Aus der Wörtersammlung: kreise

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brummkreisel

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zou­lou : 18.34 — Ein­mal den Ver­such wagen, all das, was ich an dem einen Tag dach­te und wünsch­te und schrieb und sprach, an dem dar­auf­fol­gen­den Tag in prä­zi­se ent­ge­gen­ge­setz­ter Wei­se zu den­ken, zu wün­schen, zu schrei­ben. War­um? — stop
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polarlicht

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nord­pol : 0.01 — Irgend­wann ein­mal wür­de ich ger­ne fol­gen­de Mel­dung notie­ren: Zoo­lo­gi­scher Gar­ten auf Grön­land jen­seits des Polar­krei­ses eröff­net. Selbst­ver­ständ­lich wird es sich bei die­sem ark­ti­schen Tier­park nicht um eine gewöhn­li­che Ver­samm­lung leben­der Tie­re han­deln. Im Park dort, frei oder in Gehe­gen, wer­den viel­mehr leuch­ten­de Tie­re woh­nen, schim­mern­de, oder in allen wun­der­ba­ren Far­ben, die man sich aus­zu­den­ken ver­mag, glü­hen­de Wesen, ihre Zel­len näm­lich wer­den glü­hen. So wer­den leuch­ten­de Anti­lo­pen unter der Kup­pel des Afri­ka­hau­ses über künst­li­che Step­pen­grä­ser sprin­gen, und leuch­ten­de Men­schen­af­fen durch das Geäst der Nacht­bäu­me schwin­gen. Und da wer­den leuch­ten­de Vögel sein und eben­so leuch­ten­de Ele­fan­ten in ihren rie­sen­haf­ten Volie­ren. Auch die Eis­bä­ren wer­den leuch­ten und die See­hun­de und Rob­ben und Schnee­füch­se. Es ist des­halb sehr gut, dass in der Polar­nacht immer­zu Dun­kel ist. Der zoo­lo­gi­sche Gar­ten wird rund um die Uhr geöff­net sein, war­um nicht! — stop

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ein taucher

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nord­pol : 10.12 — Ich hör­te, auf Grön­land soll in einer Sied­lung nörd­lich des Polar­krei­ses ein Mann exis­tie­ren, der trai­niert wur­de, in Wal­fisch­kör­pern zu tau­chen. Sobald sorg­fäl­tigs­te Unter­su­chung eines gestran­de­ten Tie­res not­wen­dig wer­den soll­te, wür­de jener Wal­fisch­tau­cher unver­züg­lich zur Arbeit geru­fen. Ich stel­le mir vor, wie der Mann in einen Neo­pren­an­zug gehüllt, mit einem fla­chen Sau­er­stoff­ge­rät aus­ge­rüs­tet, einer star­ken Lam­pe, zwei äußerst schar­fen Mes­sern, sowie einem ange­spitz­ten Helm aus­ge­rüs­tet, strand­wärts ruhen­de Leich­na­me besucht, die mög­li­cher­wei­se noch warm sind. Ein fast laut­lo­ser Vor­gang. Der Tau­cher ver­schwin­det voll­stän­dig, arbei­tet sich Zen­ti­me­ter um Zen­ti­me­ter schnei­dend durch den Kör­per vor­an. Viel­leicht wird sei­ne Stim­me zu hören sein, eine Funk­stim­me, die von Zeit zu Zeit mel­det, dass er sich gut füh­le, dass er das Herz des Wales bald errei­chen wer­de, das ist denk­bar. — stop

