Aus der Wörtersammlung: genu

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ai : TSCHAD

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MENSCHEN IN GEFAHR: „Maha­mat Nour Ibe­dou, Youn­ous Mahad­jir, Nad­jo Kai­na Pal­mer und Celi­ne Nar­m­a­d­ji wer­den vor Gericht gestellt, weil sie fried­li­che Demons­tra­tio­nen gegen eine erneu­te Kan­di­da­tur von Prä­si­dent Idriss Déby geplant hat­ten. Die drei Män­ner und eine Frau befin­den sich gegen­wär­tig im Amsine­ne-Gefäng­nis in N’D­ja­mena. Ihnen dro­hen Haft­stra­fen zwi­schen sechs Mona­ten und einem Jahr. Maha­mat Nour Ibe­dou und Youn­ous Mahad­jir, zwei Spre­cher von Ça suf­fit (Es reicht), einer Platt­form für zivil­ge­sell­schaft­li­che Orga­ni­sa­tio­nen, wur­den am 21. bzw. 22. März fest­ge­nom­men. Nad­jo Kai­na Pal­mer, Koor­di­na­tor der Jugend­be­we­gung Iynia (Wir sind’s leid), ist eben­falls am 22. März fest­ge­nom­men wor­den. Celi­ne Nar­m­a­d­ji, die Spre­che­rin der zivil­ge­sell­schaft­li­chen Orga­ni­sa­ti­on Trop c’est trop (Genug ist genug), befin­det sich seit dem 23. März in Haft. Alle vier Fest­nah­men erfolg­ten, nach­dem die Aktivist_innen auf Anord­nung des Staats­an­walts Alg­has­sim Kha­mis zum Ver­hör in der Zen­tra­le der Poli­zei erschie­nen waren. Maha­mat Nour Ibe­dou, Youn­ous Mahad­jir, Nad­jo Kai­na Pal­mer und Celi­ne Nar­m­a­d­ji wur­den zunächst in der Poli­zei­zen­tra­le von N’D­ja­mena fest­ge­hal­ten und am 24. März gegen 13 Uhr ins Gefäng­nis Amsine­ne ver­legt. Die vier Aktivist_innen hat­ten im Rah­men ihrer Tätig­keit für ihre Orga­ni­sa­tio­nen fried­li­che Demons­tra­tio­nen für den 22. und 29. März geplant. Dabei soll­te gegen den Plan des jet­zi­gen Prä­si­den­ten Idriss Déby, für eine fünf­te Amts­zeit zu kan­di­die­ren, pro­tes­tiert wer­den. Maha­mat Nour Ibe­dou, Youn­ous Mahad­jir, Nad­jo Kai­na Pal­mer und Celi­ne Nar­m­a­d­ji ste­hen wegen “Anstif­tung zu einer unbe­waff­ne­ten Ver­samm­lung”, “Stö­rung der öffent­li­chen Ord­nung” und “Miss­ach­tung einer gesetz­li­chen Anord­nung” unter Ankla­ge. Das Gerichts­ver­fah­ren ist für den 31. März ange­setzt. Soll­ten die Aktivist_innen für schul­dig befun­den wer­den, dro­hen ihnen Haft­stra­fen zwi­schen sechs Mona­ten und einem Jahr.” — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­lene schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 11. Mai 2016 hin­aus, unter > ai : urgent action

