Aus der Wörtersammlung: duft

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lichtenbergfalter

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sier­ra : 15.12 UTC — In der ver­gan­ge­nen Woche lern­te mei­ne Schreib­ma­schi­ne fol­gen­de Wör­ter, die in ihren Prüf­ver­zeich­nis­sen bis­lang nicht zu fin­den gewe­sen waren: Aqua­ri­um­zim­mer . Audia­ci­ty . Body­mind . Bie­nen­schwarm­ma­schi­ne . Boos­ter­imp­fung . Spiel­do­sen­samm­lung . Sel­ber­den­ken . Tau­cher­hand­zei­chen . Tasch­kent . Tag­mensch . Rüs­sel­ro­sen . Sand­wel­len­win­de . Schlaf­duft . Para­bel­bahn . Nas­horn­kä­fer . Nacht­stra­ßen­mu­se­um . Nomad­land . Not­knopf­sei­le . Maki­ta­ge . Mak­isona­re . Licht­fang­ma­schi­ne . Lich­ten­berg­fal­ter . Instanz­na­me . Holz­steg­fe­der . Kie­men­mäd­chen . iMo­vie . Itin­erar . Höh­le­n­acht­bild . Kup­pel­werk . Fla­min­go­bei­ne . Fene­on . Geis­ter­flot­te . Emo­ti­ons­re­gu­la­ti­on . Erzähl­räu­me . Dro­nen­ka­me­ra . Fake­kin­der­wa­gen . Dau­er­schla­fen . Droh­nen­leuch­ten. — stop

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von fliegentieren

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india : 20.02 UTC — Flie­gen exis­tie­ren, die sich im Moment der Dun­kel­heit an eine Wand set­zen, auf ein Buch, auf den Boden, auf das vom Tag­licht erwärm­te Holz mei­nes Schreib­ti­sches. Dort ver­wei­len sie still, bis es wie­der hell wird, sie sind die Schlä­fer unter den Flie­gen, Nacht­schlä­fer. Indes­sen sind wei­te­re Flie­gen zu beob­ach­ten, die kaum sicht­bar sind, solan­ge Licht ist in mei­nen Zim­mern, sie schei­nen sich mit­tels Bewe­gungs­lo­sig­keit zu ver­ste­cken. Ich höre sie nicht, ich sehe sie nicht, ich ver­ges­se, dass sie anwe­send sind oder ihre Anwe­sen­heit mög­lich sein könn­te. Und dann ist also Dun­kel. Unver­züg­lich flie­gen sie los, Spu­ren der Duft­mo­le­kü­le fol­gend lan­den sie auf Wan­gen, Stirn oder einer Schul­ter, die frei­legt, die schläft, die in die­sem Augen­blick der Lan­dung erwacht. Man könn­te sagen, die Nacht­flie­ger unter den Flie­gen, bewir­ken Licht. Kaum ste­he ich schlaf­trun­ken neben dem Bett, haben sie sich bereits wie­der ver­steckt.  Sie wis­sen um den Zorn. Und sie wis­sen, dass bald wie­der Dun­kel wer­den wird. — stop

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aerosole

pic

echo : 8.01 UTC — Stun­den der Abwe­sen­heit im Schlaf, die wie Sekun­den erschei­nen. Nicht des­halb schla­fen, um nicht wach zu sein, son­dern des­halb schla­fen, weil das Schla­fen ein ange­neh­mes Gefühl im Erwa­chen hin­ter­lässt, in den Momen­ten des Halb­schla­fes, die in ihrer zeit­li­chen Aus­deh­nung nicht bestimm­bar sind. — Noch ist frü­her Mor­gen. Zwir­bel­te fri­schen Kori­an­der mit den Fin­ger­spit­zen, Duft, der den Raum bis zur Decke hin füllt. — stop

