ulysses : 22.00 — Schnell erzählen, was ich entdeckte, als ich Kekkola besuchte, dem ich seit einigen Jahren verbunden bin, weil er gern sehr seltsame Dinge tut. Eigentlich ist er nicht sonderlich verrückt, vielmehr sind die Menschen verrückt, von deren Leben Kekkola erzählt. Ich habe keine Ahnung, ob sie tatsächlich jemals existierten, jedenfalls nimmt es Kekkola sehr genau damit, sie zu verstehen, sich in sie einzufühlen. Einmal soll er drei Tage lang mit einem Luftgewehr reglos auf seinem Balkon gekauert haben. Er zielte gegen einen weiteren Balkon, oder auf ein Fenster, das sich hinter diesem Balkon befand. Er wartete. Es war im Winter gewesen und es war kalt im 38. Stock, ein Schneesturm passierte, ohne Kekkola vom Balkon vertreiben zu können. Als ich gestern mit ihm telefonierte, hörte ich im Hintergrund Wassergeräusche. Ich fragte, ob er zu Hause sei und ob ich vorbeikommen solle. Ich hatte den Eindruck, dass er vielleicht Fieber haben könnte, weil er nicht sehr deutlich formulierte, schläfrig und etwas irr. Also eilte ich zu ihm. Er bemerkte noch, dass er mir nicht öffnen würde, weil er sich in einem Versuch befände, der Schlüssel zur Wohnung sei in der Lobby abzuholen. Kekkola saß im Bad auf einem Stuhl vor seiner Wanne. Um ihn herum auf dem Boden lagen Wasserflaschen, auch Whiskey, Brotstangen, Bücher und eine Decke, die ihm von den Schenkeln gerutscht sein musste. Seine Füße standen in der Badewanne in Salzwasser, das von einer grünlichen Farbe war. Es roch moorig in der Zelle gleich neben der Küche. Glücklicherweise war Kekkola noch am Leben. Er hatte tatsächlich hohes Fieber. Ich bat einen Nachbarn um Hilfe. Wir hoben seine Beine vorsichtig aus dem Wasser, sie waren schwer entzündet, an seinen Zehen begann sich die Haut vom Körper zu lösen, eine Blaukrabbe hatte sich in seine linke Wade verbissen. Kekkola’s Füße stanken fürchterlich, er fluchte, wie wir ihn ins Schlafzimmer schleppten. Vier Tage hatte er in beschriebener Haltung ausgeharrt, fünf Tage wollte er schaffen. Als ich die Badewanne, der Ausfluss war verstopft, von Hand auszuschöpfen begann, entdecke ich einen jungen Hornhecht, drei Atlantikaale, Sandwürmer, Glasscherben, Schlickgarnelen, Muschelschalen und fünf weitere Blaukrabben, die sich heftig wehrten. — stop
Aus der Wörtersammlung: jahre
0,087 mm
india : 0.16 — Drei Jahre sind seit Entdeckung der Papiertierchen vergangen, ihr kühler Mund, ihr Jahresatem, der das Volumen einer Blaubeere füllt. stop. Drei Blaubeeren Zeit. stop. Denkbar ist, dass ich in der Beobachtung der Filmströme, die meinen Computer aus Kairo erreichen, eine Vorstellung entwickelt habe, inwiefern sich das Geräusch eines Feuerwerkskörpers von Pistolen- oder Gewehrschüssen unterscheiden könnte. — stop
cairo
alpha : 4.32 — Ich erinnere mich an ein Gespräch, das ich vor zwei Jahren mit einem Bekannten führte, der lange Zeit in Ägypten lebte, genauer in Kairo am Nil. Er wurde in der alten, riesigen Stadt geboren, vor einem halben Jahrhundert. Ich hatte von unserem Gespräch bereits erzählt. Immer, wenn ich ihn seither getroffen hatte, stellte ich ihm Fragen: Warst Du zu Hause im Sommer? Wie geht es Deiner Familie? Was kostet ein Hotelzimmer in Kairo in sicherer Lage? Ich bemerkte, dass Belem sich über meine Fragen freute, aber er