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herzhaut

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vic­to­ry : 0.55 — Ein grie­chi­scher Minis­ter soll geäu­ßert haben, sein Land sei doch kein Lage­r­ort mensch­li­cher See­len. In der Zei­tung, die von die­sem Ereig­nis berich­te­te, waren auf einer Foto­gra­fie Fern­seh­ka­me­ras und eben ein klei­ner, run­der Herr zu sehen, der im Moment der Auf­nah­me zu spre­chen schien. Tat­säch­lich wür­de der Aus­druck sei­nes Gesich­tes sich gut sei­nem doku­men­tier­ten Gedan­ken fügen, der in der Bild­un­ter­schrift ver­zeich­net ist, ein wenig Wut dort, Empö­rung, gleich­wohl eine Trau­rig­keit, die nahe der Wahr­neh­mung tau­sen­der Ret­tungs­wes­ten, die an grie­chi­schen Strän­den lie­gen, wohl­tu­end authen­tisch wirkt. Erin­ner­te mich an einen Satz, den Tho­mas Bern­hard einer Kame­ra erzähl­te: Das, was nie­mand sieht, das hat einen Sinn auf­zu­schrei­ben. Aber zunächst ist alles noch gut sicht­bar. Men­schen sit­zen in einem Bus, vor dem Bus tobt eine dunk­le Men­schen­kopf­wol­ke, die gif­ti­ge Wör­ter spukt. Rei­se­ge­nuss in gel­ber Leucht­schrift, wie eine Ver­höh­nung, ist an der Kopf­sei­te des Bus­ses anstatt einer Ziel­an­ga­be zu lesen, wo Claus­nitz ste­hen könn­te. Einen Tag spä­ter wird der Ver­such unter­nom­men, Schuld­last in den Bus zu ver­schie­ben, es wer­de, sagt ein Poli­zei­of­fi­zier, auch gegen Geflüch­te­te ermit­telt. Wenn man nun lan­ge genug spre­chen und schrei­ben wird in den Räu­men der Bewe­gung, wird das Gewünsch­te zur wirk­li­chen Wirk­lich­keit wer­den. Es ist zum Fürch­ten, wie frü­her, alles noch da, der har­te Blick auf Men­schen in Not, auf Men­schen mit Kof­fern in der Hand. — stop

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ein ohr

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del­ta : 22.01 — Ich erin­ne­re mich gern an Max. Er war gera­de 6 Jah­re alt gewor­den, als ich ihm zuletzt per­sön­lich begeg­ne­te. Wir saßen damals an einem Küchen­tisch, es war Abend, Max schon müde. Er schüt­tel­te etwas gelang­weilt eine Papri­ka­scho­te und wun­der­te sich, weil in der gel­ben Frucht Bewe­gung zu sein schien. Ich nahm ihm die Papri­ka aus der Hand, und tat­säch­lich war in ihrem Inne­ren etwas lose gewor­den oder exis­tier­te dort, das sich übli­cher­wei­se nicht in einer Papri­ka befin­den soll­te. Also leg­te ich die Papri­ka zur Unter­su­chung auf einen Tel­ler und öff­ne­te sie vor­sich­tig. Es war ein klei­nes Loch, das ich in die Papri­ka schnitt. Sei­te an Sei­te sit­zend, war­te­ten wir gespannt vor der Frucht dar­auf, ob viel­leicht Irgend­et­was oder Irgend­je­mand aus der Öff­nung stei­gen wür­de. Indes­sen erzähl­te ich von der Erfin­dung der Tief­see­ele­fan­ten, von ihren kilo­me­ter­lan­gen Rüs­seln, die sie zur Mee­res­ober­flä­che recken, sofern sie den Atlan­tik durch­que­ren. Bald wur­de Max unge­dul­dig, er nahm die Papri­ka in sei­ne Hän­de, um durch das spar­sa­me Loch zu spä­hen, ohne frei­lich etwas sehen zu kön­nen, es war dun­kel da drin, wes­halb ich das Loch ver­grö­ßer­te, und außer­dem noch zwei klei­ne­re Löcher für das Licht seit­wärts in den Kör­per trieb. Wie­der­um späh­te Max in die Papri­ka, jetzt konn­te er etwas erken­nen. Er stell­te nüch­tern fest, dass sich in der Papri­ka ein Ohr befin­den wür­de, ein Papri­kaohr, ganz ein­deu­tig. Zwei Jah­re sind seit­her ver­gan­gen. Als ich kürz­lich mit Max tele­fo­nier­te, erklär­te er, dass er in der Schu­le Tief­see­men­schen mit Blei­stift zeich­ne­te. Immer wie­der habe er die Kör­per der Tief­see­men­schen, die über den Mee­res­bo­den spa­zier­ten, aus­ra­diert, um sie noch klei­ner zu machen, damit ihre Häl­se auch lang genug wer­den konn­ten auf dem viel zu klei­nen Blatt Papier, das ihm zur Ver­fü­gung gestellt wor­den war. — stop