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polio

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echo : 15.08 UTC — Nach Alko­hol bit­ter duf­ten­de Wol­ke, Erin­ne­rung einer Turn­hal­le mit höl­zer­nem Boden, vor Klet­ter­sei­len Tische, hin­ter wel­chen Leh­rer hock­ten. Sie führ­ten Namens­lis­ten, und jene wei­te­ren Per­so­nen in wei­ßen Kit­teln, die nicht bekannt gewe­sen waren, berei­te­ten den Impf­stoff vor, der uns, wir waren Kin­der, vor Polio schüt­zen soll­te, vor der Läh­mung unse­rer Bei­ne, unse­rer Arme, vor eiser­nen Lun­gen und vor den schreck­li­chen Krü­cken aus Metall oder Holz. Ich erin­ne­re mich an einen dun­kel­braun gefärb­ten Trop­fen, der auf einen Zucker­wür­fel fällt. Wir albern her­um, eine wogen­de, kichern­de Schlan­ge von Kin­dern in Som­mer­kleid­chen und Som­mer­ho­sen. Sehr ernst der Moment, da sich der Löf­fel nähert. Zucker. Bit­ter. Süß. Das Schlu­cken. Es war kurz vor der Zeit der Kar­tof­fel­feu­er. Gestor­ben ist damals nie­mand, nicht an Polio. Heut, da ich begin­ne Phil­lip Roth Roman Neme­sis zu lesen, war die­ses selt­sa­mes Wort mei­ner Kind­heit wie­der gegen­wär­tig gewor­den. — stop

ping

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lebenszeichen

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india : 11.28 UTC — Da sind Ther­mo­me­ter­werk­zeu­ge, 5 + 1, zur Mes­sung der Tem­pe­ra­tu­ren eines Zim­mers. Und fla­ckern­des Regen­licht, das von den Fens­tern her kommt. Ein Com­pu­ter­bild­schirm, in dem sich der Com­pu­ter selbst befin­det, zuletzt vor fünf Jah­ren ange­schal­tet. Auf dem Schreib­tisch ruhen ana­to­mi­sche Bücher, gedruckt in den 20er Jah­ren des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts, bit­te­rer Duft steigt auf, sobald sie geöff­net sind. Das Hand­buch eines Opel-Rekord und eine Blech­do­se, drin sind Lie­bes­brie­fe: Mei­ne Liebs­te, wie ich mich nach Dir seh­ne! Eine Zigar­ren­schach­tel wei­ter­hin vol­ler Brief­mar­ken des deut­schen Rei­ches, die der Jun­ge noch sam­mel­te. Ein Kin­der­buch: Zwei Pin­gui­ne win­ken. Ein Gerät, das den Strom zu ver­mes­sen ver­mag, haar­dün­ner Zei­ger. Eine Kar­te der Stadt Lis­sa­bon und Fahr­kar­ten einer Stra­ßen­bahn, die in Lis­sa­bon noch immer anzu­tref­fen ist. Zwei Men­schen waren dort, die Lis­sa­bon lieb­ten. Dem Jun­gen, der Lis­sa­bon spä­ter ein­mal lie­ben soll­te, gehör­ten zwei Schul­bü­cher, er wird spä­ter ein Dok­tor der Phy­sik und ein Ver­eh­rer And­rei Sacha­rows. Sein Vater war Arzt gewe­sen, des­halb auch Skal­pel­le auf rotem Samt und eine Schach­tel, in wel­cher sich Objekt­trä­ger befin­den. Dort Spu­ren, die gelb­lich schim­mern. Und Dioden und Wider­stän­de und Rechen­ker­ne auf Pla­ti­nen geschraubt. Auch Luft­post­brie­fe, die ein jun­ger Stu­dent an sich selbst oder sei­ne Gelieb­te notier­te, da waren sie noch nicht nach Lis­sa­bon gereist, präch­ti­ge Mar­ken und Stem­pel und Son­der­wert­zei­chen der Bal­lon­post zu einer Zeit, als Express­brie­fe noch durch Eil­bo­ten zuge­stellt wor­den waren. Eine Film­do­se und noch eine Film­do­se, die man nicht wagt im Regen­licht zu öff­nen. Auf einem Dia ist sehr klein eine jun­ge Frau zu erken­nen, die vor dem World Trade Cen­ter in New York steht. Sie ist dem Auge ihres Soh­nes sofort bekannt. In einer Klad­de ver­schnürt, Blät­ter eines Her­ba­ri­ums: Schlüs­sel­blu­me von Blei­stift­be­schrif­tung umge­ben, das war alles notiert am 24. VIII 1904. Auch zwei Funk­an­ten­nen wie Füh­ler eines Insek­tes ohne Strom. Eine Post­kar­te ist da noch und immer noch Regen drau­ßen vor den Fens­tern. Auf der Post­kar­te steht in gro­ßen Buch­sta­ben rot umran­det ver­merkt: Lebens­zei­chen von L.K. aus der Brau­bach­stra­ße / 8. II. 44: Mei­ne Lie­ben! Wir sind gesund und unbe­schä­digt. Marie & Fami­lie. — stop

