Aus der Wörtersammlung: statur

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papiere

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marim­ba : 5.02 — Auf einer Brief­mar­ke sind deut­lich Men­schen zu erken­nen, die im Was­ser schwe­ben. Sie bewe­gen sich lang­sam, grü­ßen oder alar­mie­ren mit win­ken­den Bewe­gun­gen ihrer Arme und Hän­de, drei Gestal­ten, drei Per­so­nen. Der Brief, auf dem das merk­wür­di­ge Post­wert­zei­chen vor län­ge­rer Zeit augen­schein­lich mit Spei­chel befes­tigt wor­den war, ruht auf mei­nem Küchen­tisch. Dort herrscht Unord­nung, weil ich für Unord­nung sorg­te. Am Frei­tag habe ich mit der Unord­nung ange­fan­gen, indem ich mei­ne alte mecha­ni­sche Schreib­ma­schi­ne zer­leg­te. Zunächst ent­fern­te ich das Gehäu­se der Schreib­ma­schi­ne, dann die Tas­ta­tur, kurz dar­auf die Papier­wal­ze der Schreib­ma­schi­ne, sowie eine Klin­gel, deren Geräusch ich mit der Metho­de des Schrei­bens zu frü­he­ren Zei­ten ver­bin­de. Sie war gedacht, wenn ich mich recht erin­ne­re, den schrei­ben­den Men­schen dar­auf auf­merk­sam zu machen, dass das Ende der Zei­le, an der er gera­de arbei­te­te, bald erreicht sein wird, auch damals ging man schon davon aus, dass Men­schen exis­tie­ren, die wäh­rend des Schrei­bens ins­be­son­de­re ihre Hän­de betrach­ten, Fin­ger, wie sie über die Tas­ta­tur hüp­fen, so dass sie das Papier, das sie beschrei­ben, über­haupt nicht wahr­neh­men, wes­halb sie ver­säu­men könn­ten, den Papier­wal­zen­schlit­ten der Schreib­ma­schi­ne zurück­zu­set­zen, um einen wei­te­re Zei­le zu begin­nen. Wäh­rend ich die Maschi­ne zer­leg­te, bemerk­te ich, dass jedes ihrer Ein­zel­tei­le in wei­te­re Ein­zel­tei­le zer­legt wer­den konn­te. Bald arbei­te­te ich mit einer Lupe, bald waren Schrau­ben, Stre­ben, metal­le­ne Häu­te von einer Klein­heit, dass ich fürch­te­te, ich könn­te sie ver­se­hent­lich atmend zu mir neh­men. Ich arbei­te­te Stun­de um Stun­de vor­an, ohne dar­an zu den­ken, einen Plan zu fer­ti­gen, der mich in die Lage ver­set­zen wür­de, die zer­leg­te Schreib­ma­schi­ne wie­der zu einer voll­stän­di­gen funk­tio­nie­ren­den Ein­heit zu fügen. In die­ser Zeit der Auf­lö­sung, lag der Brief win­ken­der Brief­mar­ken­men­schen in nächs­ter Nähe. Eine wun­der­vol­le blaue Brief­mar­ke, auf einem Brief, den ich zur Zeit noch immer nicht geöff­net habe, ich neh­me an, weil ich noch ein wenig wei­ter schla­fen will. — stop

