Aus der Wörtersammlung: mich

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mrs. callas pfeift

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echo : 3.15 — Man stel­le sich das ein­mal vor, Mrs. Cal­las kann pfei­fen. Sie war zu Besuch gekom­men und hat­te eine beson­de­re Foto­gra­fie ent­deckt. Auf die­ser Foto­gra­fie sitzt sie unter Men­schen an einem Tisch, den sie nicht erin­nern konn­te, und dar­über war sie ver­wun­dert oder beun­ru­higt, also mach­te sie merk­wür­di­ge Geräu­sche mit dem Mund. Wer sind die­se Leu­te, woll­te sie wis­sen. Wann war das gewe­sen? Woher haben Sie die­se Foto­gra­fie? — Wir gin­gen dann noch spa­zie­ren um kurz nach Mit­ter­nacht. Ange­neh­mes Papier­licht, die Son­ne war nicht unter­ge­gan­gen, strahl­te etwas schläf­rig am Him­mel her­um. Noch immer leich­ter See­gang, aber zwei schö­ne Stun­den hei­te­rer Gesprä­che. Wie ich mich freu­te, Mrs. Cal­las stau­nen zu sehen. Ich habe kei­ne Kin­der, nein, nein, ich habe kei­ne Kin­der. Doch, doch sag­te ich, Sie haben Kin­der gebo­ren, sie sind eine fabel­haf­te Mut­ter. Sie­ben Töch­ter, jawohl, sie­ben sehr selt­sa­me Töch­ter, Sie wer­den sich doch um Him­mels­wil­len an ihre Töch­ter erin­nern, an Sven­ja, Mar­le­ne, Bob­by, Lyd­wi­en, Vass­il­li­ki, Eleo­no­re, Bumu­bai. Soll ich Ihnen von Ihren Gebur­ten erzäh­len, Mrs. Cal­las? – Kaum zurück, leg­te sie sich aufs Sofa und ver­tief­te sich wie­der in jenes Bild, das von ihr, wie sie glaub­te, abge­nom­men wor­den war. Manch­mal näher­te sie sich mit einem Fin­ger, flüs­ter­te, oh, ich glau­be, da ist etwas, die­sen Herrn ken­ne ich viel­leicht, ja, das könn­te ein Musi­ker sein, ein Bas­sist, nein, das ist einer, der Cel­lo spielt. — Seit Stun­den nun liegt sie so her­um. Sie hat etwas von einer Kat­ze, ganz ohne Zwei­fel. Ich weiß, sie wird sich bald erhe­ben, und sie wird zu mir her­über kom­men, wird die Foto­gra­fie auf den Schreib­tisch legen und sagen: Irgend­et­was stimmt hier nicht, Mr. Lou­is! Ich glau­be, ich wer­de jün­ger. Ich glau­be, die Zeit geht falsch her­um. Was haben Sie dazu zu sagen? Spre­chen Sie!

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glücklicher brief an vladimir nabokov : propeller