handschrift

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tintenfinger

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lima : 0.55 — Mit dem lang­sa­men Ver­schwin­den der Brie­fe flüch­ten unse­re Post­wert­zei­chen in Schach­tel­be­häl­ter, in Alben, in Muse­en, kost­ba­re, bun­te Wesen von Papier, die wir noch mit unse­ren Zun­gen befeuch­te­ten, um sie mit Brief­um­schlä­gen für immer zu ver­bin­den. Auch Ges­ten, die den Brie­fen zuge­ord­net sind, wer­den sich nach und nach ver­lie­ren. Die Ges­te des Zer­rei­ßens bei­spiels­wei­se, oder die Ges­te des Zer­knül­lens. Wann habe ich zuletzt beob­ach­tet, wie der Emp­fän­ger eines Brie­fes sich dem geöff­ne­ten Doku­ment mit der Nase näher­te, um von der Luft der gelieb­ten schrei­ben­den Per­son zu atmen, die mit dem Brief gereist sein könn­te? Ver­lo­ren die Abdrü­cke der Tin­ten­fin­ger, die Rän­der einer Brief­sei­te zier­ten, ver­lo­ren auch das fei­ne Geräusch der Skal­pel­le, indem sie tei­lend durch das sei­de­ne Fut­ter der Kuvert­kof­fer zie­hen. Ein absur­der Gedan­ke mög­li­cher­wei­se, wie ich den E‑Mailbrief einer Behör­de, der mich zor­nig wer­den lässt, aus­dru­cke, wie ich ihn in einen Umschlag ste­cke, wie ich ihn für eini­ge Sekun­den in Hän­den hal­te, wie ich mich kon­zen­trie­re, wie ich den Brief genuss­voll in win­zi­ge Tei­le zer­le­ge. — stop

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ai : MEXICO

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MENSCH IN GEFAHR: „Am 14. Novem­ber erhielt der Men­schen­rechts­ver­tei­di­ger Fray Aure­lio Mon­te­ro Vás­quez, der sich für Migrant_innen ein­setzt, einen Droh­an­ruf von einem Mann, der angab, der Anfüh­rer eines der größ­ten Dro­gen­kar­tel­le zu sein. Als Fray Aure­lio Mon­te­ro Vás­quez den Anruf erhielt, befand er sich in einer Kri­sen­sit­zung mit natio­na­len Ermitt­lungs­be­hör­den, um über die jüngs­ten Ent­füh­run­gen von und sexu­el­len Über­grif­fe auf Migrant_innen in der Nähe von Teno­si­que im Bun­des­staat Tabas­co zu spre­chen. Er gab sein Tele­fon an einen Ange­hö­ri­gen der Gene­ral­staats­an­walt­schaft Mexi­kos wei­ter, damit die­ser mit­hö­ren konn­te. Fray Aure­lio Mon­te­ro Vás­quez zufol­ge soll der Anru­fer, der wei­ter in dem Glau­ben war, mit dem Men­schen­recht­ler zu spre­chen, gesagt haben: “Du bist zu weit gegan­gen”. Außer­dem habe er gedroht, ihn anzu­grei­fen, wenn er nicht 50.000 mexi­ka­ni­sche Pesos (ca. 2850 Euro) von ihm erhiel­te. Wäh­rend der Kri­sen­sit­zung rief der­sel­be Mann noch acht wei­te­re Male an, sodass es den Behör­den mög­lich war, her­aus­zu­fin­den, dass die Anru­fe aus einem nörd­li­chen Teil Mexi­kos getä­tigt wur­den. An dem Tag, als Fray Aure­lio Mon­te­ro Vás­quez die Droh­an­ru­fe erhielt, hat­te er zusam­men mit Kolleg_innen der Migran­ten­her­ber­ge La 72 in Teno­si­que im Bun­des­staat Tabas­co Anzei­ge wegen der Ent­füh­rung von Migrant_innen ein­ge­reicht. In den Wochen zuvor berich­te­ten Fray Aure­lio Mon­te­ro Vás­quez und sei­ne Kolleg_innnen über eine star­ke Zunah­me der sexu­el­len Über­grif­fen auf und Ent­füh­run­gen von Migrant_innen, von denen die meis­ten aus Zen­tral­ame­ri­ka stam­men. Fray Tomás Gon­zá­lez, der eben­falls in der Migran­ten­her­ber­ge La 72 tätig ist, hat viel zu die­sen Fäl­len gear­bei­tet und in den ver­gan­ge­nen Wochen Sicher­heits­vor­fäl­le bei den Behör­den gemel­det. Am 16. Novem­ber war die Bun­des­po­li­zei, die für den Schutz der Migran­ten­un­ter­kunft La 72 zustän­dig ist, in der Umge­bung nicht oft genug auf Strei­fe gegan­gen und hat­te die Unter­kunft meh­re­re Stun­den mit­ten in der Nacht und am frü­hen Mor­gen unbe­auf­sich­tigt gelas­sen. Die­se Poli­zei­strei­fen gehö­ren zu den Sicher­heits­maß­nah­men der Regie­rung, damit die Mitarbeiter_innen der Her­ber­ge ihrer Men­schen­rechts­ar­beit wei­ter­hin aus­üben kön­nen.“ — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 7. Janu­ar 2016 hin­aus, unter »> ai : urgent action

