Aus der Wörtersammlung: wort

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nachtschläferkapselbaum

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alpha : 0.12 UTC — Sobald ich das Wort Nacht­schlä­fer­kap­sel­baum notie­re, mel­det mein Text­ver­ar­bei­tungs­pro­gramm, die­ses Wort sei in sei­nen Regis­tern nicht zu fin­den, ein Wort dem­zu­fol­ge, das bis­lang nicht exis­tierte. Tat­säch­lich ist das so, dass ich das Wort Nacht­schlä­fer­kap­sel­baum zunächst im Kopf erfun­den habe, ehe ich das Wort mit­tels der Tas­ta­tur mei­ner Schreib­ma­schi­ne ver­wirk­lich­te. Die Vor­stel­lung eines Bau­mes von enor­mer Grö­ße, an des­sen Ästen Kap­sel­for­men befes­tigt sind, in wel­chen sich Men­schen zur Ruhe legen. Ich über­leg­te Bäu­me, die in der Nähe eines Flug­ha­fens sich erhe­ben, Lei­tern, Sei­le, Wen­del­trep­pen, Blät­ter, Blü­ten­duft, Flüs­sig­keit spen­den­de Röh­ren­lia­nen. Selbst­ver­ständ­lich wur­de vor weni­gen Sekun­den nun bereits zum drit­te Male gemel­det, dass das Wort Nacht­schlä­fer­kap­sel­baum nicht exis­tiert. Wenn ich nun aber das erfun­de­ne, mar­kier­te Wort und damit die unbe­kann­te Welt, die sich mit ihm ver­bin­det, mit mei­ner Mou­se berüh­re, ent­de­cke ich die Mög­lich­keit, das Wort zu ler­nen, also in das Regis­ter des Pro­gramms ein­zu­tra­gen. Es wäre dann so, dass ich nie wie­der an das vor­ge­stell­te Wort erin­nert sein wür­de, solan­ge ich mei­ne eige­ne Schreib­ma­schi­ne ver­wen­de, weil mei­ne Schreib­ma­schi­ne sich über die Exis­tenz der Nacht­schlä­fer­kap­sel­bäu­me nicht wie­der wun­dern wür­de. — Frü­her Abend. Als ich Maga­zi­ne gelern­ter Wör­ter mei­ner Schreib­ma­schi­ne durch­such­te, habe ich mei­nen Text, der von Nacht­schlä­fer­kap­sel­bäu­men erzählt, wie­der­ent­deckt. Das war vor weni­gen Minu­ten. Ich bin noch immer sehr zufrie­den. — stop
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fingertiere

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marim­ba : 20.56 UTC — Wie nur nennt man die­se Ver­rückt­heit, dass einer gern Bücher auf einer Schreib­ma­schi­ne tippt, anstatt sie zu lesen, wie einen, der nur lesen kann, was er auch schreibt mit den Hän­den? — Wenn ich das Wort Schreib­ma­schi­ne höre, den­ke ich an Lebe­we­sen mei­ner Kind­heit, an Krea­tu­ren mit Wal­ze und Tas­ten, die merk­wür­di­ge Geräu­sche erzeug­ten, sobald man sie beweg­te. Was waren das damals doch für Unge­tü­me, Knöp­fe auf Stel­zen so groß, dass sie von mei­nen klei­nen Fin­gern kaum bewegt wer­den konn­ten. Hoch oben auf einem Tisch­chen ruh­te die Schreib­ma­schi­ne, manch­mal war sie ver­bor­gen unter einer Hau­be, dann wie­der klap­per­te sie. Mut­ter sass am Tisch und tipp­te vor sich hin. Von Zeit zu Zeit setz­te sie mich auf ihren Schoß und ich sah ihren Fin­gern zu, wie sie sich beweg­ten, indes­sen Mut­ter mit mir sprach oder dem Radio zuhör­te. Ich glaub­te manch­mal in den Bewe­gun­gen ihrer Hän­de, etwas Frei­es, Unab­hän­gi­ges zu sehen, als wären die Hän­de mei­ner Mut­ter eigen­sin­ni­ge Lebe­we­sen. — stop

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von nashornkäfern

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sier­ra : 0.28 — Ges­tern, am spä­ten Abend, habe ich wie­der ein­mal den Ver­such unter­nom­men, das Wort Streich­holz so lan­ge wie mög­lich in mei­nem Kopf hin und her zu bewe­gen, ohne indes­sen ein wei­te­res Wort zu den­ken. Kurz dar­auf habe ich mei­nen Ver­such wie­der­holt, in dem ich das Wort Streich­holz durch das Wort Nas­horn­kä­fer ersetz­te, eben­sol­ches eine Zehn­tel­stun­de spä­ter durch das Wort Cole­por­ter, wel­ches selbst kurz vor Mit­ter­nacht im Wort­loop der Hibis­kus­blü­te ende­te. Vor­ges­tern noch hat­te ich eine ähn­li­che Nacht­übung durch­ge­führt. Wör­ter waren fol­gen­de gewe­sen: Sams­he­pard, Hum­mer­vo­gel, Tict­ac­to, Lepo­rel­lo. Ich stel­le fest: Die lang anhal­ten­de Wie­der­ho­lung des Wor­tes Lepo­rel­lo bewirkt in mei­ner See­le noch immer einer­seits ein deut­li­ches Gefühl von Hit­ze, ander­seits eine Ahnung der Far­be Gelb­oran­ge, ohne dass die­se Far­be selbst vor mei­nem inne­ren Auge sicht­bar wer­den wür­de. War­um? — stop

