Aus der Wörtersammlung: zeichen

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summentext

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india : 20.25 UTC — Sprung in der Zeit zurück. Sofort flie­ße ich vor­wärts wei­ter. Jedes Erzäh­len, jedes Lesen scheint ein Vor­rü­cken in einer Zeit zu sein, in der ich selbst gehal­ten bin, wie ein Fisch im Was­ser gehal­ten ist. Immer, auch dann, wenn es um Jah­re zurück­geht im Text, liegt die wahr­zu­neh­men­de Ver­gan­gen­heit bis zu einem letz­ten Punkt je um ein Zei­chen, um ein Wort, um Zei­len oder Sei­ten spä­ter, das heißt in der Zukunft. Exis­tiert in mei­nem Kopf eine Struk­tur, die einem Zufalls­ge­nera­tor ähn­lich ist? — stop
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lupenvögel

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tan­go : 20.58 — Es ist Sonn­tag, Okto­ber, und warm inmit­ten der Stadt. Lou­is darf sei­ne Fens­ter öff­nen, Vögel wer­den kei­ne ins Zim­mer kom­men, weil Vögel nicht zu hören sind, auch nicht am Mor­gen, weil Vögel kei­ne da drau­ßen in den Bäu­men woh­nen, außer einem Rot­kehl­chen, zwei Tau­ben und einer Els­ter, die sind ver­bürgt, die sind Lou­is unlängst vor die eige­nen Augen gekom­men. So ist also Sonn­tag fast ohne Vögel, die Fens­ter sind geöff­net, mal schaut Lou­is zum Fens­ter hin­aus, mal steht er vor sei­ner schnee­wei­ßen Tafel, die in der Nähe des Fens­ters an einer Wand befes­tigt ist. Magne­te, klei­ne sil­bern blit­zen­de Zylin­der hal­ten Papie­re fest. Auf den Papie­ren sind Schat­ten zu erken­nen, Wol­ken von win­zi­gen Zei­chen. Je näher man der Tafel kommt, des­to deut­li­cher sind Zei­chen­blö­cke zu erken­nen, eine Ord­nung in Wol­ken von Zei­chen­vö­geln, jeder der Vögel eine Geschich­te, hun­der­te Text­vö­gel, die nicht zu ent­zif­fern sind mit blo­ßem Auge. Sobald Lou­is in sei­nen Wer­ken liest, nähert er sich sei­ner Vogel­samm­lung mit­tels eines Mikro­skops, wel­ches sich an einem fili­gra­nen Arm befes­tigt, mil­li­me­ter­wei­se über den schnee­wei­ßen Metall­him­mel hin und her fah­ren lässt. So steht er und liest und sucht in sei­nen Gedan­ken, Erfin­dun­gen, Erzäh­lun­gen. Alles ist dort sicht­bar oder unsicht­bar zunächst für mensch­li­che Augen oder mensch­li­che Erin­ne­rung, alles liegt vor, Erkennt­nis­se, Ergeb­nis­se, Irr­tü­mer, das Glück und Unglück der Wor­te, der Sät­ze, alles. — stop

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lebenszeichen

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india : 11.28 UTC — Da sind Ther­mo­me­ter­werk­zeu­ge, 5 + 1, zur Mes­sung der Tem­pe­ra­tu­ren eines Zim­mers. Und fla­ckern­des Regen­licht, das von den Fens­tern her kommt. Ein Com­pu­ter­bild­schirm, in dem sich der Com­pu­ter selbst befin­det, zuletzt vor fünf Jah­ren ange­schal­tet. Auf dem Schreib­tisch ruhen ana­to­mi­sche Bücher, gedruckt in den 20er-Jah­ren des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts, bit­te­rer Duft steigt auf, sobald sie geöff­net sind. Das Hand­buch eines Opel-Rekord und eine Blech­do­se, drin sind Lie­bes­brie­fe: Mei­ne Liebs­te, wie ich mich nach Dir seh­ne! Eine Zigar­ren­schach­tel wei­ter­hin vol­ler Brief­mar­ken des Deut­schen Rei­ches, die der Jun­ge noch sam­mel­te. Ein Kin­der­buch: Zwei Pin­gui­ne win­ken. Ein Gerät, das den Strom zu ver­mes­sen ver­mag, haar­dün­ner Zei­ger. Eine Kar­te der Stadt Lis­sa­bon und Fahr­kar­ten einer Stra­ßen­bahn, die in Lis­sa­bon noch immer anzu­tref­fen ist. Zwei Men­schen waren dort, die Lis­sa­bon lieb­ten. Dem Jun­gen, der Lis­sa­bon spä­ter ein­mal lie­ben soll­te, gehör­ten zwei Schul­bü­cher, er wird spä­ter ein Dok­tor der Phy­sik und ein Ver­eh­rer And­rei Sacha­rows. Sein Vater war Arzt gewe­sen, des­halb auch Skal­pel­le auf rotem Samt und eine Schach­tel, in wel­cher sich Objekt­trä­ger befin­den. Dort Spu­ren, die gelb­lich schim­mern. Und Dioden und Wider­stän­de und Rechen­ker­ne auf Pla­ti­nen geschraubt. Auch Luft­post­brie­fe, die ein jun­ger Stu­dent an sich selbst oder sei­ne Gelieb­te notier­te, da waren sie noch nicht nach Lis­sa­bon gereist, präch­ti­ge Mar­ken und Stem­pel und Son­der­wert­zei­chen der Bal­lon­post zu einer Zeit, als Express­brie­fe noch durch Eil­bo­ten zuge­stellt wor­den waren. Eine Film­do­se und noch eine Film­do­se, die man nicht wagt im Regen­licht zu öff­nen. Auf einem Dia ist sehr klein eine jun­ge Frau zu erken­nen, die vor dem World Trade Cen­ter in New York steht. Sie ist dem Auge ihres Soh­nes sofort bekannt. In einer Klad­de ver­schnürt, Blät­ter eines Her­ba­ri­ums: Schlüs­sel­blu­me von Blei­stift­be­schrif­tung umge­ben, das war alles notiert am 24. VIII 1904. Auch zwei Funk­an­ten­nen wie Füh­ler eines Insek­tes ohne Strom. Eine Post­kar­te ist da noch und immer noch Regen drau­ßen vor den Fens­tern. Auf der Post­kar­te steht in gro­ßen Buch­sta­ben rot umran­det ver­merkt: Lebens­zei­chen von L.K. aus der Brau­bach­stra­ße / 8. II. 44: Mei­ne Lie­ben! Wir sind gesund und unbe­schä­digt. Marie & Fami­lie. — stop

