Aus der Wörtersammlung: sonde

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eine frage der winde

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echo : 2.26 — Eine jedem Pro­pel­ler­kä­fer zutiefst ver­bun­de­ne Lei­den­schaft ist, auf Bäu­men zu sit­zen und nach Win­den Aus­schau zu hal­ten. Sie sind in die­sem War­ten und Schau­en außer­ge­wöhn­lich gedul­di­ge Per­sön­lich­kei­ten. Wochen, gar Mona­te sit­zen sie kaum wahr­nehm­bar in Gestalt klei­ner Zigar­ren auf knor­ri­gen Ästen, Stäm­men und Blät­tern her­um, indes­sen sie ihre Augen stets geöff­net hal­ten, blaue, sehr blaue Augen, auch wenn sie schla­fen, was nicht ganz sinn­voll zu sein scheint, weil doch her­an­we­hen­de Win­de eher zu hören, als zu sehen sind. Wenn man nun einen Pro­pel­ler­kä­fer bei sei­ner lei­den­schaft­li­chen Arbeit, ins­be­son­de­re den Prä­lu­di­en sei­ner Arbeit beob­ach­ten möch­te, soll­te man gedul­dig sein und immer­fort an sei­ner Sei­te, weil man nie vor­her­sa­gen kann, ob ein Wind, der sich näher­te, unse­rem Pro­pel­ler­kä­fer gefal­len wird. Man­che Win­de, so selt­sam das erschei­nen mag, noch feins­te Stür­me, die vom Meer her kom­men, las­sen unse­ren Pro­pel­ler­kä­fer voll­kom­men kalt, wäh­rend bereits die lei­ses­te Ahnung ganz ande­rer Win­de, hef­tigs­te Erre­gung erzeu­gen kann. Dann, von einer Sekun­de zur ande­ren, ändert der Pro­pel­ler­kä­fer sei­ne Far­be, ob er will oder nicht, er sieht jetzt ein wenig so aus, als wür­de Feu­er in ihm bren­nen. Sei­ne Füße indes­sen haben klei­ne Zehen aus­ge­fah­ren, Fan­ta­sien der Natur, rein nur zur Ver­an­ke­rung aus­ge­dacht, weil der Pro­pel­ler­kä­fer sich sofort wild ent­schlos­sen mit jedem sei­ner Pro­pel­ler gegen den Wind stem­men wird. Stür­me, gera­de Stür­me will er fan­gen. So sitzt er mit geschlos­se­nen Augen hin­ter pfei­fen­den Roto­ren bebend und knis­tert und war­tet, war­tet, bis all das wil­de Wet­ter vor­über­ge­zo­gen sein wird. Der Ord­nung hal­ber sei Fol­gen­des noch rasch gemel­det: Pro­pel­ler­kä­fer sind fried­vol­le, aber doch gefähr­li­che Wesen, sobald sie auf­ge­la­den sind. Mal haben sie sechs, mal acht, mal zehn Pro­pel­ler, die sie je in ihrem Leib ver­ber­gen, um für Wochen, für Mona­te wie­der zur Baum­zi­gar­re zu wer­den. Jetzt hören wir sie lei­se und zufrie­den knal­len. — stop

