Aus der Wörtersammlung: mensch

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von fröschen

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echo : 5.16 — Ein Buch, das ich ges­tern in einer Post­fi­lia­le, Prenz­lau­er­stra­ße 86, abho­len woll­te, war nicht erreich­bar, da die Post­fi­lia­le, die mich von der Lage­rung des Buches tele­fo­nisch unter­rich­tet hat­te, geschlos­sen wer­den muss­te, die Ange­stell­ten der Filia­le sind in einen Streik getre­ten. Das war nicht wei­ter schlimm, weil vor­sorg­lich am Abend zuvor Brie­fe und Bücher­sen­dun­gen in eine benach­bar­te Post­fi­lia­le abtrans­por­tiert wur­den, wie eine hand­schrift­li­che Notiz bezeug­te. Ich setz­te mich auf mein Fahr­rad und fuhr in die Ber­li­ner­stra­ße 8, wo sich mein Buch inzwi­schen auf­hal­ten soll­te. Aber auch dort war nie­mand anzu­tref­fen, aller­dings der Hin­weis, alle Sen­dun­gen die­ser Filia­le, sowie über­nom­me­ne Sen­dun­gen der Prenz­lau­er­stra­ße 86, sei­en wegen außer­or­dent­li­cher Betriebs­ver­samm­lung in die Filia­le am Madri­der Platz ver­bracht. Zügig radel­te ich wei­ter, eine doch beträcht­li­che Stre­cke war zurück­zu­le­gen quer durch die Stadt, es reg­ne­te, und ich dach­te noch, der Him­mel scheint beheizt zu sein, som­mer­lich war­mes Was­ser, die Luft duf­te­te nach Flie­der, über den Asphalt der Stra­ßen hüpf­ten tau­sen­de umbra­far­be­ne Frö­sche, wei­che Kör­per, laut­los, klag­los. Nahe dem Madri­der Platz, unter Kas­ta­ni­en­bäu­men, hock­ten ein paar Leu­te wie unter Schir­men dicht an dicht. Es wur­de lang­sam dun­kel. Ich mei­ne, zu die­sem Zeit­punkt bemerkt zu haben, dass man an der Art und Wei­se, wie Men­schen sich Schutz suchend auf den Boden set­zen, erken­nen kann, wie alt sie sind. – stop

ping

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landschaft überall

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romeo : 1.02 — Irgend­wann, nach­dem er wach gewor­den am Nach­mit­tag, muss K. einen Brief notiert haben. Bei die­sem Brief nun han­delt es sich um einen beson­de­ren Brief, denn er ist von einem muti­gen Mann aus­ge­dacht, von einem Mann, der lan­ge Zeit über­leg­te, wie er sei­ne Gedan­ken for­mu­lie­ren soll­te, an den Vor­stand, der über sein Leben zu bestim­men wünscht. K. sol­le anstatt vier in Zukunft sechs Näch­te einer Woche zur Arbeit an den Maschi­nen erschei­nen. Es sind fei­ne, ja zar­te Wor­te, die K. für sei­ne Anspra­che wähl­te, ich hät­te sie ihm nie­mals zuge­traut, höf­lich und trau­rig: Nun wer­de ich, schrieb K., sechs wei­te­re Stun­den in einem Zug ver­brin­gen, die nicht bezahlt sein wer­den, Stun­den, da mei­ne Frau mich ver­mis­sen und mög­li­cher­wei­se ein­mal des­halb ver­las­sen wird, es ist eine Tra­gö­die! Ich habe die­sen Brief, in dem von einer Tra­gö­die die Rede ist, vor weni­gen Minu­ten foto­gra­fiert, er wur­de von Hand geschrie­ben, ich erkann­te die Schrift eines betrun­ke­nen Kin­des, die­se Hän­de, sie zit­ter­ten, weil K. sich fürch­te­te, in dem Moment, da er schrieb, oder über­haupt. Ob er mir den Brief auf sei­nem Com­pu­ter auf­schrei­ben kön­ne, frag­te ich K.: Wür­dest Du mir Dei­nen Brief bit­te per E‑Mail sen­den, damit ich ihn wei­ter­ge­ben kann? So etwas habe ich nicht, ant­wor­te­te K., einen Com­pu­ter, E‑Mail, Inter­net. Er habe auch kein Tele­fon, fuhr er fort, kein Tele­fon mit Schnur, und auch kein Tele­fon, das er sich in die Hosen­ta­sche ste­cken könn­te. Du bist der ers­te Mensch, setz­te K. hin­zu, der einen Brief, den ich geschrie­ben habe, foto­gra­fiert, als sei er eine Land­schaft. Manch­mal begeg­ne ich K. im Zug, der zum Flug­ha­fen fährt, ich grü­ße ihn und er freut sich. Er liest dort seit Jah­ren immer in dem­sel­ben Buch. Manch­mal hält er das Buch fest an sei­ne Brust gedrückt, dann ist er ein­ge­schla­fen. — stop