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vom rotkehlchen

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char­lie : 16.02 — Am 28. Juli 2014 bereits wur­de am Fuße eines Ber­ges im Schat­ten einer Buche eine Rechen­ma­schi­ne gefun­den, in ihren Ver­zeich­nis­sen ein Ord­ner, den der Besit­zer der Rechen­ma­schi­ne Herr Lud­wig L. mit der Bezeich­nung Archiv ver­se­hen hat­te. Es han­delt sich um einen unge­wöhn­lich umfang­rei­chen Ord­ner, 425 Giga­byte groß, in dem 1245 ver­schlüs­sel­te Fil­me ent­hal­ten sein sol­len. Wo sich Herr L. zu die­sem Zeit­punkt befin­det, weiß nie­mand so genau. Er soll sich auf den Weg auf­wärts gemacht haben, zuletzt wur­de er auf moos­be­wach­se­nen Stei­nen eines Bach­bet­tes klet­ternd gese­hen. Er mach­te auf einer Höhe von 872 Metern einen fröh­li­chen Ein­druck, war mit fes­ten Schu­hen, einem gel­ben Ruck­sack, Regen­schirm und Regen­um­hang aus­ge­rüs­tet, einem Seil wei­ter­hin, Kara­bi­nern, sowie einem klei­nen Ham­mer und einem Kom­pass. So jeden­falls wur­de er beschrie­ben von meh­re­ren Zeu­gen, die ihm begeg­net sein wol­len. Sie sagen alle das­sel­be: Der Mann war glück­lich. Ein­mal stand er bis zu den Hüf­ten im kal­ten Was­ser eines Kes­sels, den der Bach gleich­mü­tig in das Gestein des Ber­ges gegra­ben hat­te. Er grüß­te zur Brü­cke hin­auf, Wan­de­rer beob­ach­te­ten ihn. Ein Rot­kehl­chen bade­te in sei­ner Nähe. Forel­len hüpf­ten aus dem Was­ser, glän­zen­de Rücken im Licht der Son­ne, die durch die kar­gen Wip­fel strahl­te. Auf 2105 Metern Höhe begeg­ne­te der Mann einem Hir­ten und sei­nem Hund, dann war er ver­schwun­den. Kei­ner­lei Spur seit­her, auch heu­te nicht, da sich ein Zoll­be­am­ter der Unter­su­chung der zurück­ge­las­se­nen Rechen­ma­schi­ne wid­me­te. Es ist 15 Uhr, Frei­tag. — stop

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geschichte von einem chinareisenden

