Aus der Wörtersammlung: frage

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mr. munki

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marim­ba : 6.22 — Das Ver­ges­sen ist nicht gera­de eine mei­ner Stär­ken. Ich kann mich noch nach Jah­ren an jedes schwie­ri­ge Gespräch erin­nern, wo es sich ereig­ne­te, mit wem ich mich unter­hal­ten hat­te und wor­über. Dafür ver­ges­se ich auf dem Weg von mei­nem Arbeits­zim­mer in die Küche, wes­halb ich mich eigent­lich in Bewe­gung setz­te. Auch die Uhr­zeit ver­ges­se ich ger­ne, Tele­fon­num­mern, Pass­wör­ter, Namen, gan­ze Bücher, dass sie exis­tie­ren, Buch­sta­ben, mei­nen Regen­schirm. Ein­mal wäre ich bei­na­he im Herbst ohne Schu­he auf die Stra­ße getre­ten. Genau genom­men bin ich im Ver­ges­sen leicht­fü­ßi­ger, als ich dach­te. Ich ver­ges­se aber lei­der in vie­len Fäl­len nicht, was ich ger­ne ver­ges­sen wür­de. Heu­te habe ich bemerkt, dass ich ver­säum­te, also ver­ges­sen habe, in einem Buch wei­ter­zu­le­sen, das ich im Mai zuletzt in Hän­den gehal­ten habe. Viel­leicht erin­nern Sie sich, es han­del­te sich um Pete L. Munki’s Roman Nau­ti­lus. Der Erzäh­ler der Geschich­te, ein jun­ger Mann namens Zezito Lopes, ruh­te zuletzt im 10. Stock eines Hau­ses in der Lex­ing­ton Ave­nue auf einer Trep­pen­stu­fe. Frü­her Nach­mit­tag. Ein schwe­rer Behäl­ter von gepan­zer­tem Glas, in dem sich zwei Fische der Gat­tung Nau­ti­lus befan­den, stand neben dem war­ten­den Mann auf dem Boden. Ich erin­ner­te mich damals, dass der jun­ge Mann, er war ein gut trai­nier­ter Trä­ger, sich kurz dar­auf erho­ben hat­te, um an einer der Woh­nungs­tü­ren, die auf den Flur führ­ten, zu klin­geln und nach einem Glas Was­ser zu fra­gen. Unver­züg­lich wur­de geöff­net, ein Gespräch ent­wi­ckel­te sich, in des­sen Fol­ge Zezito Lopes sich bück­te, sei­nen gepan­zer­ten Behäl­ter in die Hän­de nahm und mit ihm in der Woh­nung ver­schwand. So weit, so gut. Als ich das Buch im Mai im Zug geöff­net hat­te, konn­te ich die mar­kier­te Text­stel­le nicht fin­den. Sofort der Gedan­ke, ich hät­te mög­li­cher­wei­se fan­ta­siert, eine beun­ru­hi­gen­de Vor­stel­lung. Nicht min­der beun­ru­hi­gend schien mir der Gedan­ke gewe­sen zu sein, das Buch selbst könn­te sich ver­än­dert haben, wei­ter- oder umge­schrie­ben wor­den sein, obwohl sich das Buch, auch nachts, immer in mei­ner Nähe auf­ge­hal­ten hat­te. Zu Hau­se ange­kom­men leg­te ich das Buch unter ande­re Bücher auf mei­nem Schreib­tisch ab, wo ich es heu­te wie­der ent­deck­te. Als ich das Buch öff­ne­te, war das Buch leer. Kein Zei­chen zu fin­den, nur der Titel der Geschich­te: Nau­ti­lus. Dar­un­ter ein wei­te­rer Satz: Bit­te war­ten. Pete L. Mun­ki. — stop