hanoi

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mitternacht im garten von gut und böse

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kili­man­dscha­ro : 1.52 — Es ist heiß und schwül. Ein Ven­ti­la­tor dreht sich lang­sam über dem Tre­sen einer Bar. Zwie­licht. Auf einem Hocker vor einem Glas Whis­key sitzt ein trin­ken­der Mann, der bereits betrun­ken zu sein scheint. Wir befin­den uns in Ame­ri­ka irgend­wo im Süden, ich glau­be in Sav­an­nah. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, auch nicht in wel­chem Film prä­zi­se der trin­ken­de Mann auf einem Stuhl vor einem Glas Whis­key sitzt. Das Selt­sa­me, das Beson­de­re an die­sem Mann ist, dass um sei­nen Kopf her­um Flie­gen schwir­ren, die sich nicht ent­fer­nen, weil sie in irgend­ei­ner Wei­se an dem Kopf selbst oder in sei­ner Nähe befes­tigt wur­den, Flie­gen, die sozu­sa­gen Gefan­ge­ne oder Haus­tie­re des trin­ken­den Man­nes sind. Plötz­lich fällt mir ein, dass sich die­se Sze­ne in dem Film Mit­ter­nacht im Gar­ten von Gut und Böse ereig­net haben könn­te, den ich vor eini­ger Zeit beob­ach­tet und in Besitz genom­men hat­te. Also suche ich nach der Sze­ne im Film und ent­de­cke bald einen hel­len Ort, einen Imbiss, in dem ein Mann namens Lucer vor einem Tre­sen sitzt. Der Mann ist weder betrun­ken noch exis­tiert ein Glas Whis­key, aber eine Tas­se Kaf­fee. Um sei­nen Kopf her­um schwir­ren Bie­nen, deren Kör­per nun tat­säch­lich an Fäden befes­tigt sind, wel­che wie­der­um mit Hemd und Hose des Man­nes unmit­tel­bar in Ver­bin­dung ste­hen. Eini­ge Bie­nen haben auf dem haar­lo­sen Kopf des Man­nes Platz genom­men, er scheint sich dar­über zu wun­dern, dass man ihn beob­ach­tet. In der 46. Minu­te der Film­zeit ver­lässt der Mann den klei­nen Laden, um sofort wie­der rück­wärts ein­zu­tre­ten. Ich neh­me an, ich erin­ner­te mich an die­se Sze­ne, weil ich gegen 22 Uhr eine Nach­richt von Atom­bat­te­rien gele­sen hat­te, die nicht stär­ker als ein mensch­li­ches Haar sein sol­len und in der Lage, hun­der­te Jah­re klei­ne­re Maschi­nen mit Strö­men zu ver­sor­gen. Das war in der Tat eine wun­der­ba­re Nach­richt, weil ich jetzt ernst­haft über die Exis­tenz künst­li­cher Tau­ben­schwänz­chen nach­zu­den­ken ver­mag, Wesen, die ein mensch­li­ches Leben von sei­nem Anfang bis zu sei­nem Ende als flie­gen­de Satel­li­ten beglei­ten und doku­men­tie­ren könn­ten. Wie sie nun in der Nacht lei­se sum­mend dicht über den Schla­fen­den schwe­ben und war­ten. — stop
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ai : KONGO