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geraldine beobachtet wolken

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char­lie

~ : geraldine
to : louis
sub­ject : WOLKEN

Die­ser wun­der­vol­le Him­mel über mir, Mr. Lou­is, ich schrei­be Ihnen, dass ich glück­lich bin. Lie­ge in mei­nem Stuhl und schaue den Wol­ken zu, wie sie ein­mal grö­ßer und dann wie­der klei­ner wer­den. Ich glau­be, sie leben und wenn sie ein­mal ver­schwin­den, sind sie nicht wirk­lich ver­schwun­den, son­dern nur in ande­re Wol­ken getaucht. Ja, so ist das mit all dem Leben, das ich am Him­mel sehen kann. Ich lie­ge da und träu­me und das Schiff brummt unter mei­nem Rücken und manch­mal schaue ich zu mei­nen klei­nen Füs­sen hin und wack­le mit den Zehen. Stel­len Sie sich vor, ich habe sie bemalt, nein, ganz sicher, ich habe sie bemalt, und ich glau­be nicht, dass ich Ihnen noch erzäh­len muss, war­um ich sie bemalt habe. Er wird schon noch vor­bei­kom­men, jawohl, ich bin mir sicher, bald wird er nach mir sehen, wird zag­haf­te Bli­cke auf mei­ne Füße wer­fen und sofort wer­den sie sich erwär­men, nein, glü­hen wer­den sie, und ich wer­de mei­ne Strümp­fe und Schu­he in die Hand neh­men und hof­fen, dass nie­mand mich so sehen wird, wie ich neben ihm lau­fe, bar­fuß, obwohl doch vor weni­gen Tagen noch Eis­ber­ge im Was­ser trie­ben. Er kommt gera­de, mein klei­ner Ste­ward, kommt gera­de die Trep­pe her­auf. Ich ken­ne die Geräu­sche sei­ner Schrit­te. Ich habe Fie­ber, Mr. Lou­is, ich habe Fie­ber, und manch­mal den­ke ich, dass ich all das hier nur träu­me, das Schiff, die Wol­ken, mei­nen tap­fe­ren Vater, mei­ne immer­zu wei­nen­de und eben­so tap­fe­re Mut­ter, die Eis­ber­ge und Del­fi­ne, und dass ich ver­liebt bin, all das nur träu­me. Aber wer könn­te in einem Traum noch so kräf­tig mit den Zehen wackeln, dass selbst die Möwen von der Reling flüch­ten? — Ich grü­ße Sie herz­lich! Ahoi! Ihre Geral­di­ne auf hoher See.

notiert im Jah­re 1962
an Bord der Queen Mary
auf­ge­fan­gen am 2.02.2009
22.15 MEZ

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Geraldines Sommerhut

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ulys­ses

~ : geraldine
to : louis
sub­ject : MEIN SOMMERHUT

Ahoi, Mr. Lou­is! Heu­te ist ein ganz beson­de­rer Tag. Ich füh­le mich wie neu­ge­bo­ren. Ja, wie neu­ge­bo­ren. Als ich ges­tern erwach­te, saß der Dok­tor an mei­nem Bett. Ich hör­te sei­ne Stim­me. Er sag­te, ich glau­be Geral­di­ne wird wach. Und als ich die Augen geöff­net habe, lach­te der Dok­tor und Mama lach­te auch. Sie erzähl­ten mir, dass ich zwei Tage geschla­fen habe und ich weiß nicht, war­um ich so lan­ge Zeit geschla­fen habe. Wenn Sie mich jetzt doch nur sehen könn­ten, Mr. Lou­is, wie ich in mei­nem Korb­stuhl am Bug des Schif­fes sit­ze und das hel­le Haar schäu­men­den Was­sers betrach­te, das wir hin­ter uns her zie­hen. Ich tra­ge mei­nen Som­mer­hut, den ich so lie­be und ich hof­fe, dass er mir nicht davon­flie­gen wird. Es ist heu­te sehr win­dig, müs­sen Sie wis­sen. Wie ich die­sen Wind doch mag, sei­nen Duft. Aber das Schöns­te ist, dass ich ganz bunt bin im Gesicht. Mama hat mich geschminkt und jetzt sit­ze ich da und ver­su­che mei­nen Mund nicht zu bewe­gen, damit mir die fei­ne rote Far­be nicht ver­rutscht. Viel­leicht wol­len Sie wis­sen, war­um ich mich geschmückt habe? Das will ich Ihnen ger­ne erzäh­len. Ich habe vor, mei­nen klei­nen Ste­ward heu­te noch nach sei­nem Namen zu fra­gen. Immer­hin weiß er mei­nen Namen und des­halb habe ich wohl das Recht, auch sei­nen Namen zu wis­sen. Ich kann ihn sehen, wäh­rend ich die­sen Brief an Sie schrei­be. Er arbei­tet auf dem Unter­deck und ich sit­ze hier oben und schaue mit pochen­dem Her­zen zu ihm hin und bewun­de­re sei­ne fei­nen, klei­nen Schrit­te, wie er auf den Wel­len tanzt. Manch­mal den­ke ich, dass ich viel zu alt für ihn bin, aber das stimmt natür­lich nicht, weil er 25 Jah­re alt sein muss und ich bin nur 20, wie sie wis­sen. Und doch füh­le ich, dass ich etwas schwe­rer bin an Zeit als er, den ich doch so lie­be. Ich glau­be, er hat mich schon bemerkt, er wird bald kom­men, er tut nur so, als wür­de er mich nicht sehen. Ich muss jetzt auf­hö­ren, Mr. Lou­is, ich bin so schreck­lich auf­ge­regt! Ist das nicht wun­der­bar, Mr. Lou­is? — Ich grü­ße Sie herz­lich. Ihre Geral­di­ne auf hoher See.

