Aus der Wörtersammlung: etwas

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nicht atmen

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echo : 0.55 — M. erzähl­te, wie sie als Kind in ihrem Dorf in den kur­di­schen Ber­gen mit Scha­fen, Eidech­sen und Stei­nen spiel­te. Die Stei­ne warf sie in einer Wei­se gegen eine Wand, dass sie im Zurück­kom­men Mus­ter auf dem Boden bil­de­ten. Sie woll­te bald wis­sen, wel­ches Spiel denn ich selbst als Kind beson­ders ger­ne spiel­te. Ich berich­te­te, dass ich mich ger­ne ver­steck­te, weil es sehr auf­re­gend gewe­sen war, ver­steckt zu sein, gera­de des­halb, weil ich davon erzähl­te, dass ich mich bald ver­ste­cken wür­de, weil ich erwar­te­te, gesucht und gefun­den zu wer­den. Vom Ver­ste­cken berich­te­te M. indes­sen, dass sie in ihrer Kind­heit fürch­te­te, ver­steckt zu sein, weil sie ein­mal beob­ach­te­te, wie sich ihr Vater ver­ber­gen muss­te im Haus, er war ganz stau­big und die Angst saß wie ein Tier in sei­nem Gesicht. Sie selbst muss­te sich etwas spä­ter auch ein­mal ver­ste­cken, sie durf­te nicht atmen, in der Küche stan­den frem­de Män­ner, die tru­gen schwar­ze Turn­schu­he. — stop
drohne21

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lukas

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alpha : 0.18 — Für sei­nen Sohn, der gera­de fünf Jah­re alt gewor­den ist, hat sich Gus­tav L. etwas Beson­de­res aus­ge­dacht. Er ist in den Kel­ler gestie­gen, um dem klei­nen Lukas einen Dra­chen zu bau­en, ein Geschenk von eige­ner Hand. Im Kel­ler lager­ten Holz und Sei­den­pa­piere in Rot und Blau, und Schnü­re, davon fei­ne Sor­ten und etwas kräf­ti­gere Gewin­de. Im Kel­ler waren außer­dem Werk­zeuge zu fin­den, Sägen, Fei­len, Häm­mer, Cognac, alles das, was man so braucht, einen wun­der­baren Flug­d­ra­chen zu bau­en. Es ist ein schö­ner Okto­ber­tag. Man zieht kurz nach Voll­endung des Kel­ler­wer­kes los auf die nächs­te Wie­se, die schön blüht, Mar­ge­ri­ten vor allem. Lukas ist stolz auf den Dra­chen und der Vater ist es auch. Aus dem Dra­chen einer rei­nen Vor­stel­lung ist ein wirk­li­cher Dra­chen gewor­den, den man berüh­ren kann, ein drei­stö­cki­ger Kas­ten­dra­chen, der knis­tert. Gus­tav fühlt sich wohl, es ist ihm so rich­tig warm gewor­den, er hat sich gut ein­ge­pegelt. Eini­ge Bie­nen flie­gen zick­zack her­um. Ein star­ker Wind geht, der Dra­chen fliegt hoch hin­auf. Der Sohn und der Vater hal­ten ihn gemein­sam an der Schnur. Sie ren­nen über die Wie­se. Ein­mal hebt der klei­ne Jun­ge ab, der Vater erwischt ihn gera­de noch am Fuß. Dann fällt der Vater um. – stop

menschen

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grand central station. regen