polaroidamph

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robots

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hima­la­ya : 6.55 — Isaak B. Sin­ger in deutsch­spra­chi­ger Über­set­zung: Ein Tag in Coney Island. Lek­tü­re immer wie­der unter­bro­chen, um Such­ma­schi­nen zu kon­tak­tie­ren: Sea­gate Esther Brook­lyn Sience Post Nano­ro­bots Kier­ke­gaard Colum­bia Heights Pul­sar Giu­sep­pi Logan. Ich zähl­te, wie vor­ge­nom­men, mei­ne Such­an­fra­gen für die­sen Tag. Es waren 27 nach­mit­tags und wei­te­re 15 am Abend. Jede ein­zel­ne mei­ner Fra­gen soll den Ver­brauch von vier Watt Strom ver­ur­sacht haben. Erstaun­li­che Sache. Ent­deck­te wun­der­ba­res Orches­ter flie­gen­der Robo­ter. Drau­ßen Regen wie Gischt. Die Vögel in den Bäu­men damp­fen. — stop

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august august

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alpha : 1.02 — Der 23. August. Gewit­ter plus­tern sich über dem Haus. Ich bin ein wenig unru­hig, weil ich mich einem beson­de­ren Tag nähe­re. Ich habe für die­sen beson­de­ren Tag in mei­nem digi­ta­len Kalen­der vor bei­na­he fünf Jah­ren fol­gen­den Satz ver­merkt: Tru­man kehrt zurück! Noch drei Näch­te, dann ist es so weit, Tru­man wird zurück­ge­kehrt sein und mir viel­leicht auf eine Fra­ge ant­wor­ten, die ich ihm gestellt hat­te. Ein Par­tic­le aus dem Som­mer des Jah­res 2007 erzählt davon: > Frü­her Abend. Sehr hei­ße Luft. Ich wün­sche zu wis­sen, ob Geschöp­fe, die über 5 Bein­paa­re ver­fü­gen, noch als Käfer anzu­se­hen sind. Also schrei­be ich einem Freund eine E‑Mail. Kaum habe ich mei­ne Fra­ge notiert, abge­schickt und mich erho­ben, um etwas die Bei­ne zu ver­tre­ten, kommt mit einem Ping­ge­räusch sei­ne Ant­wort: Bin zurück > Sonn­tag, 26. August 2012. Haben Sie eine gute Zeit. Tru­man. — Es ist jetzt bei­na­he 5 Jah­re spä­ter. Und wie­der die Fra­ge: Habe ich die­se Geschich­te erfun­den? — stop

ping

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shakespears garden

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lima

~ : malcolm
to : louis
sub­ject : BALCONY
date : aug 11 12 10.08 p.m.

Seit Tagen bereits sehen wir Fran­kie in stän­di­ger Bewe­gung. Das Eich­hörn­chen scheint zu einer Per­sön­lich­keit gewor­den zu sein, die ohne jeden Schlaf aus­zu­kom­men ver­mag. Wir haben das so nicht erwar­tet. In den ver­gan­ge­nen Tagen und Näch­ten wan­der­te Fran­kie 180 Mei­len durch den Cen­tral Park. Wir dach­ten zunächst, dass Frankie’s Unru­he sich ent­fal­tet haben könn­te, weil es reg­ne­te. Aber Fran­kie läuft noch immer und es hat schon lan­ge auf­ge­hört. Der Him­mel an die­sem Abend ist wol­ken­los. Wir befin­den uns nahe der Base­ball­fel­der Höhe 61. Stra­ße. Es ist denk­bar, dass es gleich rauf bis zur 68. Stra­ße gehen wird ohne Pau­se, eine Fra­ge der Zeit bis wir auf­ge­ben müs­sen, weil wir das Ende unse­rer Kräf­te erreicht haben wer­den. Ent­we­der wir bekom­men bald eine Ablö­sung oder es ist Schluss! Manch­mal fra­gen wir uns, war­um das not­wen­dig ist, ein Wesen zu beob­ach­ten, das über einen Sen­der ver­fügt, den wir jeder­zeit anpei­len könn­ten, um das Gespenst wie­der­zu­fin­den. Nein, es ist nicht immer leicht zu ver­ste­hen, was hier vor sich geht. Ges­tern, Frei­tag, haben wir von 2 bis 4 Uhr fol­gen­de Posi­tio­nen hin­ter uns gelas­sen > Turt­le Pond : Gre­at Lawn Soft­ball Field : Bridge No 24 : East 96th Street Play­ground : North Mea­dow : Har­lem Meer : Glen Span Arch : Sene­ca Vil­la­ge Site : Shake­spears Gar­den : Bal­c­o­ny Bridge. Ihr Mal­colm — stop / code­wort : ligu­ri­en

