Aus der Wörtersammlung: arbeitszimmer

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die stimme meines Vaters

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ulys­ses : 22.18 — Im Som­mer des Jah­res 2007, wäh­rend ich gera­de an mei­ner Bir­dy­ma­schi­ne arbei­te­te, tele­fo­nier­te ich mit mei­nem Vater. Es war eine war­me Zeit gewe­sen, die Fens­ter im weit ent­fern­ten Arbeits­zim­mer stan­den offen. Ich hör­te über eine Tele­fon­lei­tung, die ver­mut­lich durch den Welt­raum führ­te, Vögel im Gar­ten pfei­fen. Und da war noch etwas ande­res, da waren Funk­ge­räu­sche und der Gesang der Wale und ein Ras­peln, das Stimm­ge­räusch Bir­dys. Ich erin­ne­re mich, mein Vater beob­ach­te­te in jenem Som­mer Bir­dy täg­lich stun­den­lang vor sei­nem Com­pu­ter sit­zend. Sobald er einen Feh­ler bemerk­te, mel­de­te er den Feh­ler unver­züg­lich an mich wei­ter. Er nahm in die­ser zeit­li­chen Nähe Instru­men­te der klei­nen Erzähl­ma­schi­ne wahr, die ich gera­de erst in Betrieb genom­men hat­te. Von jeder Ent­de­ckung berich­te­te er in einer Wei­se, als ob er der ers­te Mensch gewe­sen sei, der sie zu Gesicht bekom­men hat­te, auf­ge­regt, kom­men­tie­rend, fra­gend. Ein sanf­ter Gedan­ke an einem Tag, da ich seit weni­gen Stun­den weiß, dass ich die Stim­me mei­nes Vaters nie wie­der hören wer­de. — stop
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PRÄPARIERSAAL : libelle

