Abschnitt Neufundland meldet folgende gegen Küste geworfene Artefakte : Wrackteile [ Seefahrt – 155, Luftfahrt — 3, Automobile — 546 ], Grußbotschaften in Glasbehältern [ 18. Jahrhundert — 3, 19. Jahrhundert – 12, 20. Jahrhundert – 655, 21. Jahrhundert — 4532 ], Trolleykoffer [ blau : 22, rot : 8, gelb : 57, schwarz : 856 ], Seenotrettungswesten [ 12439 ], physical memories [ bespielt — 12, gelöscht : 33 ], Ameisen [ Arbeiter ] auf Treibholz [ 458 ], 2 Krokodilpuppen [ Baujahr 1965 ], Brummkreisel : 12, Öle [ 0.22 Tonnen ], Prothesen [ Herz — Rhythmusbeschleuniger – 83, Kniegelenke – 6, Hüftkugeln – 14, Brillen – 5688 ], Halbschuhe [ Größen 28 – 39 : 112, Größen 38 — 45 : 55 ], Plastiksandalen [ 6452 ], Reisedokumente [ 568 ], Kühlschränke [ 1 ], Telefone [ 755 ], Puppenköpfe [ 6 ] Gasmasken [ 1 ], Tiefseetauchanzüge [ ohne Taucher – 5, mit Taucher – 14 ], Engelszungen [ 528 ] | stop |
Aus der Wörtersammlung: op
schaukel
marimba : 20.16 — Ohrenkäfer, das sind Käfer, die ohne Ausnahme in den Kronen der Ohrenbäume leben, weswegen die Existenz der Ohrenbäume von diesem Moment an äußerst wahrscheinlich geworden ist. stop. Leichter Regen. stop. Was ist nun zu tun? — stop
apfel
echo : 0.10 UTC — Ich hatte an einem Abend der vergangenen Woche mein Fernsehgerät ausgeschaltet, war in die Küche getreten, um Schnecke Esmeralda zu beobachten, wie sie einen Apfel zunächst umrundete, sich dann aufrichtete samt ihrem Gehäuse und auf den Apfel kletterte. Eine Bewegung, die geradezu waghalsig anmutete. Es regnete. Ich wurde schläfrig. Um kurz vor Mitternacht klingelte das Telefon. Jemand war in der Leitung, sprach aber nicht, atmete nur. Ich hörte eine Weile zu, und ich dachte, dass Atem eine schöne Sprache ist, aber auch etwas unheimlich. Also kehrte ich zu Esmeralda zurück, die nun auf dem Apfel hockte, als wäre der Apfel ein Stuhl oder ein Sofa. Wie so häufig nachts las ich Esmeralda einen verschlüsselten Nachrichtentext vor. Ich habe nämlich bemerkt, dass Esmeralda sehr aufmerksam wird, sobald ich ihr kryptische Texte vortrage, erstaunlich, da Schnecken doch gehörlos sein sollen. In diesem Fall, es war nicht leicht gewesen, las ich T.C.Boyle: Nfjof muvoh jtu tfis foutdijfefo- bcfs xbt oýu{u ft@ Jdi cjo gýs Gsbvfosfdiuf/ Jdi cjo gýs Vnxfmutdivu{/ Jdi cjo gýs Nvmujlvmuvsbmjtnvt/ Jdi cjo gýs Cjmevoh/ Ejf wjfmfo Nfotdifo bvt efs Bscfjufslmbttf- ejf jdi lfoof- tjoe qpmjujtdi sbejlbm boefsfs Botjdiu bmt jdi/ Ejf VTB tjoe fjo hftqbmufoft Mboe/ Jdi lpnnf tfmctu bvt efs Bscfjufslmbttf- voe jdi mfcf fjofo hspàfo Ufjm nfjofs [fju jo efo lbmjgpsojtdifo Cfshfo- xp wjfmf tphfoboouf Sfeofdlt mfcfo/ Jdi mjfcf ejftf Nfotdifo- wjfmf wpo jiofo tjoe joufmmjhfou voe fjogýimtbn/ Bcfs jo qpmjujtdifo Gsbhfo ibcfo tjf tjdi usbvsjhfsxfjtf hbo{ voe hbs nbojqvmjfsfo mbttfo/ Ebcfj xfsefo hfsbef tjf ejf Pqgfs wpo Usvnqt Qpmjujl tfjo voe bn nfjtufo voufs jis {v mfjefo ibcfo/ Xfoo qsjwjmfhjfsuf Bnfsjlbofs xjf jdi ovs hfnåà jisfo xjsutdibgumjdifo Joufsfttfo hfxåimu iåuufo- eboo iåuufo xjs Usvnq hfxåimu- xfjm fs ejf Tufvfso tfolfo xjmm voe ebgýs tpshu- ebtt xjs votfs Hfme cfibmufo/ Bcfs jdi xåimf efo Lboejebufo- efttfo Ibmuvoh jdi gýs sjdiujh ibmuf- voe ojdiu efo- efs njs Qspgju csjohu/ Jdi cjo Qbusjpu/ — stop
ABOUT ESMERLADA / ENDE
von kevin und liesl im zug
