sierra : 22.08 UTC — Wong Kar-Wais Vögel ohne Füße, die niemals landen. Immer wieder eine wunderbare Vorstellung. Ein Bild auch in diesen Monaten, das mich berührt, da ich selbst nicht landen kann in Tagen von Sicherheit. Oder die Vorstellung der Zeppeline, die Jahrhunderte lang wie Wolken langsam um den Erdball schweben. Einmal vor Jahren zeichnete ich ein Rotkehlchen mit einem Bleistift auf ein Blatt Papier. Ich will erwähnen, dass die Zeichnung des kleinen Vogels, der von rechts her kommend über das Blatt nach links hin segelte, damals missglückte, es war das erste Rotkehlchen gewesen, das ich in meinem Leben zeichnete. Immerhin waren zwei Flügel zu erkennen gewesen und ein Körperchen in der Mitte, ein Schnabel und ein kleiner Kopf. Auch ein roter Fleck auf dem Körperchen in der Gegend des Halses war zu entdecken, weil ich nach einem roten Buntstift suchte, das dauerte recht lange, während der kleine Vogel geduldig wartete, dass ich mit wesentlicher Farbe zu ihm zurückkehren würde. — Weswegen ich ein Rotkehlchen gezeichnet habe? — Nun, ich habe diese Zeichnung angefertigt, weil ich mich fragte, ob irgendwann einmal fliegende Servermaschinen in der Gestalt der Singvögel denkbar sein werden, die in Schwärmen herumfliegen, indessen sie mittels unsichtbarer Wellen miteinander kommunizieren? Wie lange Zeit würden wir diese flüchtigen Schwarmobjekte noch als unsere Geschöpfe verstehen? Wären wir in der Lage, sie jemals wieder einzufangen? — stop
Schlagwort: servermaschine
shenzhen
nordpol : 15.12 UTC — An diesem heutigen Tag beginne ich zu beobachten, welche und wie viele Informationen meine Schreibmaschine verlassen oder in sie hineingeholt werden, von deren Kommen und Gehen ich nichts bemerke. Das ist nämlich eine sehr seltsame Sache, gestern, während ich im Regen spazierte, wurden von meiner Schreibmaschine 187 Millionen Byte Information lautlos aus der Luft entgegengenommen, ich weiss nicht von woher präzise und warum. Tatsächlich lebe ich in einer beinahe geräuschlosen Schreibmaschinenzeit, auch das Notieren auf gläserner Tastatur ist kaum noch zu hören. Geräusche, zur Erzeugung von Information auf meiner Schreibmaschine notwendig geworden, werden nur in großer Entfernung hörbar gewesen sein, das Rauschen oder Brausen der Server irgendwo an geheimen Orten. Oder das helle Sausen und Heulen der Turbinen in Kraftwerken, die Strom für das Herz meiner Schreibmaschine erzeugen. Das Murmeln einer schlaflosen Arbeiterin nahe Shenzhen. — stop
von kakteen
ulysses : 19.35 UTC — Einmal wollte ich einen Text notieren, der möglichst noch nie zuvor aufgeschrieben wurde. Ich wollte diesen Text in das Magazin einer Servermaschine transferieren, versehen mit einer allgemeinen Anweisung für Suchmaschinen, diesen Text nicht zu beachten. Ich plante demzufolge mittels einer Verlockung ( Textköder ) sowie einer Anweisung für entsprechende Verzeichnisse ( .htaccess noindex ) zu erproben, ob Suchmaschinen meinen Wunsch wahrnehmen und akzeptieren, oder ob sie meinen Wunsch wahrnehmen und sich ihm widersetzen werden. Ich notierte: marimba : 8.02 – Palmengarten. stop. Wüstenhaus. stop. Das feine Geräusch der Kakteen, sobald ich ihr Stachelhorn mit einem Pinsel, einem Mikadostäbchen, einem Finger berühre. Hell. stop. Federnd. stop. Propellernd. stop. Klänge, für die in meinem suchenden Wortgehör noch keine eigene Zeichenfolge zu finden ist. stop. stop. Die Stille beim Durchblättern eines feuchten Buches in der Mangrovenabteilung. stop. stop. Zweiter Versuch. — Ich könnte vom heutigen Tage an Suchmaschinen als Lebewesen betrachten, die über Wille, Lust und Laune gebieten. — stop
von vögeln
