Aus der Wörtersammlung: winter

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nahe aleppo

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echo : 21.11 UTC — Der Wagen schau­kel­te vor sich hin wie ein Schiff im Sturm auf hoher See. Das war gewe­sen, als Mut­ter ver­such­te, im Lauf­schritt eine Stra­ße zu über­que­ren. Auch der Him­mel schau­kel­te und das höl­zer­ne Spiel, das vor mei­nen Augen ange­bracht wor­den war, damit ich das Grei­fen und Fan­gen übte. Kaum hat­ten wir die Stra­ße über­quert, sor­tier­te ich mein Bett im Wagen, mei­ne Ras­sel, mei­nen Ted­dy­bä­ren, mei­ne Hand­schu­he und Decke. Ein Win­ter­bild. Auch immer wie­der Gesich­ter, die näher kamen, um in mein schau­keln­des Zim­mer zu spä­hen. Und Hän­de, die mich neck­ten, frem­de Fin­ger. Manch­mal schlief ich ein, weil ich mich gut und sicher fühl­te. Ich war viel­leicht zwei Jah­re alt. Eine Foto­gra­fie exis­tiert vom Kin­der­wa­gen und mir, eine Hand, ich erin­ne­re mich, ist zu sehen, die aus dem Ver­deck greift, das sich über mei­nem Köpf­chen wölb­te, als woll­te sie etwas fan­gen in der Luft oder die Luft selbst. — Vor weni­gen Minu­ten noch habe ich beweg­te Bil­der von Kin­dern gese­hen, die nahe Alep­po blu­tend in einem Kran­ken­haus auf einer Bah­re ruh­ten. Die Kin­der wein­ten nicht. Ihre Arme und Hän­de ohne Bewe­gung, aber ihre Augen. Sie waren nah auf dem Bild­schirm mei­ner Fern­seh­ma­schi­ne. Ich hör­te kla­gen­de Stim­men aus dem Off, von dort, wohin mein Bild­schirm nicht reich­te. – stop
ping

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regen

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bamako : 18.55 UTC Mor­gen oder über­mor­gen wer­de ich eine Geschich­te erzäh­len, die mit Jack Kerouac in einer gewis­sen losen Ver­bin­dung ste­hen wird. Als ich die Geschich­te zu notie­ren begann, erin­ner­te ich mich an einen Text, den ich vor 11 Jah­ren an die­ser Stel­le bereits gesen­det hat­te. Es war gleich­wohl im Sep­tem­ber gewe­sen, es reg­ne­te damals und ich spa­zier­te unter einem Regen­schirm. Zunächst reg­ne­te es Regen­sand, dann Regen­reis, dann reg­ne­te es klei­ne Frö­sche. Für einen kur­zen Moment dach­te ich, in einem Film ange­kom­men zu sein, der von Loui­sia­na han­del­te. Das war ein fei­nes Gefühl gewe­sen, unter dem klin­gen­den Schirm am Ufer des Mis­sis­sip­pi zu ste­hen und den Frö­schen zu lau­schen, die auf ihrer letz­ten Rei­se vom Him­mel erstaun­li­che, pfei­fen­de Geräu­sche von sich gaben. Als ich so im Frosch­re­gen am gro­ßen Fluss stand, erin­ner­te ich mich wie­der­um an einen klei­nen Text, den ich ein Jahr zuvor bereits geschrie­ben hat­te. Und sofort wuss­te ich, dass ich die­sen Text, sobald ich wie­der zu Hau­se ange­kom­men sein wür­de, noch ein­mal lesen soll­te. Es ist noch immer, auch heu­te, 12 Jah­re spä­ter, ein beru­hi­gen­der Text, ein Text, der mich berührt. Des­halb will ich die­sen klei­nen Text, eine Anlei­tung zum Glück­lich­sein, noch ein­mal, zum drit­ten Mal, für Sie wie­der­ho­len: Man ver­las­se das Haus. Sorg­fäl­tig alle Bewe­gun­gen des Ver­kehrs beach­tend, gehe man so lan­ge durch die Stadt, bis man auf eine Buch­hand­lung trifft. Dort kau­fe man Cor­ta­zar, Julio – Geschich­ten der Cro­nopi­en und Famen. Dann gehe man spa­zie­ren, tra­ge den schma­len Band durch die Stra­ßen, bis man einen Park erreicht, wenn Som­mer, oder ein Café, wenn Win­ter ist. Man neh­me Platz und lese. Über den Umgang mit Amei­sen bei­spiels­wei­se oder wie wun­der­bar ange­nehm es ist, ein Spin­nen­bein pos­ta­lisch an einen Außen­mi­nis­ter auf­zu­ge­ben. Oder man las­se sich im Uhren­auf­zie­hen oder im Trep­pen­stei­gen unter­wei­sen. Jetzt bereits wird man eine leich­te Wär­me spü­ren, die aus der Gegend des Bau­ches nach oben und unten in Arme und Bei­ne aus­wan­dert. Also lese man wei­ter, lau­sche jenen ange­neh­men Geräu­schen im Kopf, die­sem sagen wir: Jeder­mann wird schon ein­mal beob­ach­tet haben, dass sich der Boden häu­fig fal­tet, der­ge­stalt, dass ein Teil im rech­ten Win­kel zur Boden­ebe­ne ansteigt und der dar­auf­fol­gen­de Teil sich par­al­lel zu die­ser Ebe­ne befin­det, um einer neu­en Senk­rech­te Platz zu machen. Oder jenem: Trep­pen steigt man von vorn, da sie sich von hin­ten oder von der Sei­te her als außer­or­dent­lich unbe­quem erwei­sen. It works. — stopping