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von wortgeräuschen

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india : 15.28 UTC — Noch zu tun in den letz­ten Stun­den die­ses Tages: Lärm­wör­ter erfin­den. Fol­gen­de Wör­ter sind bereits bekannt: LÄRMEN LÄRMBLÄSER LÄRMECKE LÄRMENBLASEN LÄRMENSCHLAGEN LÄRMENTE LÄRMER LÄRMFACKEL LÄRMFEUER LÄRMFROH LÄRMGASSE LÄRMGLOCKE LÄRMIG LÄRMKANONE LÄRMMACHER LÄRMPLATZ LÄRMSCHUSZ LÄRMSPIEL LÄRMSTANGE LÄRMSTÜCK LÄRMWORT LÄRMZEICHEN. Samm­lung nach dem Wör­ter­buch der Gebrü­der Grimm. Eine Lärm­en­te, das ist eine Schnat­ter­en­te. — stop
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ein millionstel gramm wort

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echo : 16.25 UTC — Ich ver­fü­ge über eine wei­te­re, über eine 5. Schreib­ma­schi­ne. Das ist so, weil ich sie mir gekauft habe. Leicht ist sie und flach. Wenn mei­ne neue Schreib­ma­schi­ne in der Hit­ze der Tag- oder Abend­luft atmet, um sich zu küh­len, ist von ihren Atem­ge­räu­schen selbst dann, wenn ich ein Ohr an ihr Gehäu­se lege, nichts zu hören. Ich könn­te sie unter mei­nem Hemd ver­ber­gen, weil sie so flach ist, nie­mand wür­de sie bemer­ken. Ein­mal notier­te ich: Wenn das so wei­ter geht mit dem Leich­ter­wer­den der Schreib­ma­schi­nen, wer­de ich bald Schreib­wer­ke zur Ver­fü­gung haben, die von gerin­ge­rer Schwe­re sind als die Papie­re, die ich mit ihren Zei­chen fül­le. — Wie viel genau wiegt eigent­lich die­ses elek­tri­sche Wort, das gera­de vor mir auf dem Bild­schirm erscheint? S i e r r a. Wie vie­le Male wird das Wort S i e r r a heu­te oder mor­gen auf wei­te­ren Bild­schir­men auf­ge­ru­fen wer­den, wie lan­ge Zeit jeweils sicht­bar sein? Es ist denk­bar, dass das Wort S i e r r a , das in Euro­pa vor weni­gen Minu­ten ver­zeich­net wur­de, schwe­rer wiegt, sobald es in Aus­tra­li­en auf einem Bild­schirm erscheint, als das sel­be Wort, wenn wir es in Euro­pa lesen, 1 Mil­li­ons­tel Gramm schwe­rer, sagen wir, um 1 Mil­li­ons­tel Gramm Koh­le schwe­rer und um den Bruch­teil einer Sekun­de. Sams­tag. — stop. 12° Cel­si­us bei wol­ken­lo­sem Him­mel. stop. Wer könn­te nun bewei­sen, dass die­ser Text nicht bereits von einer Maschi­ne geschrie­ben wur­de, die über künst­li­che Intel­li­genz ver­fügt? — stop /  tags: machi­ne lear­ning . ten­sor­flow . text mining . natu­ral lan­guage pro­ces­sing . code­path . turing test. 

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ANFANG === bEKOl6nBFkbLw4UCQdhQBw === ENDE