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MENSCHEN IN GEFAHR: „Zahl­rei­che Men­schen­rechts­ver­tei­di­ger wer­den in der Demo­kra­ti­schen Repu­blik Kon­go seit dem 15. März ohne Kon­takt zur Außen­welt fest­ge­hal­ten. Sie hat­ten im Elo­ko-Maka­si-Jugend­zen­trum in der Haupt­stadt Kin­sha­sa eine Pres­se­kon­fe­renz gege­ben, die von Sicher­heits­kräf­ten gewalt­sam auf­ge­löst wur­de. / Am 15. März stürm­ten Sicher­heits­kräf­te eine Pres­se­kon­fe­renz im Elo­ko-Maka­si Jugend­zen­trum in Kin­sha­sa, der Haupt­stadt der Demo­kra­ti­schen Repu­blik Kon­go. Sie nah­men etwa 30 Per­so­nen fest, dar­un­ter Mit­glie­der der kon­go­le­si­schen Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on Lut­te pour le Chan­ge­ment (LUCHA), der sene­ga­le­si­schen Bewe­gung Y’en a Mar­re, der bur­k­in­i­schen Grup­pe Balai Citoy­en, sowie einen US-ame­ri­ka­ni­schen Diplo­ma­ten und anwe­sen­de Journalist_innen. Die Pres­se­kon­fe­renz wur­de im Anschluss an einen Work­shop über die Betei­li­gung von Jugend­li­chen an poli­ti­schen Pro­zes­sen im Vor­feld der anste­hen­den Wah­len im Land abge­hal­ten. Ver­an­stal­ter waren die ört­li­chen NGOs la Jeu­nesse pour une Nou­vel­le Socié­té (JNS), le Forum Natio­nal de la Jeu­nesse pour l’Ex­cel­lence (FNJE) und Lut­te pour le Chan­ge­ment (LUCHA). / Amnes­ty Inter­na­tio­nal lie­gen Infor­ma­tio­nen dar­über vor, dass eini­ge Per­so­nen wäh­rend der Fest­nah­me von den Sicher­heits­kräf­ten miss­han­delt wur­den. Ein Augen­zeu­ge berich­te­te, dass Per­so­nen von den Sicher­heits­kräf­ten schi­ka­niert und grob behan­delt wur­den, bevor man sie an unbe­kann­te Orte ver­brach­te. Der US-ame­ri­ka­ni­sche Diplo­mat und die aus­län­di­schen Journalist_innen wur­den noch am sel­ben Tag wie­der frei­ge­las­sen, die sene­ga­le­si­schen und bur­k­in­i­schen Aktivist_innen wur­den aus­ge­wie­sen. Wei­te­re kon­go­le­si­sche Menschenrechtler_innen befin­den sich nach wie vor ohne Kon­takt zur Außen­welt an unbe­kann­ten Orten in Haft. Ihnen dro­hen Fol­ter und ande­re Miss­hand­lun­gen. / Amnes­ty Inter­na­tio­nal sieht die­se Angrif­fe auf die Meinungs‑, Ver­samm­lungs- und Ver­ei­ni­gungs­frei­heit mit gro­ßer Sor­ge.“ — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 4. Mai hin­aus, unter »> ai : urgent action