ulysses : 18.10 UTC — Wong Kar-Wais Vögel ohne Füße, die niemals landen. Immer wieder eine wunderbare Vorstellung. Auch die Vorstellung der Zeppeline, die Jahrhunderte lang wie Wolken langsam um den Erdball schweben. Gestern zeichnete ich ein Rotkehlchen mit einem Bleistift auf ein Blatt Papier. Ich sollte erwähnen, dass die Zeichnung des kleinen Vogels, der von rechts her kommend über das Blatt nach links hin segelte, missglückte, es war das erste Rotkehlchen, das ich in meinem Leben zeichnete. Immerhin waren zwei Flügel zu erkennen gewesen und ein Körperchen in der Mitte, ein Schnabel und ein kleiner Kopf. Auch ein roter Fleck auf dem Körperchen in der Gegenden des Halses war zu entdecken, weil ich nach einem roten Buntstift suchte, das dauerte recht lange, während der kleine Vogel geduldig wartete, dass ich mit wesentlicher Farbe zu ihm zurückkehren würde. — Weswegen ich ein Rotkehlchen gezeichnet habe? — Nun, ich habe diese Zeichnung angefertigt, weil ich mich fragte, ob irgendwann einmal fliegende Servermaschinen in der Gestalt der Singvögel denkbar sein werden, die in Schwärmen herumfliegen, indessen sie mittels unsichtbarer Wellen miteinander kommunizieren? Wie lange Zeit würden wir diese flüchtigen Schwarmobjekte noch als unsere Geschöpfe verstehen? Wären wir in der Lage, sie jemals wieder einzufangen? — Deniz Yücel weiterhin in Haft! — stop
von ohrenbäumen
marimba : 0.55 — Auf der Suche nach der Existenz der Ohrenbäume in der digitalen Sphäre, entdeckte ich, dass sie möglicherweise nicht existieren. Ich könnte einen Ohrenbaum demzufolge erfinden. So viel ist noch zu sagen: Eine Amerikanerin, Mrs. Elizabeth Ohrenbaum, soll von 1796–1885 in dem Städtchen Ladoga im Staate Indiana gelebt haben. Außerdem möglicherweise ein Mann namens Ludwig Ohrenbaum, nach dem Mr. Benedict Ornburn an einem Sonntag, dem 6. September 1998 um 22:50:02 Uhr im Jahr 1998 mit folgenden Worten suchte: Query: I am looking for information about LUDWIG OHRENBAUM / The first OHRENBAUM (LUDWIG) is supposed to have come to Berks Cnty about 1699 from Germany. This OHRENBAUM or a decendent, LUDWIG OHRENBAUM had a son, also called LUDWIG OHRENBAUM (LUDWIG II).LUDWIG II is recorded in Pennsylvania Archives, second series Vol 14. I would like to know more. — Achtzehn Jahre später versuchte ich vergeblich, Ludwig Ornburn per E‑mail zu erreichen. Folgende Antwort einer Servermaschine ist zu verzeichnen: host ff-ip4-mx-vip2.prodigy.net[144.160.159.22] said: 550 5.2.1
°
alpha : 22.08 — Ich besitze zwei Schreibmaschinen, eine kleine, flache und eine größere, schwere Schreibmaschine. Nun ist das so: In dem Moment, da ich beide Schreibmaschinen als Lebewesen betrachte, meine ich differenzierend davon sprechen zu können, dass es sich bei jener kleineren, reisenden Schreibmaschine einerseits, um eine nervöse Maschine handelt, die kaum jemals zur Ruhe kommt, während meine zurückbleibende Schreibmaschine andererseits, ein vornehmlich stationäres, ein gelassenes, schlafendes Leben führt. Seit einigen Wochen bereits, bei Tag und bei Nacht, kommunizieren beide Schreibmaschinen über größere oder kleinere Entfernungen hinweg. Meine reisende Schreibmaschine erzählt der schlafenden Schreibmaschine beispielsweise Geschichten, die wiederum ich selbst mit Händen notierte. Das ist deshalb möglich geworden, weil meine schlafende Schreibmaschine nicht wirklich schläft, sondern halbschlafend darauf wartet, angesprochen, das heißt, geweckt zu werden. Zu diesem Zweck wendet sich meine reisende Schreibmaschine zunächst an zwei entfernte Servermaschinen, an eine mir unbekannte, geheime Maschine, sowie an eine mir vertraute Maschine, die sich nahe der Stadt San Francisco unter weiteren halbschlafenden Maschinen befinden soll, um meine Geschichte dort abzulegen, so dass diese Geschichte von der Sekunde ihrer Übertragung an vierfach existiert, auch eben dort, wo sie zunächst erzählt worden war, sehr flüchtig in meinem