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vom gehen

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lima : 15.08 UTC — Träum­te Schau­fens­ter­pup­pen, die sich durch ein Waren­haus beweg­ten. Man­che gin­gen unbe­hol­fen rück­wärts, kein Wun­der, hat­ten sie doch in der Fort­be­we­gung kei­ne Erfah­rung, stan­den Jahr um Jahr an ein und dem­sel­ben Ort, als wären sie ver­wur­zelt, ver­neig­ten sich, zeich­ne­ten unsicht­ba­re Figu­ren in die Luft, wink­ten Pas­san­ten zu oder Pas­san­ten her­an, lächel­ten oder zwin­ker­ten. Irgend­ein Zei­chen, viel­leicht von einem Men­schen von der Stra­ße her gesen­det, muss sie in Bewe­gung gesetzt haben. Im Übri­gen waren sie stumm, nichts war zu hören als ein lei­ses Sur­ren, etwas quietsch­te. — stop
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ein mann wird belichtet

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char­lie : 20.26 UTC — Ein­mal, vor zwölf Jah­ren, habe ich eine merk­wür­di­ge Per­son erfun­den, einen Mann, der vor einer schwe­ren, mecha­ni­schen Schreib­ma­schi­ne sitzt. Er notiert, ohne ein Farb­band ein­ge­legt zu haben. Dann nimmt er das Papier aus der Maschi­ne und macht den Ein­druck der Zei­chen­sät­ze sicht­bar, in dem er mit einem Blei­stift das Papier ver­dun­kelt. Es ist viel­leicht des­halb so gekom­men, weil der Mann sei­ne Schreib­ma­schi­ne nicht auf­ge­ben moch­te, ein Lebe­we­sen, für das seit lan­ger Zeit kein Farb­band mehr auf­zu­fin­den ist. Die Exis­tenz die­ses Man­nes scheint Jahr für Jahr wahr­schein­li­cher gewor­den zu sein. — stop

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blackout

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hima­la­ya : 20.58 UTC — Fol­gen­de freund­li­che Dar­stel­lung zwei­er sich zuge­wand­ter Gesich­ter, lie­gend, in ein­fachs­ten Zei­chen Buch­sta­ben­zei­chen dar­ge­stell­te, sind den Such­ma­schi­nen Yand­ex, Bing und Goog­le zu die­sem Zeit­punkt nicht bekannt: :-)(-: * Aber die Zei­chen­fol­ge :-) (-: Selt­sa­me Geschich­te. — stop