antwortete nur selten präzise, er sagte immer wieder, dass es eine Frage des Respekts sei, dass man irgendwie lernen müsse, gemeinsam zu arbeiten und zu leben. Viele Menschen seien arm, das sei das größte Problem, sie könnten nicht lesen und schreiben. Einmal fragte ich, ob er bereit wäre, einen kleinen Text aus der arabischen Sprache für mich zu übersetzen, einen Twitterbrief, den ich nicht lesen konnte. Aber das wollte Belem nicht, er schien sich in diesem Moment vor mir oder den Zeilen, die ich auf ein Stück Papier gedruckt hatte, zu fürchten. — Montag. Seit Stunden komme ich nicht weiter in der Lektüre digitaler Nachrichten aus Kairo. Ich versuche, zu verstehen. Es sind sehr seltsame Texte, die mir Übersetzungsmaschinen liefern, Bruchstücke, Ahnungen, Wortsand: Gott Ylankwa auf der Erde und im Himmel ein Fluch und Fluch ya Welad El Bhaim o oberste Karte Hunde vor Aiallk Einak Ahan fühlen Sodbrennen Herz Eltern und alle da Les Ahan Schafe Iowa euch haben tatsächlich Amorphophallus Rivieri CDDA Schafe ich Worte von Beleidigung und defekt, aber nach Li da Sie lip Tstahlwa schmutzigsten Beleidigung in Alashan Antua eigentlich Schafe und Hunde und Sklaven und Amrkwa welche Hatbkowa brauchen euch eine Betharbwa Alhan Cuesh Religion und nicht in die Heimat Euch Betharbwa Alhan 7tt jeder Hund und Ely ist Mursi nicht beigelegt. Mursi da wenn Ragel harte Masche 7tt Khrong wurde das Blut Division zu halten oder sogar mindestens seiner Familie und seinen Clan aber Lebensdauer Staaten Khainin Brüdern und beide Alaikum Ya Ya Welad Hunde Hunde / Und Gott Staatssicherheit haben sie Gnade, die uns von DVD Elly Zico Btalwa verließ die Sicherheit des Staates und die Herstellung da Rettung, welche Bektosh kennen sie lachen über Leute und Leute ich Tani Les ein Raza Ullah Einwohner in Sidi Gaber in der elften Runde ihre Brüder Embareh Æøáúæç Úáì Ãç Íþæã Èå Architektur und schlagen den Portier und sie in ihrer Wohnung waren und eine Stimme hörte zu mir sprechen und ich traf den Schuss und Aialha Horror und weinte und floh die besetzten Oberfläche Btaa Architektur, und Violine von Atrmi wurde die Violine ein Verbrecher und Embareh führen den Sicherheitsstatus / Erste Bewertungen über den Stausee ist klar, dass Kinder nicht müssen manuelle Illustrator Gabe Architektur der Eingang Portal Teilnehmer arbeiten und mehr Menschen sind entweder Kinder, ihre Eltern-Wächter, die nur Sie der Stausee-Entwicklung herausnehmen, aber sie Menschen, die sie benötigen sind, um Schutz gegen unsere Herrn sagen Ahan Mikhlinash Brüder hasste Sie jeden Bedarf wir sagen ganz klar die Szene zu einem meiner Brüder ist Bdkon NAS Keteer sehr Pädagogen Dkonhm Ägyptens und Familien starrte ist rührend, meine Brüder und Les in eine feste Schiene Und sie nehmen ihre Mode Welaikh und Gentleman und Menschen Wakhdinha das Alter des Propheten Christian Lehman Daqqoun Kinder-und Jugendsport halten Masche einer Bank, es nicht Brüder, ist vorausgesetzt die Tahrir Daqqoun Kteer waren die Rebellen, nicht Brüder natürlich sage ich allen mein Ziel, dass alle Medien benötigten zu Fuß und wir sahen, Schließung des Auges Ehna Lina in ich weggelassen Z Mabenshov CBC tagsüber DreamWorks benötigt, finden Sie unter Nile News und Arabisch und Al-Jazeera siehe Entwarnung Notwendigkeit gezeigt Nicht alle Kanäle Valfol Wahrheit und Bedauern-Verlängerung. — stop