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von blüten

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lima : 15.01 UTC — Vor der Ver­kün­dung des Urteils hat sich das Gericht vor­nehm zurück­ge­zo­gen. Der Ange­klag­te sitzt auf sei­nem Platz und war­tet. Links und rechts etwas erhöht haben sich auch sei­ne Ver­tei­di­ger, zwei ange­se­he­ne Anwäl­te der Stadt, von ihren Plät­zen nicht erho­ben, man rech­net mit einer raschen Ent­schei­dung. So auch der Staats­an­walt, ein jün­ge­rer Herr, nicht ein­mal sei­ne Robe hat er abge­legt, wäh­rend­des­sen er den Ange­klag­ten glei­chen Alters in einer vor­sich­ti­gen Art und Wei­se betrach­tet, als sei er sich nicht sicher, mit sei­nem Plä­doy­er eine aus­rei­chen­de Begrün­dung für die hohe Stra­fe dar­ge­legt zu haben, die er zuletzt über den Ange­stell­ten der städ­ti­schen Biblio­the­ken zu wer­fen for­der­te. Genau so hat­te er noch gespro­chen, wer­fen, nicht ver­hän­gen sol­le man eine Stra­fe über die­sen Mann, der sich hier im Saa­le höchst unauf­fäl­lig benom­men hat­te. Wann hat­te er die ers­te Blu­me frei­ge­las­sen, wann den ers­ten Samen aus­ge­streut? War es ihm denn nicht in den Sinn gekom­men, dass er unrecht han­del­te, als er mit Vor­satz ver­such­te Urwald in der Stadt aus­zu­set­zen? Ja, wie konn­te er denn glau­ben, dass man ihn ohne Stra­fe davon kom­men las­sen wür­de, nach­dem sei­ne Laren­tiae Sinen­si­os vor dem Opern­haus das Pflas­ter spreng­ten, nach­dem man im schöns­ten der zen­tra­len Parks gera­de noch ver­hin­dern konn­te, dass der gold­ro­te Samen­staub der Lobe­lia Frasen­sis sich des Pal­men­hau­ses bemäch­tig­te? Ja wie konn­te er gestat­ten, dass man ihn rühm­te als einen guten Men­schen, da doch die von ihm vor­nehm­lich unter der Stra­ßen­bahn­fahrt in die Luft gepu­der­ten Kost­bar­kei­ten der Nemuso Lasas­tro in den Lun­gen der städ­ti­schen Bür­ger wun­der­sa­me Blü­ten zu trei­ben began­nen? Man hat­te lan­ge Zeit Mühe, sie in ihrem Wachs­tum zu begren­zen. Das Wun­der ihrer feu­er­ro­ten Kel­che drang aus den Grä­bern derer, die an den Blü­ten erstick­ten. Dort, unter den Ulmen und Kas­ta­ni­en­bäu­men, kämpf­ten die Gärt­ner einen unglei­chen Kampf, wie ihre Brü­der und Schwes­tern in den Hän­gen­den Gär­ten der glä­ser­nen Ban­ken­tür­me, die ver­geb­lich ver­such­ten, die Tar­a­xa­ca des gefrä­ßi­gen Schä­fer­korb­baums aus ihren Häu­sern zu kämp­fen. Mor­gens, wenn die herr­li­che Okto­ber­son­ne von Osten her in die rie­si­gen Atri­ien schien, sah man wohl­ge­form­ten Fall­schir­me die­ser frucht­bars­ten Pflan­zen­ge­schöp­fe in den künst­li­chen