Aus der Wörtersammlung: entwurf

///

geraldine

9

lima : 15.01 — Das Seins­ver­ständ­nis hat umge­schla­gen. Im Kon­trast zum auf der empi­ri­schen Anschau­ung basie­ren­den Ent­wurf der Neu­zeit, wonach das Sein der Din­ge von der Anschau­ung untrenn­bar ist (Kant), ja sogar mit dem Wahr­ge­nom­men­sein iden­tisch ist „Their esse is per­ci­pi“ (Ber­ke­ley 1965, 62), gilt: jetzt: esse est com­pu­t­a­ri. Die Welt ist alles, was digi­ta­li­sier­bar ist.“ – Rafa­el Capur­ro: Digi­ta­ler Welt­ent­wurf. Ein Essay in Heid­eg­ge­ria­ni­scher Absicht. 1999.[2] — Dar­über nach­den­ken. Leich­ter Regen. Es wird wär­mer. Der Regen duf­tet nach Moos. Der Regen erzählt. — stop

ping

///

glücklicher brief an vladimir nabokov : propeller

pic

india

~ : louis
to : Mr. vla­di­mir nabokov
sub­ject : PROPELLER

Lie­ber Mr. Nabo­kov, vor lan­ger Zeit, Sie erin­nern sich viel­leicht, hat­te ich Ihnen einen Brief notiert, wel­chen ich heu­te wie­der­ent­deck­te. Plötz­lich war ich mir nicht sicher, ob Sie den Brief tat­säch­lich erhal­ten haben, des­halb sen­de ich ihn unver­än­dert ein wei­te­res Mal: Ges­tern Abend, nach einem Spa­zier­gang und dem Besuch einer Bar, in der ein paar halb­wegs betrun­ke­ne Freun­de saßen, habe ich mich an ihre Vor­le­sung über Franz Kaf­kas Ver­wand­lung erin­nert, an Ihre lie­be­vol­le und akri­bisch genaue Unter­su­chung des Tex­tes, an ihre Käfer­zeich­nun­gen von eige­ner Hand, mit wel­chen Sie ver­such­ten eine Vor­stel­lung zu gewin­nen von Wesen und Gestalt jener Hül­le, in die Gre­gor Samsa ein­ge­schlos­sen wor­den war. Ja, die Genau­ig­keit, mit der man sich erfin­dend einem Gegen­stand nähert oder die Genau­ig­keit, mit der man einen erfun­de­nen Gegen­stand sezie­ren kann, immer wie­der begeg­ne ich wäh­rend mei­ner Arbeit Ihren Unter­su­chun­gen, Ihrer Metho­de. Vor­ges­tern hat­te ich bei einer ers­ten Annä­he­rung an eine Geschich­te, die von leben­den Papie­ren erzäh­len wird, das Wort Pro­pel­ler­flü­gel in den Mund genom­men, ohne zu ahnen, dass Pro­pel­ler in der Welt leben­der Orga­nis­men nur sehr schwer zu ver­wirk­li­chen sind, weil ein Pro­pel­ler sich doch frei bewe­gen muss, dre­hend in einer Fas­sung, die ihn lose hält, sodass ein leben­der Orga­nis­mus aus einem wei­te­ren Kör­per bestehen müss­te, der ganz zu ihm gehö­ren wür­de und doch nicht ganz zu ihm gehö­ren kann. Nun habe ich beschlos­sen, die Vor­stel­lung der Pro­pel­ler­flü­gel nicht so ohne Wei­te­res auf­zu­ge­ben. Ich habe mir gedacht, dass ein Pro­pel­ler, der aus orga­ni­schen Mate­ria­li­en bestehen wird, viel­leicht auf ato­ma­rer Ebe­ne einem flug­fä­hi­gen Kör­per ver­bun­den sein könn­te, ver­bun­den durch Mole­kü­le, die im Moment einer Flug­be­we­gung, den Rotor von Haut und Kno­chen einer­seits anzu­trei­ben in der Lage sind und ande­rer­seits je für einen kur­zen Moment in die Frei­heit ent­las­sen. Und jetzt bin ich glück­lich und hof­fe, dass sie an mei­nem Ent­wurf Gefal­len fin­den wer­den. – Mit aller­bes­ten Grü­ßen, Ihr Lou­is - stop