emp­fan­gen am
11.08.2012
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mal­colm to louis »

ping

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nachtfalter

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alpha : 0.25 — Kurz nach Mit­ter­nacht stürz­te ein Fal­ter auf mei­nen Schreib­tisch. Ich hat­te die Fens­ter geöff­net, küh­le und doch wür­zi­ge, feuch­te Luft von drau­ßen und eben der Fal­ter, der plötz­lich vor mir auf dem Rücken lag und sich nicht mehr rühr­te, als wäre er wäh­rend sei­nes Nacht­flu­ges tief und fest ein­ge­schla­fen. Und da war nun eine selt­sa­me Fra­ge. Wie wecke ich einen schla­fen­den Fal­ter, ohne ihn in Angst und Schre­cken zu ver­set­zen? Ich könn­te mit mei­nem Atem etwas Wind erzeu­gen oder aber ich könn­te nach einem fei­nen Pin­sel suchen. Ich könn­te ande­rer­seits vor­ge­ben, als wäre der Fal­ter nicht wirk­lich. Ich muss das nicht sofort ent­schei­den. stop. Cole­man Haw­kins Quin­tet South. — stop

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engelware

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nord­pol : 6.50 — Fan­gen wir noch ein­mal von vorn an. stop. Jener war­me Som­mer­tag. stop. Mein Vater trägt hel­le Hosen, ein wei­ßes Hemd, Turn­schu­he, Hosen­trä­ger. Immer wie­der erhebt er sich, geht über­le­gend auf und ab, weil ich ihm Fra­gen stel­le, vie­le, schwie­ri­ge Fra­gen. An eine die­ser Fra­gen kann ich mich noch gut erin­nern. Ich woll­te wis­sen, ob es grund­sätz­lich mög­lich sei, die Dau­er eines Momen­tes mathe­ma­tisch in einer For­mel dar­zu­stel­len, in wel­chem ein Trop­fen, der von einem Was­ser­spiel gegen den Him­mel gewor­fen wird, in der Luft ver­harrt, ohne sich wei­ter auf­wärts oder schon abwärts zu bewe­gen, also ohne Schwe­re ist. Lei­der kann ich mich an die Ant­wort mei­nes Vaters nicht erin­nern, aber an eine Geschich­te, die mein Vater an genau jenem Tag der Was­ser­trop­fen erzähl­te. Die­se Geschich­te han­del­te von mir selbst. Sie soll sich ereig­net haben, als ich noch sehr jung und klein gewe­sen war. Ich konn­te damals schon lau­fen und spre­chen, das wohl, und ich wuss­te, dass Weih­nachts­fes­te sich wie­der­ho­len, dass zur hei­li­gen Nacht Geschen­ke unter einem Baum zu fin­den sind, und dass die­se Geschen­ke von Engeln her­bei­ge­bracht wer­den. Der Geschich­te mei­nes Vaters zur Fol­ge kau­er­te ich an einem Dezem­ber­tag meh­re­re Stun­den vor einem Fens­ter zum Gar­ten. Schnee war gefal­len und es schnei­te immer wei­ter ohne Unter­bre­chung. Mei­ne Eltern beob­ach­te­ten mich genau, sie wun­der­ten sich, weil ich mich kaum beweg­te und weil ich in mei­ner Obser­va­ti­on der Schnee­land­schaft kei­ne Pau­sen mach­te. Nach einer gewis­sen Zeit kam mein Vater zu mir. Er frag­te, was ich da tue, ob ich viel­leicht etwas Beson­de­res ent­deckt haben wür­de. Ich ant­wor­te­te, dass ich auf das Erschei­nen eines Engels war­ten wür­de. Wie ich denn dar­auf kom­me, dass ich gera­de an die­sem Tag oder über­haupt je einen Engel sehen kön­ne, woll­te mein Vater wis­sen. Ich erklär­te, dass ich hör­te, jene Geschen­ke, die bald unter unse­rem Weih­nachts­baum lie­gen wür­den, sei von Engeln gelie­fer­te Ware, ich kön­ne also sicher sein, dass Engel den Luft­raum vor dem Fens­ter zum Wohn­zim­mer in Stun­den­zeit pas­sie­ren wür­den, ich müss­te nur lan­ge genug war­ten, um die Erschei­nung eines oder meh­re­rer Engel beob­ach­ten zu kön­nen. Eine Wei­le, erzähl­te mein Vater, habe er sich dann neben mich gesetzt, zwei gedul­di­ge Beob­ach­ter des Schnees, Schul­ter an Schul­ter. — stop