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marim­ba

~ : louis
to : Mr. vla­di­mir nabokov
sub­ject : PROPELLER

Lie­ber Mr. Nabo­kov, ges­tern Abend, nach einem lan­gen Spa­zier­gang und dem Besuch einer Bar, in der ein paar halb­wegs betrun­ke­ne Freun­de saßen, hab ich mich an ihre Vor­le­sung­über Franz Kaf­kas Ver­wand­lung erin­nert, an Ihre lie­be­vol­le und akri­bisch genaue Unter­su­chung des Tex­tes, an ihre Käfer­zeich­nun­gen von eige­ner Hand, mit wel­chen Sie ver­such­ten eine Vor­stel­lung zu gewin­nen von Wesen und Gestalt jener Hül­le, in die Gre­gor Samsa ein­ge­schlos­sen wor­den war. Ja, die Genau­ig­keit, mit der man sich erfin­dend einem Gegen­stand nähert oder die Genau­ig­keit, mit der man einen erfun­de­nen Gegen­stand sezie­ren kann, immer wie­der begeg­ne ich wäh­rend mei­ner Arbeit Ihren Unter­su­chun­gen, Ihrer Metho­de. Vor­ges­tern hat­te ich bei einer ers­ten Annä­he­rung an eine Geschich­te, die von leben­den Papie­ren erzäh­len wird, das Wort Pro­pel­ler­flü­gel in den Mund genom­men, ohne zu ahnen, dass Pro­pel­ler in der Welt leben­der Orga­nis­men nur sehr schwer zu ver­wirk­li­chen sind, weil ein Pro­pel­ler sich doch frei bewe­gen muss, dre­hend in einer Fas­sung, die ihn lose hält, sodass ein leben­der Orga­nis­mus aus einem wei­te­ren Kör­per bestehen müss­te, der ganz zu ihm gehö­ren wür­de und doch nicht ganz zu ihm gehö­ren kann. Nun habe ich beschlos­sen, die Vor­stel­lung der Pro­pel­ler­flü­gel nicht so ohne wei­te­res auf­zu­ge­ben. Ich habe mir gedacht, dass ein Pro­pel­ler, der aus orga­ni­schen Mate­ria­len bestehen wird, viel­leicht auf ato­ma­rer Ebe­ne einem flug­fä­hi­gen Kör­per ver­bun­den sein könn­te, ver­bun­den durch Mole­kü­le, die im Moment einer Flug­be­we­gung, den Rotor von Haut und Kno­chen einer­seits anzu­trei­ben in der Lage sind und ande­rer­seits je für einen kur­zen Moment in die Frei­heit ent­las­sen. Und jetzt bin ich glück­lich und hof­fe, dass sie an mei­nem Ent­wurf Gefal­len fin­den wer­den. – mit aller­bes­ten Grü­ßen Ihr Louis

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animals : herzgeräusch

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romeo : 7.52 — Neh­men wir ein­mal an, ein Bogen leben­den Papiers in der Grö­ße 15 x 30 Zen­ti­me­ter wür­de aus 750 Tau­send Tie­ren bestehen, ja, und neh­men wir ein­mal an, die­ses Papier wür­de bereits in der wirk­li­chen Welt exis­tie­ren, dann wür­den vor uns auf einem Tisch 750 Tau­send klei­ne Her­zen schla­gen. Und ich dach­te mir unver­züg­lich, da muss doch irgend­ein Geräusch wahr­zu­neh­men sein, so vie­le Her­zen in nächs­ter Nähe auf engs­tem Raum. Erin­ner­te mich an mei­ne Ver­wun­de­rung, als ich bemerk­te, dass ich mein eige­nes Herz nicht schla­gen hören kann und auch nicht das Herz einer Gelieb­ten, solan­ge ich nicht mein Ohr an ihre Brust lege und in sie hin­ein­hö­re. Nun aber, in die­ser Nacht eines som­mer­li­chen Regens, zweif­le ich nicht, dass man, wenn man sich mit einem Ohr einem mei­ner leben­den Papie­re näher­te, ein beson­de­res Geräusch ver­neh­men wür­de. Auch einen Hauch von Luft wür­de man wohl spü­ren, eine Strö­mung, weil sie alle durch­ein­an­der atmen. stop. Auf­ga­be für Sonn­tag. stop. Geräu­schwort finden. 

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geraldine : ein wunder geschieht