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von blüten

9

lima : 15.01 UTC — Vor der Ver­kün­dung des Urteils hat sich das Gericht vor­nehm zurück­ge­zo­gen. Der Ange­klag­te sitzt auf sei­nem Platz und war­tet. Links und rechts etwas erhöht haben sich auch sei­ne Ver­tei­di­ger, zwei ange­se­he­ne Anwäl­te der Stadt, von ihren Plät­zen nicht erho­ben, man rech­net mit einer raschen Ent­schei­dung. So auch der Staats­an­walt, ein jün­ge­rer Herr, nicht ein­mal sei­ne Robe hat er abge­legt, wäh­rend­des­sen er den Ange­klag­ten glei­chen Alters in einer vor­sich­ti­gen Art und Wei­se betrach­tet, als sei er sich nicht sicher, mit sei­nem Plä­doy­er eine aus­rei­chen­de Begrün­dung für die hohe Stra­fe dar­ge­legt zu haben, die er zuletzt über den Ange­stell­ten der städ­ti­schen Biblio­the­ken zu wer­fen for­der­te. Genau so hat­te er noch gespro­chen, wer­fen, nicht ver­hän­gen sol­le man eine Stra­fe über die­sen Mann, der sich hier im Saa­le höchst unauf­fäl­lig benom­men hat­te. Wann hat­te er die ers­te Blu­me frei­ge­las­sen, wann den ers­ten Samen aus­ge­streut? War es ihm denn nicht in den Sinn gekom­men, dass er unrecht han­del­te, als er mit Vor­satz ver­such­te Urwald in der Stadt aus­zu­set­zen? Ja wie konn­te er denn glau­ben, dass man ihn ohne Stra­fe davon kom­men las­sen wür­de, nach­dem sei­ne Laren­tiae Sinen­si­os vor dem Opern­haus das Pflas­ter spreng­ten, nach­dem man im schöns­ten der zen­tra­len Parks gera­de noch ver­hin­dern konn­te, dass der gold­ro­te Samen­staub der Lobe­lia Frasen­sis sich des Pal­men­hau­ses bemäch­tig­te? Ja wie konn­te er gestat­ten, dass man ihn rühm­te als einen guten Men­schen, da doch die von ihm vor­nehm­lich unter der Stra­ßen­bahn­fahrt in die Luft gepu­der­ten Kost­bar­kei­ten der Nemuso Lasas­tro in den Lun­gen der städ­ti­schen Bür­ger wun­der­sa­me Blü­ten zu trei­ben began­nen? Man hat­te lan­ge Zeit Mühe, sie in ihrem Wachs­tum zu begren­zen. Das Wun­der ihrer feu­er­ro­ten Kel­che drang aus den Grä­bern derer, die an den Blü­ten erstick­ten. Dort, unter den Ulmen und Kas­ta­ni­en­bäu­men, kämpf­ten die Gärt­ner einen unglei­chen Kampf, wie ihre Brü­der und Schwes­tern in den hän­gen­den Gär­ten der glä­ser­nen Ban­ken­tür­me, die ver­geb­lich ver­such­ten, die Tar­a­xa­ca des gefrä­ßi­gen Schä­fer­korb­baums aus ihren Häu­sern zu kämp­fen. Mor­gens, wenn die herr­li­che Okto­ber­son­ne von Osten her in die rie­si­gen Atri­ien schien, sah man wohl­ge­form­ten Fall­schir­me die­ser frucht­bars­ten Pflan­zen­ge­schöp­fe in den künst­li­chen Win­den des Gebäu­des auf und nie­der gehen. Es war dies die Stun­de, da man sich geschla­gen gab, um dann doch wie­der aus­zu­schwär­men, um den Not­ru­fen zu fol­gen, die von ver­zwei­fel­te Ange­stell­ten aus ihren Büros abge­setzt wor­den waren. Der jun­ge Staats­an­walt sieht durch das küh­le Licht des Saa­les zu dem Ange­klag­ten hin­über, und ein Schau­er über­läuft ihn bei dem Gedan­ken, dass gera­de jene von der Stadt bezahl­ten Stun­den des Stu­di­ums es dem Biblio­the­ka­ren ermög­lich­ten, in den bio­lo­gi­schen Samm­lun­gen und Archi­ven nach den Gie­rigs­ten unter den Blu­men die­ser Welt zu for­schen. Er sieht die­sen beschei­de­nen Herrn an einem behörd­li­chen Schreib­tisch sit­zen, einem höl­zer­nen, wie er die Fächer sei­ner leder­ne­ren Tasche mit Samen muni­tio­niert. Und dann sieht er ihn spa­zie­ren, da dort lächelnd eine Dosis Blü­ten­sa­men auf den Boden wer­fend, sodass schon bald dar­auf im Wech­sel der Duft von Kamil­le, der Duft der blau­en Anden­hya­zin­ten vom Schot­ter der Stra­ßen­bahn­ge­lei­se auf­zu­stei­gen begann. Aus der Regen­rin­ne des Poli­zei­prä­si­di­ums wuchert noch heu­te eine Com­mel­ine Cest­re him­mel­hoch über Radio­an­ten­nen hin­aus, das Bers­ten ihrer Nüs­se im Okto­ber ist noch über hun­der­te Metern hin deut­lich zu hören, es sind Schüs­se, es ist die reins­te Gefahr, die dort über den Dächern der Stadt auf den Win­ter lau­ert. Da sit­zen sie nun, ein jun­ger Herr, ein Samen­wer­fer und ein jun­ger Staats­an­walt, und war­ten auf das Urteil, das eine gerech­te Stra­fe aus­spre­chen möge. — stop