sieben punkte
himalaya : 5.06 — Draußen, vor wenigen Stunden noch, rauschte Wasser vom Himmel. Aber jetzt ist es still. Es ist eine tatsächlich nahezu geräuschlose Nacht. Die letzte Straßenbahn ist längst abgefahren, kein Wind, deshalb auch die Bäume still und die Vögel, alle Menschen im Haus unter mir scheinen zu schlafen. Für einen Moment dachte ich, dass ich vielleicht wieder einmal mein Gehör verloren haben könnte, ich sagte zur Sicherheit ein Wort, das ich gestern entdeckte: Kaprunbiber. Das Wort war gut zu hören gewesen, meine Stimme klang wie immer. Aber auf dem Fensterbrett hockt jetzt ein Marienkäfer, einer mit gelbem Panzer, sieben Punkte, ich habe nicht bemerkt, wie er ins Zimmer geflogen war. Es ist nicht der erste Käfer dieses Jahres, aber einer, den ich mit ganz anderen Augen betrachte. Ich hatte für eine Sekunde die Idee, dieser Käfer könnte vielleicht ein künstlicher Käfer sein, einer, der mich mit dem Vorsatz besuchte, Fotografien meiner Wohnung aufzunehmen, oder Gespräche, die ich mit mir selbst führe, während ich arbeite. Warum nicht auch ich, dachte ich, ein Ziel. Ich nahm den Käfer, der seine Gehwerkzeuge unverzüglich eng an seinen Körper legte, in meine Hände und transportierte ihn in die Küche, wo ich ihn in das grelle Licht einer Tischlampe legte. Wie ich ihn betrachtete, bemerkte ich zunächst, dass ich nicht erkennen konnte, ob der Käfer in der künstlichen Helligkeit seine Augen geschlossen hatte. Weder Herzschlag noch Atmung war zu erkennen, auch nicht unter einer Lupe, nicht die geringste Bewegung, aber ich fühlte mich von dem Käfer selbst beobachtet. Also drehte ich den Käfer auf den Rücken und suchte nach einem Zugang, nach einem Schräubchen da oder dort, einer Kerbe, in welche ich ein Messerwerkzeug einführen könnte, um den Panzer vom Käfer zu heben. Man stelle sich einmal vor, ein sehr kleiner Motor wäre dort zu finden, Mikrofone, Sender, Linsen, es wäre eine ungeheure Entdeckung. Gegenwärtig zögere ich noch, den ersten Schnitt zu setzten, es regnet wieder, jawohl, ich werde am besten zunächst noch ein wenig den Regen beobachten, es ist kurz nach drei. – stop
mikrogramme
delta : 5.25 — Seit Tagen denke ich an Robert Walser, an seine Schrift, an seine herausragende Begabung, kleinste Zeichen zu notieren auf jede denkbare Art von Papier. Der private Raum eines zierlichen Notizbuches, das als Institution wieder bedeutend zu werden scheint, könnte für Menschen wie ihn erfunden worden sein. Nehmen wir einmal an, Robert Walser und ich würden je ein Notizbuch von 4 cm Höhe und 4 cm Breite erhalten, 100 Blättchen Papier, das heißt, 200 Flächen zur freien Beschriftung, ein Notizbuch, das im Notfall verschluckt werden könnte, dieses eine Notizbuch also, nur dieses eine, um darin zehn Jahre zu arbeiten, ich wäre bereits nach ein oder zwei Tagen zu Ende gekommen, so voluminös meine Schrift im Vergleich zu Robert Walsers Schrift. Ich müsste von vorn beginnen, radieren, dann wieder schreiben. Mit der vergehenden Zeit würden die Seiten meines Buches dünner und dünner werden, transparent vielleicht, feinste Löcher entstehen, erste Zeichen, dass mein Notizbuch bald verschwunden sein wird. – Samstag. Früher Morgen. Leichter Regen. — stop
k.a.i.r.o.