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nord­pol

~ : geraldine
to : louis
sub­ject : EIN WUNDER GESCHIEHT

Als es noch dun­kel war, bin ich wach gewor­den, weil das Schiff unter mir schlin­ger­te. Was­ser schlug gegen das Bull­au­ge über mei­nem Bett. Ich setz­te mich auf und spür­te, dass ich an die­sem Tag Kraft haben wür­de. Ich hat­te soviel Kraft, dass ich mühe­los mei­nen Bade­man­tel und mei­ne Jacke anzie­hen konn­te. Nur als ich mir die Schu­he bin­den woll­te, wur­de mir schwin­de­lig und ich wäre um ein Haar umge­fal­len. Wis­sen Sie, Mr. Lou­is, dass ich plan­te, ganz allein für mich das Haupt­deck zu erklim­men. Ver­rückt, fin­den Sie nicht auch? Ich konn­te mich kaum auf den Bei­nen hal­ten, weil der See­gang mich schau­kel­te, aber ich schaff­te eine Trep­pe und noch eine zwei­te, dann ging ich in die Knie. Ein älte­rer Herr weck­te mich, sei­ne Haut war schwarz und sein Haar schloh­weiß. Er half mir auf­zu­ste­hen, und ich sag­te ihm, dass ich das Haupt­deck errei­chen woll­te, aber anstatt mich vor das Meer zu set­zen, setz­te er mich in ein Cafe und hör­te mir zu und wun­der­te sich, dass ich so blass war. Ich habe ihm nichts von mei­nen schwe­ren Gedan­ken erzählt, aber davon, dass ich See­post­brie­fe an mei­ne Schwes­ter Yanuk schrei­be, die ich sehr lie­be, mei­ne Zwil­lings­schwes­ter, die ein Kind erwar­tet, ein Kind, das viel­leicht ein­mal wie sei­ne Mut­ter Yanuk hei­ßen wird. Ich glau­be, er freu­te sich, und dann erzähl­te er eine fei­ne Geschich­te. Er sag­te, dass er vor vie­len Jah­ren sehr ver­liebt gewe­sen sei. Die Frau, die er lieb­te, war eine wei­ße Frau gewe­sen, die in einer der bes­se­ren Gegen­den der Stadt wohn­te, wäh­rend er selbst in einem ärm­li­chen Vier­tel in einem Back­stein­haus leb­te. Anfangs schrieb sie ihm Brie­fe, sag­te der Mann, aber er hat­te die­se Brie­fe zunächst nicht erhal­ten, weil der Brief­kas­ten sei­nes Hau­ses ver­schwun­den war. Sie besuch­te ihn und frag­te, war­um er ihr nicht ant­wor­ten wür­de, und er erzähl­te, dass nicht nur der Brief­kas­ten ver­lo­ren gegan­gen sei, son­dern das gan­ze Haus sich in Auf­lö­sung befin­den wür­de. Dann geschah ein Wun­der. Am über­nächs­ten Tag kam ein Post­au­to mit einem Post­mann, der einen feu­er­ro­ten Brief­kas­ten an das Haus schraub­te, wäh­rend der alte Mann, der damals noch jung gewe­sen war, zuge­se­hen hat­te. Auf den Brief­kas­ten war die Adres­se sei­nes Hau­ses und sein Name geschrie­ben und er war mit einem Dut­zend groß­ar­ti­ger Brief­mar­ken beklebt. Natür­lich hat­te sich der alte Mann sehr gefreut. Und als er am nächs­ten Tag wie­der zum Brief­kas­ten ging, lag ein Brief für ihn dar­in. Ich muss­te wei­nen, Mr. Lou­is, als ich die­se Geschich­te hör­te. Dann trug mich der alte Mann mit einem Ste­ward in mei­ne Kajü­te, und da sit­ze ich nun auf mei­nem Bett und schrei­be an Sie, wäh­rend die Gischt über mei­nem Bett mit mei­nem Bull­au­gen­fens­ter spricht. — Ihre Geral­di­ne auf hoher See.

notiert im Jah­re 1962
an Bord der Queen Mary
auf­ge­fan­gen am 03.12.2008
22.08 MEZ