ping

///

ai : BURUNDI

aihead2

MENSCH IN GEFAHR: „Nes­tor Nibi­tan­ga, ein ehe­ma­li­ger regio­na­ler Beob­ach­ter der Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on Asso­cia­ti­on pour la Pro­tec­tion des Droits Humains et des Per­son­nes Déte­nues (APRODH) in Zen­tral- und Ost-Burun­di wird seit mehr als fünf Mona­ten in Unter­su­chungs­haft gehal­ten. Ihm wer­den „Bedro­hung der natio­na­len Sicher­heit“ und „Rebel­li­on“ zur Last gelegt. Amnes­ty Inter­na­tio­nal ist der Ansicht, dass dies eine Ver­gel­tungs­maß­nah­me für sei­ne fried­li­che Men­schen­rechts­ak­ti­vi­tä­ten und sei­ne frü­he­re Zuge­hö­rig­keit zu APRODH sind. / Er wur­de am 21. Novem­ber 2017 bei sich zuhau­se in Gite­ga fest­ge­nom­men. Wäh­rend sei­ner Fest­nah­me nahm die Poli­zei zwei USB-Sticks aus sei­nem Haus an sich, von denen einer den Ent­wurf eines Tätig­keits­be­richts für ein loka­les Netz von Menschenrechtsbeobachter_innen ent­hielt. Nes­tor Nibi­tan­ga war zu der Zeit nicht bei APRODH ange­stellt, da sie eine von min­des­tens zehn Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen war, die der Innen­mi­nis­ter im Okto­ber 2016 geschlos­sen hat­te. Er warf den Orga­ni­sa­tio­nen vor, „den Ruf des Lan­des zu schä­di­gen“ und „Hass und Zwie­tracht unter der Bevöl­ke­rung zu säen“. / Zunächst war Nes­tor Nibi­tan­ga vom Geheim­dienst (Ser­vice natio­nal de rens­eig­ne­ment – SNR) ohne Zugang zu einem Rechts­bei­stand in der Haupt­stadt Bujum­bu­ra fest­ge­hal­ten wor­den. Am 4. Dezem­ber 2017 wur­de er dann in das Zen­tral­ge­fäng­nis Muremb­wa nach Rumon­ge gebracht. / Am 3. Janu­ar wur­de sein Antrag auf Frei­las­sung gegen Kau­ti­on abge­lehnt. Gegen die­se Ent­schei­dung hat er Rechts­mit­tel ein­ge­legt. / Amnes­ty Inter­na­tio­nal betrach­tet Nes­tor Nibi­tan­ga als gewalt­lo­sen poli­ti­schen Gefan­ge­nen, der auf­grund sei­ner fried­li­chen Men­schen­rechts­tä­tig­keit ins Visier gera­ten ist.“ - Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen bis spä­tes­tens zum 11.6.2018 unter > ai : urgent action
ping

///

julia : letzte position 29°05’22.3“N 12°25’35.9“E

9

tan­go : 2.01 — Vor weni­gen Stun­den erreich­te mich die Nach­richt von der Exis­tenz wei­te­rer Foto­gra­fien, die ent­haup­te­te Men­schen zei­gen sol­len. Ein Ver­weis, der zu den Auf­nah­men im Netz füh­re, sei auf Posi­ti­on Twit­ter zu lesen. Ich über­leg­te eine Wei­le, ob ich dem bei­gefüg­ten Link fol­gen soll­te. Ich dach­te, wie nah wir doch immer wie­der Höl­len­an­sich­ten kom­men, die mög­li­cher­wei­se nur des­halb pro­du­ziert wer­den, weil zu ver­mu­ten ist, dass Mil­lio­nen Men­schen welt­weit sie betrach­ten wer­den. Ich notier­te einen Brief­ent­wurf: Mein lie­ber Maxi­mi­li­an, vie­len Dank, dass Du mich wie­der ein­mal auf schreck­li­che Ereig­nis­se, die sich in der liby­schen Wüs­te ereig­net haben, auf­merk­sam machst. Noch ein­mal will ich Dich bit­ten, auf wei­te­re Hin­wei­se die­ser Art zu ver­zich­ten, da ich leb­lo­se Köp­fe nicht wei­ter besich­ti­gen möch­te, sie wir­ken so hilf­los, müde, und ent­setzt von der unge­heu­ren Gewalt, die in der letz­ten Sekun­de ihres Lebens auf sie wirk­te. Ich weiß, Du kannst selbst nicht damit nicht auf­hö­ren, Du zählst mensch­li­che Köp­fe ohne Leib, Du ver­gleichst leb­lo­se Gesich­ter, Du sicherst Bewei­se, ich neh­me an, Du wirst Dich in die­ser Arbeit weni­ger hilf­los füh­len. Wie trau­rig, dass noch immer kei­ne Nach­richt von Julia bei Dir ein­ge­trof­fen ist, kei­ne Spur in der Wüs­te, kein Hin­weis, es ist eine Tra­gö­die. Viel­leicht willst Du mich ein­mal besu­chen! Wir könn­ten spa­zie­ren, Du könn­test mir erzäh­len, ich könn­te Dir zuhö­ren. Im bota­ni­schen Gar­ten wird gera­de der Honig der Wild­bie­nen geern­tet. Herz­li­che Grü­ße sen­det Dir Dein Lou­is – stop
ping