Win­den des Gebäu­des auf und nie­der­ge­hen. Es war dies die Stun­de, da man sich geschla­gen gab, um dann doch wie­der aus­zu­schwär­men, um den Not­ru­fen zu fol­gen, die von ver­zwei­fel­te Ange­stell­ten aus ihren Büros abge­setzt wor­den waren. Der jun­ge Staats­an­walt sieht durch das küh­le Licht des Saa­les zu dem Ange­klag­ten hin­über, und ein Schau­er über­läuft ihn bei dem Gedan­ken, dass gera­de jene von der Stadt bezahl­ten Stun­den des Stu­di­ums es den Biblio­the­ka­ren ermög­lich­ten, in den bio­lo­gi­schen Samm­lun­gen und Archi­ven nach den Gie­rigs­ten unter den Blu­men die­ser Welt zu for­schen. Er sieht die­sen beschei­de­nen Herrn an einem behörd­li­chen Schreib­tisch sit­zen, einem höl­zer­nen, wie er die Fächer sei­ner leder­nen Tasche mit Samen muni­tio­niert. Und dann sieht er ihn spa­zie­ren, da dort lächelnd eine Dosis Blü­ten­sa­men auf den Boden wer­fend, sodass schon bald dar­auf im Wech­sel der Duft von Kamil­le, der Duft der blau­en Anden­hya­zin­ten vom Schot­ter der Stra­ßen­bahn­ge­lei­se auf­zu­stei­gen begann. Aus der Regen­rin­ne des Poli­zei­prä­si­di­ums wuchert noch heu­te eine Com­mel­ine Cest­re him­mel­hoch über Radio­an­ten­nen hin­aus, das Bers­ten ihrer Nüs­se im Okto­ber ist noch über hun­der­te Metern hin deut­lich zu hören, es sind Schüs­se, es ist die reins­te Gefahr, die dort über den Dächern der Stadt auf den Win­ter lau­ert. Da sit­zen sie nun, ein jun­ger Herr, ein Samen­wer­fer und ein jun­ger Staats­an­walt, und war­ten auf das Urteil, das eine gerech­te Stra­fe aus­spre­chen möge. — stop

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teriberka

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whis­key : 20.01 – Ich erin­ne­re mich an Lud­wig, er war gera­de 8 Jah­re alt gewor­den, als er beob­ach­tet wur­de, wie er eine Schuh­schach­tel vor das Fens­ter sei­nes Zim­mers stell­te, um 1 Stun­de lang das Licht eines frü­hen Nach­mit­tags ein­zu­fan­gen. Er wen­de­te in die­ser Stun­de nicht eine Minu­te sei­nen Blick von dem Behäl­ter, den er sodann sorg­fäl­tig mit erns­ter Mie­ne ver­schloss, um ihn noch an dem­sel­ben Tag mit sei­ner Mut­ter zu einem Post­amt zu brin­gen. Das ist für mei­nen Freund Janos, erklär­te Lud­wig dem Beam­ten, der bei der Ver­fer­ti­gung einer zoll­amt­li­chen Erklä­rung behilf­lich war, 1 Stun­de Son­ne für mei­nen Freund, der in Teri­ber­ka weit im Nor­den in Russ­land wohnt. Lud­wig war­tet. Es hoff­te, dass er sei­ner­seits zur Weih­nacht viel­leicht etwas Win­ter­nacht­licht geschenkt bekom­men wür­de. Ich soll­te Lud­wig einen Brief schrei­ben. — stop