MELDUNG. Drei mit Handfeuer bewaffnete Beamte [ Soko K.a.i.r.o ] haben an der Rambla del Mar [ Barcelona ] drei Ägypter sichergestellt, filigrane Meißel weiterhin [ 0.5 Zoll Kantenlänge ], sowie zwei Handtäschchen [ türkise ]. Folgende kryptische Signatur war dem Sockelgestein des nationalen Aquariums [ Moll d’Espanya del Port Vell ] beigebracht : 886LILLI71MANRAY6Y. Auch diese Ägypter [ Ägypter No 17 und 18 des laufenden Jahres ], je 178 cm hoch, mittleres Alter, verweigern jede Aussage. – stop
winter
olimambo : 5.10 — Es ist sehr lange her, war noch Winter gewesen, als ich Mutter beobachtete, wie sie im Sessel vor Vaters Schreibtisch kauerte. Sie hatte sich getraut und seinen Computer angeschaltet. Ja, Vaters Computer lässt sich noch immer betreiben. Obwohl ich nicht damit gerechnet habe, dass mit dem Tod eines Menschen auch die Existenz seiner Uhren und Schreibbildmaschinen enden würde, wundere ich mich, wenn ich Vaters leise tickende Uhr an meinem linken Arm betrachte. Und das summende Geräusch seines Computers, er macht einfach weiter. Man stelle sich einmal vor, es wäre andersherum, mit dem Versagen der Computer würde auch das Leben ihrer Besitzer enden. Das wäre seltsam und sehr gefährlich in unserer Zeit. Aber es ist denkbar, dass einmal Computer existieren werden, die dreihundert Jahre alt werden oder noch älter, ohne dass ihnen das Licht ausgehen würde. Kurzum, Mutter saß vor dem Schreibtisch. Immer, wenn ich sie so sehe, bemerke ich, wie klein sie geworden ist, ohne dass ich selbst größer geworden wäre. Sie saß weit nach vorn gebeugt. Ich beobachtete ihre Hände, die versuchten, den Zeiger auf dem Bildschirm in nächster Nähe zu bändigen. Ihr Gesicht berührte beinahe den Bildschirm. Und als ich sie fragte, warum sie so seltsam dasitzen würde, sagte sie, dass sie die Buchstaben meiner Particles — Arbeit nur in dieser Weise lesen könne, sie seien viel zu klein und sie habe vergessen, wie man die Buchstaben vergrößern könne. Deshalb sind die Buchstaben meiner Particles — Arbeit grundsätzlich gewachsen und wir sind jetzt sehr zufrieden, weil wir wissen, dass die Größe der Buchstaben auf Bildschirmen manipuliert werden kann. — Weit nach Mitternacht. Der Himmel tropft und die Bäume und Dachrinnen und Vögel. Gegen drei Uhr hatte ich, wie aus heiterem Himmel, Lust auf gebratene Wachteln, warum? — stop
am Wasser
ginkgo : 2.08 — Eine Fotografie, die mich gestern Abend per E‑Mail erreichte, zeigt eine ältere Frau auf der Dachterrasse eines Hauses, das vollständig aus Holz zu bestehen scheint. Das Gebäude befindet sich an der Küste des Atlantiks auf Staten Island. Ein blühender Garten umgibt das Anwesen weiträumig, man kann das gut erkennen, weil der Fotograf zum Zwecke der Aufnahme auf einen höheren Baum gestiegen sein muss, im Hintergrund das Delta des Lemon Creek, zwei schneeweiße Segelboote, die vor Anker liegen, und Schwäne, sowie ein paar amerikanische Silbermöwen, die sich zanken. Die Frau nun winkt mit ihrer linken Hand zu dem Fotografen hin. Mit der anderen Hand drückt sie ihren Sommerhut fest auf den Kopf, vermutlich deshalb, weil an dem Tag der Aufnahme eine frische Brise vom Meer her wehte. Farben sind auf dem Schwarz-Weiß-Bild nur zu vermuten. Ich erinnere mich jedoch, dass mir jemand erzählte, das Haus sei in einem leuchtenden Rot gestrichen. Bei der Frau auf der Fotografie handelt es sich übrigens um Emily im Alter von 62 Jahren. Ich kann das so genau sagen, weil in einer Notiz, die der E‑Mail beigefügt wurde, einen Hinweis zu finden war, eben auf Emily, die sich im Moment der Belichtung auf der Dachterrasse ihres Hauses damit beschäftigte, eine Salzwiese anzulegen: Das ist meine Emily als sie noch lebte. Ein heißer Tag. Wir waren von einem Spaziergang zurückgekommen, hatten in Ufernähe Salzmieren, Strandastern, Mittagsblumen, Fuchsschwänze, Bleiwurz und Wassernüsse gesammelt. Am Nachmittag machte sich Emily an die Arbeit. Sie brachte sandige Erde auf ihren Blumentischen aus, in welcher Leitungen für Flut, für Ebbe verborgen lagen. Sie war glücklich gewesen, aber sie ahnte bereits, dass das Wasser steigen wird. Sie fürchtete sich vor den Winterstürmen, ihren Namen, ihrer tosenden Wildheit. An dem Abend, als ich die Aufnahme machte, sagte Emily, dass es seltsam sei, sie habe das Gefühl, an einem Ort zu wohnen, der eigentlich bereits dem Meer gehöre. Dein S. – stop