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#HongKongProtests

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ulys­ses : 22.46 MESZ — Seit eini­gen Jah­ren, ich muss das schnell erzäh­len, kau­fe ich immer wie­der ein­mal ein digi­ta­les Buch, obwohl ich mir vor­ge­nom­men hat­te, papie­re­nen Büchern, die ich in die Hand zu neh­men ver­mag, treu zu blei­ben, ihren Geräu­schen und ihrem Duft. Nun ist das zunächst so gewe­sen, dass ich Roman­an­fän­ge in der digi­ta­len Sphä­re zu sam­meln begann. In mei­ner klei­nen hand­li­chen Schreib­ma­schi­ne waren bald über ein­tau­send Lese­pro­ben ver­sam­melt. Mel­vil­les Erzäh­lung Bart­le­by war der ers­te digi­ta­le Text gewe­sen, den ich zu mir hol­te. Etwas spä­ter folg­ten Dos­to­jew­skij, Aus­ter, DeL­il­lo, Hum­boldt, John Dos Pas­sos. Plötz­lich bemerk­te ich, dass mir John Dos Pas­sos’ Buch­text Man­hat­tan Trans­fer feh­len wür­de, ich mei­ne, die­ser wun­der­vol­le Roman als wirk­li­ches Buch, das in mei­nem Bücher­re­gal ste­hen wür­de, sicht­bar sein Rücken, die­ses Buch habe ich gele­sen. Auch Hum­boldt Ansich­ten der Natur wür­de feh­len und Aus­ters Roman 4321. Ich ertapp­te mich bei der Über­le­gung, ein Stück Holz in mein Regal zu stel­len in der unge­fäh­ren Grö­ße des ori­gi­na­len papie­re­nen Buches. Ich dach­te, ich könn­te das Stück Holz mit einem Buch­rü­cken ver­se­hen, einer Kopie, ich könn­te dem­zu­fol­ge, eine Instanz des digi­ta­len Buches kre­ieren, die mir anzeigt, dass ich das Buch besit­ze, dass ich es gele­sen habe oder bald ein­mal lesen könn­te. Oder die Instanz eines Buches, das über­haupt noch als ein papie­re­nes Buch zu schrei­ben wäre: #Hong­Kong­Pro­tests — stop
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chronik der gefühle