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marim­ba : 0.12 — Grand Cen­tral Sta­ti­on an einem reg­ne­ri­schen Tag, vie­le der rei­sen­den Men­schen sind nass gewor­den. Auch ein paar Tau­ben haben sich in den Bahn­hof geflüch­tet, sie gehen zu Fuß, wes­halb sie von Kin­dern gejagt wer­den, deren Müt­ter lan­ge Röcke tra­gen und Schlei­fen im Haar. Die­se Per­so­nen wir­ken so, als wären sie gera­de erst aus den Regen­wol­ken frü­he­rer Jahr­hun­der­te gefal­len.  Wie ich mit einer Roll­trep­pe abwärts fah­re, durch die Tun­nels unter dem Bahn­hof spa­zie­re, tref­fe ich auf eine Modell­ei­sen­bahn, die mit Blau­licht durch einen Post­kar­ten­la­den fun­kelt. Ein Feu­er ist aus­ge­bro­chen, eine Tank­stel­le brennt, die jeder­zeit explo­die­ren könn­te, und eine Schu­le. Gele­gent­lich schep­pert ein Zug vor­bei, des­sen Loko­mo­ti­ve dampft, indes­sen das Modell­ei­sen­bahn­feu­er mit­tels fei­ner Papie­re und künst­li­chem Wind zur Auf­füh­rung kommt. Eine dra­ma­ti­sche Sze­ne. In die­sem Moment der Beob­ach­tung eines Unglücks, erin­ner­te ich mich an einen Hei­zer, der in einem Mün­che­ner Bahn­hof das Fahr­werk einer rie­si­gen Loko­mo­ti­ve ölte. Es war eine Zeit, da die fah­ren­den Koh­len­brenn­wer­ke star­ben. Ich könn­te damals zum ers­ten Mal bemerkt haben, dass auch Modell­lo­ko­mo­ti­ven regel­mä­ßig mit Maschi­nen­öl, wel­ches aus hand­li­chen Behäl­tern trop­fen­wei­se ver­teilt wur­de, ver­sorgt wer­den wol­len. Der Dampf, der unter der Fahrt kurz dar­auf aus zier­li­chen Schlo­ten pfiff, war echt, wie der Dampf der gro­ßen Loko­mo­ti­ven­brü­der. Die ers­te Eisen­bahn mei­nes Lebens habe ich von einem Lauf­stall aus als Gefan­ge­ner beob­ach­tet. Noch konn­te ich, wenn ich mich nicht täu­sche, nur sit­zen oder lie­gen, aber das war nicht schlimm gewe­sen, weil der Zug, der mei­nen Lauf­stall umkreis­te, vom Boden her gut zu sehen war. Ich erin­ne­re mich an Schie­nen von Metall, die ich spä­ter ein­mal ver­bie­gen wer­de, an leuch­ten­de Signal­an­la­gen, an dun­kel­grü­ne Kro­ko­di­le, die je über drei Schhein­wer­fer­köp­fe ver­füg­ten. Spä­te­re, sehr viel klei­ne­re Dampf­lo­ko­mo­ti­ven­mo­del­le, waren schwer. Wenn ich sie in mei­nen klei­nen Hän­den hielt, hat­te ich das Gefühl etwas Bedeu­ten­des zu hal­ten. Ihre Far­ben waren Schwarz und Rot, und sie rochen schön nach Eisen. Seit jener Zeit spü­re ich eine kind­li­che Form der Erre­gung, sobald ich in einem Modell­ka­ta­log blät­te­re. Die ers­te Spiel­zeug­ei­sen­bahn, die mir selbst gehör­te, war von Holz gewe­sen, höl­zer­ne Schie­nen, höl­zer­ne Wag­gons, höl­zer­ne Loko­mo­ti­ven, auch die Pas­sa­gie­re waren von Holz. Heut­zu­ta­ge wer­den Loko­mo­ti­ven her­ge­stellt, die so klein sind, dass man sie ver­schlu­cken kann. – Vor weni­gen Tagen wur­de Rado­van Kara­džić zu 40 Jah­ren Haft ver­ur­teilt. — stop
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yolande