unterwassertapete7

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von muffins

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tan­go : 1.10 — In der ver­gan­ge­nen Nacht hat­te ich einen lus­ti­gen Traum. Ich beob­ach­te­te, wie ich mit einem gespitz­ten Stück blau­er Krei­de in mein Papier­no­tiz­buch notier­te. Ich schrieb unge­fähr ein Wort auf eine Sei­te. Sobald das Wort, das ich schrei­ben woll­te, über zu vie­le Zei­chen für den Umfang einer Sei­te mei­nes Notiz­bu­ches ver­füg­te, über­leg­te ich, ob viel­leicht ein kür­ze­res Wort exis­tie­ren könn­te, um das län­ge­re Wort zu erset­zen. Plötz­lich näher­te sich eine Hand von der Sei­te her, nahm mir das Stück Krei­de behut­sam aus den Fin­gern, reich­te mir statt­des­sen einen Blei­stift, und ich schrieb in sehr gro­ßen Buch­sta­ben wei­ter, die von Sei­te zu Sei­te immer klei­ner wur­den, klei­ner und klei­ner, bis ich mei­ne Schrift nicht mehr lesen konn­te. Immer noch Traum. Ich gehe spa­zie­ren. Fri­scher Nacht­schnee knis­tert unter mei­nen Füßen. Es ist ein son­ni­ger Tag in Brook­lyn, am Ende einer Stra­ße schim­mert das Meer. Ein paar glän­zen­de Flug­zeu­ge schwe­ben dort über den Him­mel, sie flie­gen auf dem Kopf. Kurz dar­auf betre­te ich ein Café, es ist, glau­be ich, das Buon Gus­to in der Mon­ta­gue Street. Vor einer Vitri­ne in der Tie­fe des schma­len Rau­mes war­tet ein Poli­zist, er ist sehr groß und von kräf­ti­ger Sta­tur und sei­ne Haut sehr schwarz, und ich den­ke, er weiß, dass ich den­ke, dass er sehr schwarz ist, und er lacht und deu­tet ins Inne­re der Vitri­ne, wo ein gutes Dut­zend Muf­fins auf apri­ko­sen­far­be­nen Deck­chen ruhen. Einer der klei­nen Kuchen bewegt sich, ein Blau­beer­muf­fin, seit­wärts ragt ein gefie­der­tes Flü­gel­chen her­aus, das wild um sich schlägt, wes­halb der klei­ne Kuchen sich immer schnel­ler auf der Stel­le dreht. Sei­te an Sei­te ste­hen der rie­si­ge Mann und ich, ein klei­ner Mann, leicht vor­ge­beugt und stau­nen über das Gesche­hen in der Vitri­ne. Plötz­lich wird es still, der Flü­gel ist im Muf­fin ver­schwun­den, und der Poli­zist flüs­tert mir zu: Er gehört zu Ihnen, nicht wahr! Ich ant­wor­te: Ich glau­be, er ist ein­ge­schla­fen. — stop

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propellerzunge

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tan­go : 2.01 – Wie­der der Ver­such, den Klang mensch­li­cher Stim­men vor­zu­stel­len, wie sie sich unter einer Was­ser­ober­flä­che arti­ku­lie­ren. Eine schwie­ri­ge Auf­ga­be, ins­be­son­de­re des­halb, weil ich einer­seits anneh­me, ein authen­ti­sches Sprech­ge­räusch, wel­ches sich unter Was­ser ereig­net, in mei­nem Kopf jeder­zeit erzeu­gen zu kön­nen, ande­rer­seits jedoch über kei­ner­lei Wör­ter ver­fü­ge, die­ses Geräusch ange­mes­sen zu beschrei­ben. Ein Pro­blem der Über­set­zung scheint vor­zu­lie­gen, ein Raum zwi­schen geis­ti­gem Hören und dem annä­hernd kor­rek­ten Aus­druck in der Spra­che mei­nes Mun­des oder mei­ner Hän­de auf Tas­ta­tu­ren, der auch in die­ser Nacht, nach Jah­ren inten­si­ver Ver­su­che, nicht zu über­win­den ist. Ich neh­me an, Pho­ne­me, die eine aus­ge­dehn­te Öff­nung des Mun­des erfor­dern in der Spra­che unter der Was­ser­ober­flä­che spre­chen­der Lun­gen­men­schen, wer­den im Lau­fe der Jahr­hun­der­te sel­te­ner wer­den, Arti­ku­la­ti­on indes­sen mit­tels gespitz­ter Lip­pen, pfei­fen­de Lau­te, eine Ent­wick­lung in die­se Rich­tung, das ist denk­bar. — Leich­ter Regen. — stop