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echo : 6.12 — Ich habe  auf einem Fern­seh­bild­schirm Jona­than Fran­zen beob­ach­tet, wie er in sei­nem New Yor­ker Arbeits­zim­mer sit­zend von Appa­ra­tu­ren erzählt, die ihm behilf­lich sein könn­ten, den Lärm der Stadt oder des Hau­ses, in dem er sich befin­det, von sei­nen Ohren zurück­zu­hal­ten. Er berich­tet das unge­fähr so: Ich habe eine Men­ge Lärm­schutz­vor­rich­tun­gen. Ich schüt­ze mich gegen Lärm mit Schaum­gum­mistöp­seln. Sie sind wich­tig. / Und dar­über hin­aus habe ich mei­ne Kopf­hö­rer. Und zudem noch rosa Rau­schen auf CD. / Das ist wie wei­ßes Rau­schen, aber es ist etwas wär­mer im Ton. Es beschränkt sich auf die nied­ri­gen Fre­quen­zen. Es klingt wie eine Raum­kap­sel in der Atmo­sphä­re mit einem wun­der­vol­len Brau­sen, ein alles umhül­len­des Brau­sen, das plötz­lich ver­schwin­det. stop. Weit nach Mit­ter­nacht, küh­le Luft. stop. Lun­ge­re auf dem Sofa her­um, höre ana­to­mi­sche Ton­band­auf­nah­men ab, Wör­ter, Sät­ze, Gedan­ken einer fer­ne­ren Zeit, die sofort wie­der sehr nahe kom­men, viel­leicht des­halb, weil sie von typi­schen Geräu­schen jenes Ortes, an dem sie auf­ge­nom­men wur­den, beglei­tet sind. Das Rau­schen der Stim­men hun­der­ter Men­schen. Pin­zet­ten, die gegen Metall klop­fen. Eine Laut­spre­cher­durch­sa­ge: Den­ken Sie bit­te dar­an, der Prä­pa­rier­saal wird vor dem Tes­tat am kom­men­den Mon­tag bereits um 7 Uhr geöff­net. Das klei­ne Wie­der­ga­be­ge­rät, das neben mir auf einem Kis­sen ruht, bewegt sich nicht oder nur so leicht, dass mei­ne Augen die­se Bewe­gung nicht wahr­neh­men kön­nen. Ein­mal den­ke ich an etwas ande­res, als das, was zu hören gewe­sen war, und bemer­ke in die­ser Wei­se, dass ich, in dem ich an etwas den­ke, das ent­fernt ist, mei­ne Ohren aus­zu­schal­ten ver­mag. Des­halb muss­te ich soeben das Band zurück­spu­len und Tho­mas’ fei­ne Geschich­te wie­der­ho­len, die von einer Libel­le erzählt. Hört zu: Wir hat­ten einen Mann auf dem Tisch, einen männ­li­chen Kör­per von dunk­ler Far­be und von außer­or­dent­li­cher Grö­ße. Ich glau­be, die­ser Kör­per war der größ­te Kör­per des Kur­ses. Ich war erstaunt, weil ich mit einem Prä­pa­rat, das grö­ßer sein wür­de, als ich selbst, nicht gerech­net habe. Nein, einen Hünen hat­te ich wirk­lich nicht erwar­tet. Sie müs­sen wis­sen, ich habe mir sehr bewusst kei­ne genau­en Vor­stel­lun­gen von der Wirk­lich­keit des Ana­to­mie­saa­les gemacht. Ich hat­te ver­mu­tet, dass die Luft kühl sein wür­de, aber an dem Tag, als wir unse­re Arbeit auf­nah­men, war es som­mer­lich warm und ich schwitz­te und hat­te Mühe, ohne Unter­bre­chung dar­an zu den­ken, mir mit den feuch­ten Hand­schu­hen nicht ins Gesicht zu fah­ren. Ich hat­te erwar­tet, dass das Licht im Saal eher gedämpft sein wür­de, aber es war strah­lend hell, ein Licht, das kaum einen Schat­ten warf. Und ich hat­te einen über­schau­ba­ren Kör­per erwar­tet, einen eher klei­nen Kör­per, den Kör­per eines uralten Men­schen. Ich habe mit altern­den Men­schen immer Gestal­ten in Ver­bin­dung gebracht, die zer­brech­lich sind, Kör­per, die klei­ner wer­den, die sich zurück­zie­hen, die man stüt­zen muss, füh­ren, die noch im Leben durch­läs­sig wer­den für das Licht. Dort vor mir auf dem Tisch aber lag ein Mann, der gera­de­zu strotz­te vor Kraft. Er war nicht fett, son­dern mus­ku­lös, und am Bauch und an der Brust, an Armen und Bei­nen sehr stark behaart gewe­sen. Ich wer­de die­sen Anblick mein Leben lang nicht ver­ges­sen. Ich habe den Mann sehr lan­ge Zeit betrach­tet. Die­ses geschwol­le­ne Gesicht war das Gesicht eines schla­fen­den Boxers. Sei­ne Augen waren geschlos­sen, die Hän­de zu Fäus­ten geballt und sei­ne Füße sahen ganz so aus, als hät­te er sie schon vor sehr lan­ger Zeit ver­ges­sen. Ich habe ihn mehr­fach umkreist, und dann haben wir ihn gemein­sam auf dem Tisch her­um­ge­dreht. Sehr fest muss­ten wir zugrei­fen. Ich sage Ihnen, das ist nicht leicht, am ers­ten Tag in die­sem Saal so fest zuzu­fas­sen. Man ist ja sehr vor­sich­tig und man ist dank­bar für die­ses Geschenk, das ein Mensch für uns zurück­ge­las­sen hat. Und als wir ihn dann her­um­ge­dreht hat­ten, konn­ten wir eine Libel­le erken­nen. Sie war links oben auf sei­nem Rücken ein­tä­to­wiert, regio sca­pu­la­ris, Sie ver­ste­hen? Ein erstaun­lich prä­zi­se gezeich­ne­tes Bild, nicht sehr groß, viel­leicht gera­de so groß wie ein Mit­tel­fin­ger des Man­nes und in blau­en, roten und grü­nen Farb­tö­nen aus­ge­führt. In die­sem Moment hat­te ich eine Vor­stel­lung, die in das Leben des Man­nes auf dem Tisch zurück­führ­te. Ich habe mir vor­ge­stellt, wie er als jun­ger Mann in einer Bade­an­stalt mit den Mus­keln spiel­te, wie er sei­nen Insek­ten­vo­gel in Bewe­gung setz­te, um einer Frau zu gefal­len viel­leicht. Aber da war noch etwas ande­res, da war die Fra­ge, was wir sehen wür­den, sobald wir die Haut unter der Libel­le so weit gelöst hät­ten, dass ein Blick auf ihre Rück­sei­te mög­lich wer­den würde.