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abschnitt neufundland

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Abschnitt Neu­fund­land mel­det fol­gen­de gegen Küs­te gewor­fe­ne Arte­fak­te : Wrack­tei­le [ See­fahrt – 155, Luft­fahrt — 3, Auto­mo­bi­le — 546 ], Gruß­bot­schaf­ten in Glas­be­häl­tern [ 18. Jahr­hun­dert — 3, 19. Jahr­hun­dert – 12, 20. Jahr­hun­dert – 655, 21. Jahr­hun­dert — 4532 ], Trol­ley­kof­fer [ blau : 22, rot : 8, gelb : 57, schwarz : 856 ], See­not­ret­tungs­wes­ten [ 12439 ], phy­si­cal memo­ries [ bespielt — 12, gelöscht : 33 ], Amei­sen [ Arbei­ter ] auf Treib­holz [ 458 ], 2 Kro­ko­dil­pup­pen [ Bau­jahr 1965 ], Brumm­krei­sel : 12, Öle [ 0.22 Ton­nen ], Pro­the­sen [ Herz — Rhyth­mus­be­schleu­ni­ger – 83, Knie­ge­len­ke – 6, Hüft­ku­geln – 14, Bril­len – 5688 ], Halb­schu­he [ Grö­ßen 28 – 39 : 112, Grö­ßen 38 — 45 : 55 ], Plas­tik­san­da­len [ 6452 ], Rei­se­do­ku­men­te [ 568 ], Kühl­schrän­ke [ 1 ], Tele­fo­ne [ 755 ], Pup­pen­köp­fe [ 6 ] Gas­mas­ken [ 1 ], Tief­see­tauch­an­zü­ge [ ohne Tau­cher – 5, mit Tau­cher – 14 ], Engels­zun­gen [ 528 ] | stop |

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max

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char­lie : 20.45 UTC — Ich habe mei­nen Freund Max besucht, der in Mün­chen wohnt in der Bri­en­ner­stra­ße unter dem Dach in einem Loft, das der­art weit­räu­mig ist, dass man dar­in Hal­len­fuß­ball spie­len könn­te. Sei­ne Vögel, zwei Kaka­dus, flie­gen dort gern frei her­um, sie sol­len, so Max, nie­mals bis­lang irgend­ei­nen Scha­den an sei­nen Möbeln ange­rich­tet haben. Das liegt viel­leicht auch dar­an, dass Max’ Vögel mög­li­cher­wei­se nicht ganz echt sind, ich mei­ne, dass sie küh­le Tie­re von äußerst leich­tem Metall sein könn­ten unter dich­tem Feder­kleid ver­bor­gen, dass sie also nur vor­ge­ben, Vögel zu sein, wäh­rend sie viel­mehr Droh­nen sind, die sich von Max’ Com­pu­ter gesteu­ert durch die Woh­nung bewe­gen, als wären sie natür­li­che Wesen. Ich habe bei­de Tie­re immer nur im Flug beob­ach­tet, nie aus nächs­ter Nähe, denn wenn sie ein­mal nicht flie­gen, sit­zen sie in einem Käfig, der dicht unter der Decke des Rau­mes uner­reich­bar weit ent­fernt mon­tiert wur­de. Wun­der­ba­re Algo­rith­men steu­ern den Flug der Kaka­dus, auch ihre Gesprä­che, die sie bestän­dig füh­ren. Es ist spät gewor­den, eigent­lich woll­te ich eine ganz ande­re Geschich­te erzäh­len, von Max’ Com­pu­ter, der über eine Tas­te für Cap­puc­ci­no ver­fü­gen soll. Die­se Geschich­te wer­de ich im nächs­ten Jahr erzäh­len. — stop

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eine lampe

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nord­pol : 10.28 UTC — Ges­tern, ehe ich das Haus der alten Men­schen besuch­te, dach­te ich noch, das Alt­wer­den, das Alt- oder Uralt­sein habe mit Unru­he zu tun, mit Schlaf, des­sen Zeit­räu­me kür­zer und kür­zer wer­den. Heu­te nun wür­de ich sagen, das Alt- oder Uralt­sein hat etwas mit Schlaf über lan­ge Zeit­räu­me hin zu tun, auf einem rol­len­den Stuhl sit­zen und schla­fen oder däm­mern. Da war wie­der eine Frau im Licht einer gel­ben Lam­pe, die im Wohn­saal vor einem Tisch saß und einen Tele­fon­hö­rer in der Hand hielt. Der Tele­fon­hö­rer war mit einem Tele­fon mit Wähl­schei­be ver­bun­den, ein der­art altes Tele­fon, dass man, um eine Num­mer zu wäh­len, eine krei­sen­de Bewe­gung aus­füh­ren muss. Die­ses Tele­fon nun war nicht mit der Wand in Ver­bin­dung, viel­mehr rag­te aus dem Gehäu­se des Tele­fons ein kur­zes Stück Kabel, das anzeig­te, dass das Tele­fon ein­mal tat­säch­lich mit der elek­tri­schen Welt ver­bun­den gewe­sen war. Als ich an der alten tele­fo­nie­ren­den Dame vor­bei­kam, dach­te ich für einen Moment, viel­leicht liest ihr gera­de jemand vor, viel­leicht Hra­bal, der aus sei­nem Roman Ich habe den eng­li­schen König bedient zitiert. Es wird Herbst, in jeder Hin­sicht. 288P, ein Dop­pel­as­te­ro­id wur­de ent­deckt. Hur­ri­ka­ne Maria ver­wüs­tet die Kari­bik. Mr. Un droht mit Was­ser­stoff­bom­ben­test. — stop

