Aus der Wörtersammlung: geste

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am radio

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zou­lou : 0.08 — Als ich das Radio ein­schal­te­te, hör­te ich, bei Ryan­air, einer Flug­ge­sell­schaft, sol­len die Stück­kos­ten, dem­zu­fol­ge die Kos­ten je trans­por­tier­ten Pas­sa­giers, erneut dra­ma­tisch gesun­ken sein. Wei­ter­hin wür­den in einem Land des Fer­nen Ostens bald Züge über das Land rasen, die stets sehr pünkt­lich sein wer­den, da sie auch von sich selbst mor­den­den Men­schen nie­mals auf­zu­hal­ten sind, sie fah­ren immer wei­ter und wei­ter zu. Auf der ers­ten Sei­te einer spa­ni­schen Pro­vinz­zei­tung sei ein leicht­ge­wich­ti­ger Hund zu sehen, der im Moment sei­ner Auf­nah­me von einer Elek­tro­droh­ne über ein Haus­dach beför­dert wur­de. Die Zahl der hun­gern­den Men­schen auf die­ser Welt wür­de im kom­men­den Jahr erfreu­li­cher­wei­se um 10 Mil­lio­nen auf unter 800 Mil­lio­nen Men­schen sin­ken. Das war ges­tern. — stop
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freitag

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india : 4.10 — Ges­tern Abend im Gespräch ent­deck­te ich die Exis­tenz der Ohr­mu­schel­for­scher. Es exis­tie­ren außer­dem Herz­for­scher, Kno­chen­for­scher, Lun­gen­for­scher, Kehl­kopf­for­scher. An die­ser Stel­le höre ich auf zu erzäh­len. Heu­te ist Frei­tag. Guten Mor­gen. — stop
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von nelken

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echo : 6.10 — Ich beob­ach­te­te eine alte Frau, wie sie unter einem Regen­schirm im Gar­ten kniend Nackt­schne­cken von Nel­ken­blu­men pflück­te. Neben sich hat­te die alte Frau einen klei­nen Eimer abge­stellt, der sich all­mäh­lich mit Schne­cken­kör­pern füll­te. Hef­ti­ger Regen. Ich konn­te den Regen hören, wie er auf den Schirm der alten Frau trom­mel­te. Und ich hör­te eine hel­le Stim­me, die mit sich selbst oder zu den Schne­cken sprach. Immer wie­der ein­mal stand die alte Frau vor­sich­tig auf, um in ihr Haus zurück­zu­keh­ren. Sie klopf­te dann ihre Schu­he ab, stand hin­ter dem Fens­ter, schau­te in den Gar­ten und war­te­te, bis wei­te­re Schne­cken ohne Häu­ser in die Nähe ihrer Nel­ken gekom­men waren. Die­se Schne­cken reis­ten nicht von der Sei­te her an, son­dern kamen tat­säch­lich von unten aus dem erdi­gen Boden her­auf. Waren es wie­der vie­le Schne­cken gewor­den, kehr­te die alte Frau zurück in ihren Gar­ten und erneut hör­te ich den Regen und eine hel­le Stim­me. Ich hat­te bald den Ein­druck, die­se Schne­cken, die unab­läs­sig aus dem Boden stie­gen, könn­ten rein aus etwas Haut und kla­rem Was­ser bestehen, es waren der­art vie­le, dass sie ganz ein­fach zunächst win­zi­ge Wesen sein muss­ten, die sich zu ihrer vol­len Ent­fal­tung mit Was­ser füll­ten, sobald es reg­ne­te. Nach drei Stun­den war der Eimer gefüllt und die alte Frau deck­te ihn mit einem Koch­topf­de­ckel zu, hol­te aus dem Haus einen wei­te­ren Eimer, der etwas grö­ßer gewe­sen war, als der ers­te Eimer. Es däm­mer­te, dann war es dun­kel, und als es rich­tig dun­kel gewor­den war, fins­ter, kehr­te die alte Frau mit einer Taschen­lam­pe in den Gar­ten zurück. Sie trug jetzt Gum­mi­stie­fel an den Füßen und ein Nacht­hemd und es reg­ne­te noch immer. — stop