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PRÄPARIERSAAL : heitere träume

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india : 22.03 — Ges­tern kam der schö­ne Kopf einer Freun­din auf acht win­zi­gen Füßen über den Boden mei­nes Arbeits­zim­mers spa­ziert. Sie rezi­tier­te in rasen­der Geschwin­dig­keit einen Text Dju­na Bar­nes mit lach­gas­hel­ler Stim­me. Nichts ist noch selbst­ver­ständ­lich. Wes­halb träu­me ich nur sel­ten, und wenn, dann hei­te­re Geschich­ten vom Zer­glie­dern mensch­li­cher Kör­per? — Vor lan­ger Zeit bereits notiert. stop. In der Ant­wort noch kei­nen Schritt wei­ter­ge­kom­men. — stop
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bauchwellen

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echo : 0.05 — Wür­de man die Gestalt eines Bass­kä­fers auf einem Blatt Papier zur Auf­füh­rung brin­gen, wäre zunächst ein enor­mer Kno­chen­raum zu zeich­nen, eine Kam­mer, in der sich Luft befin­det, Luft in Erwar­tung einer Kraft, die sie in geräusch­vol­le Schwin­gung ver­set­zen wird. Irgend­wo dort, an einem der schma­le­ren Enden die­ses Rau­mes, sitzt ein klei­ner Kopf, Füh­ler, Ohren­se­gel, fal­ten sich tas­tend durch sei­ne unmit­tel­ba­re Umge­bung, feins­te Appa­ra­tu­ren. Dafür Augen kei­ne, aber Bei­ne, die sich flink bewe­gen. Er spielt, wie alle sei­ne Art­ge­nos­sen, im Lie­gen auf dem Rücken, greift dann nach feins­ten Sai­ten von Kup­fer­chi­tin, die über sei­nen Bauch­re­gio­nen auf­ge­spannt. Wun­der­vol­le, sono­re Töne sind zu hören, indem der Käfer sich selbst­ver­ges­sen lang­sam um die eige­ne Ach­se zu dre­hen beginnt, dumd­um, dumd­um, immer­zu links, immer­zu links, immer­zu links­her­um. — Nacht. stop. Kühl. stop. Habe mei­ne Win­ter­be­leuch­tung ange­schal­tet. Vier Lam­pen in der Küche, zwei im Flur, sie­ben in den Spa­zier­ar­beits­zim­mern, hell ist’s, als sei Tag. Guten Mor­gen. — stop

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marina abramovic in new york

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sier­ra : 6.32 — Die­se selt­sa­me Frau: Mari­na Abra­mo­vić. Ich kau­er­te Stun­den auf dem Sofa und beob­ach­te­te das Schwei­gen der Künst­le­rin in New York, war unru­hig und war ruhig zur glei­chen Zeit. Hör­te dann Hen­ry, mei­nen Regen­kä­fer Hen­ry. Sum­mend erwach­te das tabak­far­be­ne Wesen aus tie­fem Schlaf. Hat­te zwei lan­ge Jah­re auf Vir­gi­nia Woolfs Essay A Room of One’s Own lie­gend zuge­bracht, war indes­sen tro­cken und leicht wie eine Feder gewor­den, wes­halb nicht wei­ter erstaun­lich gewe­sen, dass der Käfer wie betrun­ken von unsicht­ba­ren Luft­strö­mun­gen getra­gen durchs Arbeits­zim­mer wir­bel­te. Eine gute hal­be Stun­de und Hen­ry war auf mei­nem Kopf gelan­det. Ich sag­te: Schön, dass Du wie­der unter den Leben­den weilst, Hen­ry! Atme­te sanft, atme­te gar nicht. Und der Blick wan­der­te wie­der hin zur Stil­le in der tosen­den Stadt. Da saß nun vor Mrs. Abra­mo­vić eine wei­te­re Frau, sie hat­te ihre Schu­he aus­ge­zo­gen [ war­um? ] und Schreib­werk­zeug und Hef­te unter ihrem Stuhl abge­legt. Über ihrer Beob­ach­tung bin ich ein­ge­schla­fen, und jetzt hellt bereits die Nacht, und irgend­wie ist das ein wun­der­ba­rer Tag, der gleich begin­nen wird. Hen­ry, er schwebt im Bad im Regen der Maschi­nen, eine flie­gen­de Frucht. Guten Mor­gen! — stop