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abschnitt neufundland

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Abschnitt Neu­fund­land mel­det fol­gen­de gegen Küs­te gewor­fe­ne Arte­fak­te : Wrack­tei­le [ See­fahrt – 10, Luft­fahrt — 14, Auto­mo­bi­le — 102], Gruß­bot­schaf­ten in Glas­be­häl­tern [ 18. Jahr­hun­dert — 5, 19. Jahr­hun­dert – 26, 20. Jahr­hun­dert – 478, 21. Jahr­hun­dert — 146 ], Trol­ley­kof­fer [ blau : 1, rot : 8, gelb : 1, schwarz : 188 ], See­not­ret­tungs­wes­ten [ 5317 ], phy­si­cal memo­ries [ bespielt — 12, gelöscht : 22 ], Amei­sen [ Arbei­ter ] auf Treib­holz [ 355 ], 1 Roll­stuhl West­fa­lia [ Bau­jahr 1914 ], Brumm­krei­sel : 3, Öle [ 0.33 Ton­nen ], Pro­the­sen [ Herz — Rhyth­mus­be­schleu­ni­ger – 5, Knie­ge­len­ke – 215, Hüft­ku­geln – 12, Bril­len – 425 ], Halb­schu­he [ Grö­ßen 28 – 39 : 105, Grö­ßen 38 — 45 : 33 ], Plas­tik­san­da­len [ 435 ], Rei­se­do­ku­men­te [ 1558 ], Kühl­schrän­ke [ 1 ], Tele­fo­ne [ 658 ], Pup­pen­köp­fe [ 2 ] Gas­mas­ken [ 12 ], Tief­see­tauch­an­zü­ge [ ohne Tau­cher – 2, mit Tau­cher – 5 ], Engels­zun­gen [ 102 ] | stop |

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oder ein fernrohr

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del­ta : 10.08 UTC — Lie­ber Theo, ich dan­ke Ihnen für Ihren Brief, in dem Sie sich so freund­lich nach der Bedeu­tung des Wor­tes Fin­ger­bril­le erkun­di­gen. Tat­säch­lich kann ich bestä­ti­gen, um eine Fin­ger­bril­le in der Wirk­lich­keit her­zu­stel­len, sind bei­de Hän­de vor Augen zu füh­ren, außer­dem der lin­ke und der rech­te Dau­men je mit einem Fin­ger der sel­ben Hand an den Spit­zen zu ver­bin­den, so dass die Anmu­tung eines Krei­ses ent­ste­hen wird. Soll­ten Sie dau­er­haft oder für kur­ze Zeit über nur eine Hand ver­fü­gen, ist doch immer­hin die Gestalt eines Mon­okels zu errei­chen oder eines Fern­roh­res, das ist denk­bar. Mit herz­li­chen Grü­ßen — Ihr Lou­is — stop
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abschnitt neufundland

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Abschnitt Neu­fund­land mel­det fol­gen­de gegen Küs­te gewor­fe­ne Arte­fak­te : Wrack­tei­le [ See­fahrt – 12, Luft­fahrt — 22, Auto­mo­bi­le — 122], Gruß­bot­schaf­ten in Glas­be­häl­tern [ 18. Jahr­hun­dert — 3, 19. Jahr­hun­dert – 14, 20. Jahr­hun­dert – 453, 21. Jahr­hun­dert — 532 ], Trol­ley­kof­fer [ blau : 2, rot : 6, gelb : 18, schwarz : 322 ], See­not­ret­tungs­wes­ten [ 7538 ], phy­si­cal memo­ries [ bespielt — 15, gelöscht : 28 ], Amei­sen [ Arbei­ter ] auf Treib­holz [ 156 ], 1 Bris­sonte Drei­rad [ Bau­jahr 1953 ], Brumm­krei­sel : 5, Öle [ 0.87 Ton­nen ], Pro­the­sen [ Herz — Rhyth­mus­be­schleu­ni­ger – 66, Knie­ge­len­ke – 355, Hüft­ku­geln – 18, Bril­len – 453 ], Halb­schu­he [ Grö­ßen 28 – 39 : 134, Grö­ßen 38 — 45 : 22 ], Plas­tik­san­da­len [ 5325 ], Rei­se­do­ku­men­te [ 246 ], Kühl­schrän­ke [ 2 ], Tele­fo­ne [ 548 ], Pup­pen­köp­fe [ 3 ] Gas­mas­ken [ 12 ], Tief­see­tauch­an­zü­ge [ ohne Tau­cher – 3, mit Tau­cher – 1 ], Engels­zun­gen [ 88 ] | stop |