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walfischspaziergang

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hima­la­ya : 8.05 — Wie ich mor­gens erwa­che und anstatt in einem Zim­mer zu lie­gen, mich unter einem schö­nen frei­en Him­mel wie­der­fin­de. Das ist eigent­lich noch kei­ne gro­ße Sache. Ich wür­de zunächst die Augen schlie­ßen und den­ken, das ken­ne ich doch, wie oft schon bin ich von einem Traum in den nächs­ten gewan­dert. Ganz still wür­de ich war­ten, um kurz dar­auf mei­ne Augen erneut zu öff­nen, und schon wie­der oder noch immer wäre die­ser schö­ne Him­mel über mir, ein leich­ter Wind wür­de wehen und die Luft duf­ten nach Salz und Tang. Wie ich mich auf­set­ze und schaue, hur­ra, Was­ser in allen Rich­tun­gen, Was­ser hin bis zum Hori­zont. Was für ein sel­te­ner Anblick, was für eine merk­wür­di­ge Erfah­rung! So plötz­lich auf hoher See, und der Boden, auf dem ich sit­ze, zit­tert, nein bebt, nein pulst, und ich wür­de den­ken, wie kost­bar die­ses Leben doch ist und dass ich mich nicht erin­nern kann, wie ich hier­her auf den Rücken eines Wales gekom­men bin. – Es ist jetzt zwei Stun­den nach Mit­ter­nacht, die Luft riecht nach Schnee und die Welt ist still. Alles schläft. Auch Sie wer­den schla­fen, wäh­rend ich die­sen Text notie­re. Aber nun ist etwas Zeit ver­gan­gen, und da Sie wach gewor­den sind, wer­den Sie viel­leicht fra­gen, wie ich zu die­ser Über­le­gung einer nächt­li­chen Mee­res­lan­dung gekom­men bin. Nun, das ist ganz ein­fach. Vor weni­gen Tagen hör­te ich, eine Frau habe sich gewünscht, ein­mal in ihrem Leben auf dem Rücken eines Wales zu ste­hen. Sie wür­de sich, sag­te man, ihrer Schu­he ent­le­di­gen und auf dem Rücken des Wales spa­zie­ren wie auf einem Unter­see­boot. Natür­lich habe ich dar­über nach­ge­dacht, was gesche­hen wür­de, wenn die­ser Wal, von dem hier tat­säch­lich die Rede ist, sich nicht in der Nähe einer Küs­te, son­dern auf dem offe­nen Meer, auf hoher See, befin­den wür­de. Ja, und was wür­de gesche­hen, wenn der Wal zu tau­chen wünsch­te, viel­leicht weil er hung­rig gewor­den ist, obwohl er doch die Schrit­te einer Men­schen­frau auf sei­nem Rücken spür­te. Stel­len Sie sich vor, ich weiß wie er das macht. Der Wal wird lang­sam und geräusch­los sin­ken, jawohl. Aber noch ehe voll­stän­dig in die Tie­fe abge­taucht wer­den wird, wird er noch ein­mal zurück­keh­ren und ruhig neben der schwim­men­den Frau im Was­ser lie­gen, wird etwas Luft­schaum bla­sen und ihr sein Auge zei­gen. Ja, so genau wird der Wal das machen, und dann wird er in der Tie­fe ver­schwun­den sein, und viel­leicht, nein, sehr sicher, wird die schwim­men­de Frau einen fei­nen Gesang aus der Tie­fe ver­neh­men, die Geschich­te einer Begeg­nung von einem Wal den Walen erzählt, eine Kurz­ge­schich­te, mehr Zeit ist nicht. — stop


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die malerei kleinster teilchen

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sier­ra : 8.02 — Ohne die Zeit noch zu bemer­ken, sechs Stun­den lang ers­te Spu­ren eines ana­to­mi­schen Hör­spiels bear­bei­tet. Kurz vor Mit­ter­nacht dann in ange­neh­mer Balan­ce mit Cor­mac McCar­thys düs­te­rem Roman Die Stra­ße auf dem Sofa. Ein Buch, das mir Freu­de macht, nicht weil es End­zeit, nein, weil es in klei­nen Abtei­len vor­wärts erzählt. Als wür­de in einem unend­lich gro­ßen, dunk­len Raum je für kur­ze Zeit das Licht ange­schal­tet, Pha­sen zei­chen­lo­ser Dun­kel­heit, Sekunden‑, Minuten‑, Stun­den­sprün­ge, dann wie­der ruhi­ge Spra­che, ein­fa­che, prä­zi­se Sät­ze. Dar­über ein­ge­schla­fen. Mor­gens von Regen­ge­räu­schen geweckt, die nicht wirk­lich exis­tier­ten. — Kurz nach sie­ben Uhr und noch immer wun­de­re ich mich, dass ich ein­ge­nickt war, ohne auch nur ein­mal zu den­ken: Du wirst gleich schla­fen. Die Idee, dass viel­leicht Bücher exis­tie­ren, die als Schlaf­bü­cher anzu­se­hen sind, Bücher, die einen gehei­men Code ent­hal­ten, hyp­no­ti­sche Zei­chen­fol­gen, unwi­der­steh­lich in ihrer Wir­kung. Man könn­te in Buch­hand­lun­gen eine wei­te­re Kate­go­rie sor­tie­ren, die der Nar­ko­ti­ka näm­lich, Roma­ne, die ins Jen­seits beför­dern, nicht zu lesen im Gehen, in Zügen, im Ste­hen! – Guten Morgen!