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radare

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whis­key : 0.02 — Für die Posi­ti­on par­tic­les in der digi­ta­len Sphä­re waren ges­tern, Frei­tag, 3. Mai, 12.718 Besu­che, Auf­ru­fe, Berüh­run­gen zu ver­zeich­nen. 324 Besu­che schei­nen von mensch­li­cher Natur gewe­sen zu sein, 12394 Besu­che sind ver­mut­lich Maschi­nen, Com­pu­ter­pro­gram­men, Rou­ti­nen wie Rada­ren zuzu­ord­nen. — Past mid­night. Never knew such silence. — stop

menschendaemmerung

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ai : SUDAN

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MENSCH IN GEFAHR: „Sand­ara Farouq Kadou­da wur­de am 12. April ver­mut­lich von Ange­hö­ri­gen des suda­ne­si­schen Geheim­diens­tes ent­führt. Der Ver­bleib der Ärz­tin und zwei­fa­chen Mut­ter ist unbe­kannt. Sand­ara Farouq Kadou­da war am 12. April zu einer Ver­an­stal­tung in Omdur­man unter­wegs, die von der poli­ti­schen Oppo­si­ti­on in den Räum­lich­kei­ten der Natio­nal Umma Par­ty orga­ni­siert wor­den war. Kurz nach 17.00 Uhr wur­de ihr Wagen von eini­gen Män­nern in Zivil­klei­dung ange­hal­ten, die allem Anschein nach Ange­hö­ri­ge des Geheim­diens­tes (Natio­nal Intel­li­gence Secu­ri­ty Ser­vice — NISS) waren. Die Män­ner nah­men ihr das Han­dy ab, als sie gera­de mit einer Freun­din tele­fo­nier­te. Die­se hör­te lau­te Stim­men, als Sand­ara Farouq Kadou­da jeman­den nach sei­nem Aus­weis frag­te. Kurz dar­auf wur­de das Han­dy abge­stellt. Der Wagen von Sand­ara Farouq Kadou­da wur­de 30 Minu­ten spä­ter an der Stra­ße gefun­den, er war ver­las­sen und die Schlüs­sel steck­ten noch. Die Fami­lie von Sand­ara Farouq Kadou­da zeig­te den Vor­fall bei der Poli­zei und dem NISS an. Bis­her wei­gern sich die Behör­den jedoch, Infor­ma­tio­nen über ihren Ver­bleib und ihren Gesund­heits­zu­stand preis­zu­ge­ben. Sand­ara Farouq Kadou­da hat kei­nen Zugang zu einem Rechts­bei­stand oder ihrer Fami­lie. Sie lei­det an chro­ni­scher Unter­zu­cke­rung und muss daher einen spe­zi­el­len Ernäh­rungs­plan ein­hal­ten und täg­lich Medi­ka­men­te ein­neh­men. Aller­dings ist unklar, ob sie Zugang zu der benö­tig­ten medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung hat. Sie ist zudem in Gefahr, gefol­tert und ander­wei­tig miss­han­delt zu wer­den.“ — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 25. Mai hin­aus, unter »> ai : urgent action