ping

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zebraspringspinne

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echo : 5.18 UTC — Ich beob­ach­te an die­sem Mor­gen auf dem Fens­ter­brett nach Süden zu eine Zebra­spring­spin­ne von höchs­tens 2 Gramm Gewicht. Sie spa­ziert dort unter mei­nen Augen furcht­los auf und ab. Mög­li­cher­wei­se ist sie kürz­lich erst durch die Luft geflo­gen oder aber den gan­zen Win­ter über in mei­ner Nähe gewe­sen, ohne dass ich sie bemerk­te. Für einen Moment hal­ten wir bei­de inne und schau­en in Rich­tung der Däm­me­rung. Eine Stra­ßen­bahn kommt um die Kur­ve gefah­ren, es ist die ers­te Stra­ßen­bahn die­ses Tages. Ich schlie­ße die Fens­ter. Mit die­ser ers­ten Stra­ßen­bahn kommt der Tag in die Nacht, Vögel stei­gen aus und hocken sich in Bäu­me und sin­gen, wäh­rend Flie­gen und Fal­ter aus mei­ner Woh­nung flüch­ten, um ein­zu­stei­gen und rasch davon­zu­fah­ren. Ich soll­te mor­gens ein­mal auf die Stra­ße tre­ten und zur Hal­te­stel­le gehen und war­ten, da nun die ers­te Fahrt der Linie 16 ein­tref­fen und der Fah­rer von Nacht­fal­tern bedeckt sein wird, und die Sit­ze und Lam­pen, und auch die Arbei­ter und Arbei­te­rin­nen der Früh­schicht. Dich­te, bit­te­re, stau­bi­ge Luft, ein sono­res Sum­men zehn­tau­sen­der Flü­gel. Klei­ne, har­te Käfer­kör­per stür­men durch wei­chen, flie­gen­den Fal­ter­wald, ping, pong, ping. — Die­ser Text wur­de zum ers­ten Mal vor vier Jah­ren notiert. Als ich heu­te früh­mor­gens eine Zebra­spring­spin­ne ent­deck­te, war mein Text wie­der mög­lich gewor­den. — stop

ping

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polarkäfer

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sier­ra : 0.28 — Ein Polar­kä­fer, stel­len Sie sich vor, das ist ein sehr küh­ler Käfer. Der­art kühl oder kalt ist sein Kör­per, dass die Luft um ihn her­um knis­tert, dass Was­ser augen­blick­lich zu frie­ren beginnt, dass Schnee fällt in Räu­men, da die Luft feucht ist, Vögel fal­len zu Boden, wenn sie einem Polar­kä­fer zu nahe kom­men, Mäu­se und ande­re klei­ne Tie­re erstar­ren. Polar­kä­fer lie­ben des­halb war­me Gegen­den der Welt, weil dort köst­li­che Lebe­we­sen durch Käl­te zu fan­gen sind, Wür­mer auch und Asseln und Amei­sen, die ganz beson­ders wun­der­bar schme­cken. Man kann das Knir­schen ihrer Kie­fer­werk­zeu­ge in der Stil­le gut ver­neh­men. Eher sel­ten sind sie und weiß wie Schnee und im Inne­ren von der bläu­li­chen Far­be des Glet­scher­ei­ses. Was ganz und gar unbe­kannt ist, das ist der Grund, war­um sie so kalt sind, ihre Metho­de. — stop