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hydra No 2

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lima : 22.55 — Es schneit angeb­lich, mag es schnei­en. Über dem Schnee und sei­nen Wol­ken scheint der Mond. — Was haben wir heu­te eigent­lich für einen Tag, Sonn­tag viel­leicht oder Mon­tag? Abend jeden­falls, einen schwie­ri­gen Abend. Wür­de ich aus mei­ner Haut fah­ren, sagen wir, oder mit einem Auge mei­nen Kör­per ver­las­sen und etwas in der Zeit zurück­rei­sen, dann könn­te ich mich selbst beob­ach­ten, einen Mann, der gegen sechs Uhr in der Küche steht und spricht. Der Mann spricht mit sich selbst, wäh­rend er Tee zube­rei­tet, er sagt: Heu­te machen wir das, heut ist es rich­tig. Ein Bün­del von Melis­se zieht durchs sam­tig hei­ße, flim­mern­de Was­ser. Jetzt trägt er sei­ne damp­fen­de Tas­se durch den Flur ins Arbeits­zim­mer, schal­tet den Bild­schirm an, sitzt auf einem Gar­ten­stuhl vor dem Schreib­tisch und arbei­tet sich durch elek­tri­sche Ord­ner in die Tie­fe. Dann steht er, steht zwei Meter vom Bild­schirm ent­fernt, ein Mensch kniet dort auf dem Boden, ein Mensch, der sich fürch­tet. Da ist eine Stim­me. Eine schril­le Stim­me spricht schep­pernd Sät­ze in ara­bi­scher Spra­che, uner­träg­lich die­se Töne, sodass der Mann vor dem Schreib­tisch einen Schritt zurück­tritt. Er scheint sich zur Betrach­tung zu zwin­gen. Zwei Fin­ger der rech­ten Hand bil­den einen Ring. Er hält ihn vor sein lin­kes Auge, das ande­re Auge geschlos­sen, und sieht hin­durch. So ver­harrt er, leicht vor­ge­beugt, bewe­gungs­los, zwei Minu­ten, drei Minu­ten. Ein­mal ist sein Atmen hef­tig zu hören. Kurz dar­auf steht er wie­der in der Küche, lehnt mit dem Rücken am Kühl­schrank, denkt, dass es schneit und spürt eine Unru­he, die lan­ge Zeit in die­ser Hef­tig­keit nicht wahr­zu­neh­men gewe­sen war. Ein Mensch, Dani­el Pearl, wur­de zur Ansicht getö­tet. – Was machen wir jetzt? — stop
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kakaduzwerge

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gink­go : 6.55 – Ein schläf­ri­ger Mann sitzt in die­sen Minu­ten mit einer Schreib­ma­schi­ne auf dem höl­zer­nen Boden sei­nes Arbeits­zim­mers. Habe zuletzt zwei Stun­den in Chris­toph Rans­mayrs letz­ter Welt gele­sen, in einem Buch, das ich immer dann zur Hand neh­me, wenn mir die Spra­che müde zu wer­den scheint. Der Mai kam blau und stür­misch. Ein war­mer, nach Essig und Schnee­ro­sen duf­ten­der Wind fraß die letz­ten Eis­rin­den von den Tüm­peln, feg­te die Rauch­schwa­den aus den Gas­sen und trieb zer­ris­se­ne Gir­lan­den, Papier­blu­men und die öli­gen Fet­zen von Lam­pi­ons über den Strand. (Chris­toph Rans­mayr). Kaum hat­te ich das Wort Schnee­ro­se zu Ende gele­sen, stand ich auf und war­te­te erhitzt zwei oder drei Minu­ten vor mei­nem Aqua­ri­um. Dort woh­nen seit eini­gen Mona­ten Wäl­der und Fische, die mich im Zwie­licht schwe­bend, Stun­de um Stun­de beob­ach­ten. Ein­mal, gegen Zwei, ent­fal­te­te ich einen Stadt­plan New Yorks. Das mach­te sie wild. Dann wie­der Ruhe. Flos­sen­fä­den. Flug­dra­chen­schwän­ze. Und die­ser Mann, die­ser schläf­ri­ge Mann, der sich wie­der und wie­der nähert. Sei­ne Freu­de, dass ihn das Wort Schnee­ro­se, indem es dem Wort Essig folg­te, der­art begeis­ter­te, dass ihm warm wur­de, feu­rig und alle die­se Din­ge. Aber natür­lich, aber natür­lich erneut die Fra­ge, ob mei­ne Kaka­du­zwer­ge mich als einen der ihren, als einen Fisch betrach­ten. — Guten Morgen!
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déjà vu

