Aus der Wörtersammlung: gott

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fifth avenue – lemur

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tan­go : 20.
56 — Papp­kar­ton­hüt­ten auf Trep­pen, die zu Kir­chen­räu­men füh­ren, zer­lump­te, sich bewe­gen­de Gebil­de. Seit Stun­den geht mir ein Satz nicht aus dem Kopf, der in New Yor­ker Sub­way – Zügen immer wie­der ein­mal zu lesen ist: Give the home­l­ess the kind of chan­ge they can real­ly use. Irgend­et­was irri­tiert in die­ser Zei­le. — Abend. Warm und schwül der Atem der Stra­ßen. Vor der St Patricks Cathe­dral, Fifth Ave­nue, liegt eine Frau ohne Bewusst­sein um einen Hydran­ten gewi­ckelt auf dem Boden. Eine Rat­te zerrt an ihrem Gepäck­wa­gen. Das ner­vö­se Tier hebt den Kopf, scheint mich zu betrach­ten, die­sen Mann in fei­nen Hosen, mit tadel­lo­sen Wan­der­schu­hen, der bei geöff­ne­tem Mund vor­sich­tig atmet. Bei­ßen­der Gestank ruht in der Luft. Ich ste­he, ich den­ke, sie wird bald ster­ben, die­se Frau wird bald ster­ben. Sie könn­te eine Mut­ter sein. Ihre eit­ri­gen Hän­de. Ihr schmutz­grau­es Gesicht. Ihr stau­bi­ges Haar. Ihre tief in den Kopf ein­ge­sun­ke­nen Augen. Was ist, was nur um Got­tes­wil­len ist gesche­hen, dass sie so endet?

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standby

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nord­pol

~ : louis
to : Mr. jona­than noe kekkola
sub­ject : STANDBY

Mein lie­ber Jona­than, Mitt­woch ist gewor­den, frü­her Mor­gen, höchs­te Zeit, eine Nach­richt zu über­mit­teln, die Sie viel­leicht trau­rig stim­men wird. Sie haben gehört, eine Insel nahe Grön­land spricht seit Tagen mit­tels Feu­er und Asche zur Welt. Ver­mut­lich wer­den Sie sich fra­gen, war­um ich Ihnen davon erzäh­le. Nun, der Him­mel über Euro­pa ist zu einem unsi­che­ren Ort gewor­den, Staub­stei­ne flie­gen durch die Luft in gro­ßer Höhe, es ist denk­bar, dass sich mei­ne Rei­se zu Ihnen nach Ame­ri­ka ver­zö­gern wird. Ich habe des­halb eine Bit­te an Sie, lie­ber Mr. Kek­ko­la, den drin­gen­den Wunsch habe ich, dass Sie selbst, soll­te ich im Mai, am 2. des Monats, nicht auf Coney Island erschei­nen, für mich dort sit­zen und den Hori­zont foto­gra­fie­ren wer­den, unse­re Ele­fan­ten, Sie ver­ste­hen, Spu­ren unse­rer Ele­fan­ten! Ich wäre Ihnen so sehr herz­lich dank­bar, mein lie­ber Freund. Machen Sie sich um Got­tes­wil­len unver­züg­lich auf den Weg! Bis bald, ich hof­fe, bis bald! STANDBY. – Ihr Lou­is. Ahoi! ps. Besit­zen Sie eine Kamera?

gesen­det am
21.04.2010
6.22 MESZ
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lou­is to jonathan
noe kekkola »

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lustgärten

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echo : 0.22 — Robert Wal­ser in einer Nacht­mi­nu­te eben: Der Mensch ist ein fein­füh­li­ges Wesen. Er hat nur zwei Bei­ne, aber ein Herz, wor­in sich ein Heer von Gedan­ken und Emp­fin­dun­gen wohl­ge­fällt. Man könn­te den Men­schen mit einem wohl­an­ge­leg­ten Lust­gar­ten ver­glei­chen. Wenn wir alle wären wie wir sein soll­ten, näm­lich wie es Gott uns gebie­tet zu sein, so wären wir unend­lich glück­lich. — Wie­der­um ver­sucht und noch zu fin­den: Eine Gebär­de, die das Wort Hibi­scil­li voll­stän­dig ent­hält, eine Ges­te der Freu­de, eine zärt­li­che Berüh­rung der Luft.
ping

