romeo : 0.02 — s c h a m b e i n f u g e
Aus der Wörtersammlung: augen
nachtzeppelin
echo : 2.18 — Ein Zeppelinkäfer, seltsames Wesen, schwebte kurz nach 1 Uhr heute Nacht eine schnurgerade, eine unsichtbare Linie über den hölzernen Fußboden meines Arbeitszimmers entlang, wurde in der Mitte des Zimmers von einer Luftströmung erfasst, etwas angehoben, dann wieder zurückgeworfen, ohne allerdings mit dem Boden in Berührung zu kommen. — Ein merkwürdiger Auftritt. – Und dieser großartige Ballon von opakem Weiß! Ein Licht, das kaum noch merklich flackerte, als ob eine offene Flamme in ihm brennen würde. Ich habe mich zunächst gefürchtet, dann aber vorsichtig auf Knien genähert, um den Käfer von allen Seiten her auf das Genaueste zu betrachten. — Folgendes ist nun zu sagen. Sobald man einen Zeppelinkäfer von unten her besichtigt, wird man sofort erkennen, dass es sich bei einem Wesen dieser Gattung eigentlich um eine filigrane, flügellose Käfergestalt handelt, um eine zerbrechliche Persönlichkeit geradezu, nicht größer als ein Streichholzkopf, aber schlanker, mit acht recht langen Ruderbeinen, gestreift, schwarz und weiß gestreift in der Art der Zebrapferde. Fünf Augen in graublauer Farbe, davon drei auf dem Bauch, also gegen den Erdboden gerichtet. Als ich bis auf eine Nasenlänge Entfernung an den Käfer herangekommen war, habe ich einen leichten Duft von Schwefel wahrgenommen, auch, dass der Käfer flüchtet, sobald man ihn mit einem Finger berühren möchte. Ein Wesen ohne Laut. – Guten Morgen! Heute ist Samstag. Leichter Regen vielleicht.
eine frage der winde
echo : 2.26 — Eine jedem Propellerkäfer zutiefst verbundene Leidenschaft ist, auf Bäumen zu sitzen und nach Winden Ausschau zu halten. Sie sind in diesem Warten und Schauen außergewöhnlich geduldige Persönlichkeiten. Wochen, gar Monate sitzen sie kaum wahrnehmbar in Gestalt kleiner Zigarren auf knorzigen Ästen, Stämmen und Blättern herum, indessen sie ihre Augen stets geöffnet halten, blaue, sehr blaue Augen, selbst wenn sie schlafen, was nicht ganz sinnvoll zu sein scheint, weil doch heranwehende Winde eher zu hören als zu sehen sind. Wenn man nun einen Propellerkäfer bei seiner leidenschaftlichen Arbeit, insbesondere den Präludien seiner Arbeit beobachten möchte, sollte man geduldig sein und immerfort an seiner Seite, weil man nie vorhersagen kann, ob ein Wind, der sich näherte, unserem Propellerkäfer gefallen wird. Manche Winde, so seltsam das erscheinen mag, noch feinste Stürme, die vom Meer her kommen, lassen unseren Propellerkäfer völlig kalt, während bereits die leiseste Ahnung ganz anderer Winde, heftigste Erregung erzeugen kann. Dann, von einer Sekunde zur anderen, ändert der Propellerkäfer seine Farbe, ob er nun will oder nicht, er sieht jetzt ein wenig so aus, als würde Feuer in ihm brennen. Seine Füße indessen haben kleine Zehen ausgefahren, Phantasien der Natur, rein nur zur Verankerung ausgedacht, weil der Propellerkäfer sich sofort wild entschlossen mit jedem seiner Propeller gegen den Wind stemmen wird. Stürme, gerade Stürme will er fangen. So sitzt er mit geschlossenen Augen hinter pfeifenden Rotoren bebend und knistert und wartet, wartet bis all das wilde Wetter vorübergezogen sein wird. Der Ordnung halber sei folgendes noch rasch gemeldet: Propellerkäfer sind friedvolle aber doch gefährliche Wesen, sobald sie aufgeladen sind. Mal haben sie sechs, mal acht, mal zehn Propeller, die sie je in ihrem Leib verbergen, um für Wochen, für Monate wieder zur Baumzigarre zu werden. Jetzt hören wir sie leise und zufrieden knallen.
signallichter
sierra : 0.01 — Bemerkt, dass ich Dimensionen der Lichtreisezeit von Stern zu Stern nicht verstehen kann. Ich habe einerseits eine trockene, eine logische Erklärung zur Verfügung, kann anderseits aber das vertraute Gefühl, das mir anzeigt, dass ich etwas verstanden habe oder begreifen konnte, nicht finden. stop. Im Zwischenraum. stop. Das Staunen. stop. Wenn ich in einem anatomischen Präpariersaal an einem Tisch unter jungen Persönlichkeiten stehe und sage, dass der Körper jenes Menschen, der vor uns auf dem Tisch liegt, nach und nach verschwinden wird, in dem sie ihn zerlegen, zugleich aber, in diesem Prozess des Verschwindens, sich in Information, in Wissen verwandelt, freuen sich die jungen Menschen. stop. Blitzende Augen. stop Ein lachender Mund. stop. Und noch ein lachender Mund. stop. Anatomische Signale. stop.