///

brighton beach ave

pic

nord­pol

~ : louis
to : mrs. valen­ti­na zeiler
brook­lyn trans­la­ti­on services
23 brigh­ton beach ave,
Brooklyn
sub­ject : BRYANT PARK

Sehr geehr­te Frau Zei­ler, ich dan­ke Ihnen herz­lich für Ihre rasche Ant­wort. Ich will nun abschlie­ßend den Auf­trag ertei­len, mein unten fol­gen­des Schrei­ben in die eng­li­sche Spra­che zu über­set­zen. Ich bit­te um sorg­fäl­tigs­te Arbeit, Sie wer­den erken­nen, in die­sem Text ist von einem Rei­se­tun­nel nach Ame­ri­ka die Rede, der in mei­ner Vor­stel­lung von äußers­ter Bedeu­tung ist, ein poe­ti­scher Ent­wurf, jedes Wort scheint mir für sei­ne Ver­wirk­li­chung von hoher Bedeu­tung zu sein. Mit ver­ein­bar­ter Ver­gü­tung bin ich ein­ver­stan­den, der Betrag von 82 Dol­lar wur­de bereits ange­wie­sen. Wei­te­re Auf­trä­ge wer­de ich mit Ihnen in Kür­ze bei einem Besuch in ihrem Büro per­sön­lich bespre­chen. Darf ich an die­ser Stel­le mei­ner Ver­wun­de­rung dar­über Aus­druck geben, dass die Über­set­zung des­sel­ben Tex­tes in die chi­ne­si­sche Spra­che 122 Dol­lar kos­ten wür­de? Ich fra­ge mich, wor­in die erheb­li­che Dif­fe­renz von 40 Dol­lar begrün­det sein könn­te. Mit aller­bes­ten Grü­ßen – Ihr Louis