notiert im Jah­re 1962
an Bord der Queen Mary
auf­ge­fan­gen am 22.01.2009
20.12 MEZ

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feuerbäume

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nord­pol : 2.15 — Im Süden, in den Ber­gen, liegt ein Tal in gro­ßer Höhe, eine Hoch­ebe­ne, die dicht von Ahorn­bäu­men bewach­sen ist. Jedes Jahr im Herbst möch­te man mei­nen, ein gro­ßes Feu­er sei im Tal unter den Bäu­men aus­ge­bro­chen, eine Feu­ers­brunst, die nicht nur alle die ver­wit­ter­ten Bäu­me ver­schlin­gen woll­te, son­dern gleich noch ein paar Berg­gip­fel und Dör­fer dazu. Aber das ist natür­lich Unsinn, die Luft ist für ein wirk­li­ches Feu­er viel zu kalt und die Wie­sen unter den Bäu­men sind saf­tig und feucht. Libel­len, schon lang­sam gewor­den, flie­gen auf und ab. Sie ahnen den Win­ter, wie die Sumpf­dot­ter­blu­men, die mor­gens nur noch außer­ge­wöhn­lich auf­ste­hen wol­len. Nichts Auf­re­gen­des also in die­ser Land­schafts­be­schrei­bung. Alles das kommt vor in den Ber­gen, auch Schu­len blut­jun­ger Ken­tau­ern, die in der Däm­me­rung ver­geb­lich nach Hasen jagen. Wenn da nicht jene selt­sa­men Pil­ze wären, die noch ohne Namen sind, weil man sich bis­her nicht eini­gen konn­te, ob sie nun tat­säch­lich noch Pil­ze oder nicht doch schon ganz ande­re Wesen sind. Solan­ge das Son­nen­licht ins Tal ein­fal­len kann, ver­ste­cken sie sich zwi­schen den Grä­sern der Berg­wie­se in Gestalt der Bovis­te, sobald es aber dun­kel gewor­den ist, ich kann ihnen sagen, flie­gen sie los. Sie ent­fal­ten Schir­me von unglaub­li­cher Grö­ße und leuch­ten in zitro­nen­gel­ber Far­be und schwe­ben stun­den­lang und laut­los dicht über die Kro­nen der Ahorn­bäu­me dahin. Was haben Pil­ze dort oben am Him­mel ver­lo­ren? Und wie fin­den sie wie­der zurück auf die Erde? War­um über­haupt kom­men sie zurück? Selt­sa­me Sub­stan­zen. Ich muss das im Auge behal­ten. – Es ist jetzt kurz nach 2 Uhr. Eigent­lich hat­te ich vor, einen klei­nen Brief an Kenzabu­ro Oe zu schrei­ben, um ihm mit­zu­tei­len, dass Mrs. Cal­las ges­tern in den frü­hen Mor­gen­stun­den end­gül­tig abrei­sen konn­te, dass sie für mich wie­der zu rei­nen Schrift­zei­chen gewor­den ist. Für die­sen Brief ist es jetzt zu spät. Wer­de mor­gen eine Depe­sche notie­ren. — stop

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yanuk : fröhliche weihnachten

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del­ta

~ : yanuk le to : louis
sub­ject : FRÖHLICHE WEIHNACHTEN
date : dez 23 08 6.55 a.m.