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echo : 4.55 UTC — Spin­nen hier oben in mei­ner Woh­nung unter dem Dach sind scheu gewor­den. Fast möch­te ich manch­mal mei­nen, dass sie gar nicht län­ger exis­tie­ren in mei­nen Zim­mern, wenn ich nicht da und dort Spu­ren beob­ach­ten könn­te, die auf ihre Exis­tenz ver­wei­sen, Netz­wer­ke oder ein Häuf­chen sehr klei­ner Flie­gen, wel­ches noch vor weni­gen Tagen auf dem Fens­ter­brett ganz sicher nicht gewe­sen ist. An einem Abend, ich hat­te die Fens­ter geöff­net, spa­zier­te plötz­lich ein recht umfang­rei­ches Spin­nen­ex­em­plar über die Wand mei­nes Arbeits­zim­mers, groß wie die Scha­le eines Tee­löf­fels. Die Spin­ne beweg­te sich laut­los über meh­re­re Wän­de hin, bis sie, ohne eine län­ge­re Pau­se ein­ge­legt zu haben, in der Küche durch ein geöff­ne­tes Fens­ter mei­ne Woh­nung wie­der ver­ließ. Kaum eine hal­be Stun­de war die Spin­ne in mei­ner Woh­nung gewe­sen. Und ich dach­te, viel­leicht hat sie eine Spur Duft­spur oder Faden ver­legt, es wer­den wei­te­re Spin­nen kom­men, hof­fent­lich eher klei­ne­re Spin­nen, die ich gern zu Gast haben wür­de, wäh­rend ich die gro­ßen Spin­nen doch sehr gründ­lich fürch­te. Ich war­te nun seit eini­gen Tagen bereits. In die­ser Zeit des War­tens habe ich unheim­li­che und prä­zi­se erzähl­te Geschich­ten Alex­an­der Klu­ges gele­sen und auch gehört, sie sind wun­der­voll anzu­hö­ren. — stop

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nachtschläferkapselbaum

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alpha : 0.12 UTC — Sobald ich das Wort Nacht­schlä­fer­kap­sel­baum notie­re, mel­det mein Text­ver­ar­bei­tungs­pro­gramm, die­ses Wort sei in sei­nen Regis­tern nicht zu fin­den, ein Wort dem­zu­fol­ge, das bis­lang nicht exis­tierte. Tat­säch­lich ist das so, dass ich das Wort Nacht­schlä­fer­kap­sel­baum zunächst im Kopf erfun­den habe, ehe ich das Wort mit­tels der Tas­ta­tur mei­ner Schreib­ma­schi­ne ver­wirk­lich­te. Die Vor­stel­lung eines Bau­mes von enor­mer Grö­ße, an des­sen Ästen Kap­sel­for­men befes­tigt sind, in wel­chen sich Men­schen zur Ruhe legen. Ich über­leg­te Bäu­me, die in der Nähe eines Flug­ha­fens sich erhe­ben, Lei­tern, Sei­le, Wen­del­trep­pen, Blät­ter, Blü­ten­duft, Flüs­sig­keit spen­den­de Röh­ren­lia­nen. Selbst­ver­ständ­lich wur­de vor weni­gen Sekun­den nun bereits zum drit­te Male gemel­det, dass das Wort Nacht­schlä­fer­kap­sel­baum nicht exis­tiert. Wenn ich nun aber das erfun­de­ne, mar­kier­te Wort und damit die unbe­kann­te Welt, die sich mit ihm ver­bin­det, mit mei­ner Mou­se berüh­re, ent­de­cke ich die Mög­lich­keit, das Wort zu ler­nen, also in das Regis­ter des Pro­gramms ein­zu­tra­gen. Es wäre dann so, dass ich nie wie­der an das vor­ge­stell­te Wort erin­nert sein wür­de, solan­ge ich mei­ne eige­ne Schreib­ma­schi­ne ver­wen­de, weil mei­ne Schreib­ma­schi­ne sich über die Exis­tenz der Nacht­schlä­fer­kap­sel­bäu­me nicht wie­der wun­dern wür­de. — Frü­her Abend. Als ich Maga­zi­ne gelern­ter Wör­ter mei­ner Schreib­ma­schi­ne durch­such­te, habe ich mei­nen Text, der von Nacht­schlä­fer­kap­sel­bäu­men erzählt, wie­der­ent­deckt. Das war vor weni­gen Minu­ten. Ich bin noch immer sehr zufrie­den. — stop
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geraldine

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lima : 15.01 — Das Seins­ver­ständ­nis hat umge­schla­gen. Im Kon­trast zum auf der empi­ri­schen Anschau­ung basie­ren­den Ent­wurf der Neu­zeit, wonach das Sein der Din­ge von der Anschau­ung untrenn­bar ist (Kant), ja sogar mit dem Wahr­ge­nom­men­sein iden­tisch ist „Their esse is per­ci­pi“ (Ber­ke­ley 1965, 62), gilt: jetzt: esse est com­pu­t­a­ri. Die Welt ist alles, was digi­ta­li­sier­bar ist.“ – Rafa­el Capur­ro: Digi­ta­ler Welt­ent­wurf. Ein Essay in Heid­eg­ge­ria­ni­scher Absicht. 1999.[2] — Dar­über nach­den­ken. Leich­ter Regen. Es wird wär­mer. Der Regen duf­tet nach Moos. Der Regen erzählt. — stop

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