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geraldine : walfisch

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nord­pol

~ : geraldine
to : louis
sub­ject : WALFISCHE

Ich habe das Mit­tag­essen ver­schla­fen. Vor­mit­tags war ich schon auf dem Haupt­deck, schöns­tes Wet­ter, kei­ne Wol­ke am Him­mel, das Meer ganz ruhig. Papa hat mich hoch getra­gen, es ist anstren­gend für ihn, obwohl er nicht sehr alt ist, aber ich bin kein leich­tes Mäd­chen. Papa sag­te, man habe ihm von Walen erzählt, die auf dem Radar­schirm sicht­bar gewe­sen sei­en. Es ist also mög­lich, dass ich heu­te Wale sehen wer­de. Merk­wür­dig, ich sage immer Wale, aber ich den­ke Wal­fi­sche. Und so war­te­te ich auf die Wal­fi­sche und wäh­rend ich war­te­te, bin ich ein­ge­schla­fen. Es war sehr warm gewor­den unter der Decke, die Papa über mich gebrei­tet hat­te. Als ich auf­wach­te, war das Mit­tag­essen längst vor­bei und der jun­ge Mann, der Ste­wart, von dem ich Ihnen schon geschrie­ben habe, saß neben mei­ner Lie­ge auf dem Boden. Er hat­te ein Fern­glas dabei. Ich glau­be, er hat­te das Fern­glas für mich mit­ge­bracht. Ich habe zuerst noch so getan, als wür­de ich schla­fen, und habe ihn mir ange­schaut, Sie ver­ste­hen, Mr. Lou­is, Seh­schlitz­au­gen. Er ist hübsch. Er mag die Son­ne. Er mag die Son­ne sehr. Und fast bin ich mir sicher, dass er mich wie die Son­ne mag. Oft ist er in mei­ner Nähe. Wenn er nur nicht immer so trau­rig schau­en wür­de. Mal sieht er mich ver­liebt an, dann wie­der, als wür­de es reg­nen in sei­nem Her­zen. Viel­leicht weiß er, dass ich sehr krank bin, ja, viel­leicht weiß er das, und trotz­dem ist er ver­liebt. Das wär schön, wenn er sich in mich ver­lie­ben könn­te, obwohl er weiß, dass ich sehr krank bin. Ich habe mir oft gedacht, dass ich allei­ne bin, ein­sam, weil die jun­gen Män­ner mit einem kran­ken Mäd­chen kei­ne Lie­be haben wol­len, obwohl ich ein schö­nes Mäd­chen bin. Oh, wie glück­lich wäre ich, wenn er alles von mir wüss­te. Ich müss­te nichts ver­ber­gen. Wale haben wir bis­lang kei­ne gese­hen. Viel­leicht spä­ter, viel­leicht am Abend. – Ihre Geral­di­ne auf hoher See

notiert im Jah­re 1962
an Bord der Queen Mary
auf­ge­fan­gen am 16.11.2008
22.27 MEZ

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nehmen wir einmal an …

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fox­trott : 7.28 — Neh­men wir ein­mal an, ich wür­de gefragt, ob ich viel­leicht über ein wei­te­res Auge ver­fü­gen möch­te, ein wirk­li­ches drit­tes Auge, ein Auge für sich, ein Auge, mit dem ich in die Welt hin­aus­schau­en könn­te, was wäre zu tun? – Ruhe bewah­ren! – Nach­den­ken! – Ant­wor­ten! – Sehr bald ant­wor­ten, jawohl ja, das wäre ein fei­nes Geschenk, die­ses Auge wür­de ich sehr ger­ne und sofort ent­ge­gen­neh­men. Natür­lich wür­de das nicht so leicht sein, ich mei­ne, die Über­ga­be eines wei­te­ren Auges an mei­nen bereits exis­tie­ren­den Kör­per, wie man sich das viel­leicht vor­stel­len mag, nein, nein, das wäre sicher eine außer­or­dent­lich kom­pli­zier­te Geschich­te. Ein geeig­ne­ter Ort wür­de zu fin­den sein, an dem das brand­neue Sin­nes­or­gan an mei­nem Kör­per oder in mei­nem Kör­per mon­tiert wer­den könn­te, und ich müss­te mich viel­leicht zunächst ent­schei­den, wel­cher Art das Auge sein soll­te, ein gro­ßes, strah­len­des Schmuck­au­ge bei­spiels­wei­se, oder ein eher klei­nes, kaum sicht­ba­res Auge, ein gehei­mes Auge, sagen wir, um unbe­merkt die Welt um mich her­um unter­su­chen zu kön­nen. An die­sem schö­nen Nebel­mor­gen nun, ich bin noch nicht ganz wach gewor­den, wür­de ich fol­gen­des fra­gen: Ist es even­tu­ell mög­lich, das Auge rech­ter Hand in den mitt­le­ren Fin­ger­knö­chel nahe des Hand­rü­ckens ein­zu­set­zen? Wann könn­ten wir damit begin­nen? Sind Sie noch bei Ver­stand, oder wie oder was? — Ja, so wür­de ich wohl spre­chen, genau die­se Bestel­lung wür­de ich auf­ge­ben. Stellt sich nun die Fra­ge, was wür­de ein Auge die­ser Art mit mei­nem Gehirn unter­neh­men? Wür­de es wach­sen? Und wohin wür­de es wach­sen? — Ich muss das nicht heu­te entscheiden!