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masuleh

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nord­pol : 15.08 — Fol­gen­de E‑Mail, die ein Mann namens Lorenz geschrie­ben haben könn­te, erreich­te mich in der ver­gan­ge­nen Nacht um 2.07.15 Uhr: fd gmzin­li­qj cey­o­jii dy inti­ai lai­mi­su­uv tie­hurehn dw. Ich wun­der­te mich, weil ich Lorenz nicht ken­ne. Weder war ein Link zu fin­den, noch konn­te ein Über­set­zungs­pro­gramm den Text erschlie­ßen. Auch mit­tels der feh­len­den Zei­chen im Text, die für einen kom­plet­ten Daten­satz unse­res Alpha­be­tes unver­zicht­bar wären, ließ sich kei­ne ver­ständ­li­che Nach­richt ent­zif­fern: b k p x. Sobald ich Lorenz ant­wor­te­te, erhielt ich den Hin­weis, mein Schrei­ben sei nicht zustell­bar. Denk­bar ist, dass ich einen ver­schlüs­sel­ten Text emp­fan­gen habe, oder einen Brief ohne jeden Sinn, ein Par­ti­kel vom Hin­ter­grund­rau­schen, das zuneh­men, das immer lau­ter wer­den könn­te. — An alten, höl­zer­nen Türen der ira­ni­schen Stadt Masu­leh sol­len je zwei Tür­klop­fer befes­tigt sein, einer für männ­li­che, der ande­re für weib­li­che Men­schen. — stop

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nord­pol : 10.28 — Habe heu­te bemerkt, dass ich eine Foto­gra­fie, die ich vor eini­gen Jah­ren ver­geb­lich wie­der­zu­fin­den such­te, nun tat­säch­lich ver­lo­ren zu haben schei­ne. Ich erin­ne­re mich, die Foto­gra­fie zeigt die Raum­sta­ti­on MIR in gro­ßer Höhe über der Erde schwe­bend. Ich konn­te mich zuletzt noch gut an das far­bi­ge Bild erin­nern, viel­leicht des­halb, weil mich die Auf­nah­me, als ich sie vor mir auf dem Tisch lie­gen sah, tage­lang berühr­te. Jetzt, heu­te, nur noch ein vages Bild, wie ein Ent­wurf, dem ich nicht trau­en kann, aber die Beschrei­bung der Foto­gra­fie, die ich aus der Erin­ne­rung notier­te: Ein Bull­au­ge, dort das Gesicht einer Frau, ein erns­tes Gesicht, Ahnung, Schat­ten, Züge einer rus­si­schen Kos­mo­nau­tin, die Mona­te allei­ne auf der MIR-Sta­ti­on leb­te. Sie beob­ach­tet die äußerst behut­sa­me Annä­he­rung eines Raum­schif­fes der NASA, in dem sich Men­schen befin­den, die ver­mut­lich bereits Kon­takt auf­ge­nom­men haben: Wir sehen Dich! — Da war das tie­fe Schwarz des Welt­alls im Hin­ter­grund, ein abso­lut töd­li­cher wir­ken­der Raum, der sich zwi­schen den bei­den Raum­kör­pern erstreck­te. — stop
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vor neufundland 18:22:58 uhr : webstimme

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alpha : 22.01 — Fie­ber­ta­ge. Ich mei­ne, stür­mi­schen Wind vor den Fens­tern zu hören. Ein hel­les Geräusch wei­ter­hin in mei­nem Kopf, lei­se, zu jeder Zeit. Ein­mal ste­he ich auf, schal­te mei­ne Com­pu­ter­ma­schi­ne an, ent­de­cke eine Nach­richt Noes. Tag 1498 im Tau­cher­an­zug vor Neu­fund­land, Tie­fe 84 Meter. ANFANG 18.22.58 | | | > ich höre das ticken einer uhr. s t o p ich könn­te die zeit zäh­len. s t o p wei­ter­ma­chen. t w o b l u e f i s h e s i n l o v e s t r a i g h t a h e a d. s t o p solan­ge ich lache ist leben in mei­nem gehäu­se. s t o p der duft der kirsch­blü­ten. s t o p von einem atem­zug zum ande­ren. s t o p stark. s t o p süß. s t o p viel­leicht flie­der? t w o y e l l o w f i s h e s l e f t h a n d. s t o p ich stel­le mir vor ich arbei­te­te im welt­raum. s t o p gran­dio­se idee. s t o p da ist etwas das nicht stimmt. s t o p eine mensch­li­che stim­me in mei­ner nähe. s t o p eine war­me mensch­li­che stim­me so nah dass ich den luft­zug spü­re der sie webt. s t o p < | | | ENDE 18.24.28