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von fröschen

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echo : 5.16 — Ein Buch, das ich ges­tern in einer Post­fi­lia­le, Prenz­lau­er­stra­ße 86, abho­len woll­te, war nicht erreich­bar, da die Post­fi­lia­le, die mich von der Lage­rung des Buches tele­fo­nisch unter­rich­tet hat­te, geschlos­sen wer­den muss­te, die Ange­stell­ten der Filia­le sind in einen Streik getre­ten. Das war nicht wei­ter schlimm, weil vor­sorg­lich am Abend zuvor Brie­fe und Bücher­sen­dun­gen in eine benach­bar­te Post­fi­lia­le abtrans­por­tiert wur­den, wie eine hand­schrift­li­che Notiz bezeug­te. Ich setz­te mich auf mein Fahr­rad und fuhr in die Ber­li­ner­stra­ße 8, wo sich mein Buch inzwi­schen auf­hal­ten soll­te. Aber auch dort war nie­mand anzu­tref­fen, aller­dings der Hin­weis, alle Sen­dun­gen die­ser Filia­le, sowie über­nom­me­ne Sen­dun­gen der Prenz­lau­er­stra­ße 86, sei­en wegen außer­or­dent­li­cher Betriebs­ver­samm­lung in die Filia­le am Madri­der Platz ver­bracht. Zügig radel­te ich wei­ter, eine doch beträcht­li­che Stre­cke war zurück­zu­le­gen quer durch die Stadt, es reg­ne­te, und ich dach­te noch, der Him­mel scheint beheizt zu sein, som­mer­lich war­mes Was­ser, die Luft duf­te­te nach Flie­der, über den Asphalt der Stra­ßen hüpf­ten tau­sen­de umbra­far­be­ne Frö­sche, wei­che Kör­per, laut­los, klag­los. Nahe dem Madri­der Platz, unter Kas­ta­ni­en­bäu­men, hock­ten ein paar Leu­te wie unter Schir­men dicht an dicht. Es wur­de lang­sam dun­kel. Ich mei­ne, zu die­sem Zeit­punkt bemerkt zu haben, dass man an der Art und Wei­se, wie Men­schen sich Schutz suchend auf den Boden set­zen, erken­nen kann, wie alt sie sind. – stop

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nach ferney nach essaouira und von einer kaktusblüte

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nord­pol : 2.52 — In Genf, an einer Stra­ßen­kreu­zung von der Rue de Rho­ne zur Rue d’Italie, sind selt­sa­me Din­ge zu bemer­ken. Män­ner und Frau­en näm­lich, die sich krei­send oder auf und ab über das Pflas­ter bewe­gen, wäh­rend sie das Grün­licht der Ampeln erwar­ten. Bei genaue­rer Betrach­tung möch­te man mei­nen, sie könn­ten viel­leicht nicht in der Lage sein, still­zu­ste­hen. Sie tra­gen Damen­kos­tü­me, Her­ren­an­zü­ge, fei­ne Schu­he, sie sind ver­mut­lich gera­de aus dem Büro gekom­men, befin­den sich auf dem Weg viel­leicht nach Hau­se, zur Bus­sta­ti­on nach Fer­ney, oder ins Kino, ins Thea­ter, zum Jazz, die Son­ne scheint, ers­te war­me Stun­den. Aber auch an einem eis­kal­ten Tag im Win­ter wür­den sie sich genau so bewe­gen, in Krei­sen oder auf und ab. Man nimmt jetzt nur noch sel­ten den Auf­zug, man nimmt die Trep­pe, der Blick hin zum Hand­ge­lenk, zur Appa­ra­tur, die Pul­se, Tem­pe­ra­tu­ren, und auch den Schlaf aus­zu­mes­sen ver­mag. Und noch einen Kreis gleich hin­ter­her und über die Stra­ße, wie vie­le Schrit­te, wie vie­le Schrit­te heu­te, wie vie­le Schrit­te mehr als ges­tern, wie weit bin ich gekom­men in die­sem Monat, viel­leicht bis nach Cham­bé­ry, vor dem Som­mer noch könn­te ich Mont­pel­lier errei­chen, im Win­ter Valen­cia, am Ende des kom­men­den Jah­res wer­de ich in Essaoui­ra sein. – Es ist 2 Uhr und 44 Minu­ten. Gera­de eben noch habe ich mei­nen Kak­tus beob­ach­tet, wie er blüht. Wenn mein Kak­tus blüht, hält er sei­ne Blü­te auch bei Nacht geöff­net, als ob er ahn­te oder wüss­te, dass in mei­nen Zim­mern Nacht­bie­nen und Nacht­win­de woh­nen. — stop