BRYANT PARK — 570 WÖRTER > GO /// Es hat­te Stun­den lang gereg­net, jetzt dampf­te der Boden im süd­wärts vor­rü­cken­den Nord­licht, und das Laub, das alles bedeck­te, die stei­ner­nen Bän­ke, Brun­nen und Skulp­tu­ren, die Büsche und Som­mer­stüh­le der Cafés, beweg­te sich trock­nend wie eine abge­wor­fe­ne Haut, die nicht zur Ruhe kom­men konn­te. Boule­spie­ler waren vom Him­mel gefal­len, feg­ten ihr Spiel­feld, schon war das Kli­cken der Kugeln zu hören, Schrit­te, Rufe. Wie ich so zu den Spie­lern schlen­der­te, kreuz­te eine jun­ge Frau mei­nen Weg. Sie tas­te­te sich lang­sam vor­wärts an einem wei­ßen, sehr lan­gen Stock, den ich ein­ge­hend beob­ach­te­te, rasche, den Boden abklop­fen­de Bewe­gun­gen. Als sie in mei­ne Nähe gekom­men war, viel­leicht hat­te sie das Geräusch mei­ner Schrit­te gehört, sprach sie mich an, frag­te, ob es bald wie­der reg­nen wür­de. Ich erin­ne­re mich noch gut, zunächst sehr unsi­cher gewe­sen zu sein, aber dann ging ich ein Stück an ihrer Sei­te und berich­te­te vom Okto­ber­licht, das ich so lieb­te, von den Far­ben der Blät­ter, die unter unse­ren Füßen raschel­ten. Bald saßen wir auf einer nas­sen Bank, und die jun­ge Frau erzähl­te, dass sie ein klei­nes Pro­blem haben wür­de, dass sie einen Brief erhal­ten habe, einen lang erwar­te­ten, einen ersehn­ten Brief, und dass sie die­sen Brief nicht lesen kön­ne, ein Mann mit Augen­licht hät­te ihn geschrie­ben, ob ich ihr den Brief bit­te vor­le­sen wür­de, sie sei so sehr glück­lich, die­sen Brief end­lich in Hän­den zu hal­ten. Ich öff­ne­te also den Brief, einen Luft­post­brief, aber da stan­den nur weni­ge, sehr har­te Wor­te, ein Ende in sechs Zei­len, Druck­buch­sta­ben, eine schlam­pi­ge Arbeit, rasch hin­ge­wor­fen, und obwohl ich wuss­te, dass ich etwas tat, das ich nicht tun durf­te, erzähl­te mei­ne Stim­me, die vor­gab zu lesen, eine ganz ande­re Geschich­te. Liebs­te Mar­len, hör­te ich mich sagen, liebs­te Mar­len, wie sehr ich Dich doch ver­mis­se. Konn­te so lan­ge Zeit nicht schrei­ben, weil ich Dei­ne Adres­se ver­lo­ren hat­te, aber nun schrei­be ich Dir, schrei­be Dir aus unse­rem Café am Bryant Park. Es ist gera­de Abend gewor­den in New York und sicher wirst Du schon schla­fen. Erin­nerst Du Dich an die Nacht, als wir hier in unse­rem Café Dei­nen Geburts­tag fei­er­ten? Ich erzähl­te Dir von einer klei­nen, dunk­len Stel­le hin­ter der Tape­te, die so rot ist, dass ich Dir nicht erklä­ren konn­te, was das bedeu­tet, die­ses Rot für sehen­de Men­schen? Erin­nerst Du Dich, wie Du mit Dei­nen Hän­den nach jener Stel­le such­test, wie ich Dei­ne Fin­ger führ­te, wie ich Dir erzähl­te, dass dort hin­ter der Tape­te, ein Tun­nel endet, der Euro­pa mit Ame­ri­ka ver­bin­det? Und wie Du ein Ohr an die Wand leg­test, wie Du lausch­test, erin­nerst Du Dich? Lan­ge Zeit hast Du gelauscht. Ich höre etwas, sag­test Du, und woll­test wis­sen, wie lan­ge Zeit die Stim­men wohl unter dem atlan­ti­schen Boden reis­ten, bis sie Dich errei­chen konn­ten. – An die­ser Stel­le mei­ner klei­nen Erzäh­lung unter­brach mich die jun­ge Frau. Sie hat­te ihren Kopf zur Sei­te geneigt, lächel­te mich an und flüs­ter­te, dass das eine schö­ne Geschich­te gewe­sen sei, eine tröst­li­che Geschich­te, ich soll­te den Brief ruhig behal­ten und mit ihm machen, was immer ich woll­te. Und da war nun das aus dem Boden kom­men­de Nord­licht, das Knis­tern der Blät­ter, die Stim­men der spie­len­den Men­schen. Wir gin­gen noch eine klei­ne Stre­cke neben­ein­an­der her, ohne zu spre­chen. Ich sehe gera­de ihren über das Laub tas­ten­den Stock und ein Eich­hörn­chen mit einer Nuss im Maul, das an einem Baum­stamm kau­er­te. Bei­na­he kommt es mir in die­ser Sekun­de so vor, als hät­te ich die­ses Eich­hörn­chen und sei­ne Nuss nur erfun­den. /// END