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marim­ba : 5.06 — Schwie­rig sei, sag­te Yolan­de, dass sie eine Groß­mutter habe, die in Arme­ni­en gebo­ren wur­de, und einen Groß­va­ter, der in Usbe­ki­stan leb­te, und dass ihre Mut­ter ihre Kind­heit in der Tür­kei ver­brach­te, dass sie ihren Mann in Grie­chen­land ken­nen­lern­te, dass sie zwei Töch­ter gebar in Deutsch­land im Jahr 1995, dass die Spra­che ihrer Mut­ter nicht Deutsch gewe­sen sei, dass sie selbst zunächst aber die deut­sche Spra­che lern­te, dass sie in die­ser Spra­che träu­me, das sage man doch so, und dass sie über einen deut­schen Pass ver­fü­ge, dass sie aber zugleich die­ses dunk­le Haar tra­ge und ihre Augen von der Natur schwarz und man­del­för­mig gestal­tet wor­den sei­en, wes­we­gen sie sich stets anhö­ren müs­se, wie gut sie inte­griert sei in Deutsch­land, und wie gut sie doch die deut­sche Spra­che spre­chen wür­de, so gut, dass man fast mei­nen wür­de, dass sie eine Deut­sche sei, wo das aber doch nicht mög­lich ist, weil sie doch die­se ihre Augen tra­ge, und ihre Haut etwas dunk­ler sei auch im Win­ter, und die­ses Haar, denkt man, sag­te Yolan­de am 16. März des Jah­res 2016 um kurz nach zehn Uhr abends, als sie soeben in einem Zug Platz genom­men hat­te. — stop

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minutenzeitung

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hima­la­ya : 5.16 — Ges­tern erzähl­te Mut­ter, nein, nein, sie lese kei­nes­wegs lang­sa­mer durch ihre mor­gend­li­che Zei­tung als frü­her noch, viel­mehr sei­en die Zei­tun­gen selbst schwe­rer, das heißt, umfang­rei­cher oder dicker gewor­den. Das kön­ne nie­mand mehr lesen, jeden Tag eine neue dicke Zei­tung. Ich dach­te, man müss­te ein­mal die Zeit anhal­ten, sagen wir für zwei oder drei Mona­te. Alles wür­de zit­ternd still­ste­hen auf unse­rer Erd­ku­gel, allein Jour­na­lis­tin­nen und Jour­na­lis­ten wären noch beweg­lich. Sie rei­sen nun her­um, betrach­te­ten fünf Minu­ten Zeit welt­weit, die sich über­all so lan­ge wie­der­holt, bis sie von Spra­che und Foto­gra­fie erfasst sein wird. In einem Flücht­lings­la­ger hält eine Groß­mutter ein gera­de gebo­re­nes Kind aus einem Zelt her­aus, der Vater kippt etwas Regen­was­ser über den klei­nen rosa­far­be­nen Leib, und schon sind fünf Minu­ten Zeit ver­gan­gen und das Kind wie­der in den Leib der Mut­ter zurück­ge­kehrt. Als das Kind unver­züg­lich erneut gebo­ren wird, sind drei wei­te­re Foto­gra­fen vor das Zelt getre­ten, um das Kind zu foto­gra­fie­ren, wie es von sei­nem Vater gewa­schen wird. In Oslo sto­ßen zwei Stra­ßen­bah­nen so lan­ge gegen­ein­an­der, bis end­lich über sie berich­tet wird. Auf Neu­see­land, nahe Parapa­ra, fällt ein Kind von einem Baum, Minu­ten­wei­se klet­tert es wie­der hin­auf und fällt wie­der zu Boden, ehe ein Repor­ter vor­über kom­men wird, um viel­leicht gera­de noch recht­zei­tig das Kind auf­zu­fan­gen. Auch die alte Mar­tha will bemerkt wer­den, sie hat wie­der ein­mal ein paar Match­box­au­tos ver­schluckt in Lon­don im Kauf­haus bei Har­rods. Eine umfang­rei­che Zei­tung könn­te ent­ste­hen, eine Welt­zei­tung von 5 Minu­ten Zeit, die von zehn­tau­sen­den Jour­na­lis­ten notiert wur­de, die wie Wan­der­amei­sen Blät­ter, Wör­ter, Gedan­ken, Foto­gra­fien sam­mel­ten, um zu erzäh­len, was der Fall ist. – Fünf Uhr sech­zehn in Ido­me­ni, Grie­chen­land. – stop
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global