In die­sen Minu­ten, Mr. Lou­is, will ich sehr lei­se und behut­sam von einer auf­re­gen­den Beob­ach­tung berich­ten. Du musst wis­sen, heu­te Mor­gen, als ich auf Höhe 385 schlaf­trun­ken mein Zelt ver­ließ, hat­te ich sofort bemerkt, dass wäh­rend der Nacht irgend­et­was gesche­hen sein muss­te, etwas Selt­sa­mes, etwas, das mei­ne klei­nen Affen­freun­de beun­ru­hig­te. Sie lagen nicht, wie üblich, vor sich hin däm­mernd lose auf dem höl­zer­nen Boden her­um, son­dern dicht anein­an­der gedrängt und beb­ten, als wür­den sie frie­ren. Alle sahen sie mit ihren zitro­nen­gel­ben Augen in ein und die­sel­be Rich­tung, starr­ten zum Stamm eines benach­bar­ten Bau­mes hin, ein Bün­del furcht­sa­mer oder viel­leicht stau­nen­der Bli­cke, das den schma­len, voll­kom­men unbe­klei­de­ten Kör­per eines Mäd­chens betas­te­te, der nur weni­ge Meter von uns ent­fernt über der Tie­fe hing. Ich hat­te natür­lich zunächst den Gedan­ken, dass das vor mir bau­meln­de Mäd­chen nur eine Erschei­nung gewe­sen war, viel­leicht ein Traum oder die Spur eines Trau­mes, die in einen wirk­li­chen Tag hin­über­reich­te. Beun­ru­higt wie mei­ne Freun­de, begann ich des­halb zunächst mit einer Kur­bel Strom für mei­ne Schreib­ma­schi­ne zu erzeu­gen. Eine kon­tem­pla­ti­ve Bewe­gung, eine, die ich auch im Schlaf ver­rich­ten könn­te. Wäh­rend ich so arbei­te­te, hör­te ich bald ein mensch­li­ches Lachen. Ja, Sie lesen ganz rich­tig, Mr. Lou­is, das Mäd­chen lach­te, ein fei­nes, hel­les Lachen war zu hören, und die Affen fauch­ten und wur­den so flach, als woll­ten sie spur­los ver­schwin­den im war­men Holz oder sonst wohin, ganz unsicht­bar wer­den. Wie sich doch alle ver­trau­ten Geräu­sche ver­än­dern, sobald uner­war­te­te Din­ge gesche­hen. Ich hör­te mei­ne eige­ne Stim­me, wie sie sag­te, das ist unglaub­lich, das ist ganz unglaub­lich, und ich hör­te auf zu kur­beln und sah dem Mäd­chen in die Augen, und sofort klapp­te sie ihre Augen zu. Ich glau­be, sie schläft jetzt, wäh­rend ich die­se Sät­ze so behut­sam schrei­be, wie ich nur kann, um das Mäd­chen nicht zu wecken. Ja, stel­len Sie sich vor, Mr. Lou­is, sie scheint tat­säch­lich tief und fest zu schla­fen, wäh­rend sie den Ast, der sie trägt, mit ihrer lin­ken Hand umfasst. Die rech­te Hand liegt flach auf ihrem Bauch, einem mus­ku­lö­sen Bauch von hel­lem Schein, opak, als wür­de ein Teil des Son­nen­lichts sich im Kör­per des Mäd­chens ver­fan­gen und wei­ter leuch­ten, von innen her­aus wei­ter leuch­ten. Wenn sie nur nicht los­las­sen wird in die­ser Höhe! Kein Haar auf dem Kör­per des Mäd­chens zu sehen. Das ist natür­lich selt­sam und ich weiß noch nicht genau, war­um das so ist. Ich will Dir, Mr. Lou­is, an die­ser Stel­le mei­ne herz­li­chen Weih­nachts­grü­ße über­mit­teln aus mei­nen tro­pi­schen Räu­men. Und so mache ich das jetzt, ehe ich einen ers­ten Ver­such unter­neh­men wer­de, mit dem Mäd­chen ein Gespräch zu füh­ren. Viel­leicht wer­de ich ihr mei­ne Blü­ten­zeich­nun­gen zei­gen, die ich wäh­rend der ver­gan­ge­nen Tage sam­mel­te. Fröh­li­che Weih­nach­ten! Cucur­ru­cu – Yanuk