ping
alpha : 3.28 — Ich denke an eine Apparatur, die in der Lage sein könnte, ein Buch in einem vorgegebenen Rhythmus selbstständig umzublättern. Ich habe von dieser Maschine vor zwei Jahren bereits schon einmal berichtet. Auch davon, dass ich die Maschine in meinem Kopf zusammensetzte, während ich zur gleichen Zeit die Anzahl der Schrauben notierte, die im wirklichen Leben zur Fertigung nötig sein werden. Ich könnte diese Geschichte im Grunde Wort für Wort noch einmal erzählen, weil ich sie gerade erlebte oder weil ich mich an sie erinnerte. Die Maschine in meiner Geschichte sollte über zwei Arme verfügen, gleichwohl über fingerähnliche Fortsätze, einen Motor und Sensoren, empfindlich für Licht. Während ich die Maschine in meinem Kopf zusammensetzte, notierte ich wiederum die Anzahl der Schrauben, die im wirklichen Leben zur Fertigung nötig sein werden, handschriftlich auf ein Blatt Papier. Immer wieder, wenn ich in meiner Arbeit gestört wurde, setzte ich neu an. Das ist nämlich nach wie vor sehr merkwürdig mit Maschinen, die ich erfindend montiere, sie verschwinden vollständig aus dem Kopf, sobald ich nur für eine Sekunde meine Arbeit zu unterbrechen habe, sagen wir, weil ich höre, wie draußen weit unten auf der Straße Schritte laufen. — Noch zu tun: Das Wort Zitronenbach untersuchen. — stop
vor den mangroven
delta : 2.25 — Es darf nicht sein, dass Leute einem den Film kaputt machen. Manchen habe ich schon das Essen aus der Hand gerissen und weggeworfen. Man muss sie verprügeln oder bedrohen, sonst ist der Film verdorben, man hat das Recht sie umzubringen, damit sie aufhören. Aber Mord ist keine sehr gute Lösung, nachher wird man noch verhaftet, bevor der Film zu Ende ist. Als ich die „Lady von Shanghai“ das letzte Mal gesehen habe, wollte ich nicht einfach nur mit Rita Hayworth schlafen: Ich wollte Sex mit ihr in Schwarzweiß! Vielleicht könnte man das mit Kontaktlinsen oder einer Brille hinkriegen, die alles in Monochrom verwandelt. Das ist eine seltsame Sache, dass ihre Lippen nicht rot sind. Und das liegt nicht am Lippenstift. Ihr Mund hat diese besondere Farbe, weil er in diesem silbrigen Schwarzweiß gefilmt worden ist. Sie ist ein Fetischobjekt, nicht nur, weil sie so schön ist, sondern weil Welles’ Kamera sie fotografiert hat. Deshalb möchte man nicht nur einfach Sex mit Rita Hayworth, man möchte genau mit dieser Figur aus dem Film schlafen. Der Grund, warum ich sexuell total verkümmert bin, liegt in meinem Scheitern, den filmischen Vorbildern gerecht zu werden. Im echten Leben spielt sich Sex niemals in Schwarzweiß ab. — Diese kleine Geschichte, die eigentlich aus zwei Geschichten besteht, erzählte Jack Angstreich gerade noch in dem wundervollen Film Cinemania von Angela Christlieb und Stephen Kijak, einer Dokumentation, die von dem Leben leidenschaftlicher Kinogänger in New York berichtet. — 2:15 Uhr. Regen nach wie vor, kühler, hellgrauer Herbstregen. Es könnte sein, dass dieser Regen nie wieder aufhören wird. In einigen tausend Jahren bald bewegten sich amphibische Eichhörnchen vor meinem Fenster durchs Mangrovengebiet. Ebenso denkbar ist, dass ich zu diesem Zeitpunkt über zugespitzte Fingerbeeren verfügen werde, geeignet, jede der filigranen Tastaturen moderner Telefonapparate fehlerfrei und gelassen bespielen zu können. — stop