gefühlt? War­um habe ich das Fern­seh­ge­rät nicht aus­ge­schal­tet? Was ist das eigent­lich, die­ser fla­che Schirm in mei­ner nächs­te Nähe, der mir Welt vor­spielt wie sie ist und wie sie nicht ist zur glei­chen Zeit? Was machen die Vögel vor mei­nem Fens­ter? Sie sind sie viel­leicht alle gefro­ren und von den Bäu­men gefal­len? Guten Mor­gen. stop. Gute Nacht. stop.

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anatomie der luft

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alpha : 0.02 — Wie­der eine hal­be Stun­de ver­sucht, einen sechs­ten Fin­ger an mei­ne lin­ke Hand zu den­ken. Und wie­der spür­te ich einen sechs­ten Fin­ger nur dann, wenn ich einen lin­ken und einen rech­ten sechs­ten Fin­ger dach­te zur sel­ben Zeit, wenn ich also bei­de Hän­de auf den Tisch leg­te und in mei­nem Kopf bear­bei­te­te. stop. Eine selt­sa­me Beob­ach­tung nach wie vor. stop. Auch, dass ich mit Duke Elling­ton im Kopf unver­züg­lich glau­be, wei­te­re sieb­te Fin­ger­we­sen illu­mi­nie­ren zu kön­nen. stop. Kurz nach Mit­ter­nacht. stop. Leich­ter Schnee­fall. stop.

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mrs. callas zählt schneeflocken

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marim­ba­ma­rim­ba : 0.01 — Wenn Mrs. Cal­las Schnee­flo­cken zählt, will sie jede Flo­cke mit ihren Zei­ge­fin­gern berüh­ren. Aus der Ent­fer­nung betrach­tet, könn­te man dann mei­nen, Mrs. Cal­las wür­de sich mit nicht sicht­ba­ren Engeln unter­hal­ten, oder mit Engeln, die so klein sind, dass sie für das Licht nicht ins Gewicht fal­len. Ja, wenn Mrs. Cal­las Schnee zu zäh­len wünscht, spricht sie mit ihren Hän­den mit der Luft. Sie ist sehr schnell in die­ser Bewe­gung des Spre­chens und sie ist glück­lich, habe ich den Ein­druck, ein Mäd­chen, wie sie am klei­nen See des Pal­men­gar­tens auf Zehen­spit­zen steht und so herz­lich lacht, dass die Rei­her ange­flo­gen kom­men, die eigent­lich längst schon nach Afri­ka abge­reist sein soll­ten. Ich glau­be, flüs­tert sie, jetzt habe ich den Über­blick ver­lo­ren. Wir sind dann noch her­um spa­ziert zwei Stun­den und haben dis­ku­tiert, was Mrs. Cal­las an Bord der Sea­town gern tra­gen wür­de, etwas leich­tes natür­lich, wegen der schwü­len Hit­ze, die zu erwar­ten sein wird, weil wir uns das so aus­ge­dacht haben von Zeit zu Zeit, das Inven­tar einer Welt, die eigent­lich nicht exis­tiert.- stop

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lichtspiel

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rum­ba : 0.08 — Ges­tern Abend gegen 22.00 Uhr ist etwas Merk­wür­di­ges gesche­hen. Ich hat­te drei Stun­den ver­tieft an einem Text gear­bei­tet, da wur­de ich von einer Sekun­de zur ande­ren Sekun­de von einem hef­ti­gen Glücks­ge­fühl ange­sprun­gen, von einem Kat­zen­tier, das viel­leicht schon eini­ge Wochen in nächs­ter Nähe gewar­tet hat­te, um sich nun, — geschmei­di­ges, schnur­ren­des Wesen -, wär­mend um mei­nen Hals zu legen. stop. Was frisst die­ses Tier, was trinkt es, kann es schrei­ben? stop. Gute Nacht. — stop.

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