=
alpha : 2.58 – k o p f g e l e n k
elefanten
zoulou : 8.30 — In der vergangenen Nacht träumte ich eine lustige Geschichte, das heißt, ich träumte mich in ein Bild, das mir bekannt zu sein schien, weshalb ich ein Selbstgespräch führte, in etwa so, als würde ich einen Film kommentieren. Als ich wach geworden war, erinnerte ich mich, vor einiger Zeit eine Traumgeschichte aufgezeichnet zu haben, die von seltsamen Menschenohren erzählte. Und tatsächlich habe ich diese Geschichte und mit ihr den Traum der vergangenen Nacht gerade eben wiedergefunden, sodass heute Morgen nichts zu tun ist, als die Wiederholung des Traumes von den seltsamen Ohren und seinen Zeichenschatten auch an dieser Stelle zu dokumentieren. Ich saß also vor längerer Zeit und noch vor wenigen Stunden > in einem Cafe nahe eines Meeres unter Männern, die Go oder etwas anderes spielten mit kleinen, runden, bernsteinfarbenen Steinen. Die Luft an diesem Ort war heiß und trocken, deshalb wunderte ich mich nicht, dass die Männer, die von hohem Alter gewesen waren, sich mit gewaltigen Ohren Luft zufächelten in der Art und Weise der Elefanten. Seltsame Geräusche waren zu hören, schwere, knarzende Töne, als würde an hölzernen Schrauben gedreht. Und doch war die Haut der Ohren so fein, dass man durch sie hindurch sehen konnte. Sobald sie hinter den verwitterten Köpfen zusammenschlugen, wurden die Augen der Herrn zu Schlitzen, bewegten sich die luftigen Häute zurück, öffneten sie sich. Hinter dem Tresen dämmerte ein weiterer Mann, der hatte sich mit seinem Pergament das Gesicht zugedeckt. Ich betrachtete ihn eine Weile, und schon war ich, noch im Stehen, dem heutigen Tag zu eingeschlafen. – Guten Morgen! Heute ist Sonntag.
Geraldines Sommerhut
~ : geraldine
to : louis
subject : MEIN SOMMERHUT
Ahoi, Mr. Louis! Heute ist ein ganz besonderer Tag. Ich fühle mich wie neugeboren. Ja, wie neugeboren. Als ich gestern erwachte, saß der Doktor an meinem Bett. Ich hörte seine Stimme. Er sagte, ich glaube Geraldine wird wach. Und als ich die Augen aufgemacht habe, lachte der Doktor und Mama lachte auch. Sie erzählten mir, dass ich zwei Tage geschlafen habe und ich weiß nicht warum ich solange Zeit geschlafen habe. Wenn Sie mich jetzt doch nur sehen könnten, Mr. Louis, wie ich in meinem Korbstuhl am Bug des Schiffes sitze und das helle Haar schäumenden Wassers betrachte, das wir hinter uns her ziehen. Ich trage meinen Sommerhut, den ich so sehr liebe und ich hoffe, dass er mir nicht davon fliegen wird. Es ist heute sehr windig, müssen Sie wissen. Wie ich diesen Wind doch mag, seinen Duft. Aber das Schönste ist, dass ich ganz bunt bin im Gesicht. Mama hat mich geschminkt und jetzt sitze ich da und versuche meinen Mund nicht zu bewegen, damit mir die feine rote Farbe nicht verrutscht. Vielleicht wollen Sie wissen, warum ich mich geschmückt habe? Das will ich Ihnen gerne erzählen. Ich habe vor, meinen kleinen Steward heute noch nach seinem Namen zu fragen. Immerhin weiß er meinen Namen und deshalb habe ich wohl das Recht, auch seinen Namen zu wissen. Ich kann ihn sehen, während ich diesen Brief an Sie schreibe. Er arbeitet auf dem Unterdeck und ich sitze hier oben und schaue mit pochendem Herzen zu ihm hin und bewundere seine feinen, kleinen Schritte, wie er auf den Wellen tanzt. Manchmal denke ich, dass ich viel zu alt für ihn bin, aber das stimmt natürlich nicht, weil er 25 Jahre alt sein muss und ich bin nur 20, wie sie wissen. Und doch fühle ich, dass ich etwas schwerer bin an Zeit als er, den ich doch so liebe. Ich glaube, er hat mich schon bemerkt, er wird bald kommen, er tut nur so, als würde er mich nicht sehen. Ich muss jetzt aufhören, Mr. Louis, ich bin so schrecklich aufgeregt! Ist das nicht wunderbar, Mr. Louis? — Ich grüße Sie herzlich! Ihre Geraldine auf hoher See.