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oli­mam­bo : 0.28 — Alles fing damit an, dass M. ein beson­de­res Schul­heft, wel­ches sich sei­ne Toch­ter wünsch­te, nicht bezah­len konn­te. In die­ser Sekun­de, da er die Ent­täu­schung in den Augen des Kin­des wahr­neh­men muss­te, ent­schloss sich der Vater zu han­deln. Er ran­gier­te sein klei­nes Auto aus der Gara­ge, roll­te Ersatz­rei­fen und Fahr­rä­der in den Gar­ten, feg­te Blät­ter und Papie­re auf die Stra­ße, ent­fern­te Ölfle­cken und Spin­nen­net­ze, dann begann er zu spa­ren. Er spar­te so sehr, dass er mager wur­de. Manch­mal besuch­te er abends nach der Arbeit sei­ne Gara­ge und stell­te sich vor, mit welch wun­der­ba­ren Waren er sie bald fül­len wür­de. Als er lan­ge genug gespart hat­te, 12 Mona­te und drei Wochen, setz­te er sich in ein Flug­zeug und reis­te nach Chi­na. Es war ein Aben­teu­er, er konn­te weder Chi­ne­sisch und noch Eng­lisch, er konn­te nur die tür­ki­sche und ein wenig die deut­sche Spra­che. Am Flug­ha­fen wur­de er abge­holt von einem Lands­mann, den er seit sehr lan­ger Zeit kann­te. Sie fuh­ren aus der Stadt Peking her­aus nord­wärts nach Yanging, dort besuch­ten sie eine Fabrik, die DVD-Schei­ben pro­du­zier­te, sie war groß wie eine klei­ne Stadt. Zwei Tage blieb M. noch in Peking, er besuch­te den Platz des himm­li­schen Frie­dens, dann flog er zurück nach Euro­pa. Vier wei­te­re Mona­te spä­ter lan­de­te ein Con­tai­ner im Ham­bur­ger Hafen an. Ein­hun­dert­tau­send DVD-Schei­ben, unbe­spielt, waren im Con­tai­ner ent­hal­ten. Zu die­sem Zeit­punkt ist das Ende der Geschich­te, einer wah­ren Geschich­te, noch voll­stän­dig offen. stop. Zwei Uhr acht­und­zwan­zig in Gaza City. – stop

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zola jackson

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marim­ba : 3.25 — Leich­ter, gnä­di­ger Regen heu­te Nacht. Gegen zwei Uhr neh­me ich Gil­les Leroys Roman Zola Jack­son zur Hand. Ich schaue auf die Uhr, fan­ge an zur vol­len Stun­de, ver­su­che so vie­le Sei­ten des Buches zu lesen in die­ser kom­men­den Stun­de wie mög­lich, ohne auf Gefüh­le, die Wör­ter erzeu­gen könn­ten, ver­zich­ten zu müs­sen. Um drei Uhr lege ich das Buch zur Sei­te. Drei Fal­ter sind in die Woh­nung vor­ge­drun­gen. Ich weiß nicht wes­halb, ich mei­ne in ihren pelz­ar­ti­gen Erschei­nun­gen ver­klei­de­te Wesen erken­nen zu kön­nen. Wenn ich einen Gedan­ken, der viel­leicht selt­sam ist, der Erfin­dung sein könn­te, lan­ge genug betrach­te, ver­mag ich die Kon­se­quen­zen die­ses Gedan­kens wahr­zu­neh­men, als wäre die Erfin­dung tat­säch­lich vor mir in der Luft, und flat­ter­te her­um, und such­te an den Wän­den mei­nes Zim­mers nach einem Aus­gang in den Tag, der nie­mals exis­tier­te. — stop
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nachtjäger

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ulys­ses : 3.55 — Ich bemerk­te wie­der ein­mal, dass ich bei­de Arme hebe, also von mir abwen­de, also Flü­gel mache, sobald ich durch die Woh­nung lau­fe und dar­über nach­den­ke, wie es wäre, ohne jedes Gewicht zu sein. Das war gegen drei Uhr in der Nacht gewe­sen. Ich spiel­te sehr lei­se etwas von Gene Krupa auf dem Radio. In dem Moment, da ich die Küche ver­ließ und über den Flur spa­zier­te, über­hol­te mich eine Flie­ge. Sie flog in der Höhe mei­ner Schul­tern, und zwar sehr lang­sam gera­de­aus. Sie war nicht viel schnel­ler als ich selbst gewe­sen. Ich hat­te den Ein­druck, sie wür­de mir fol­gen, sie wür­de mit mir das Zim­mer wech­seln, nicht einem Reflex fol­gend, son­dern über­legt und mit Genuss. Sie war so lang­sam, dass man sie auf einer Foto­gra­fie mei­ner Zim­mer­wan­de­rung gut hät­te erken­nen kön­nen. In die­sen Minu­ten sitzt die Flie­ge direkt über mir an der Decke, wäh­rend ich auf dem Sofa auf dem Rücken lie­ge und notie­re. Die Flie­ge beob­ach­tet mich viel­leicht genau­so, wie ich sie beob­ach­te. Von Wes­ten her nähert sich eine Spin­ne da oben, die so klein ist, dass wir sie nicht ernst neh­men wol­len. Bald Däm­me­rung. — stop
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valletta : west street