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yanuk : zwergseerosen

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char­lie

~ : yanuk le
to : louis
sub­ject : ZWERGSEEROSEN
date : nov 8 08 10.25 p.m.

Drei lan­ge Stun­den geklet­tert, um Höhe 310 zu errei­chen. Kein Regen, aber Nebel, sehr dich­ter, küh­ler Nebel. Auf­stieg fort­ge­setzt. Ich konn­te die klei­nen Affen hören, ihr unent­weg­tes, lei­ses Knat­tern, mit dem sie sich ver­stän­di­gen, wenn sie sich nicht sehen kön­nen, eine Art Radar­spra­che, die nichts bedeu­tet, als: Hier bin ich, hier, am Ende des Geräu­sches! Sie haben mich beglei­tet. Neh­me an, auch ich war für sie unsicht­bar gewe­sen, aber sie konn­ten wohl mei­nen Atem hören, das Krat­zen mei­ner Fin­ger an der Rin­de, mein Schuh­werk, mein Äch­zen, wenn ich mich wei­ter­zie­hen muss­te. Kurz bevor wir Höhe 382 erreich­ten, wur­de es hel­ler, dann eine schar­fe Linie zwi­schen Dampf­luft und tro­cke­ner Luft. Es war ganz so, als hät­te ich mei­nen Kopf aus dem Was­ser gestreckt, als hät­te ich Tage lang getaucht. Die Affen war schon da, begrüß­ten mich krei­schend. Sie sahen lus­tig aus, feuch­tes Fell, waren über und über mit Blü­ten bedeckt. Ich sage Dir, Mr. Lou­is, ein phan­tas­ti­scher Aus­blick. Aber­tau­sen­de Zwerg­see­ro­sen schwe­ben oder schwim­men auf der Ober­flä­che des Nebels. Ich weiß jetzt, wes­halb es in den ver­gan­ge­nen Tagen so düs­ter gewe­sen ist. Wer­de mich jetzt ein­rich­ten hier oben und etwas aus­ru­hen. — Cucur­ru­cu! Yanuk

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20.12 UTC
1266 Zeichen

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coltrane! coltrane!

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echo : 8.27 — Das war­me Licht, das im Holz der Kon­tra­bas­se brennt, ein Glü­hen, in das ich ver­narrt bin, soweit ich zurück­den­ken kann? Die Schu­he eines uralten Bas­sis­ten, wie sie vor dem klei­nen Jun­gen sehr fest auf dem Boden einer Kel­ler­büh­ne ste­hen, wäh­rend die Welt drum­her­um auf­ge­wühlt ist, schwar­ze, spie­gel­blan­ke Schu­he, und irgend­wo weit oben am Schne­cken­turm, dunk­le Hän­de, die wie Ech­sen über Holz und kup­fer­ne Sei­le sprin­gen. — Mein selt­sam füh­len­der Bauch. — Wun­der­te mich, dass sie mit­ein­an­der spre­chen, wäh­rend sie spie­len, lachen, spa­ßen, sich befeu­ern und beim Namen nen­nen. Hört ich nicht gera­de noch The­lo­ni­us Sphe­re Mon­ks Stim­me wie er im Jah­re 1957 : Col­tra­ne! Col­tra­ne! ruft?  — stop

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