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feuerkäfer

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hima­la­ya : 15.01 — Mit Freu­de an der Ent­de­ckung, an der Erfin­dung leuch­ten­der Wör­ter : Pini­en­syn­ap­se Bobol­i­no Lamel­le­ni­ris Tim­buk­tu Posau­ne Pata­go­ni­en metro­po­li­tan Kirsch­was­ser Kolo­ni­al­wa­ren­la­den Unter­was­ser­pan­ther Kamel Kara­wa­ne Zünd­holz Lumum­ba Got­tes­an­be­te­rin Kak­tee­nor­ches­ter Fla­neur Neu­fund­land Pene­lo­pe Stam­pe­ria Ohr­fei­ge Schi­rok­ko Him­mels­lei­ter Hibis­kus Sand­sturm Ohren­kuss Papier­licht Nas­horn­vo­gel Ping­pong luxie­ren Sala­man­der Depe­sche Engels­zun­ge Pyra­mi­den­bahn Glüh­bir­ne Suma­tra Madras Sema­pho­ring Cen­tral­sta­ti­on Feu­er­kä­fer Laby­rinth Nacht­haus Ölträ­ne Schnee­spin­ne Holo­lo­lun­der : silen­zio. — Sonn­tag. Leich­ter Regen. Wie ver­dammt gut die Luft heut riecht.

ping

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schreibtischkäfer

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echo : 1.52 — Seit einer Stun­de genau wohnt ein Käfer auf mei­nem Schreib­tisch. Der Käfer ist so klein, dass ich ihn zunächst nicht sehen konn­te, aber ich konn­te ihn rie­chen, er roch nach hei­ßem Zinn, was doch sehr selt­sam war, weil der Käfer, als ich ihn nach län­ge­rer Suche end­lich gefun­den hat­te, kühl, wenn nicht kalt in mei­ner Hand auf dem Rücken lag. Ich war zunächst in die Küche gewan­dert, um nach mei­nem Bügel­eisen zu sehen, dann öff­ne­te ich die Woh­nungs­tür, inspi­zier­te mei­nen Kühl­schrank, prüf­te den Zustand mei­ner Nase, und kehr­te an den Schreib­tisch zurück. Jetzt hat­te sich der Käfer durch Bewe­gung ver­däch­tig gemacht. Da war nun also ein Käfer sicht­bar gewor­den unter einer Lupe, und die­ser Käfer, der nach hei­ßem Zinn roch, bit­ter, und süß nach Maschi­nen­öl, trug anstatt eines Pan­zers Men­schen­haut. Als ich ihn mit einem Fin­ger vom Tisch in mei­ne Hand­flä­che schob, öff­ne­te er sei­ne Flü­gel und kämpf­te, um Luft unter sei­ne Trag­flä­chen zu bekom­men. Alle Mühe war ver­geb­lich, der Käfer war zu schwer oder doch zu müde, von einer län­ge­ren Rei­se, weiß Gott woher. — Weit nach Mit­ter­nacht, schwü­le Luft, sit­ze vor dem Schreib­tisch, betrach­te den Käfer und der Käfer betrach­tet mich. Der Ein­druck, wir bei­de sind nicht sicher, ob wir nicht viel­leicht, der eine dem ande­ren, je ein Alb­traum sind. — stop

ping

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panzerwesen

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del­ta : 5.05 — Selt­sa­me Pan­zer­we­sen, die heu­te Nacht über mei­nen Schreib­tisch tau­meln. Sind wie besof­fen. Sind, wäh­rend ich in Jürg Feder­spiels Typho­id Mary las, weiß Gott woher auf­ge­taucht, man­che paar­wei­se an ihren Hin­ter­tei­len ver­lö­tet. Schwarz sind sie, tin­ten­schwarz, und rie­chen streng nach Mus­kat und die­sen Din­gen. In nächs­ter Nähe, zur sel­ben Zeit, zwei klei­ne Flie­gen, eine gelb, die ande­re grau und schwarz. Ent­we­der auch hier etwas Lie­be oder aber die dunk­le Flie­ge saugt der hel­len Flie­ge das Leben aus dem Hals. — 4 Uhr 25. Däm­me­rung. Minu­ten­wei­se ver­län­gert sich die Nacht. — stop

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