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aleppo

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hima­la­ya : 0.02 — Viel­leicht darf ich fol­gen­den Bericht in vol­ler Län­ge wie­der­ge­ben. Der jun­ge Jour­na­list Zou­hir al Shim­le berich­tet via E‑Mail für Die Zeit: Seit Alep­po bela­gert ist, flie­gen Assads Trup­pen und sei­ne Ver­bün­de­ten jeden Tag Luft­schlä­ge auf die Vier­tel der Rebel­len, also auch dort, wo ich lebe. Unun­ter­bro­chen dröh­nen Kampf­jets über uns hin­weg, Heli­ko­pter krei­sen über den Häu­sern. Jeden Tag ster­ben hier fast fünf­zig Zivi­lis­ten. Wir leben in einem nie enden­den Getö­se von Schie­ße­rei­en, Explo­sio­nen, Geschrei. Die meis­ten von uns trau­en sich nicht mehr, nach drau­ßen zu gehen. Manch­mal het­zen ein paar Leu­te die Stra­ßen ent­lang, um Lebens­mit­tel zu besor­gen – und ren­nen sofort nach dem Ein­kauf zurück in ihre Woh­nun­gen. Dabei ist es zu Hau­se nicht siche­rer als auf der Stra­ße. Denn die Bom­ben tref­fen auch unse­re Häu­ser. Wäh­rend ich die­se Zei­len schrei­be, höre ich das Don­nern der Kampf­flug­zeu­ge, von irgend­wo her dringt Gefechts­lärm. Gott sei Dank habe ich bis­her alle Angrif­fe über­lebt. Aber vor ein paar Tagen war ich dem Tod so nah wie nie zuvor. Ich war im Vier­tel Al-Mash­had unter­wegs, dort, wo mein Büro ist. Ich stand gera­de im Laden in unse­rer Stra­ße, um mir etwas zu trin­ken zu kau­fen, als die ers­te Fass­bom­be ein­schlug, gera­de mal fünf Häu­ser von uns ent­fernt. Ich duck­te mich für eini­ge Sekun­den vor den umher­flie­gen­den Metall­tei­len. Dann rann­te ich raus auf die Stra­ße. Nur weni­ge Sekun­den spä­ter schlug in der Stra­ße die zwei­te Faß­bom­be ein. Ein Metall­split­ter bohr­te sich in mei­nen Rücken, ein ande­rer in mein Bein. Ich rann­te von der Stra­ße wie­der zurück zum Laden. Und war vor Schock wie gelähmt: Sie­ben Men­schen, die dort Schutz vor der zwei­ten Bom­be gesucht hat­ten, waren tot, zer­quetscht vom Schutt der ein­ge­stürz­ten Decke. Sie star­ben nur, weil sie sich in den Sekun­den der Explo­si­on anders ent­schie­den hat­ten: Sie hiel­ten sich zwi­schen den Rega­len ver­steckt, wäh­rend ich auf die Stra­ße lief. Nur des­we­gen habe ich als Ein­zi­ger von uns über­lebt. Die Hel­fer hat­ten gro­ße Mühe, die ver­dreh­ten und durch­trenn­ten Kör­per aus dem Geröll zu zie­hen. Ange­hö­ri­ge der Toten lagen am Boden und schrien, Kin­der wein­ten. Aus eini­gen Kör­pern quol­len Inne­rei­en, über­all lagen abge­trenn­te Hän­de und Bei­ne. Ins­ge­samt star­ben durch die­se Angrif­fe 15 Men­schen, 25 – mit mir – wur­den ver­letzt. Ich kann die­se Bil­der nicht ver­ges­sen. Ich hät­te einer die­ser Kör­per sein kön­nen. Ich wur­de schnell in ein Kran­ken­haus gebracht, doch hel­fen konn­te mir dort nie­mand. Zu vie­le Men­schen brauch­ten Hil­fe, unauf­hör­lich brach­ten Män­ner neue Tra­gen mit Schwer­ver­letz­ten hin­ein. Wäh­rend ich