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gink­go : 1.28 – Wie sich die Din­ge wie­der­ho­len. Okto­ber. Ich hat­te vor einer Stun­de noch mei­ne Fens­ter weit geöff­net. Kurz dar­auf segel­te ein Nacht­fal­ter durchs Arbeits­zim­mer. Das Tier war so müde und so schwach, dass es nach­gab und sich der Luft anver­trau­te. Bald hock­te der Fal­ter auf dem Boden. Ich hob ihn auf und setz­te ihn behut­sam an eine Wand. Er scheint in die­ser Minu­te zufrie­den, wenn nicht glück­lich zu sein. Ein paar Dioden­lich­ter glü­hen zu mir her­über. Ob ich den Fal­ter nicht viel­leicht füt­tern soll­te, über den Win­ter brin­gen? Er könn­te 250 Jah­re alt, er könn­te ein Lich­ten­berg­fal­ter sein. stop. Ein Déjà-vu. stop. Noch zu tun: stop. Nach ana­to­mi­schen Geräu­schwör­tern lau­schen. stop. Tsching. Tsching. — stop

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bellevue

pic

ulys­ses : 6.08 — Vor Jah­ren ein­mal ent­deck­te ich nach stun­den­lan­ger Suche in den Archi­ven der Baye­ri­schen Staats­bi­blio­thek eine Foto­gra­fie auf einem Mikro­film­strei­fen und ich wuss­te sofort, dass ich die­ses Licht­bild besit­zen muss­te. Ich bat eine Biblio­the­ka­rin, aus dem Mate­ri­al das Bes­te her­aus­zu­ho­len, höchs­te Auf­lö­sung, wes­we­gen ich bald einen klei­nen Sta­pel Papiers ent­ge­gen­neh­men konn­te, den ich im Arbeits­zim­mer an einer Wand zum Bild zurück sor­tier­te, zur Ansicht einer Stra­ße des Jah­res 1934 prä­zi­se, einer Stra­ße nahe des Bel­le­vue Hos­pi­tals zu New York. Stau­bi­ge Bäu­me, eilen­de Men­schen­schat­ten, die Sil­hou­et­te einer alten, in den Kno­chen gebeug­ten Frau, der Wagen eines Eis­ver­käu­fers, ros­ti­ge Hydran­ten, die sprö­de Stein­haut der Stra­ße, zwei Vögel unbe­kann­ter Gat­tung, Spu­ren von Hit­ze, und ich erin­ne­re mich noch gut, dass ich eine Zei­le von links nach rechts auf das Papier notier­te: Die­se Stra­ße könn­te Mal­colm Lowry über­quert haben, an einem Tag viel­leicht, als er sich auf den Weg mach­te, sei­nem Kör­per den Alko­hol zu ent­zie­hen. Und weil ich schon ein­mal damit begon­nen hat­te, das Bild zu ver­fei­nern, zeich­ne­te ich in Wor­ten wei­te­re Sub­stan­zen auf das Papier, Unsicht­ba­res oder Mög­li­ches. Einen Schuh notier­te ich west­wärts: Hier flüch­tet Jan Gabri­el, weil sie Mr. Lowrys Lie­be nicht län­ger glau­ben konn­te. Da lag ein Notiz­buch im Schat­ten eines Bau­mes und ich sag­te: Die­ses Notiz­buch wird Mal­colm Lowry fin­den von Zeit zu Zeit, er wird es auf­he­ben und mit zit­tern­den Hän­den in sei­ne Hosen­ta­sche ste­cken. Schon segel­ten fie­bern­de Wale über den East River, der zwi­schen zwei Häu­sern schim­mer­te, ein Schwarm irrer Bie­nen tropf­te von einer Fens­ter­bank, und da waren noch zwei Mäd­chen, bar­fuß, – oder tru­gen sie doch Strümp­fe, doch Schu­he? — sie spiel­ten Him­mel und Höl­le, ihre fröh­li­chen Stim­men. Ich geste­he, dass Dai­sy und Vio­let nicht damals, son­dern in die­ser letz­ten Stun­de einer hei­te­ren Arbeits­nacht ins Bild gekom­men sind. — stop

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lunar caustic

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whis­key : 6.15 — Hat­te ges­tern Abend gegen 10 Uhr zwei Wör­ter auf ein Blatt Papier geschrie­ben, um sie nicht zu ver­ges­sen: Lunar Cau­st­ic. Jetzt ist die Nacht vor­über und ich habe kei­ne schreib­ba­ren Gedan­ken, weil ich acht Stun­den mit mei­nem Lap­top auf dem war­men, höl­zer­nen Boden mei­nes Arbeits­zim­mers her­um­ge­le­gen habe und nach Spu­ren Mal­colm Lowrys in den Archi­ven der New York Times gesucht. — 6 Uhr. Leich­ter Regen. Tau­beng­rau­blau­er Him­mel. — stop

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