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polarlichtspiel

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sier­ra : 2.25 — Wale. Eine Abend­nacht voll wei­ßer Wale. Wie sie duf­ten. Wie sie sich bewe­gen. Wie sie flie­gen. Ihre beson­de­ren Stim­men. Die Zeich­nung ihrer Haut. Die Far­be ihrer Augen. Die Posi­ti­on ihrer Ohren. Wie sie über das Polar­licht­spiel des Nor­dens stau­nen. Schwei­gend. Seit­wärts im Was­ser lie­gend. Immer ist das lin­ke Auge gegen den Him­mel gerich­tet. Die Wan­de­rung der Schne­cken. Wie sie das Was­ser suchen. Da ist ein Geräusch. Das Geräusch der Schne­cken. Unhör­bar. Ein Geräusch, das man sehen kann. — stop

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mrs. callas pfeift

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echo : 3.15 — Man stel­le sich das ein­mal vor, Mrs. Cal­las kann pfei­fen. Sie war zu Besuch gekom­men und hat­te eine beson­de­re Foto­gra­fie ent­deckt. Auf die­ser Foto­gra­fie sitzt sie unter Men­schen an einem Tisch, den sie nicht erin­nern konn­te, und dar­über war sie ver­wun­dert oder beun­ru­higt, also mach­te sie merk­wür­di­ge Geräu­sche mit dem Mund. Wer sind die­se Leu­te, woll­te sie wis­sen. Wann war das gewe­sen? Woher haben Sie die­se Foto­gra­fie? — Wir gin­gen dann noch spa­zie­ren um kurz nach Mit­ter­nacht. Ange­neh­mes Papier­licht, die Son­ne war nicht unter­ge­gan­gen, strahl­te etwas schläf­rig am Him­mel her­um. Noch immer leich­ter See­gang, aber zwei schö­ne Stun­den hei­te­rer Gesprä­che. Wie ich mich freu­te, Mrs. Cal­las stau­nen zu sehen. Ich habe kei­ne Kin­der, nein, nein, ich habe kei­ne Kin­der. Doch, doch sag­te ich, Sie haben Kin­der gebo­ren, sie sind eine fabel­haf­te Mut­ter. Sie­ben Töch­ter, jawohl, sie­ben sehr selt­sa­me Töch­ter, Sie wer­den sich doch um Him­mels­wil­len an ihre Töch­ter erin­nern, an Sven­ja, Mar­le­ne, Bob­by, Lyd­wi­en, Vass­il­li­ki, Eleo­no­re, Bumu­bai. Soll ich Ihnen von Ihren Gebur­ten erzäh­len, Mrs. Cal­las? – Kaum zurück, leg­te sie sich aufs Sofa und ver­tief­te sich wie­der in jenes Bild, das von ihr, wie sie glaub­te, abge­nom­men wor­den war. Manch­mal näher­te sie sich mit einem Fin­ger, flüs­ter­te, oh, ich glau­be, da ist etwas, die­sen Herrn ken­ne ich viel­leicht, ja, das könn­te ein Musi­ker sein, ein Bas­sist, nein, das ist einer, der Cel­lo spielt. — Seit Stun­den nun liegt sie so her­um. Sie hat etwas von einer Kat­ze, ganz ohne Zwei­fel. Ich weiß, sie wird sich bald erhe­ben, und sie wird zu mir her­über­kom­men, wird die Foto­gra­fie auf den Schreib­tisch legen und sagen: Irgend­et­was stimmt hier nicht, Mr. Lou­is! Ich glau­be, ich wer­de jün­ger. Ich glau­be, die Zeit geht falsch her­um. Was haben Sie dazu zu sagen? Spre­chen Sie!