notiert im Jahre 1962
an Bord der Queen Mary
aufgefangen am 22.01.2009
20.12 MEZ
yanuk : hört zupfende geigen
~ : yanuk le
to : louis
subject : GEIGEN
date : jan 12 09 6.52 a.m.
Dämmerung. Und doch schon warme, weiche, ja schmeichelnde Luft. Werde einige Wochen hier auf Höhe 51O verweilen. Bin glücklich. Mehrfach während eines Tages passiert das Mädchen, von dem ich berichtete mit einem rasselnden Geräusch, das vielleicht eine Sprache darstellen sollte, unser Habitat. Eine fabelhafte Kletterin! Entweder ist sie leicht wie eine Feder, oder aber sie verfügt über außerordentliche Muskelkräfte. Kein Tag, seit sie auf uns gestoßen ist, an dem sie nicht aus den Schatten der Blätter und Blüten tauchte, um bewegungslos für lange Zeiten mittels eines Armes an einem Ast befestigt vor uns über dem Abgrund zu schweben. Sie scheint in dieser Haltung doch zu schlafen. Ein seltsames Wesen! Gesprochen haben wir bislang noch nicht, kein verständliches Wort kam über ihre Lippen, aber sie lauscht meiner Stimme, indem sie den Kopf zu Seite neigt, wenn ich etwas sage, wenn ich erzähle, zum Beispiel, von Dir erzähle, und dass ich für Dich Gedanken und Beobachtungen notiere aus dem Gebiet der Riesenbäume. Auch in diesen Sekunden, lieber Mr. Louis, ist sie hier bei uns. Sie muss vor kurzem noch, während eines Jagdausfluges, den Erdboden betreten haben. Der leblose Körper eines Kaninchens baumelt über ihrer linken Schulter. Denkbar, dass wir bald ein Geschenk erhalten werden. Cucurrucu — Yanuk
eingefangen
6.55 UTC
1875 Zeichen
feuernelken
nordpol : 0.01 — In der vergangenen Nacht Feuernelken geträumt, auch Wale, wie sie durch die Luft schweben, wie sie am Fenster meines Arbeitszimmers vorüber kommen. Manchmal hielt einer der Luftwale an und spähte zu mir herein und ich dachte, sie lächeln vielleicht. Ich bin dann doch noch aufgewacht und habe gearbeitet und sehr ernsthafte Gespräche mit meinem Fernsehapparat geführt, weil er sich immer wieder einschalten wollte und bewegte Bilder zeigen von einem Krieg, dessen sofortiges Ende ich für alle unschuldigen Menschen dort sehr dringend erhoffe. Die Gravitation der Wut, der Verzweiflung, der Trauer, die weiteres Schweigen und weitere Bewaffnung erzeugt.
mrs. callas zählt schneeflocken
marimbamarimba : 0.01 — Wenn Mrs. Callas Schneeflocken zählt, will sie jede Flocke mit ihren Zeigefingern berühren. Aus der Entfernung betrachtet, könnte man dann meinen, Mrs. Callas würde sich mit nicht sichtbaren Engeln unterhalten, oder mit Engeln, die so klein sind, dass sie für das Licht nicht ins Gewicht fallen. Ja, wenn Mrs. Callas Schnee zu zählen wünscht, spricht sie mit ihren Händen mit der Luft. Sie ist sehr schnell in dieser Bewegung des Sprechens und sie ist glücklich, habe ich den Eindruck, ein Mädchen, wie sie am kleinen See des Palmengartens auf Zehenspitzen steht und so herzlich lacht, dass die Reiher angeflogen kommen, die eigentlich längst schon nach Afrika abgereist sein sollten. Ich glaube, flüstert sie, jetzt habe ich den Überblick verloren. Wir sind dann noch herum spaziert zwei Stunden und haben diskutiert, was Mrs. Callas an Bord der Seatown gern tragen würde, etwas leichtes natürlich, wegen der schwülen Hitze, die zu erwarten sein wird, weil wir uns das so ausgedacht haben von Zeit zu Zeit, das Inventar einer Welt, die eigentlich nicht existiert.- stop