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alice austen

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echo : 1.58 — Vor län­ge­rer Zeit ein­mal woll­te ich ein Haus besu­chen, das die Foto­gra­fin Ali­ce Aus­ten vie­le Jah­re ihres Lebens bewohn­te. Ich erin­ne­re mich, es war ein bit­ter­kal­ter Tag gewe­sen, Schnee bedeck­te Sta­ten Island, und die Luft war so eisig, dass selbst die Möwen nicht zu flie­gen wünsch­ten. Ver­mut­lich des­halb, weil es so kalt gewe­sen war, blieb ich an der Rail­way Sta­ti­on Clif­ton im Zug, anstatt aus­zu­stei­gen und ein paar Meter zu Fuß zu Aus­tens Haus zu gehen. Ich fuhr wei­ter bis nach Tot­ten­ville, wo der Zug eine hal­be Stun­de war­te­te, um dann die­sel­be Stre­cke zurück­zu­fah­ren. Ein Ange­stell­ter der Bahn­ge­sell­schaft dampf­te wie eine Loko­mo­ti­ve über den Bahn­steig von Wag­gon zu Wag­gon, er schlug Eis von den Tritt­bret­tern des Zuges. Als wir uns wie­der in Bewe­gung setz­ten, ließ er sich auf eine Bank fal­len und schlief sofort ein. Auch auf mei­nem Rück­weg zum Fähr­schiff­ter­mi­nal stieg ich in Clif­ton nicht aus, es war noch immer stür­misch, und ich ver­gaß das Haus, das ich besich­ti­gen woll­te, und Ali­ce Aus­ten, die tau­sen­de Foto­gra­fien Man­hat­tans zu einer Zeit ange­fer­tigt hat­te, da das Foto­gra­fie­ren noch Mut, Kraft und Aus­dau­er erfor­der­te. Ges­tern habe ich ein wenig Zeit auf der Suche nach ihr ver­bracht. Sie soll als ein­zi­ge Frau der Insel Besit­ze­rin eines Auto­mo­bils gewe­sen sein. Auf einer Foto­gra­fie ist ihre Lebens­ge­fähr­tin Ger­tru­de Tate zu sehen, wie sie still­hält. Die jun­ge Frau sitzt auf einer Veran­da, die heu­te noch exis­tie­ren soll, umge­ben von Blu­men, einer Wild­nis so wild, dass sie die nahe Küs­te ver­birgt. Auf einer wei­te­ren Foto­gra­fie, die ich noch nicht ken­ne, soll Ali­ce Aus­ten an der­sel­ben Stel­le im Alter von 26 Jah­ren zu sehen sein, auch sie sit­zend, eine Selbst­auf­nah­me, unter einem Strauß Blu­men ver­bor­gen ein Gum­mi­ball gefüllt mit Luft, die sie mit­tels einer kräf­ti­gen Bewe­gung ihrer Hand durch einen Schlauch zu ihrer Kame­ra gepresst haben muss­te, um die Licht­auf­nah­me aus­zu­lö­sen. Ein Geräusch viel­leicht, wie ein Atem­zug mög­li­cher­wei­se, oder ein Seuf­zen. — stop