tango : 22.52 UTC — Ich hörte, er heiße Kevin. Er sagte, er sei ohne Dach über dem Kopf. Auch im Sommer oder im Herbst sei das Leben nicht leicht, im Sommer habe er viel Durst, im Herbst fürchte er sich vor dem Winter. Er würde gern seine Geschichte erzählen, warum er so arm geworden sei, dass er keine Wohnung habe und nichts zu essen. Wenn Kevin spricht, ist seine Stimme wunderschön anzuhören. Es ist eine Stimme, die gut singen könnte, ein Tenor vielleicht. Nur das mit Kevins Geschichte ist so eine Sache, ich höre Kevins Lebensgeschichte seit Anfang des Jahres im Morgenschnellzug zum Flughafen immer wieder. Ich sollte sagen, Kevin erzählt täglich eine andere Geschichte, er ist im Grunde ein guter Erzähler, und auch ein guter Erfinder. Im Winter erzählt er Wintergeschichten, im Sommer Sommergeschichten. Gestern wurde Kevin von einer jungen, mageren Frau begleitet. Sie war sehr schmutzig. Kevin erzählte ihr, dass ich ihm manchmal etwas Geld geben würde oder eine Brezel, auch dass ich aufschreiben würde, was er berichte. Sie setzten sich neben mich. Die junge Frau sagte: Wenn man träumt, ist man im Inneren wach und warm. Am Flughafen stiegen beide mit mir aus. Wir sprachen eine halbe Stunde. Der Bahnhof war wieder einmal undicht. Regen kam von der Decke. Das Licht war teilweise ausgefallen, an den Wänden saßen ein paar dicke Kröten. Sie schnappten mit armlangen Zungen nach Tauben, die über den Bahnsteig segelten. Ich hörte, das Knochengespenst an Kevins Seite soll Lieselotte heißen, sehr seltsam dieser Name für eine recht junge Person. Ich erfuhr, dass sie Literaturwissenschaften in London studierte, sie mag gern lesen, aber sie komme nicht dazu, weil sie das Bild ihres Vaters in sich trage, der immerzu betrunken war, ein schmerzendes Bild, das hell vor ihr leuchte. Ich weiß jetzt, Bilder eines betrunkenen Vaters zu verdunkeln, erfordert ungeheure Kraft und Ausdauer. Lieselotte kann deshalb seit einem Jahrzehnt nicht schlafen. Sie mag Kevin, der so schöne Geschichten erzählt, dass sie beide von seinen Geschichten ein wenig weiterleben können. Es ist jetzt Abend. — stop
echo
whiskey : 22.58 UTC — Wie schwer es ist, Menschen, die sich im Tiefschlaf befinden, vorzulesen oder mit tiefschlafenden Menschen zu sprechen. Kein Zeichen eines Erwachens. In dem Moment, da ich bemerke, dass ich nicht weiß, ob sie mich hören, wird mein Versuch, Gehör zu finden, zu einem Selbstgespräch, das schmerzt, einsame Stimme. — stop
nach dem zug
echo : 22.02 UTC — Menschen, die glückliche Menschen sind, gehen im Grunde zunächst davon aus, dass sie von anderen Menschen verstanden, präzise, dass sie nicht missverstanden werden, ich meine in dem Sinne, dass Verständigung möglich ist, entweder sofort, auf der Stelle noch, oder mittels einer Nachfrage konstruktive Verständigung letztlich gelingt, sagen wir Zivilisation, die nun auch in Mitteleuropa bedroht wird von Personen, die auf ihr Land stolz sein wollen in einer Weise, die Menschen fremder Sprachen herabsetzt. — Am Marienplatz verließ ich den Zug. Ich stand unter Wartenden, wartete selbst, beobachtete den Bahnsteig, auf dem wartende Menschen sich drängten. Sie standen sehr nahe an der Bahnsteigkante. Als der Zug einfuhr, dachte ich, wäre ich ein Lokführer, würde ich in dieser Situation meine Augen schließen. — stop
dublin
max