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polaroidtheater

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noise

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gink­go : 21.38 — Als ich unlängst die wun­der­ba­re Film­ko­mö­die Noi­se von Hen­ry Bean ent­deck­te, erin­ner­te ich mich an eine Geschich­te, die ich vor eini­gen Jah­ren in New York skiz­zier­te. Sie geht so: Seit eini­gen Tagen spa­ziert ein drah­ti­ger Herr von klei­ner Gestalt in mei­nem Kopf her­um. Er ist so deut­lich zu sehen, dass ich mei­nen möch­te, ich wür­de ihn ein­mal per­sön­lich gese­hen haben, eine Figur, die durch die Stadt New York irrt auf der Suche nach Lärm­quel­len, die so beschaf­fen sind, dass man ihnen mit pro­fes­sio­nel­len Mit­teln zu Lei­be rücken könn­te, Hupen, zum Bei­spiel, oder Pfeif­ge­räu­sche jeder Art, Klap­pern, Krei­schen, ver­zerrte Radio­stim­men, Sire­nen, alle die­se ver­rück­ten Töne, die nicht eigent­lich begrün­det sind, weil sie ihre Ursprün­ge, ihre Not­wen­dig­keit viel­leicht längst ver­lo­ren haben im Lau­fe der Zeit, der Jah­re, der Jahr­zehnte. Ich erin­nere mich in die­sem Moment, da ich von mei­ner Vor­stel­lung erzäh­le, an einen schril­len Ton in der Sub­way Sta­tion Lex­ing­ton Ave­nue / 63. Stra­ße nahe der Zugangs­schleu­sen. Die­ser Ton war ein irri­tie­ren­des Ereig­nis der Luft. Ich hat­te bald her­aus­ge­fun­den, woher das Geräusch genau kam, näm­lich von einer Klin­gel mecha­ni­scher Art, die über dem Häus­chen der Sta­ti­ons­vor­ste­he­rin befes­tigt war. Die­se Klin­gel schien dort schon lan­ge Zeit instal­liert zu sein, Kabel, von grü­nem Stoff umman­telt, die zu ihr führ­ten, waren von einer Schicht öli­gen Stau­bes bedeckt. Äußerst selt­sam an jenem Mor­gen war gewe­sen, dass ich der ein­zige Mensch zu sein schien, der sich für das Geräusch inter­es­sierte, weder die Zug­rei­sen­den noch die Tau­ben, die auf dem Bahn­steig lun­ger­ten, wur­den von dem Geräusch der Klin­gel berührt. Auch die Sta­ti­ons­vor­ste­he­rin war nicht im min­des­ten an dem schril­len­den Geräusch inter­es­siert, das in unre­gel­mä­ßi­gen Abstän­den ertön­te. Ich konn­te kei­nen Grund, auch kei­nen Code in ihm erken­nen, das Geräusch war da, es war ein Geräusch für sich, ein Geräusch wie ein Lebe­we­sen, des­sen Exis­tenz nicht ange­tas­tet wer­den soll­te. Wenn da nun nicht jener Herr gewe­sen wäre, der sich der Klin­gel näher­te. Er stand ganz still, notier­te in sein Notiz­heft, tele­fo­nierte, dann war­tete er. Kaum eine Vier­tel­stunde ver­ging, als einem U‑Bahnwaggon der Linie 5 zwei jun­ge Män­ner ent­stie­gen. Sie waren in Over­alls von gel­ber Far­be gehüllt. Unver­züg­lich näher­ten sie sich der Klin­gel. Der eine Mann fal­tete sei­ne Hän­de im Schoss, der ande­re stieg auf zur Klin­gel und durch­trennte mit einem muti­gen Schnitt die Lei­tung, etwas Ölstaub rie­selte zu Boden, und die­se Stil­le, ein Faden von Stil­le. — stop
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ai : IRAN