Kopf. Nun ereignet sich folgendes, dass nämlich jene Servermaschine nahe San Francisco unverzüglich mit meiner stationären, mit meiner halbschlafend wartenden Schreibmaschine telefoniert, um meine Geschichte dort in einer fünften Version einzulagern, so dass meine reisende Schreibmaschine der zurückgebliebenen Schreibmaschine in Minutenfrist wieder sehr ähnlich geworden ist. Eine Routine, deren Vollzug ich mir in diesen Tagen gerne vorstelle, wie im Dunkeln eines weitentfernten Zimmers das Gespräch der Maschinen sichtbar wird im Flackern eines Diodenlichtes, und hörbar gleichermaßen in der summenden Bewegung eines magnetisch schreibenden Stiftes. – Sonntag. — stop. — Guten Abend. — stop
lichtprobe
himalaya : 3.10 — Ein Minutenausschnitt aus der fürchterlichen Wirklichkeit eines Bürgerkrieges. Im Filmdokument, das ich vor zwei Tagen beobachtet habe, sind in der syrischen Stadt Aleppo Männer zu sehen, sehr junge, beinahe kindlich wirkende und etwas ältere Männer, sie erschießen weitere Männer, die teilweise kaum noch bekleidet waren und offensichtlich von Schlägen verletzt. In einer Art Rausch, so nehme ich das aus großer Entfernung wahr, wurde getötet, aufgenommen von Handykameras. Kurz darauf waren diese Handlungen auf Servermaschinen geladen und sind seither von jedem Ort dieser Welt, der über einen Internetzugang verfügt, für unbestimmte Zeit abrufbar. Man kann den einen oder anderen der schießenden Männer für Sekunden ebenso gut erkennen wie jene Männer, die durch Schüsse getötet wurden. Hunderte, wenn nicht tausende dieser Dokumente liegen vor. Was wird mit diesen Dokumenten geschehen? Werden Sie bereits gesichert? In dieser Minute vielleicht? Und vom wem und in welcher Absicht? – stop
rootserver charlie
delta : 2.55 – In der vergangenen Nacht habe ich meiner persönlichen Servermaschine, — sie befindet sich in etwa fünfhundert Kilometer Entfernung an einem nicht bekannten Ort -, einen Namen gegeben: Charlie, Rootserver Charlie. Das ist so gekommen, weil ich nämlich um Mitternacht an meinem Schreibtisch saß, als mein Emailprogramm meldete, eine Nachricht sei für mich eingetroffen. Ich wusste sofort, woher diese nächtliche Mail allein gekommen sein konnte. Und ich dachte in zärtlicher Weise, als ob ich insgeheim diesen Namen schon längere Zeit vergeben haben würde: Charlie, hi Charlie! Nacht für Nacht, 0.01.12 MEZ, eine Sekundenuhr, dieselbe Botschaft : /etc/psa/plesk-cron/daily/completed : beruhigend in seiner lakonischen Art, mein lieber Louis, ich bin wach wie du, alle Systeme in Ordnung, Tag abgeschlossen, neuer Tag beginnt. stop. 12 ° Celsius. stop. Wolkenloser Himmel. stop. Ich verfüge zu diesem Zeitpunkt über 1.5 Kilogramm Mehl, 800 Gramm Reis, 2 Paprikaschoten in gelber Farbe, 1 Paprikaschote in roter Farbe, 1 halben Entenvogel, 3 Liter Wasser in Flaschen, Salz, Zimt und Pfeffer, 16 Scheiben finnischen Brotes, 1 Glas Aprikosenkonfitüre, 1 Glas Honig, 5 Kerzen. – stop
safran
echo : 2.26 — Das unentwegte Sprechen menschlicher Stimmen, nicht Werkzeug der Verständigung, sondern Radar zur Fortbewegung in unbekanntem Gebiet. So auch die Spur digitalen Schreibens in vernetzten Räumen. Ich, Subseven88, habe mich dargelegt, also bin ich. — Vor wenigen Stunden meldete eine Servermaschine, die zu mir gehört, als wär sie ein Teil meiner selbst: Modul Data Logger nicht bereit. Ursache unbekannt. Telefonierte mit Menschen mit Herzen, die viele Flugstunden entfernt ihre Arbeit verrichten. Dort ist nun früher Abend, hier bei mir hohe Nacht. Leichter Regen. Auf dem Bildschirm bewegen sich Zeichen in der Geschwindigkeit menschlicher Hände. Man beschäftigt sich mit der Lösung meines Problems. Blinkende Geister, flink vor und zurück, vor und zurück, tastende Erscheinungen, zart wie die weisen Hände der Safranfadenzupfer.