letter

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malcolm lowry

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echo : 2.28 — Am 15. Janu­ar des Jah­res 2008, es war gegen 3 Uhr in der Nacht, erin­ner­te ich mich an eine Geschich­te, die von Mal­colm Lowry erzählt, genau genom­men von sei­ner Art und Wei­se zu schrei­ben, nach­drück­li­cher noch von der Metho­de zu ver­lie­ren, was gera­de eben noch notiert wor­den war. Mal­colm, so der Erzäh­ler der Geschich­te, soll Gedan­ken auf jedes Stück Papier geschrie­ben haben, das in sei­ne Reich­wei­te gekom­men war, auf Rech­nun­gen, Spei­se­kar­ten, Bil­lets bei­spiels­wei­se, sofern er in einem Café oder in einer Bar Platz genom­men hat­te, um solan­ge notie­rend zu arbei­ten, bis er aus­rei­chend betrun­ken gewor­den war damit auf­zu­hö­ren. Wie vie­le Wör­ter und Sät­ze sind wohl vom Wind in Wüs­ten oder auf Mee­re hin­aus getra­gen wor­den, wie vie­le Bücher haben sich in Luft auf­ge­löst? Ich stel­le mir immer wie­der lei­den­schaft­lich ger­ne vor, wie Mal­colm Lowry in unse­rer Zeit sei­ne Zei­chen­ket­ten für die Welt abge­legt haben könn­te. Sagen wir so: Lowry arbei­tet nie wie­der mit einem Blei­stift. Er notiert sei­ne Gedan­ken in eine feder­leich­te, elek­tri­sche Maschi­ne, die am Gür­tel sei­ner Hose fest ver­an­kert wird. Sorg­fäl­tig von sei­ner Ehe­frau Mar­ge­rie Bon­ner pro­gram­miert, ver­bin­det Mal­colms per­sön­li­ches Notier­ge­rät unver­züg­lich Tas­ta­tur mit digi­ta­ler Sphä­re, sobald sich der Autor, gleich wel­cher geis­ti­gen Ver­fas­sung, mit der einen oder der ande­ren Hand nähert. Nun schreibt der Autor. Er arbei­tet, viel­leicht ste­hend, viel­leicht sit­zend, viel­leicht lie­gend. Und wäh­rend er so arbei­tet, wird Zei­chen für Zei­chen unver­züg­lich an einen gehei­men Ort der Spei­che­rung gesen­det. Dort, drop­zo­ne, könn­te man sit­zen und war­ten und betrach­ten, wie der Text, um den Bruch­teil einer Atom­se­kun­de in der Zeit ver­rückt, voll­zo­gen wird. — Nacht­flug­kä­fer sind in der Luft. — stop

zebra

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vor neufundland 1.16.28 uhr : kirschblüten

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zou­lou : 0.08 — Die Nach­richt, ein afri­ka­ni­scher Mann von der Elfen­bein­küs­te habe bereits am ver­gan­ge­nen Mitt­woch sei­nen 8 Jah­re alten Sohn in einem Roll­kof­fer über die marok­ka­nisch — spa­ni­sche Gren­ze nach Euro­pa trans­fe­riert. Das Kind wur­de wäh­rend einer Kof­fer­durch­leuch­tung lebend ent­deckt, sein Vater fest­ge­nom­men. Ich erin­ne­re mich, vor zwan­zig Jah­ren ein­mal beob­ach­tet zu haben, wie am Cen­tral­bahn­hof ein Kind in ein Gepäck­schließ­fach klet­ter­te, eine Frau, viel­leicht die Mut­ter des Kin­des, klapp­te die Tür des Schließ­fa­ches zu, war­te­te eini­ge Sekun­den, dann öff­ne­te sie die Tür wie­der und das Kind klet­ter­te aus dem Fach. Das Kind lach­te. — Mel­dung von Noe aus 805 Fuß Mee­res­tie­fe vor Neu­fund­land. ANFANG 01.14.02 | | | > s t o p habe das wort som­mer­zeit notiert. s t o p kurz dar­auf ein­ge­schla­fen. s t o p als ich erwa­che liegt mei­ne hand noch auf der tas­ta­tur der maschi­ne. s t o p ein gel­ber fisch. s t o p behut­sam. s t o p als ob er mit mei­nem hand­schuh spre­chen woll­te. s t o p wer­de bald ohne luft sein. s t o p das ist denk­bar, s t o p ohne erin­ne­rung. h u n t i n g r e d f i s h f r o m a b o v e. s t o p plan­los. s t o p ein laut­lo­ses ende. s t o p der duft der kirsch­blü­ten. s t o p von einem atem­zug zum ande­ren. s t o p stark. s t o p süß. s t o p viel­leicht flie­der? t w o y e l l o w f i s h e s l e f t h a n d. s t o p | | | ENDE 01.16.28