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animals : herzgeräusch

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romeo : 7.52 — Neh­men wir ein­mal an, ein Bogen leben­den Papiers in der Grö­ße 15 x 30 Zen­ti­me­ter wür­de aus 750000 Tie­ren bestehen, ja, und neh­men wir ein­mal an, die­ses Papier wür­de bereits in der wirk­li­chen Welt exis­tie­ren, dann wür­den vor uns auf einem Tisch 750000 klei­ne Her­zen schla­gen. Und ich dach­te mir unver­züg­lich, da muss doch irgend­ein Geräusch wahr­zu­neh­men sein, so vie­le Her­zen in nächs­ter Nähe auf engs­tem Raum. Erin­ner­te mich an mei­ne Ver­wun­de­rung, als ich bemerk­te, dass ich mein eige­nes Herz nicht schla­gen hören kann und auch nicht das Herz einer Gelieb­ten, solan­ge ich nicht mein Ohr an ihre Brust lege und in sie hin­ein­hö­re. Nun aber, in die­ser Nacht eines som­mer­li­chen Regens, zweif­le ich nicht, dass man, wenn man sich mit einem Ohr einem mei­ner leben­den Papie­re näher­te, ein beson­de­res Geräusch ver­neh­men wür­de. Auch einen Hauch von Luft wür­de man wohl spü­ren, eine Strö­mung, weil sie alle durch­ein­an­der atmen. stop. Auf­ga­be für Sonn­tag. stop. Geräu­schwort fin­den. — stop

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geraldine : ein wunder geschieht

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nord­pol

~ : geraldine
to : louis
sub­ject : EIN WUNDER GESCHIEHT

Als es noch dun­kel war, bin ich wach gewor­den, weil das Schiff unter mir schlin­ger­te. Was­ser schlug gegen das Bull­au­ge über mei­nem Bett. Ich setz­te mich auf und spür­te, dass ich an die­sem Tag Kraft haben wür­de. Ich hat­te so viel Kraft, dass ich mühe­los mei­nen Bade­man­tel und mei­ne Jacke anzie­hen konn­te. Nur als ich mir die Schu­he bin­den woll­te, wur­de mir schwin­de­lig und ich wäre um ein Haar umge­fal­len. Wis­sen Sie, Mr. Lou­is, dass ich plan­te, ganz allein für mich das Haupt­deck zu erklim­men. Ver­rückt, fin­den Sie nicht auch? Ich konn­te mich kaum auf den Bei­nen hal­ten, weil der See­gang mich schau­kel­te, aber ich schaff­te eine Trep­pe und noch eine Zwei­te, dann ging ich in die Knie. Ein älte­rer Herr weck­te mich, sei­ne Haut war schwarz und sein Haar schloh­weiß. Er half mir auf­zu­ste­hen, und ich sag­te ihm, dass ich das Haupt­deck errei­chen woll­te, aber anstatt mich vor das Meer zu set­zen, setz­te er mich in ein Café und hör­te mir zu und wun­der­te sich, dass ich so blass war. Ich habe ihm nichts von mei­nen schwe­ren Gedan­ken erzählt, aber davon, dass ich See­post­brie­fe an mei­ne Schwes­ter Yanuk schrei­be, die ich sehr lie­be, mei­ne Zwil­lings­schwes­ter, die ein Kind erwar­tet, ein Kind, das viel­leicht ein­mal wie sei­ne Mut­ter Yanuk hei­ßen wird. Ich glau­be, er freu­te sich, und dann erzähl­te er eine fei­ne Geschich­te. Er sag­te, dass er vor vie­len Jah­ren sehr ver­liebt gewe­sen sei. Die Frau, die er lieb­te, war eine wei­ße Frau gewe­sen, die in einer der bes­se­ren Gegen­den der Stadt wohn­te, wäh­rend er selbst in einem ärm­li­chen Vier­tel in einem Back­stein­haus leb­te. Anfangs schrieb sie ihm Brie­fe, sag­te der Mann, aber er hat­te die­se Brie­fe zunächst nicht erhal­ten, weil der Brief­kas­ten sei­nes Hau­ses ver­schwun­den war. Sie besuch­te ihn und frag­te, war­um er ihr nicht ant­wor­ten wür­de, und er erzähl­te, dass nicht nur der Brief­kas­ten ver­lo­ren gegan­gen sei, son­dern das gan­ze Haus sich in Auf­lö­sung befin­den wür­de. Dann geschah ein Wun­der. Am über­nächs­ten Tag kam ein Post­au­to mit einem Post­mann, der einen feu­er­ro­ten Brief­kas­ten an das Haus schraub­te, wäh­rend der alte Mann, der damals noch jung gewe­sen war, zuge­se­hen hat­te. Auf den Brief­kas­ten war die Adres­se sei­nes Hau­ses und sein Name geschrie­ben und er war mit einem Dut­zend groß­ar­ti­ger Brief­mar­ken beklebt. Natür­lich hat­te sich der alte Mann sehr gefreut. Und als er am nächs­ten Tag wie­der zum Brief­kas­ten ging, lag ein Brief für ihn dar­in. Ich muss­te wei­nen, Mr. Lou­is, als ich die­se Geschich­te hör­te. Dann trug mich der alte Mann mit einem Ste­ward in mei­ne Kajü­te, und da sit­ze ich nun auf mei­nem Bett und schrei­be an Sie, wäh­rend die Gischt über mei­nem Bett mit mei­nem Bull­au­gen­fens­ter spricht. — Ihre Geral­di­ne auf hoher See.