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nachtflug

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india : 0.18 — In die­sem Jahr ist er spät zu mir gekom­men, der Win­ter längst vor­über. Ein Fal­ter segel­te ges­tern Abend durch mein Arbeits­zim­mer, bald saß er auf dem Boden. Ich näher­te mich sehr vor­sich­tig, hob ihn auf und setz­te ihn behut­sam an eine Wand. — Es ist jetzt kurz nach Mit­ter­nacht. Ein paar Dioden­lich­ter glü­hen zu mir her­über. Ob ich den Fal­ter füt­tern soll­te? Viel­leicht wür­de er etwas Him­beer­mar­me­la­de zu sich neh­men. Ich stel­le mir vor, der Fal­ter könn­te 254 Jah­re alt, er könn­te ein Lich­ten­berg­fal­ter sein, der rasch bei mir zu Kräf­ten kom­men möch­te. Ja, das ist denk­bar, immer wie­der denk­bar. Ges­tern, das will ich schnell noch erzäh­len, habe ich Flug­ver­su­che unter­nom­men mit einer fili­gra­nen Rücken­pro­pel­ler­droh­ne. Es han­delt sich um die Nach­bil­dung eines Tau­ben­schwänz­chen, dem­zu­fol­ge ist sie nicht grö­ßer als 50 Mil­li­me­ter. Ich habe ihr bei­gebracht, mir zu fol­gen, wenn ich durch mei­ne Woh­nung spa­zie­re. In die­ser Ver­fol­gung ist sie bereits sehr prä­zi­se, außer­dem so schnell in ihrer Bewe­gung gewor­den, dass ich sie mit blo­ßer Hand nicht fan­gen könn­te. Ein­mal näher­te sie sich mei­ner Schne­cke Esme­ral­da. Das war ein Moment von höchs­ter Auf­merk­sam­keit, ein Ver­hal­ten, als wür­de das Tau­ben­schwänz­chen mit Esme­ral­da spre­chen, sehr selt­sam, anrüh­rend, die Kirsch­bäu­me blü­hen. — stop

nach­rich­ten von esmeralda »
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galina

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sier­ra : 16.28 — Ges­tern Abend, im Flug­ha­fen­zug, erzähl­te Gali­na, die seit zehn Jah­ren in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land lebt, sie sei vor weni­gen Wochen mit ihrer 85-jäh­ri­gen Groß­mutter nach Ägyp­ten ans Meer geflo­gen, ein Wag­nis, ein Aben­teu­er, weil ihre Groß­mutter, eine feder­leich­te Per­son, kaum noch auf ihren eige­nen Füßen gehen kön­ne. Man habe sie in einem klei­nen, offe­nen Elek­tro­au­to­mo­bil vor das Flug­zeug gefah­ren und das „uralte Mäd­chen“ mit­tels einer spe­zi­el­len Hebe­büh­ne zu einer beson­de­ren Tür am Heck des Flug­zeu­ges trans­por­tiert. Dort sei sie win­kend ver­schwun­den, um ihrer Enke­lin kurz dar­auf freu­de­strah­lend mit­tels eines Rol­la­tors im Gang des Flug­zeu­ges ent­ge­gen­zu­kom­men, als hät­ten sie sich Jah­re nicht gese­hen. Die alte Frau, deren Name Gali­na nicht erwähn­te, soll in ihrem Leben weit her­um­ge­kom­men sein. Sie leb­te in der Ukrai­ne nahe Donezk, eini­ge Jah­re spä­ter zog sie nach Kir­gi­si­en wei­ter, auch dort, nahe der chi­ne­si­schen Gren­ze, wur­de die deut­sche Spra­che in einer Wei­se gespro­chen, dass ich sie nur mit Mühe ver­ste­hen wür­de, bemerk­te Gali­na. In Ägyp­ten habe ihre Groß­mutter stun­den­lang bis zu den Schul­tern mit Was­ser bedeckt im Meer gestan­den, sie habe sich an einem Schwimm­brett fest­ge­hal­ten und gesummt und gewar­tet, dass die Fische zu ihr kom­men. Ihr drei­ecki­ges Kopf­tuch, das sie immer­zu tra­ge, habe sie indes­sen so gebun­den, wie sie es von Grace Kel­ly lern­te. Abends saßen die jun­ge und die alte Frau in lind­grü­ne Bade­män­tel gehüllt im Hotel­zim­mer vor dem Bild­schirm eines Note­books. Sie waren via Sky­pe mit Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen in Donezk ver­bun­den, immer wie­der sei die Ver­bin­dung unter­bro­chen wor­den, ein­mal sei­en Deto­na­tio­nen zu hören gewe­sen, da habe sich ihre Groß­mutter ins Bett gelegt. Am nächs­ten Mor­gen schweb­te die alte Frau wie­der lan­ge Zeit im Meer dahin. — stop
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