nach­rich­ten von noe »

ping

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über staten island nachts

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whis­key : 8.28 — Auf der Suche im Inter­net nach Pro­pel­ler­flug­ma­schi­nen, die von Hand zu bedie­nen sind, ent­deck­te ich eine Leih­sta­ti­on für Droh­nen­vö­gel nahe des St. Geor­ge Fer­ry Ter­mi­nals, und zwar in der Bay Street, Haus­num­mer 54. Obwohl ich mich in Mit­tel­eu­ro­pa befand, muss­te ich, um Kun­de wer­den zu kön­nen, kei­ne wei­te­ren Anga­ben zur Per­son hin­ter­le­gen als mei­ne Kre­dit­kar­ten­num­mer, nicht also begrün­den, wes­halb ich den klei­nen Metall­vo­gel, sechs Pro­pel­ler, für drei Stun­den nahe der Stadt New York aus­lei­hen woll­te. Auch erkun­dig­te sich nie­mand, ob ich über­haupt in der Lage wäre, eine Droh­ne zu steu­ern, selt­sa­me Sache. Ich bezahl­te 24 Dol­lar und star­te­te unver­züg­lich mit Hil­fe mei­ner Com­pu­ter­tas­ta­tur vom Dach eines fla­chen Gebäu­des aus. Ich flog zunächst vor­sich­tig auf und ab, um nach weni­gen Minu­ten bereits einen Flug ent­lang der Metro­ge­lei­se zu wagen, die in einem sanf­ten Bogen in Rich­tung des offe­nen Atlan­tiks nach Tot­ten­ville füh­ren. Ich beweg­te mich sehr lang­sam in 20 Metern Höhe dahin, kein Schnee, kaum Wind. Die fer­ne und doch zugleich nahe Welt unter mir auf dem Bild­schirm war sehr gut zu erken­nen, ich ver­moch­te selbst Gesich­ter von Rei­sen­den hin­ter stau­bi­gen Fens­ter­schei­ben pas­sie­ren­der Züge zu ent­de­cken. Nach einer hal­ben Stun­de erreich­te ich Clif­ton, nied­ri­ge Häu­ser dort, dicht an dicht, in den Gär­ten mäch­ti­ge, alte Bäu­me, um nach einer wei­te­ren Vier­tel­stun­de Flug­zeit unter der Ver­ranz­a­no-Nar­rows Bridge hin­durch­zu­flie­gen. Nahe der Sta­ti­on Jef­fer­son Ave­nue wur­de gera­de ein Feu­er gelöscht, eine Rauch­säu­le rag­te senk­recht hoch in die Luft als wäre sie von Stein. Dort bog ich ab, steu­er­te in der­sel­ben Höhe wie zuvor, der Lower Bay ent­ge­gen. Am Strand spa­zier­ten Men­schen, die wink­ten, als sie mei­nen Droh­nen­vo­gel oder mich ent­deck­ten. Als ich etwas tie­fer ging, bemerk­te ich in der Kro­ne eines Bau­mes in Ufer­nä­he ein Fahr­rad, des Wei­te­ren einen Stuhl und eine Pup­pe, auch Tang war zu erken­nen und ver­ein­zelt Vogel­nes­ter. Es war spä­ter Nach­mit­tag  gewor­den jen­seits des Atlan­tiks, es wur­de lang­sam dun­kel. — stop