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india : 0.58 — Der Feed-Atom eines Tex­tes, den ich im Juni des Jah­res 2013 an die­ser Stel­le ver­schlüs­selt sen­de­te, wur­de bis­her 21202 Mal ange­for­dert. Täg­li­che Lek­tü­re einer Maschi­ne viel­leicht, die sich rhyth­misch ver­ge­wis­sert, ob der mög­li­cher­wei­se gefähr­li­che Text noch exis­tiert auf dem par­tic­les-Ser­ver. Denk­bar ist außer­dem, dass die Maschi­ne noch immer oder wei­ter­hin nicht in der Lage sein könn­te, einen Code zu erken­nen oder zu ver­ste­hen, der im letz­ten Satz des Tex­tes selbst für sei­ne umge­hen­de Ent­schlüs­se­lung prä­pa­riert wur­de. Ver­such No. 3 : ANFANG === a 4 n Z Q c Z c V 5 2 E p 5 0 P B S a l A B Y l g e 0 E Z M a N Q M D U F f a 5 g a F X 0 r j W u G h y B C V u v f L 7 U r D z s 9 y V 7 Q x I Q R E m I L c I 9 c n c D p t x g / y G r p M e k z a x 3 s O f c H / E e Q s 2 X 0 8 6 6 U h i M J 3 G 5 0 r m A f j Q j h k 3 f f 7 5 m r W + i R O f F H R d b m 1 n q i v 8 B Y 5 P m b q J 6 W J 8 Z t j o F h u J V Z T r W V 8 h + I 3 Y k g / P j L 0 S 5 p B j 8 J t / B 1 8 p + O O h k l 5 f n i z q e H J s s e g P W 9 m F n c L n / 6 Y C 8 n L p v / G H x m n K / D I 5 v d F u 8 u 8 M l 5 A m / V Y p g Q === ENDE / code­wort : bir­dy­bir­dy — stop

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winter

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echo : 18.26 UTC — Wie Bernd L., ein guter Freund, mich in den Pal­men­gar­ten führt. Es ist ein win­ter­li­cher Nach­mit­tag, der Boden knirscht unter den Schu­hen, und die Spat­zen hocken zit­ternd vor den Gewächs­häu­sern, weil sie sich einen Spalt erhof­fen, durch den sie in die Wär­me flie­gen kön­nen. Ich tra­ge einen Notiz­block in der Man­tel­ta­sche, den neh­me ich her­aus und einen Blei­stift als wir ins Kak­teen­haus tre­ten. Jetzt gehe ich hin­ter ihm her. Mein lie­ber Freund berührt Kak­teen an ihren Sta­cheln. Er ist sehr zart in die­ser Bewe­gung, er spricht die Namen der Pflan­zen vor sich her, ein Suchen­der, einer, der ein Wort wie­der­zu­fin­den wünscht, das er vor drei Jah­ren in die­sem Haus prä­zi­se erfun­den hat­te, ein Schutz- oder Pass­wort, das ihm ver­lo­ren gegan­gen ist, er weiss, dass er das Wort am Ort sei­nes Ursprungs wie­der­fin­den wird. Er muss das Wort unbe­dingt wie­der­erken­nen, die Tex­te sei­ner Schreib­ma­schi­ne sind ver­schlüs­selt, sie sind da und zugleich nicht, sind sicht­bar, aber nicht les­bar. Hier muss das Wort sein, irgend­wo. Und ich, der ich mei­nem Freund Bernd fol­ge Schritt für Schritt ganz lei­se, wür­de das Wort unver­züg­lich notie­ren, sobald wir es gefun­den haben wer­den. Soweit sind wir schon, wir kön­nen sagen, es exis­tie­ren im Wort auch Zah­len. Manch­mal kom­me eine Ahnung auf, sagt Bernd, das Gefühl eines Wor­tes flat­te­re durch sei­nen Kopf wie ein Sper­ling. Es ist Sams­tag und wie gesagt, es ist ziem­lich kalt und die Bäu­me glit­zern. — stop

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jonathan

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echo : 20.12 UTC — Ich habe Jona­than unge­fähr drei Jah­re lang nicht gese­hen. Als ich ihm zuletzt begeg­ne­te, erzähl­te er von einem Film, der ihn hör­bar beein­druckt hat­te. Er sprach damals so schnell und auf­ge­regt, dass ich ihm nicht fol­gen konn­te. Ich dach­te nur immer wie­der: Jona­than, dass Du so schnell und unent­wegt spre­chen kannst, wo hast Du das gelernt? Vor weni­gen Minu­ten setz­te sich Jona­than im Zug zu mir und ich mach­te mich auf eine wei­te­re rasen­de Geschich­te gefasst. Es war aber ganz anders gekom­men, er sprach zunächst kaum ein Wort: Hal­lo Lou­is, lang nicht gese­hen. Kur­ze Pau­se. Ja, ich arbei­te noch immer in der Nacht. Lan­ge Pau­se. Fünf Minu­ten schwieg Jona­than. Er sah zu sei­nen Hän­den hin, die in sei­nem Schoß ruh­ten. Dann begann sich sei­ne lin­ke Hand behut­sam zu bewe­gen. Sei­ne rech­te Hand indes­sen war geöff­net. Jona­than schien einen Text zu schrei­ben auf einer nicht sicht­ba­ren Tas­ta­tur, die dort für ihn sicht­bar sein muss­te. Wei­te­re fünf Minu­ten ver­gin­gen in die­ser Wei­se des Notie­rens. Plötz­lich hör­te er auf zu schrei­ben. Er führ­te sei­ne rech­te Hand unter sei­ne lin­ke Hand und begann zu lesen. — stop