ping

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zeit

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india : 0.05 — Saß an einem Som­mer­tag mit mei­nem Vater am Ufer eines Sees. Mein Vater trug hel­le Hosen, ein wei­ßes Hemd, Turn­schu­he und Hosen­trä­ger. Immer wie­der erhob er sich, ging über­le­gend auf und ab, weil ich ihm Fra­gen stell­te, vie­le, schwie­ri­ge Fra­gen. An eine die­ser Fra­gen kann ich mich noch gut erin­nern. Ich woll­te wis­sen, ob es grund­sätz­lich mög­lich sei, die Dau­er jenes Momen­tes mathe­ma­tisch in einer For­mel dar­zu­stel­len, in wel­chem ein Trop­fen, der von einem Was­ser­spiel gegen den Him­mel gewor­fen wird, in der Luft ver­harrt, ohne sich wei­ter auf­wärts oder schon abwärts zu bewe­gen, also ohne Schwe­re ist. Lei­der kann ich mich an die Ant­wort mei­nes Vaters nicht erin­nern, aber an eine Geschich­te, die mein Vater an genau jenem Tag der Was­ser­trop­fen erzähl­te. Die­se Geschich­te han­del­te von mir selbst. Sie soll sich ereig­net haben, als ich noch sehr jung und klein gewe­sen war. Ich wer­de sie mor­gen erzäh­len, weil sich gera­de ein groß­ar­ti­ges Gewit­ter ereig­net. — stop

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doppellunge

14

 

 