polaroidzug

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nachtschläferkapselbaum

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del­ta : 0.02 — Sobald ich das Wort Nacht­schlä­fer­kap­sel­baum notie­re, mel­det mein Text­ver­ar­bei­tungs­pro­gramm, die­ses Wort sei in sei­nen Regis­tern nicht zu fin­den, ein Wort dem­zu­fol­ge, das bis­lang nicht exis­tierte. Tat­säch­lich ist das so, dass ich das Wort Nacht­schlä­fer­kap­sel­baum zunächst im Kopf erfun­den habe, ehe ich das Wort mit­tels der Tas­ta­tur mei­ner Schreib­ma­schi­ne ver­wirk­lich­te. Die Vor­stel­lung eines Bau­mes von enor­mer Grö­ße, an des­sen Ästen Kap­sel­for­men befes­tigt sind, in wel­chen sich Men­schen zur Ruhe legen. Ich über­leg­te Bäu­me, die in der Nähe eines Flug­ha­fens sich erhe­ben, Lei­tern, Sei­le, Wen­del­trep­pen, Blät­ter, Blü­ten­duft, Flüs­sig­keit spen­den­de Röh­ren­lia­nen. Selbst­ver­ständ­lich wur­de vor weni­gen Sekun­den nun bereits zum drit­te Male gemel­det, dass das Wort Nacht­schlä­fer­kap­sel­baum nicht exis­tiert. Wenn ich nun aber das erfun­de­ne, mar­kier­te Wort und damit die unbe­kann­te Welt, die sich mit ihm ver­bin­det, mit mei­ner Mou­se berüh­re, ent­de­cke ich die Mög­lich­keit, das Wort zu ler­nen, also in das Regis­ter des Pro­gramms ein­zu­tra­gen. Es wäre dann so, dass ich nie wie­der an das vor­ge­stell­te Wort erin­nert sein wür­de, solan­ge ich mei­ne eige­ne Schreib­ma­schi­ne ver­wen­de, weil mei­ne Schreib­ma­schi­ne sich über die Exis­tenz der Nacht­schlä­fer­kap­sel­bäu­me nicht wie­der wun­dern wür­de. — Gewit­ter­front von Süd­west. — stop
polaroidella

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gedankengang

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echo : 3.18 — Ich gehe ein paar Schrit­te nach links, dann gehe ich ein paar Schrit­te nach rechts. Sobald ich gehe, den­ke ich in einer ande­ren Art und Wei­se, als wür­de ich noch sit­zen. Ich habe schon viel nach­ge­dacht wäh­rend ich ging. Und ich habe schon viel ver­ges­sen wäh­rend ich ging. Wenn ich gehe, kom­men die Gedan­ken aus der Luft und ver­schwin­den wie­der in die Luft. Wenn ich sit­ze, kom­men die Gedan­ken aus mei­nen Hän­den. Sobald ich ein­mal nicht schrei­be, ruhen mei­ne Hän­de auf den Tas­ten der Schreib­ma­schi­ne und war­ten. Sie war­ten dar­auf, dass eine Stim­me in mei­nem Kopf dik­tiert, was zu schrei­ben ist. Ich könn­te viel­leicht sagen, dass mei­ne Hän­de dar­auf war­ten, mein Gedächt­nis zu ent­las­ten. Was ich mit mei­nen Hän­den in die Tas­ta­tur der Maschi­ne schrei­be, habe ich gedacht, aber ich habe, was ich schrieb nicht gelernt, nicht gespei­chert, weil ich weiß, dass ich wie­der­kom­men und lesen könn­te, was ich notier­te. Selt­sa­me Din­ge. Ich den­ke manch­mal selt­sa­me Din­ge zum zwei­ten oder drit­ten Mal. Gera­de eben habe ich wahr­ge­nom­men, dass es nicht mög­lich ist, zwei Zei­chen zur sel­ben Zeit auf mei­ner Schreib­ma­schi­ne zu schrei­ben, immer ist ein Zei­chen um Bruch­tei­le von Sekun­den schnel­ler als das ande­re Zei­chen. Wenn ich selt­sa­me Din­ge gedacht habe, freue ich mich. Wenn ich mich freue, kann ich nicht blei­ben, wo ich bin. Die Freu­de ist ein Gefühl, das mich in Bewe­gung ver­setzt. Ich sprin­ge auf, wenn ich saß, oder ich sprin­ge in die Luft, wenn ich bereits auf mei­nen Bei­nen stand. Dann gehe ich ein paar Schrit­te nach links, dann gehe ich ein paar Schrit­te nach rechts. Sobald ich gehe, den­ke ich in einer ande­ren Art und Wei­se, als wür­de ich noch sit­zen. — Kurz nach vier Uhr auf dem Mai­dan-Platz, Kyjiw. — stop