auf den Arzt war­te­te, sah ich so viel Blut, dass ich zu hal­lu­zi­nie­ren begann. Ein Freund brach­te mich des­halb in ein ande­res Kran­ken­haus, wo sich Schwes­tern um mich küm­mer­ten. Sie ent­fern­ten einen Metall­split­ter, der ande­re steckt noch in mei­nem Bein. Sie sagen, er kön­ne erst in eini­ger Zeit ent­fernt wer­den. Doch es sind nicht nur die Bom­ben und Gefech­te, die unser Über­le­ben immer schwe­rer machen. Das Regime hat nun auch die Cas­tel­lo-Stra­ße ein­ge­nom­men. Sie ist eine Todes­zo­ne gewor­den: Stän­dig wird geschos­sen, bren­nen­de Autos lie­gen am Stra­ßen­rand. Das Regime kämpft dort mit aller Macht – und schnei­det uns damit von der Außen­welt ab. Die Cas­tel­lo-Stra­ße war bis­lang die ein­zi­ge Ver­bin­dung von Alep­po nach drau­ßen, in die Vor­or­te und in die Tür­kei. Es war die Lebens­ader der Stadt, von dort haben wir Lebens­mit­tel, Gas, Brenn­stoff, Trink­was­ser und Medi­zin bekom­men.  Die Bela­ge­rung ist für uns dra­ma­tisch. Denn jetzt gibt es kaum noch Obst und Gemü­se zu kau­fen, über­haupt sind die Märk­te fast leer. Auch haben wir immer weni­ger Brenn­stoff, wir ver­brau­chen gera­de die letz­ten Reser­ven der Stadt. Bald schon wer­den wir in kom­plet­ter Dun­kel­heit leben. Das ist es, was das Regime und sei­ne Mili­zen wol­len: dass Alep­po lang­sam stirbt. Sie set­zen dabei allein auf die Zeit. Wir, die noch rund 300.000 Ver­blie­be­nen, wer­den nicht mehr lan­ge ver­sorgt wer­den kön­nen. Ich fürch­te, dass unser Unter­gang schließ­lich dadurch kommt, dass wir alle um Was­ser und Brot kämp­fen. Und dass die, die nicht mehr stark genug sind, dar­um zu kämp­fen, ein­fach ver­hun­gern wer­den. Fakt ist: Wir sit­zen fest. Wir haben kei­ne Chan­ce mehr, aus Ost-Alep­po her­aus­zu­kom­men. Ich habe immer mit drei Freun­den in einer WG zusam­men gewohnt. Jetzt ist nur noch einer von ihnen hier. Malek hat gehei­ra­tet und lebt nun mit sei­ner Frau zusam­men, sie erwar­ten ein Baby. Der ande­re, Jawad, konn­te in die Tür­kei ent­kom­men. Sein Vater wur­de bei einem Angriff schwer ver­letzt und Jawad konn­te mit ihm vor ein paar Wochen in die Tür­kei fah­ren, damit er dort medi­zi­ni­sche Hil­fe bekommt. Jawad ver­sucht, wie­der zu stu­die­ren. Er wird nicht mehr nach Alep­po zurück­kom­men. So zynisch es klingt: Er hat Glück gehabt. Denn nur sehr kran­ke Men­schen dür­fen mit einer Beglei­tung den Grenz­über­gang Bab al-Sal­a­meh in die Tür­kei pas­sie­ren. Die Tür­kei ist da sehr strikt. Für mich gilt das also nicht Selbst wenn ich Alep­po ver­las­sen woll­te: Ich kann es nicht. Die Bom­bar­die­run­gen in der Stadt sind zu stark, ich wür­de nicht mehr weit kom­men. Ich weiß, dass ich hier nicht mehr weg­kom­men wer­de. Die Bom­ben fal­len wei­ter, jeden Tag, jede Stun­de. Sie tref­fen alles, was sich bewegt. Ich sit­ze in Alep­po fest. Aber noch bin ich am Leben. — stop
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