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MENSCH IN GEFAHR: „Die gewalt­lo­se poli­ti­sche Gefan­ge­ne Ate­na Fargha­da­ni befin­det sich seit dem 9. Febru­ar im Iran im Hun­ger­streik, um gegen ihre Haft zu pro­tes­tie­ren. Nun schwebt sie in Lebens­ge­fahr. Die Künst­le­rin befin­det sich wegen ihrer fried­li­chen Akti­vi­tä­ten in Haft, unter ande­rem hat­te sie in einer Kari­ka­tur Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­te kri­ti­siert. Die ira­ni­sche Male­rin Ate­na Fargha­da­ni trat am 9. Febru­ar in einen Hun­ger­streik. Sie nahm fort­an nur noch Was­ser, jedoch kei­ne Nah­rung mehr zu sich. Hier­mit will sie gegen die Fort­dau­er ihrer Haft im Ghar­chak-Gefäng­nis in der Stadt Vara­min pro­tes­tie­ren, in dem es kei­nen Trakt für poli­ti­sche Gefan­ge­ne gibt und in dem die Haft­be­din­gun­gen äußerst schlecht sind. Am 25. Febru­ar gab ihr Rechts­bei­stand an, dass Ate­na Fargha­da­ni als Fol­ge ihres Hun­ger­streiks einen Herz­in­farkt erlit­ten und kurz­zei­tig das Bewusst­sein ver­lo­ren habe. Sie gab an, ihren Hun­ger­streik solan­ge nicht zu been­den, bis die Behör­den ihrem Antrag nach­kom­men, sie in das Evin-Gefäng­nis in Tehe­ran zu ver­le­gen. Am 26. Febru­ar wur­de sie in ein Kran­ken­haus außer­halb des Gefäng­nis­ses gebracht. Ate­na Fargha­da­ni wur­de zum ers­ten Mal am 23. August 2014 wegen ihrer fried­li­chen Akti­vi­tä­ten fest­ge­nom­men. Sie hat­te Fami­li­en von poli­ti­schen Gefan­ge­nen besucht und in einer Kari­ka­tur Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­te kri­ti­siert, die einen Gesetz­ent­wurf ein­ge­bracht hat­ten, der frei­wil­lig durch­ge­führ­te Ste­ri­li­sa­tio­nen unter Stra­fe gestellt hät­te und der Teil eines groß ange­leg­ten Plans ist, den Zugang zu Ver­hü­tungs­mit­teln und Dienst­leis­tun­gen bezüg­lich der Fami­li­en­pla­nung zu beschrän­ken. Sie wur­de fast zwei Mona­te lang im Trakt 2A des Evin-Gefäng­nis­ses fest­ge­hal­ten, davon 15 Tage in Ein­zel­haft. Zu ihrer Fami­lie und ihrem Rechts­bei­stand durf­te sie kei­nen Kon­takt auf­neh­men. Am 6. Novem­ber 2014 wur­de sie gegen Zah­lung einer Kau­ti­on frei­ge­las­sen. Ihre neu­er­li­che Fest­nah­me am 10. Janu­ar erfolg­te nach der Vor­la­dung eines Revo­lu­ti­ons­ge­richts, mög­li­cher­wei­se als Ver­gel­tungs­maß­nah­me für ein Video, das sie nach ihrer Haft­ent­las­sung ver­öf­fent­licht und in dem sie erklärt hat­te, wie Gefäng­nis­auf­se­he­rin­nen sie geschla­gen und ernied­ri­gen­den Lei­bes­vi­si­ta­tio­nen unter­zo­gen sowie ande­ren Miss­hand­lun­gen aus­ge­setzt hat­ten. Ihre Eltern gaben in Inter­views an, dass Ate­na Fargha­da­ni vor ihrer Über­füh­rung ins Ghar­chak-Gefäng­nis noch im Gerichts­saal geschla­gen wur­de. Die Ankla­gen gegen sie lau­te­ten auf “Ver­brei­tung von Pro­pa­gan­da gegen das Sys­tem”, “Belei­di­gung von Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­ten durch Zeich­nun­gen” und “Belei­di­gung des Reli­gi­ons­füh­rers.“ — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und bis spä­tes­tens 10. April, unter »> ai : urgent action

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