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india : 0.01 — Arthur Mas­hu­ryan, Kon­di­tor aus Rema­gen, ist ein Künst­ler feins­ter Back­wa­ren, ein rund­li­cher Mann, fröh­lich und selbst­be­wusst, ein Unter­neh­mer arme­ni­scher Her­kunft. Er erzählt im Bild­schirm­ra­dio Fol­gen­des: Auf­klä­rung ist bedeu­tend. In ers­ter Linie, die Ver­bin­dung zwi­schen den Flücht­lin­gen und den Deut­schen zu schaf­fen. Weil, ich habe das Gefühl, dass man kei­nen Bezug dazu hat. Man muss auch teil­wei­se sagen, Deutsch­land geht es gut, Deutsch­land ist ein glo­bal agie­ren­des Land, die Unter­neh­men sind glo­bal ver­netzt, und die­ser Wohl­stand, den Deutsch­land erwirt­schaf­tet hat, ist auch ein Grund für bestimm­te Flücht­lin­ge, und das muss man auch als Ver­bin­dung sehen, in die­sem Zusam­men­hang, die Ver­ant­wor­tung, die­se Art der Sicht­wei­se. Ich möch­te nie­man­den ver­ur­tei­len, weder deut­sche Unter­neh­men noch die Poli­tik, noch die Men­schen, man muss das Sys­tem ver­ste­hen, wie so etwas funk­tio­niert. Man ist Export­welt­meis­ter, die Fra­ge ist nur, das hört sich schön an, aber was ist, was steckt dahin­ter, Export­welt­meis­ter bedeu­tet auch, dass man in ande­ren Län­dern erfolg­reich agiert, so wie in Deutsch­land, aber auf der ande­ren Sei­te gibt es Ver­lie­rer, und die­se Ver­lie­rer haben Bei­ne bekom­men und sind heut­zu­ta­ge hier. Nicht nur aus Kriegs­ge­bie­ten, auch Wirt­schafts­flücht­lin­ge, das muss man auch erwäh­nen, dass das auch ein Pro­blem ist. Wenn man ver­hun­gert, stirbt man trotz­dem, auch wenn man nicht erschos­sen wird. — stop
signs

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nachtmann

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vic­to­ry : 0.55 — Es ist 1 Uhr mit­ten in der Nacht und es reg­net. Ein Mann kommt auf sei­nem Fahr­rad weit unten pfei­fend die Stra­ße ent­lang. Etwas ist selt­sam, er kommt sonst zu ande­rer Zeit, er kommt sonst immer um 3 Uhr, nie­mals frü­her, und nie­mals, wenn es nach halb 4 Uhr gewor­den ist. Ich habe vor eini­ger Zeit von die­sem Mann bereits berich­tet, dass ich ihn ein­mal von oben her beob­ach­tet habe, dass er sich in einer Wei­se ver­hält, als wür­de er selbst eine abge­schlos­se­ne Geschich­te sein, zu der sich nichts wirk­lich Neu­es hin­zu­fü­gen lässt. Heu­te Nacht stell­te ich mir vor, sei­ne Erschei­nung könn­te viel­leicht glän­zen, weil er nass ist, sei­ne Hau­be, sein Man­tel, sein Fahr­rad. Viel­leicht wird er hoch­schau­en zum Dach, wird das Licht sehen hin­ter mei­nen Fens­tern, wird sagen: Der Nacht­mensch ist wie­der da! — Ich muss mich geirrt haben. Es ist tat­säch­lich so, dass sich die­ser Mann zu ver­än­dern scheint, sei­ne Geschich­te, nicht nur die Geschich­ten in den Zei­tun­gen, die er zu schla­fen­den Men­schen bringt. Min­des­tens wird der Mann immer älter, wie ich immer älter wer­de, und sein Fahr­rad, als ich vor drei Wochen ver­reis­te, noch ohne, ver­fügt plötz­lich über einen Motor, der knat­tert. — stop