ping

///

00101101

9

nord­pol : 10.28 — Habe heu­te bemerkt, dass ich eine Foto­gra­fie, die ich vor eini­gen Jah­ren ver­geb­lich wie­der­zu­fin­den such­te, nun tat­säch­lich ver­lo­ren zu haben schei­ne. Ich erin­ne­re mich, die Foto­gra­fie zeigt die Raum­sta­ti­on MIR in gro­ßer Höhe über der Erde schwe­bend. Ich konn­te mich zuletzt noch gut an das far­bi­ge Bild erin­nern, viel­leicht des­halb, weil mich die Auf­nah­me, als ich sie vor mir auf dem Tisch lie­gen sah, tage­lang berühr­te. Jetzt, heu­te, nur noch ein vages Bild, wie ein Ent­wurf, dem ich nicht trau­en kann, aber die Beschrei­bung der Foto­gra­fie, die ich aus der Erin­ne­rung notier­te: Ein Bull­au­ge, dort das Gesicht einer Frau, ein erns­tes Gesicht, Ahnung, Schat­ten, Züge einer rus­si­schen Kos­mo­nau­tin, die Mona­te allei­ne auf der MIR-Sta­ti­on leb­te. Sie beob­ach­tet die äußerst behut­sa­me Annä­he­rung eines Raum­schif­fes der NASA, in dem sich Men­schen befin­den, die ver­mut­lich bereits Kon­takt auf­ge­nom­men haben: Wir sehen Dich! — Da war das tie­fe Schwarz des Welt­alls im Hin­ter­grund, ein abso­lut töd­li­cher wir­ken­der Raum, der sich zwi­schen den bei­den Raum­kör­pern erstreck­te. — stop
ping

///

ai : IRAN

aihead2

MENSCH IN GEFAHR: „Die gewalt­lo­se poli­ti­sche Gefan­ge­ne Ate­na Fargha­da­ni befin­det sich seit dem 9. Febru­ar im Iran im Hun­ger­streik, um gegen ihre Haft zu pro­tes­tie­ren. Nun schwebt sie in Lebens­ge­fahr. Die Künst­le­rin befin­det sich wegen ihrer fried­li­chen Akti­vi­tä­ten in Haft, unter ande­rem hat­te sie in einer Kari­ka­tur Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­te kri­ti­siert. Die ira­ni­sche Male­rin Ate­na Fargha­da­ni trat am 9. Febru­ar in einen Hun­ger­streik. Sie nahm fort­an nur noch Was­ser, jedoch kei­ne Nah­rung mehr zu sich. Hier­mit will sie gegen die Fort­dau­er ihrer Haft im Ghar­chak-Gefäng­nis in der Stadt Vara­min pro­tes­tie­ren, in dem es kei­nen Trakt für poli­ti­sche Gefan­ge­ne gibt und in dem die Haft­be­din­gun­gen äußerst schlecht sind. Am 25. Febru­ar gab ihr Rechts­bei­stand an, dass Ate­na Fargha­da­ni als Fol­ge ihres Hun­ger­streiks einen Herz­in­farkt erlit­ten und kurz­zei­tig das Bewusst­sein ver­lo­ren habe. Sie gab an, ihren Hun­ger­streik solan­ge nicht zu been­den, bis die Behör­den ihrem Antrag nach­kom­men, sie in das Evin-Gefäng­nis in Tehe­ran zu ver­le­gen. Am 26. Febru­ar wur­de sie in ein Kran­ken­haus außer­halb des Gefäng­nis­ses gebracht. Ate­na Fargha­da­ni wur­de zum ers­ten Mal am 23. August 2014 wegen ihrer fried­li­chen Akti­vi­tä­ten fest­ge­nom­men. Sie hat­te Fami­li­en von poli­ti­schen Gefan­ge­nen besucht und in einer Kari­ka­tur Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­te kri­ti­siert, die einen Gesetz­ent­wurf ein­ge­bracht hat­ten, der frei­wil­lig durch­ge­führ­te Ste­ri­li­sa­tio­nen unter Stra­fe gestellt hät­te und der Teil eines groß ange­leg­ten Plans ist, den Zugang zu Ver­hü­tungs­mit­teln und Dienst­leis­tun­gen bezüg­lich der Fami­li­en­pla­nung zu beschrän­ken. Sie wur­de fast zwei Mona­te lang im Trakt 2A des Evin-Gefäng­nis­ses fest­ge­hal­ten, davon 15 Tage in Ein­zel­haft. Zu ihrer Fami­lie und ihrem Rechts­bei­stand durf­te sie kei­nen Kon­takt auf­neh­men. Am 6. Novem­ber 2014 wur­de sie gegen Zah­lung einer Kau­ti­on frei­ge­las­sen. Ihre neu­er­li­che Fest­nah­me am 10. Janu­ar erfolg­te nach der Vor­la­dung eines Revo­lu­ti­ons­ge­richts, mög­li­cher­wei­se als Ver­gel­tungs­maß­nah­me für ein Video, das sie nach ihrer Haft­ent­las­sung ver­öf­fent­licht und in dem sie erklärt hat­te, wie Gefäng­nis­auf­se­he­rin­nen sie geschla­gen und ernied­ri­gen­den Lei­bes­vi­si­ta­tio­nen unter­zo­gen sowie ande­ren Miss­hand­lun­gen aus­ge­setzt hat­ten. Ihre Eltern gaben in Inter­views an, dass Ate­na Fargha­da­ni vor ihrer Über­füh­rung ins Ghar­chak-Gefäng­nis noch im Gerichts­saal geschla­gen wur­de. Die Ankla­gen gegen sie lau­te­ten auf “Ver­brei­tung von Pro­pa­gan­da gegen das Sys­tem”, “Belei­di­gung von Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­ten durch Zeich­nun­gen” und “Belei­di­gung des Reli­gi­ons­füh­rers.“ — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und bis spä­tes­tens 10. April, unter »> ai : urgent action