del­ta

~ : louis
to : dai­sy und vio­let hilton
sub­ject : DOPPELLUNGE

Heu­te, lie­be Dai­sy, lie­be Vio­let, als ich im Park spa­zier­te, hab ich an Euch gedacht. Das war näm­lich so gewe­sen, dass ich wie­der ein­mal übte, im Wan­dern die Luft anzu­hal­ten. Ich ver­such­te 100 Meter weit zu kom­men, lang­sam, sehr lang­sam, dann etwas schnel­ler gehend. Es ist mög­lich, heu­te end­lich ist es mög­lich gewor­den. Plötz­lich frag­te ich mich, wel­che Wir­kun­gen die Übung des Luft­an­hal­tens bei Euch frü­her ein­mal gezei­tigt haben könn­te. Ich über­leg­te, ob ihr Euch über das Luft­an­hal­ten ver­stän­digt haben wür­det. Es ist immer­hin denk­bar, dass das Anhal­ten der Luft in Eue­rem Fal­le, bei der einen wie der ande­ren eine gewis­se Kurz­at­mig­keit her­vor­ge­ru­fen haben müss­te. Viel­leicht wer­det Ihr Euch erin­nern? Wenn ja, dann gebt mir recht bald Bescheid. Ich arbei­te zur­zeit sehr hart in die­sen Din­gen. Vor eini­gen Tagen habe ich mir eine Pas­sa­ge der Klei­nen Erin­ne­run­gen José Saramago’s laut vor­ge­le­sen, und zwar in der Art und Wei­se lang­sa­men Aus­at­mens. Das ist fol­gen­der­ma­ßen vor­zu­stel­len: Ich fass­te das ers­te Wort der ers­ten Zei­le des klei­nen Tex­tes ins Auge, schöpf­te Luft so tief ich konn­te und begann zu lesen. Ich sprach zunächst laut: Manch­mal fra­ge ich mich, ob bestimm­te Erin­ne­run­gen wirk­lich mei­ne eige­nen sind oder viel­leicht eher frem­de, in denen ich unbe­wusst mit­ge­spielt habe. Ich las so lan­ge ich konn­te, ich las, ohne zu atmen, ich las, bis ich alle Luft ver­lo­ren hat­te. Im ers­ten Ver­such kam ich 11 Zei­len weit. Das war natür­lich nicht befrie­di­gend. Also setz­te ich noch ein­mal von vorn an, ich hat­te eine ent­spann­te Posi­ti­on des Sit­zens ein­ge­nom­men und füll­te mei­ne Brust mit Luft und begann zu spre­chen. Die­ses Mal las ich mit lei­ser Stim­me, wie geflüs­tert. Ich kam exakt 1 Zei­le, also 55 Zei­chen wei­ter. Kurz dar­auf war zu beob­ach­ten gewe­sen, wie ich mich rück­lings auf mein Sofa leg­te und den­sel­ben Text noch ein­mal hauch­te. Das lie­gen­de atem­lo­se Lesen ermög­lich­te nun eine wei­te­re Zei­le a 55 Zei­chen. Ich mach­te also klei­ne Fort­schrit­te in die­ser Kunst des Lesens, ich ver­moch­te bald die Zei­le 14 des klei­nen Tex­tes zu errei­chen in einem Zustand, da ich Wort für Wort noch mit­den­ken konn­te. Nach einer Stun­de des Übens hör­te ich für die­se Nacht auf, um in der kom­men­den Nacht­zeit fort­zu­fah­ren. — Herz­lichst grüßt Euch Euer Lou­is. Ahoi! – stop

gesen­det am
10.07.2012
22.01 MESZ
2252 zeichen

lou­is to dai­sy and violet »

ping

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apfelohren

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del­ta : 6.35 — Ges­tern hab ich eine lus­ti­ge E‑Mail bekom­men. Sie war irgend­wann, wäh­rend ich schlief, auf mei­nem Com­pu­ter laut­los ein­ge­trof­fen. Die Per­son, die mir geschrie­ben hat­te, woll­te wis­sen, wie ich vor­ge­he, wenn ich nachts einen Apfel oder eine Apri­ko­se oder Bana­nen belau­sche. Ich hat­te zunächst eini­ge trif­ti­ge Grün­de auf die­se Fra­ge nicht ein­zu­ge­hen, gera­de auch des­halb, weil der Absen­der der E‑Mail, einen selt­sa­men Namen ange­ge­ben hat­te, des­sen Exis­tenz ich über die Goog­le – Such­ma­schi­ne ver­geb­lich zu prü­fen such­te. Aber dann schien mir doch reiz­voll zu sein, dem Absen­der der E‑Mail zu ant­wor­ten. Ich notier­te kurz und bün­dig, dass ich, wenn ich einen Apfel belau­sche, den Apfel in eine mei­ner Hän­de neh­me, um ihn tat­säch­lich an eines mei­ner Ohren zu füh­ren. Was man, wenn man in die­ser Wei­se vor­geht, hören kann, ist natür­lich zunächst das Rau­schen des Blu­tes in den eige­nen Ohr­ge­fä­ßen, sonst aber nichts, abge­se­hen von Geräu­schen viel­leicht, die man sich gründ­lich vor­zu­stel­len ver­mag, Geräu­schen orga­ni­schen Zer­falls zum Bei­spiel, einem Pfei­fen, einem Sau­sen oder den Beiß­ge­räu­schen eines Wurm­kie­fers in grö­ße­rer Apfel­tie­fe. Ich attes­tier­te in einem Ant­wort­schrei­ben sehr ernst­haft, dass ein Apfel ein stil­les Wesen sei, immer­hin habe ich nicht nur einen, ich habe min­des­tens fünf Äpfel belauscht, Bir­nen, Trau­ben, Bana­nen, Pfir­si­che, alle sind sie ohne tat­säch­li­che Geräu­sche in den Fre­quen­zen mensch­li­chen Hör­ver­mö­gens. Dafür leg ich eine Hand ins Feu­er, jawohl, es ist Mon­tag: Rasen­de Wol­ken. — stop