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nord­pol : 2.54 — Ges­tern Abend erreich­te mich eine E‑Mail von Geor­ges. Er schreibt: Mein lie­ber Lou­is, wie ich durch die Stadt Val­let­ta schlen­der­te, bemerk­te ich in der West Street nahe St. Lucia eine klei­ne Werk­statt. Sie war düs­ter, aber gera­de noch hell genug, dass ich ein Mäd­chen erken­nen konn­te, das an einem Tisch saß, sie schien Haus­auf­ga­ben zu machen. Ich rich­te­te mei­ne Kame­ra auf das Mäd­chen, um es zu foto­gra­fie­ren, da hob sie den Kopf und sah mich an, mit einem freund­li­chen Blick. Ich frag­te, ob ich ein­tre­ten dür­fe. Es war ein wirk­lich düs­te­rer Ort, das Licht der Stra­ße erreich­te gera­de noch den Tisch, auf dem das Schul­heft des Mäd­chens lag, und es war kühl, und es ging ein leich­ter Wind. In der Tie­fe des Rau­mes erkann­te ich einen wei­te­ren Tisch, der von einer Glüh­bir­ne beleuch­tet wur­de, die ohne Schirm von der Decke bau­mel­te. Hin­ter dem Tisch hock­te ein dun­kel­häu­ti­ger, alter Mann mit wei­ßem Haar. Ich grüß­te auch in sei­ne Rich­tung. Als ich mich gera­de her­um­dre­hen woll­te, um auf die Stra­ße zurück­zu­keh­ren, schal­te­te der Mann einen glä­ser­nen Leucht­glo­bus an. Ein schö­nes blau­es und gel­bes Licht von Mee­ren und Wüs­ten strahl­te in den Raum, vor des­sen Wän­den Rega­le bis zur Decke rag­ten. Dort war­te­ten wei­te­re Erd­ku­geln, es waren eini­ge Hun­dert bestimmt. Ich bemerk­te, dass der Mann auf dem Tisch Gläs­chen mit Far­be zu einer Rei­he abge­stellt hat­te, er selbst hielt einen fei­nen Pin­sel und ein Mes­ser mit einer win­zi­gen Klin­ge in der Hand. Außer­dem ruh­te der Glo­bus vor dem Mann auf dem Kopf, viel­leicht des­halb, weil er ein­mal aus sei­ner Fas­sung genom­men und augen­schein­lich her­um­ge­dreht wor­den war, der Süd­pol befand sich im Nor­den, der Nord­pol im Süden der leuch­ten­den Kugel, an wel­cher der Mann mit sei­nen Werk­zeu­gen arbei­te­te. Es war eine Arbeit für ruhi­ge Hän­de. In dem Moment, als ich näher gekom­men war, nah­men sie gera­de die Ent­fer­nung des Schrift­zu­ges Cape Town vor, der selbst auf dem Kopf ste­hend in das Blau des Mee­res jen­seits des afri­ka­ni­schen Kon­ti­nen­tes reich­te. Aus nächs­ter Nähe nun beob­ach­te­te ich, wie der alte Mann die Spu­ren, die die Radie­rung des Schrift­zu­ges erzeugt hat­te, mit blau­er Far­be füll­te. Immer wie­der prüf­te er indes­sen den Ton der Pig­men­te, in dem er eine Lupe in sein lin­kes Auge klemm­te. Er schien weit­ge­hen­de Erfah­rung in die­ser Arbeit gesam­melt zu haben, sei­ne Hän­de beweg­ten sich schnell, es roch nach Ter­pen­tin, und der Mann hauch­te gegen das Meer, wohl um sei­ne Trock­nung zu beschleu­ni­gen. Dann begann er zu schrei­ben, er schrieb Cape Town, er schrieb die Wör­ter so, dass sie rich­tig her­um vor unse­ren Augen erschie­nen. Ich erin­ne­re mich an ein Motor­rad, das auf der Stra­ße vor­bei knat­ter­te. Das Mäd­chen hat­te sei­ne Schul­hef­te geschlos­sen und war ins Licht der Son­ne getre­ten. Plötz­lich war es ver­wun­den. — stop
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