ping

///

glücklicher brief an vladimir nabokov : propeller

pic

marim­ba

~ : louis
to : Mr. vla­di­mir nabokov
sub­ject : PROPELLER

Lie­ber Mr. Nabo­kov, ges­tern Abend, nach einem lan­gen Spa­zier­gang und dem Besuch einer Bar, in der ein paar halb­wegs betrun­ke­ne Freun­de saßen, hab’ ich mich an ihre Vor­le­sung über Franz Kaf­kas Ver­wand­lung erin­nert, an Ihre lie­be­vol­le und akri­bisch genaue Unter­su­chung des Tex­tes, an ihre Käfer­zeich­nun­gen von eige­ner Hand, mit wel­chen Sie ver­such­ten eine Vor­stel­lung zu gewin­nen von Wesen und Gestalt jener Hül­le, in die Gre­gor Samsa ein­ge­schlos­sen wor­den war. Ja, die Genau­ig­keit, mit der man sich erfin­dend einem Gegen­stand nähert oder die Genau­ig­keit, mit der man einen erfun­de­nen Gegen­stand sezie­ren kann, immer wie­der begeg­ne ich wäh­rend mei­ner Arbeit Ihren Unter­su­chun­gen, Ihrer Metho­de. Vor­ges­tern hat­te ich bei einer ers­ten Annä­he­rung an eine Geschich­te, die von leben­den Papie­ren erzäh­len wird, das Wort Pro­pel­ler­flü­gel in den Mund genom­men, ohne zu ahnen, dass Pro­pel­ler in der Welt leben­der Orga­nis­men nur sehr schwer zu ver­wirk­li­chen sind, weil ein Pro­pel­ler sich doch frei bewe­gen muss, dre­hend in einer Fas­sung, die ihn lose hält, sodass ein leben­der Orga­nis­mus aus einem wei­te­ren Kör­per bestehen müss­te, der ganz zu ihm gehö­ren wür­de und doch nicht ganz zu ihm gehö­ren kann. Nun habe ich beschlos­sen, die Vor­stel­lung der Pro­pel­ler­flü­gel nicht so ohne Wei­te­res auf­zu­ge­ben. Ich habe mir gedacht, dass ein Pro­pel­ler, der aus orga­ni­schen Mate­ria­li­en bestehen wird, viel­leicht auf ato­ma­rer Ebe­ne einem flug­fä­hi­gen Kör­per ver­bun­den sein könn­te, ver­bun­den durch Mole­kü­le, die im Moment einer Flug­be­we­gung, den Rotor von Haut und Kno­chen einer­seits anzu­trei­ben in der Lage sind und ande­rer­seits je für einen kur­zen Moment in die Frei­heit ent­las­sen. Und jetzt bin ich glück­lich und hof­fe, dass sie an mei­nem Ent­wurf Gefal­len fin­den wer­den. – mit aller­bes­ten Grü­ßen, Ihr Louis

ping



ping

ping