charlie : 20.45 UTC — Ich habe meinen Freund Max besucht, der in München wohnt in der Briennerstraße unter dem Dach in einem Loft, das derart weiträumig ist, dass man darin Hallenfußball spielen könnte. Seine Vögel, zwei Kakadus, fliegen dort gern frei herum, sie sollen, so Max, niemals bislang irgendeinen Schaden an seinen Möbeln angerichtet haben. Das liegt vielleicht auch daran, dass Max’ Vögel möglicherweise nicht ganz echt sind, ich meine, dass sie kühle Tiere von äußerst leichtem Metall sein könnten unter dichtem Federkleid verborgen, dass sie also nur vorgeben, Vögel zu sein, während sie vielmehr Drohnen sind, die sich von Max’ Computer gesteuert durch die Wohnung bewegen, als wären sie natürliche Wesen. Ich habe beide Tiere immer nur im Flug beobachtet, nie aus nächster Nähe, denn wenn sie einmal nicht fliegen, sitzen sie in einem Käfig, der dicht unter der Decke des Raumes unerreichbar weit entfernt montiert wurde. Wunderbare Algorithmen steuern den Flug der Kakadus, auch ihre Gespräche, die sie beständig führen. Es ist spät geworden, eigentlich wollte ich eine ganz andere Geschichte erzählen, von Max’ Computer, der über eine Taste für Cappuccino verfügen soll. Diese Geschichte werde ich im nächsten Jahr erzählen. — stop
eine lampe
nordpol : 10.28 UTC — Gestern, ehe ich das Haus der alten Menschen besuchte, dachte ich noch, das Altwerden, das Alt- oder Uraltsein habe mit Unruhe zu tun, mit Schlaf, dessen Zeiträume kürzer und kürzer werden. Heute nun würde ich sagen, das Alt- oder Uraltsein hat etwas mit Schlaf über lange Zeiträume hinzutun, auf einem rollenden Stuhl sitzen und schlafen oder dämmern. Da war wieder eine Frau im Licht einer gelben Lampe, die im Wohnsaal vor einem Tisch saß und einen Telefonhörer in der Hand hielt. Der Telefonhörer war mit einem Telefon mit Wählscheibe verbunden, ein derart altes Telefon, dass man, um eine Nummer zu wählen, eine kreisende Bewegung ausführen muss. Dieses Telefon nun war nicht mit der Wand in Verbindung, vielmehr ragte aus dem Gehäuse des Telefons ein kurzes Stück Kabel, das anzeigte, dass das Telefon einmal tatsächlich mit der elektrischen Welt verbunden gewesen war. Als ich an der alten telefonierenden Dame vorbeikam, dachte ich für einen Moment, vielleicht liest ihr gerade jemand vor, vielleicht Hrabal, der aus seinem Roman Ich habe den englischen König bedient zitiert. Es wird Herbst, in jeder Hinsicht. 288P, ein Doppelasteroid, wurde entdeckt. Hurrikane Maria verwüstet die Karibik. Mr. Un droht mit Wasserstoffbombentest. — stop
shenzhen
nordpol : 15.12 UTC — An diesem heutigen Tag beginne ich zu beobachten, welche und wie viele Informationen meine Schreibmaschine verlassen oder in sie hineingeholt werden, von deren Kommen und Gehen ich nichts bemerke. Das ist nämlich eine sehr seltsame Sache, gestern, während ich im Regen spazierte, wurden von meiner Schreibmaschine 187 Millionen Byte Information lautlos aus der Luft entgegengenommen, ich weiß nicht, woher präzise und warum. Tatsächlich lebe ich in einer beinahe geräuschlosen Schreibmaschinenzeit, auch das Notieren auf gläserner Tastatur ist kaum noch zu hören. Geräusche, zur Erzeugung von Information auf meiner Schreibmaschine notwendig geworden, werden nur in großer Entfernung hörbar gewesen sein, das Rauschen oder Brausen der Server irgendwo an geheimen Orten. Oder das helle Sausen und Heulen der Turbinen in Kraftwerken, die Strom für das Herz meiner Schreibmaschine erzeugen. Das Murmeln einer schlaflosen Arbeiterin nahe Shenzhen. — stop