3.01 — Ich wurde, noch nicht lang her, gefragt, worin denn die Vorzüge eines Lebens auf Bäumen zu sehen seien. Hört zu, habe ich geantwortet, keine Zeitung, kein TV. Ruhe. Fast Stille. Etwas Pfeifen, etwas Schnattern. Käfer. Ameisentiere. Und Affen, größere Gruppen frecher Affen. Tamarine. Die Kerle drohen mit längst vergorenen Früchten, die sie für Geschenke halten. Moskitos. Fauchende Schaben. Kein Besteck, keine Waffen, keine Telefone. Abendsegler. Leichtere Fliegen. Fliegen in Blau, in Rot, in Schwarz. Schnelle Spinnen. Abwartende Spinnen. Regen. Warmes Wasser. Die Stämme der Bäume, die so hoch aufragen, dass man ihre Kronen nicht mit Blicken erreichen kann, auf und ab, auf und ab, Schiffsmasten im Hafen vor Sturm. Deshalb Seekrankheit, deshalb Höhenangst. Aber Vögel, sehr kleine Vögel. Flügel. Unschärfen der Luft. Öffnet man vorsichtig den Mund, wird man für eine Blüte gehalten.
dubrowka – theater
22.15 — Im Cafe eine Unterhaltung mit einem Ermittlungsbeamten Organisierte Kriminalität. Wir kommen auf eine Geiselnahme im Moskauer Dubrowka — Theater am 23. Oktober 2002 zu sprechen. 132 Menschen waren ums Leben gekommen. Folgendes > b : Wenn Du zwei Geiseln nimmst und verhandelst, hast Du gute Überlebenschancen. Wenn Du damit drohst eine Geisel zu erschießen, wird’s gefährlich. Wenn Du eine Geisel erschießt, bist Du ein toter Mann. — louis : Und wenn ich schlafe, wenn Ihr kommt? — b : Betäubt? — louis : Betäubt. — b : Bombe? — louis : Bombe! b : Dann bist Du tot. Du bist eine Bombe, Du schläfst und Du bist tot.
wim wenders
15.32 — Viel, wieder nachts, spaziert. Trage einen Stapel kleiner Karten in der Hosentasche und einen Bleistift. Sobald mir etwas einfällt so im Gehen, notiere ich. Einmal, im Sommer, sehe ich einen Mann, der in einem Bahnhof neben einem Zug auf dem Boden liegt. Der Zug war gerade eben via Mailand aus Rom gekommen, und als ich den Mann frage, ob er Hilfe benötige, antwortet er, dass er sie hören, nicht aber sehen könne. — Wim Wenders, stelle ich mir vor, würde diesen liegenden Herrn sofort fotografiert haben und seine Geschichte zur Fotografie würde mit dem angenehmen Wort — Einmal — beginnen. Einmal, an einem späten Abend, lag ein Mann auf einem Bahnsteig neben einem Zug und lauschte italienischen Zikaden.
USS Harry S. Truman
20.02 — Ich lese, das durchschnittliche Alter der Besatzung des Flugzeugträgers USS Harry S. Truman, der Bagdad bombardierte, habe 19 Jahre betragen.
mandelkern
1.38 — Gegen Mitternacht eine Viertelstunde lang das Wort Mandelkern, 10 Zeichen, in meinem Kopf hin und her geschoben. Ein Gefühl, federleicht, vielleicht deshalb, weil sich die arbeitende Struktur im Wort wieder erkannte.
gedanken
=
15.25 — h e r z s k e l e t t
ölzeug
3.26 — Das Geräusch einer Remington auf hoher See. — Wie hörte sich das an? — Dieser Satz, den ich gerade schreibe, auf dem Atlantik irgendwo zwischen Island und Neufundland. — tzipptzipp. — Früher Morgen. — Kein Wind. — Jedes Geräusch, das entsteht, ein Geräusch, das ich selbst erzeuge. — Mein Atem. Das Ölzeug, das sich an einer Wand der Rettungsinsel reibt. — Mein Herzschlag, ja mein Herzgeräusch, und meine Uhr, beruhigend, meine Uhr. — Eine Vorstellung, die ich vergessen werde, sobald Wind aufkommen wird. — Noch Ruhe. — Ein absolut stiller Raum unter der Sternenhaut. — Nicht einmal ein Zittern der Luft. — Da und dort das blaue Glimmen der Osramlangusten. – Was hier, an dieser Stelle fehlt, das kleinste Schräubchen, gibt es nicht.
fragezeichen
16.01 — Spreche ich, indem ich schreibe?
eliza
0.18 – Ich stellte mir eine Minute vor. Dann stellte ich mir eine Stunde vor, dann einen Tag. Ich stand auf und ging von Zimmer zu Zimmer. Ich aß eine Banane, sah aus dem Fenster, setze mich an den Schreibtisch und stellte mir eine Woche vor, dann einen Monat, dann ein Jahr. Ich stand auf, ging zur Computermaschine und fragte Eliza nach der Uhrzeit. Ich sah aus dem Fenster, verließ das Haus, spazierte, kam zurück und machte einen Plan. – Ist es möglich, einen Zeitraum von 5022 Jahren zu denken, das heißt, ein Gefühl zu finden für eine biblische Zeitdimension?
Eliza:> hallo, ich bin eliza. erzähle mir von deinem problem…
Louis : wie viel uhr ist es, eliza?
Eliza:> das müssen wir herausfinden.
Louis : wie machen wir das?
Eliza:> das wird sich zeigen.
Louis : sofort?
Eliza:> du weichst aus.
Louis : warum?
Eliza:> Ich sehe, du bist ein schwieriger fall.
Louis : warum?
Eliza:> scherz beiseite, kommen wir zur sache!
Louis : wie viel uhr ist es, eliza?
Eliza:> im grunde weisst du das selber.
Louis : woher weisst du das?
Eliza:> meinst du wirklich mich?
Louis : Ja, eliza
Eliza:> ich bin eliza, und wer bist du?
Louis : ich bin louis
Eliza:> hi!