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funk

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sier­ra : 16.01 UTC — Ges­tern Abend mein­te ich wie­der zum drit­ten Ein­mal, ein Geräusch wahrgenom­men zu haben, in etwa hör­te sich das so an, als wür­de man ein Ohr an ein Bam­bus­rohr leg­en, durch welch­es Kiesel­steine fall­en. Zunächst mel­de­te sich das Geräusch links oben unter der Decke, wo sich Büch­er befind­en, die ich bis­her nicht gele­sen habe, war­ten­de Büch­er, sagen wir, Mah­nende. Kurz dar­auf wan­derte das Geräusch in die Mit­te des Regals, Chris­toph Rans­mayr klim­per­te, John Berg­er, Janet Frame, Anto­nio Tabuc­chi. Ich hat­te für eini­ge Minu­ten den Ein­druck, das Geräusch oder sei­ne Ursa­che kön­nte sich ver­viel­fäl­tigt haben. Wenn nun fol­gen­des gesche­hen wäre, dass sich die Büch­er mei­nes Regals in Funkbüch­er ver­wan­del­ten, in Büch­er, die nur vor­ge­ben, Bücher von Papi­er zu sein, in Büch­er also, die über Seit­en ver­fü­gen, die eigent­lich Bild­schirme sind, die man umblät­tern kann. Dann wäre denk­bar, dass ich jenes typ­is­che Geräusch ver­nom­men habe, das in genau dem Moment entste­ht, da der Autor eines Buch­es mit­tels Funk­wel­len eine erneu­er­te Fas­sung sei­nes Wer­kes in die Zim­mer der Welt ent­sen­det. Ich muss dar­über nach­denken, was die Mög­lich­keit oder die Exis­tenz der Funkbüch­er bedeu­ten wür­de für das Schrei­ben, für das Auf­hö­ren kön­nen, für Anfang und Ende ein­er Geschich­te. Und wenn nun Jean Pauls Komet in mei­nem Zim­mer rascheln wür­de, oder Feder­spiels Typho­id Mary, Pon­ge? – Noch zu tun: Win­ter­wör­ter erfind­en. — stop

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im schnee

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oli­mam­bo : 8.28 UTC — Im Traum war Win­ter. Eich­hörn­chen hüpf­ten durch den Schnee, manch­mal waren sie kaum zu erken­nen, nur eine Bewe­gung, eine klei­ne Wol­ke von Kris­tal­len, etwas Fell. Wenn sie sich dann näher­ten, waren sie zutrau­lich, natür­lich etwas scheu und ner­vös, aber dann doch der­art zutrau­lich, dass ich sie in die Hän­de neh­men und mein Ohr auf ihren Bauch legen konn­te. Ich hör­te ihr Herz schla­gen und etwas Musik, Swing, was war das doch für Musik gewe­sen? Musik, die ich nur von Schall­plat­ten her kann­te. All jene Eich­hörn­chen, die mir begeg­ne­ten, waren von Musik erfüllt. Wie sie das mach­ten? — stop