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von teefliegen

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ulys­ses : 22.55 UTC — Wie ist das mit der Wirk­lich­keit oder der Wahr­heit in mei­nem schrei­ben­den Leben? Jah­re­lang wohn­te etwa eine Schne­cke in mei­ner Woh­nung, außer­dem ein Lich­ten­berg­fal­ter, Spring­spin­nen, Libel­len, ein Puma und Tee­flie­gen, immer wie­der Tee­flie­gen. Ich habe sie mit eige­nen Augen alle gese­hen oder mit mei­nen erfin­den­den Augen, die in mei­nem Kopf ver­wei­len. Ich könn­te des­halb sagen, nicht jeder mei­ner Trom­pe­ten­kä­fer wäre vor­zeig­bar, aber doch vor­stell­bar. Nun habe ich eine wei­te­re deut­li­che Spur gelegt hin zur Arbeits­be­schrei­bung, Radar ist zu lesen unter jedem mei­ner Par­tic­les – Tex­te, ein Hyper­link, der auf einen Text ver­weist, wel­cher mei­ne Arbeit beschreibt. Die­ser Text exis­tiert seit 12 Jah­ren, heu­te habe ich ent­spre­chen­de Text­pas­sa­ge, die Wirk­lich­keit und Erfin­dung bedeu­tet, zunächst unter­stri­chen, dann, weni­ge Minu­ten spä­ter in kur­si­ve Zei­chen gesetzt. Das muss genü­gen. — Ich wünsch­te, eine Rau­pe wür­de noch heu­te durch mein Zim­mer spa­zie­ren. — stop

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im park

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hima­la­ya : 15.45 UTC — Ob viel­leicht digi­ta­le Tex­te exis­tie­ren, wel­che über eine nicht enden­de Zahl von Zei­chen ver­fü­gen, Tex­te, die sich wie von selbst fort­schrei­ben, Tex­te, die von Bots aus Archi­ven digi­ta­li­sier­ter Bücher gefer­tigt wer­den, die sie in der Art und Wei­se Nest bau­en­der Vögel ver­we­ben. Da und dort wer­den Zei­chen­sät­ze ein­ge­fügt, Pas­sa­gen, die wie Kleb­stof­fe wir­ken, Trans­fer­tex­te, wel­che bestehen­de Tex­te schritt­wei­se aus­blen­den, um neu hin­zu­kom­men­de Tex­te eben­so behut­sam ein­zu­blen­den, Pas­sa­gen, die zunächst vom Schla­fen erzäh­len, dann vom Erwa­chen. Da sitzt man nun Jahr um Jahr abends in einem Park und liest und wun­dert sich, weil es im Text immer­zu wei­ter­geht. — Noch immer kein Regen. Kaum Flie­gen, kaum Käfer, kaum Fal­ter in der Luft. — stop

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von pfirsichen

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echo : 10.26 UTC — Wie die Brie­fe lang­sam ster­ben, ihre Umschlä­ge, Papie­re, Post­wert­zei­chen, wel­che Flug­zeu­ge und Schmet­ter­lin­ge zei­gen, die gleich­falls sel­te­ner wer­den. Wenn die Brie­fe lang­sam ster­ben, dann auch jene, die Brie­fe schrei­ben für ande­re Men­schen, die nicht lesen kön­nen. Ich stell­te mir einen älte­ren Herrn vor, der in einem Büro von Holz in Lon­don sitzt, letz­ter sei­ner Zunft, dut­zen­de Kol­le­gen haben schon vor Jah­ren ihre Arbeit ein­ge­stellt, haben ihre höl­zer­nen Schreib­ab­tei­le und ihre Schreib­ma­schi­nen ver­las­sen, da wer­den jetzt Lam­pen ver­kauft oder Schmuck oder Tele­fo­ne oder Kar­tons mit Reis und gebra­te­nen Hüh­nern. Wie ist solch eine Vor­stel­lung mög­lich, wer­den Sie viel­leicht fra­gen. Nun, es ist so, dass ich mir dach­te, dass die­ser letz­te Brief­schrei­ber der Stadt Lon­don den Auf­trag erhal­ten hat­te, einen unend­li­chen Brief zu schrei­ben, wes­we­gen sie zu zweit sind, ein fein geklei­de­ter älte­rer Herr, der den Brief dik­tiert, der Auf­trag­ge­ber, und eben jener älte­re Herr, der die Zei­chen des Brie­fes mit­tels einer Tas­ta­tur auf Papier­bö­gen trägt. Sie sind zu einer klei­nen Attrak­ti­on gewor­den. Manch­mal schla­fen sie oder neh­men etwas vom nach­bar­schaft­li­chen Reis zu sich, auch Pfir­si­che oder Melo­nen bei gro­ßer Hit­ze. — stop

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api

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india : 0.20 UTC — Wir kom­men Daten­spei­chern näher, in wel­chen alle je von Men­schen­hand geschrie­be­nen und über­lie­fer­ten Zei­chen­sät­ze ver­sam­melt sein wer­den. Mei­ne Schreib­ma­schi­ne könn­te tat­säch­lich ein­mal mit die­sen frei schwe­ben­den Gedächt­nis­sen ver­bun­den sein, und wäh­rend ich notie­re, wür­de unver­züg­lich ange­zeigt, ob der gera­de ein­ge­ge­be­ne Satz bereits ein­mal auf­ge­schrie­ben wur­de oder nicht. — Ein war­mer Abend. Auf dem Dach des Hau­ses jen­seits der Stra­ße sitzt seit zwei Tagen eine Tau­be, Dolo­res, allein. Viel­leicht die Hit­ze. — stop

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