handzeichnung

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pocket george

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tan­go : 2.58 — Geor­ge schrieb vor weni­gen Tagen einen hand­schrift­li­chen Brief. Er wen­de sich mit einer drin­gen­den Bit­te an mich, er benö­ti­ge etwas Geld, weil er im Moment zu wenig davon habe. Sei­ne Tele­fon­rech­nung sei ihm über den Kopf gewach­sen, außer­dem habe er sich bei einem Auf­trag für den Druck eines Buches ver­tippt, er habe anstatt 200 Exem­pla­ren 20000 Exem­pla­re sei­ner Geschich­te vom Wal­fisch­or­ches­ter bestellt. Die­se wun­der­ba­re Auf­la­ge sei prompt und ohne jede Nach­fra­ge gelie­fert wor­den. Wäh­rend er sich noch wun­der­te, wie ein Paket nach dem ande­ren Paket von drei oder vier Män­nern in sei­ne Woh­nung ver­frach­tet wur­de, war bereits ein erheb­li­cher Betrag von sei­nem Kon­to abge­bucht, sodass er jetzt kaum noch die Mög­lich­keit habe, sich Brot, Käse oder Was­ser zu besor­gen, er sei ver­schul­det bis über bei­de Ohren hin­aus bereits seit drei Mona­ten. Natür­lich habe er gehofft, aber sein Hof­fen habe nicht gewirkt, nun sei­en nicht nur er selbst, son­dern auch sei­ne Archi­ve bedroht, die er in digi­ta­ler Sphä­re auf Posi­ti­on POCKET gesam­melt habe. Ihm sei damit gedroht, bei wei­te­rem Zah­lungs­ver­zug, sein pro­fes­sio­nel­les Kon­to unver­züg­lich in ein nicht pro­fes­sio­nel­les Kon­to zu ver­wan­deln, sei­ne Daten wür­den ver­lo­ren gehen, wes­we­gen er nun sehr ver­zwei­felt sei, nicht nur ver­zwei­felt, son­dern müde, er zöge­re, sei­nen Com­pu­ter über­haupt noch mit dem Inter­net zu ver­bin­den, weil das Inter­net dann sei­ne Daten sogleich aus sei­nen Spei­chern zurück­ho­len wür­de, er habe nicht geahnt, dass er ein­mal in eine der­art ver­zwei­fel­te Lage kom­men, dass sich das Inter­net als ein der­art gefrä­ßi­ges Tier dar­stel­len wür­de, wel­ches sei­nen Com­pu­ter, sei­ne Samm­lung aus dem Web ver­schwun­de­ner Sei­ten an sich rei­ßen wür­de, man kann mit die­sen Raub­tie­ren nicht ein­mal tele­fo­nie­ren, schrieb Geor­ge vor weni­gen Tagen.- stop

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vor neufundland 02.12.08 : atem

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alpha : 0.02 — Vom Fens­ter aus beob­ach­te ich seit zwei Stun­den ein Rudel Eich­hörn­chen, das auf der Stra­ße weit unten tollt, als gäbe es etwas zu fei­ern. Wenn ich sie mit einer Taschen­lam­pe beleuch­te, blei­ben sie für einen Moment still sit­zen, ich kann sie zäh­len, es sind 12 Eich­hörn­chen, sie schau­en zu mir her­auf, ich habe kei­ne Ahnung, ob sie mich erken­nen. Ich dach­te an Tau­cher Noe, der ges­tern eine Nach­richt sen­de­te und an Natha­lie Sar­rau­te, ihre Bemer­kung, sie habe mit ihrem Roman Kind­heit ver­sucht, Bil­der ihrer Erin­ne­rung zusam­men­zu­stel­len, die sie wie aus einem Stück Wat­te her­aus­zie­hen konn­te. Ger­ne wür­de ich Noe von Natha­lie Sar­rau­te erzäh­len. Er ist nicht erreich­bar, er ver­mag zu sen­den, aber kann kei­ne Nach­rich­ten emp­fan­gen. Ges­tern zuletzt aus 785 Fuß Tie­fe vor Neu­fund­land > ANFANG 02.12.08 | | | > s t o p. nie­mals wer­de ich auf­hö­ren zu schrei­ben und wenn ich nur noch ein wort schrei­ben könn­te weil mir kein wei­te­res wort ein­fal­len wird. s t o p an wel­chem wort wer­de ich mich fest­hal­ten? s m a l l g r e e n f i s h m a k i n g b a c k f l i p s . s t o p ich wünsch­te ich könn­te lesen was ich je geschrie­ben habe. s t o p zurück­keh­ren in zei­ten die ich den­ke. s t o p kor­ri­gie­ren. s t o p löschen was ich ein­mal geschrie­ben und gedacht haben wer­de. t w o b l u e f i s h e s i n l o v e r i g h t w a r d s . s t o p solan­ge ich schrei­be atme ich. s t o p es ist ein und das sel­be. s t o p ich hebe mei­nen lin­ken fuß und sin­ke nach rechts. s t o p ich hebe mei­nen rech­ten fuß und sin­ke nach links. s t o p. erstaun­lich. s t o p | | | ENDE 02.15.32 — stop