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ein beamter unterirdischer musikabspielgeräte

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nord­pol : 0.25 — Als der Beam­te, der für das Fried­hofs­we­sen zustän­dig ist, win­kend eine Wie­se über­quer­te, stand ich mit einem Gärt­ner unter einer blatt­lo­sen Ulme. Der Mann rauch­te einen Ziga­ril­lo. Spä­ter Nach­mit­tag. Flü­gel­tie­re, gold­far­be­ne Gespens­ter, flat­ter­ten in der Luft her­um. Ich hat­te gera­de die Fra­ge gestellt, ob der Baum, unter dem wir war­te­ten, noch am Leben sei, als uns der Beam­te erreich­te. Er war etwas außer Atem und lach­te, weil ich ein altes Eisen­kreuz in mei­nen Hän­den dreh­te. Er sag­te sofort, dass die­ses Kreuz an Ort und Stel­le denk­bar sei. Das kön­nen sie hier auf­stel­len! Also waren wir sehr zufrie­den alle, wir hat­ten in gemein­sa­mer Gegen­wart kaum drei­fach geat­met und schon konn­ten wir wie­der aus­ein­an­der­ge­hen, wenn da nicht jener Baum gewe­sen wäre ohne Blät­ter, wes­we­gen wir über das Wet­ter zu spre­chen began­nen, über Win­ter­ta­ge, die kei­ne mehr sind. Und über Som­mer­zei­ten, die den Herbst­zei­ten von Jahr zu Jahr ähn­li­cher zu wer­den schei­nen. Ein Eich­hörn­chen toll­te über ein Grab in unse­rer Nähe, grub sich in die Erde, Stei­ne flo­gen durch die Luft. Viel­leicht weil sich das klei­ne Tier sicht­bar in die Tie­fe vor­an arbei­te­te, hat­te ich die Idee, mei­ne Vor­stel­lung unter­ir­di­scher Musik vor­zu­tra­gen, die ich vor Mona­ten bereits ein­mal notier­te. Und so erzähl­te ich, wie ich geschrie­ben hat­te, dass näm­lich auf mei­ner letz­ten Ruhe­stät­te ein­mal ein Wind­rad ste­hen könn­te. Das Rad wür­de, in dem es sich dreh­te, Strom erzeu­gen. Mit­tels eines Kabels wür­de die­ser Strom zu einer Bat­te­rie unter die Erde geführt. Sobald nun durch kräf­ti­ge Win­de aus­rei­chen­de Men­gen von Strom gesam­melt sein wer­den, wür­de sich ein Musikab­spiel­ge­rät in Bewe­gung set­zen, um etwas Char­lie Par­ker oder Ben­ny Good­man zu spie­len. Eine rei­zen­de Vor­stel­lung, sag­te ich, eine Über­le­gung, die mich seit dem ver­gan­ge­nen April täg­lich beglei­tet. Und wie nun der Fried­hofs­gärt­ner anfing zu lachen, ein Lachen, das wärm­te, und wie aus dem Beam­ten der klei­nen Stadt, ein Beam­ter für unter­ir­di­sche Musik zu wer­den begann. — stop



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