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ein eichhörnchen

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hima­la­ya : 16.02 UTC — Vom Fens­ter mei­nes Hau­ses aus ist das selt­sa­me Hotel, von dem ich kurz erzäh­len möch­te, nicht zu sehen. Ich muss schon mei­ne Schu­he anzie­hen, Schuh­bän­der ver­kno­ten, Türe schlie­ßen und die Trep­pe abwärts stei­gen, um das Hotel in mei­nen Kas­ten zu bekom­men, zur Beschrei­bung. Auf der Stra­ße bie­ge ich ab nach links. Kurz hal­te ich an, weil ich unter einem par­ken­den Auto­mo­bil ein Eich­hörn­chen ent­de­cke. Es sitzt ganz still, ich gehe in die Knie, und auch das Eich­hörn­chen scheint sich jetzt auf sei­ne Hin­ter­bei­ne voll­stän­dig nie­der­zu­las­sen. Eine Nuss hält es in sei­nen vor­de­ren Pfo­ten, ver­mut­lich eine Eichel, die nass gewor­den sein muss. Plötz­lich springt das Eich­hörn­chen auf und davon, und sitzt bald an einem Stamm, mit weit gespreiz­ten Armen und Bei­nen. Das Tier schaut mich an, als wür­de es mich ken­nen. Und wei­ter geht’s von Baum zu Baum rechts um das Schul­ge­bäu­de her­um, dann wie­der zurück und links um das Gebäu­de her­um in den Hin­ter­hof. Immer wie­der hält das Eich­hörn­chen inne, als wür­de es sich sor­gen, ob ich ihm tat­säch­lich fol­ge. Dann sind wir also im Hin­ter­hof, wo ein paar jun­ge Män­ner sit­zen und rau­chen. Sie küm­mern sich nicht wei­ter um mich, ich schei­ne doch viel zu alt zu sein, als dass ich noch ihre moder­ne Spra­che ver­ste­hen wür­de. Plötz­lich ist das Eich­hörn­chen ver­schwun­den in der Kro­ne einer Pla­ta­ne, deren Blät­ter im Win­ter nicht von den Ästen gefal­len sind. Wie ich so ste­he und in den Him­mel schaue, fällt mir ein, dass ich nach dem selt­sa­men Hotel sehen woll­te, ob es noch da ist. Nun ist es aber doch sehr spät gewor­den, Däm­me­rung, so ein Licht. Ich wer­de das selt­sa­me Hotel mor­gen besu­chen, nur so viel sei ver­ra­ten. Es han­delt sich um ein Hotel, das des­halb selt­sam zu sein scheint, weil in sei­nem Restau­rant von feins­ter Küche, — Tau­ben­brüs­te und See­teu­fel in Scheiben‑, nie je ein Gast zu sehen gewe­sen ist, obwohl doch zahl­rei­che Kell­ner Tische und Stüh­le pfle­gen. Sie tra­gen dunk­le Anzü­ge und Flie­gen­kra­wat­ten. Wie die unsicht­ba­ren Gäs­te des Hotels geklei­det sind, kann ich lei­der zu die­sem Zeit­punkt nicht beschrei­ben. — stop

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winter

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echo : 18.26 UTC — Wie Bernd L., ein alter Freund, mich in den Pal­men­gar­ten führt. Es ist ein win­ter­li­cher Nach­mit­tag, der Boden knirscht unter den Schu­hen, und die Spat­zen hocken zit­ternd vor den Gewächs­häu­sern, weil sie sich einen Spalt erhof­fen, durch den sie in die Wär­me flie­gen kön­nen. Ich tra­ge einen Notiz­block in der Man­tel­ta­sche, den neh­me ich her­aus und einen Blei­stift, als wir ins Kak­teen­haus tre­ten. Jetzt gehe ich hin­ter ihm her. Mein lie­ber Freund berührt Kak­teen an ihren Sta­cheln. Er ist sehr zart in die­ser Bewe­gung, er spricht die Namen der Pflan­zen vor sich her, ein Suchen­der, einer, der ein Wort wie­der­zu­fin­den wünscht, das er vor drei Jah­ren in die­sem Haus prä­zi­se erfun­den hat­te, ein Schutz- oder Pass­wort, das ihm ver­lo­ren gegan­gen ist, er weiß, dass er das Wort am Ort sei­nes Ursprungs wie­der­fin­den wird. Er muss das Wort unbe­dingt wie­der­erken­nen, die Tex­te sei­ner Schreib­ma­schi­ne sind ver­schlüs­selt, sie sind da und zugleich nicht, sind sicht­bar, aber nicht les­bar. Hier muss das Wort sein, irgend­wo. Und ich, der ich mei­nem Freund Bernd fol­ge, Schritt für Schritt, ganz lei­se, wür­de das Wort unver­züg­lich notie­ren, sobald wir es gefun­den haben wer­den. Soweit sind wir schon, wir kön­nen sagen, es exis­tie­ren im Wort auch Zah­len. Manch­mal kom­me eine Ahnung auf, sagt Bernd, das Gefühl eines Wor­tes flat­te­re durch sei­nen Kopf wie ein Sper­ling. Es ist Sams­tag, wie gesagt, es ist ziem­lich kalt und die Bäu­me glit­zern. — stop



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