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mexico

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nord­pol : 1.15 — Ges­tern Abend ist etwas Lus­ti­ges pas­siert. Schne­cke Esme­ral­da ent­deck­te eine Mög­lich­keit, mein Fern­seh­ge­rät zu bestei­gen. Sie saß wohl schon eine Wei­le dort oben­auf, als ich sie, kurz nach­dem ich das Fern­seh­ge­rät ein­ge­schal­tet hat­te, bemerk­te. Vom auf­blen­den­den Licht unter ihrem Haft­fuß über­rascht, begann sie, kreuz und quer über den Bild­schirm zu flüch­ten, ihre Augen indes­sen streck­te sie so weit wie mög­lich von sich, schließ­lich ließ sie sich ein­fach fal­len, wand sich auf dem Boden als wäre sie ver­rückt gewor­den, lag dann eine Wei­le still, sodass ich mich vor­sich­tig näher­te, weil ich fürch­te­te, sie könn­te ernst­haft Scha­den genom­men haben. Ich fuhr, um ihre Lebens­geis­ter zu locken, mit einem fei­nen Pin­sel über ihre feuch­te, led­ri­ge Haut, und bemerk­te bald, wie ein Schim­mern über ihren Kör­per wan­der­te. Kurz dar­auf streck­te sich ihr Kör­per unter ihrem schwe­ren Gehäu­se in der Art der Sche­cken, wenn sie sich erhe­ben, und wan­der­te über den Boden fort in die Die­le und von dort aus in die Küche hoch auf den Tisch, wo sie nun seit Stun­den auf einer Bana­ne sitzt. Ich glau­be, sie schläft, ihre Turm­au­gen haben sich in den Kör­per zurück­ge­zo­gen, aber sie erwacht unver­züg­lich, wenn ich und solan­ge ich tele­fo­nie­re, zum Bei­spiel mit M., die von ihrem Freund erzählt, der bald nach Mexi­ko rei­sen wird. Sie wohnt seit Jah­ren mit ihm in einer Woh­nung, ohne ein Wort mit ihm zu spre­chen. Sie sagt, jede sei­ner Rei­sen sei­en für sie mit dem Wunsch ver­bun­den, er möge bald zurück­keh­ren, sie sei fröh­lich, sobald er wie­der in die Woh­nung tre­te, spre­chen wer­de sie jedoch nie wie­der mit ihm an die­sem Ort, und das sei gut so, weil sie sich in die­ser Wei­se zu Hau­se nie strei­ten, sie leb­ten sehr har­mo­nisch, er mache immer Früh­stück für sie, er lege Foto­gra­fien, zum Bei­spiel von Mexi­ko, auf ihren gemein­sa­men Tisch, sie suche dann die Guten her­aus, Bil­der, die gelun­gen sind, es gebe nie Dis­kus­sio­nen des­we­gen, weil sie eben nicht mehr mit­ein­an­der spre­chen, höchs­tens mit den Augen und mit den Hän­den oder mit­tels Gegen­stän­den, die irgend­wo lie­gen oder nicht lie­gen. — stop

nach­rich­ten von esmeralda »

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