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paul moreau

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ulys­ses : 2.18 — Vor genau 1162 Tage fol­gen­de Beob­ach­tung: Das bewuss­te Den­ken scheint ohne Aus­nah­me ein Den­ken mit Stim­me zu sein. Ich höre mei­ne urei­ge­ne Gedan­ken­stim­me, als wür­de ich über Ohren gebie­ten, die nach innen gerich­tet sind. Sobald ich einen Gedan­ken mit­tels der Stim­me Paul New­mans oder Jean­ne More­aus in mei­nem Kopf zur Spra­che brin­ge, habe ich einen bereits vor­lie­gen­den Gedan­ken erin­nert, über­setzt, erzählt. Erstaun­lich der Ein­druck, dass sich mein Mund öff­net, sobald sich mei­ne Hän­de einer Tas­ta­tur nähern. — Wei­ter­hin ver­traut. — stop

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Viktoria og Marit Ansethmoen

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sier­ra : 6.50 — Ich beob­ach­te­te einen älte­ren Mann, der auf einer Fahrt von Man­hat­tan nach Sta­ten Island Schrift­zei­chen in die höl­zer­ne Sitz­bank einer Fäh­re gra­vier­te. Ein kal­ter Win­ter­tag, der Mann war sport­lich geklei­det, rote Wind­ja­cke, Lapp­land­müt­ze, Wan­der­schu­he, dazu Fäust­lin­ge, die sei­ne kräf­ti­gen Hän­de schütz­ten. Er war über­haupt von mäch­ti­ger Sta­tur gewe­sen. Ich hat­te die Vor­stel­lung, dass es sich um einen Nor­we­ger oder Fin­nen gehan­delt haben könn­te. Als der Mann das Schiff betrat, folg­te ich ihm, setz­te mich in sei­ner Nähe nie­der. Leich­ter See­gang, die Schei­ben des unte­ren Decks waren von der Salz­gischt geblen­det, draus­sen bedeck­te eine Eis­krus­te die Pro­me­na­de der Fäh­re. Wäh­rend der Über­fahrt, da ich den alten Mann beob­ach­te­te, spiel­ten ein paar schwarz­häu­ti­ge Jungs wun­der­bar schep­pern­den Blues auf Metall­gi­tar­ren. Eine Hand­voll Schul­kin­der toll­ten her­um. Das Horn des Schif­fes grüss­te in die Luft der Upper New York Bay wie immer. Da begann der alte Mann vor mei­nen Augen mit einem Klapp­mes­ser sei­ne Arbeit. Er ver­füg­te über ein schö­ne Schrift. Wäh­rend er arbei­te­te schien er kei­nen Blick für sei­ne Umge­bung zu haben, er mach­te das so wie einer, der meint, er sei nicht sicht­bar, solan­ge er fest an sei­ne Unsicht­bar­keit glaubt. Eine gute Vier­tel­stun­de schnitz­te er vor sich hin. Dann pack­te er sein Mes­ser in sei­nen Ruck­sack und ver­ließ das Schiff mit allen ande­ren Pas­sa­gie­ren. Kaum waren wir an Land, stell­te ich mich in die War­te­schlan­ge Rich­tung Man­hat­tan, um sofort wie­der zurück auf das sel­be Schiff zu gelan­gen, mit dem ich zur Insel hin gefah­ren war. Nur weni­ge Minu­ten spä­ter nahm ich genau an der Stel­le Platz, an der der Mann gear­bei­tet hat­te. Auf dem Boden des Schif­fes lag ein Häuf­chen dunk­ler Spä­ne, in den Sitz ein­gra­viert ein Name: Vik­to­ria og Marit Ans­eth­moen. Dem Namen folg­te eine Zif­fer: No 7563. Die­se Zif­fer, und den dazu­ge­hö­ri­gen Namen, ent­deck­te ich ges­tern in einem Notiz­buch wie­der, das ich damals geführt hat­te wäh­rend win­ter­li­cher Fahr­ten auf Sta­ten Island Fäh­ren. Noch immer weiß ich nicht, was die­se Zahl bedeu­ten könn­te, und war­um der alte Mann den Namen einer Frau in die Sitz­bank des Schif­fes ein­ge­tra­gen hat­te. Heu­te Nacht die Vor­stel­lung, ich könn­te mei­nen Text in die nor­we­gi­sche Spra­che über­set­zen las­sen, um ihn der digi­ta­len Sphä­re zu über­ge­ben: Alter Man­hat­tan­mann, mel­den Sie sich bit­te. Code: Vik­to­ria og Marit Ans­eth­moen / No 7563 — stop 

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