notiert im Jah­re 1962
an Bord der Queen Mary
auf­ge­fan­gen am 03.12.2008
22.08 MEZ

geral­di­ne to louis »

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libellencafe

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tan­go : 8.08 — Ein Notiz­buch, ein beson­ders Notiz­buch, eines, das mei­ne Gedan­ken ver­zeich­nen wür­de, sobald ich spa­zie­ren gehe. Hand­lich müss­te es sein und leicht und geräusch­los schrei­ben. Viel­leicht wäre es mög­lich, die­se klei­ne Gedan­ken­schreib­ma­schi­ne, so zu pro­gram­mie­ren, dass sie jene Gedan­ken, die neue Gedan­ken sind, zu unter­schei­den ver­mag von allen wei­te­ren Gedan­ken, von Gedan­ken, die sich wie­der und wie­der den­ken wol­len, von krei­sen­den Gedan­ken, von Karus­sell­ge­dan­ken. – Wäh­rend ich ges­tern Abend vor der Kas­se eines Super­mark­tes war­te­te, hat­te ich die Idee, dass man eines Tages ein­mal ein Haus erfin­den müss­te, ein Kaf­fee­haus, in dem unter den Gäs­ten Libel­len schwir­ren, präch­tigs­te Flug­we­sen, die an Wän­den und auf Tischen sit­zen, auf den Tas­sen, den Glä­sern, den Zei­tun­gen, den Gäs­ten selbst. Ja, das wäre eine fei­ne Sache, ein auf­re­gen­der Ort, eine ange­neh­me Fan­ta­sie, die von der Gedan­ken­schreib­ma­schi­ne, die ich mir wün­sche, sehr sicher und sofort notiert wor­den wäre. Man wür­de zum Früh­stück zur Füt­te­rung der Libel­len­tie­re dort viel­leicht Flie­gen­schäl­chen rei­chen. Ja, das ist sehr gut denk­bar, Flie­gen­schäl­chen gro­ßer Flie­gen für gro­ße Libel­len, und Flie­gen­schäl­chen klei­ner Flie­gen für klei­ne Libel­len. Wie wür­de die Atmo­sphä­re die­ses Ortes wohl auf der Zun­ge schme­cken? Und was wäre noch zu hören vom Gespräch der Gäste?

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